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VORWORT
Die Anfrage des in Appenzell lebenden Ausserrhoders Jakob Schiess, mich als Autor für ein Buch über das von ihm gepflegte Kunsthandwerk des Haarflechtens zu gewinnen, freute mich aus zwei Gründen. Erstens hatten wir uns in den vergangenen Jahren etwas aus den Augen verloren. Zweitens sah ich in einer Zusage die willkommene Gelegenheit, in meinen vor vierzig Jahren an der Universität abgeschlossenen Studienfächern «Neuere deutsche Literatur» und «Dialektologie und Volkskunde der Schweiz» zu forschen.
Meine erste Begegnung mit Jakob Schiess war militärischer Art: Er leistete in der Infanterie-Rekrutenschule 1984 in meiner Kompanie Dienst als Korporal. Richtig kennengelernt habe ich ihn 1985 anlässlich folgender Begebenheit: Meine Kompanie stand in Buttes JU zur Entlassung in den Wochenendurlaub bereit. Da bekam ich von der vorgesetzten Stelle mitgeteilt, dass ich einen Unteroffizier zu stellen hätte, der Soldaten anderer militärischer Einheiten, die übers Wochenende in der Kaserne Kloten Bülach arrestiert werden mussten, dorthin begleiten und betreuen soll. Auf meinen Aufruf meldete sich Jakob Schiess spontan und ersparte mir die unangenehme Aufgabe, jemanden zu bestimmen.
Danach begegneten wir uns in der Migros Teufen, wo er Abteilungsleiter war, später im Konsum Speicher, den er führte. Auf den 1. April 1990 übernahm er zusammen mit seiner Frau Rita einen Lebensmittelladen in Trogen. Sein kunsthandwerkliches Geschick offenbarte sich in seinen dekorativen Käseplatten. Bald einmal zeigte sich unsere gemeinsame Faszination fürs Silvesterklausen – er pflegte den Brauch aktiv, ich beobachtete ihn als Volkskundler.
Im ersten Kapitel versuche ich, mich dem Thema der Haarobjektkunst anzunähern. Dabei bietet sich eine literarhistorische Betrachtung an, um die Bedeutung von Haaren in der Menschheitsgeschichte schlaglichtartig darzustellen.
Das zweite Kapitel ist der Anfertigung von Kunstobjekten aus Menschenhaaren als teileuropäischem Kulturerbe gewidmet. Im Vordergrund stehen die Ausgestaltung diverser Gegenstände sowie die Anfertigung von Schmuck und Zierrat seit dem Ende der Barockzeit.
Es folgt eine Darstellung des Kunsthandwerks im Appenzellerland, die einen international tätig gewesenen, hierzulande bis anhin aber unbekannten Innerrhoder Haarflechter zutage fördert.
Im letzten Kapitel geht es um den Künstler Jakob Schiess und dessen Wirken. Dabei werden auch die einzelnen Schritte vom Haar bis zum fertigen Schmuckstück in Wort und Bild dargestellt. Fotografien von filigran gefertigten Haararbeiten aus Jakob Schiess’ Kunstwerkstätte schliessen das Buch ab.
Orthografie und Interpunktion in Zitaten folgen der neuen Rechtschreibung. Eszett wurden durchgehend durch Doppel-s ersetzt, offenkundige Irrtümer stillschweigend korrigiert.
Teufen, im September 2021 Johannes Schläpfer