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Herausgeberin: Delia Ehrenheim-Schmidt

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Das Urheberrecht an den Textbeiträgen und die Rechte an den Abbildungen liegt bei der Autorin bzw. den Einlieferern.

ISBN 978-3-95954-168-8

Alle Rechte vorbehalten.

Gestaltung: Verlag Jörg Mitzkat

Korrektur: Wortwerkerei, Remo Hug. Uelzen

Verlag Jörg Mitzkat · Allersheimer Str. 45 · 37603 Holzminden · www.mitzkat.de

»Herr Bendow wirkt abendfüllend mit«

Aus dem (Arbeits-)Leben des Einbecker Schauspielers und Komikers

Verlag Jörg Mitzkat Holzminden, 2025

VORWORT

Du wohnst jetzt in der Stadt, aus der dieser Mann stammt, vielleicht interessiert’s dich«: Mit diesen Worten schenkte mir mein Vater eines Tages eine Langspielplatte in einer lila Hülle, von der ein älterer Herr im grauen Anzug seriös blickt – meine erste Bekanntschaft mit Bendow.

Einige Jahre später arbeitete ich in einer Gruppe des Einbecker Geschichtsvereins mit den Vorsitzenden Erich Strauß und Hellmut Hainski, in der es um Recherchen zu Einbecker Persönlichkeiten ging. Mir kam Wilhelm Bendow zu.

Wo anfangen? Dr. Elke Heege, Museumsleiterin und Stadtarchivarin, ließ mich mit dem dort vorhandenen Bendow-Material arbeiten, mit Fotos, Programmen und dem Versuch, rund 300 Fotos zu identifizieren, dafür Danke. Mein größter Dank geht jedoch an Familie Dr. Boden: Frau Barbara Boden (die Witwe des »Lieblingsneffen«), ihr Sohn, Dr. Bernd-Friedrich Boden, und seine Frau, Dr. Dietlind Boden, schenkten mir Vertrauen, Zeit und Geduld und stellten mir Bendow-Material mitsamt weiteren Fotos zur Verfügung (inzwischen im Stadtarchiv).

Sehr interessiert an meiner Arbeit war das Einbecker Ehepaar Lieselotte und Hellmut Hainski; die beiden unterstützten mich auch vor den ersten Vorträgen 2004 in den Geschichtsvereinen Einbeck und später Bad Gandersheim. Drei Zeitungsseiten in der »Einbecker Morgenpost« (gestaltet von Werner Lynack) waren ein weiteres Ergebnis – allen meinen Archiv- und Materialunterstützern sandte ich diese drei Seiten, auch dem Mainzer Kabarettarchiv. Wer nach mir zu Bendow forschte, brauchte also nicht mehr bei null anzufangen. 2009 gab es noch die Wilhelm-Bendow-Schule. Dort hielt ich ebenfalls einen Vortrag, verbunden mit einer Kurzausstellung des Mainzer Kabarettarchivs. 2021 entdeckte Frau Dr. Dietlind Boden weiteres Bendow-Material bei sich – neuer Auftrieb: Ein Materialschatz, u.a. das einzige handschriftliche Dokument von Bendow, in dem er seine Mutter und Einbeck erwähnt, Gesammeltes wie eine Telegramm-Einladung zum Urlaub von Erik Charell und eine Einladung zum Jubiläum von Max Reinhardt, Zeitungsartikel von 1905, aus den Hamburger Jahren bis 1920, zahlreiche Bühnen- und Filmverträge, Sketchentwürfe (auch von Kollegen), Programmhefte – es gab viel zu identifizieren. Aus meinen gesamten Recherchen in rund 25 Jahren entstand nun dieses Buch.

Gewidmet mit sehr großem Dank Familie Dr. Boden

Nachfragen zum Material nur bei der Autorin und dem Stadtarchiv.

Zeichnung Walter Trier aus dem Buch Der Kleine Bendow ist vom Himmel gefallen von Marcellus Schiffer und Wilhelm Bendow, Efra Verlag 1925

BENDOW MITTENMANG DABEI

Hallo, hat Einbeck guten Empfang?

Das ist sehr wichtig, das ist meine Vaterstadt, und da hört Mutti zu.

– Ach, ich will nicht weich werden –Mutti, was machst Du denn mit dem Lautsprecher?

Jetzt spricht sie in den Lautsprecher und denkt, ich höre es.

Nun mal Ruhe. Dein guter Sohn spricht.1

Nicht nur in der Funk-Stunde, hier 1928, konnte man Wilhelm Bendow so hören (sofern denn Rundfunkgeräte vorhanden waren) – man konnte ihn sogar bei Auslands-Gastspielen, wie dem mit der »Wilden Bühne« im April 1922 in Kopenhagen, erleben. Der Schauspieler und Komiker war in jenen Jahren auf dem Höhepunkt seiner Popularität und im ganzen Land bekannt durch Theater, Kabarett, Revuen, Herrenmodenschauen im KaDeWe, Hausfrauennachmittage, bunte Abende, Conférencen bei der größten Silvesterfeier Berlins, im Sportpalast 1929, beim Ball der Tierärztlichen Hochschule2 und einer Tagung von 1500 Elektrolux-Mitarbeitern.3 Bekannt durch sein Buch mit Marcellus Schiffer, seinen Rennbahnsketch mit Paul Morgan auf Parlophon-Schallplatte, Stumm- und Tonfilme, Werbung für Brillantine, Teilnahme an Prominenten-Schaukochen, seine eigenen Kabaretts »Tü-Tü« und später »Bendows Bunte Bühne« – und ganz einfach durch seine Art. Die Presse tat ein Übriges. Berlin allein hatte 1928 147 Tages- und Wochenzeitungen.4

Werbung mit Bendow: »Sind’s die Haare, denk dran: Schiele stets nach Bubisan!«

RUNDFUNK

Nicht jeder ist eben ein Rundfunksprecher wie Bendow, der schon durch die Art, wie er sich bei seinen Hörern einführt, fasziniert«, lobt ihn die Presse.1 Stimme und Artikulation sind für den Rundfunk geeignet. Doch seine Anfangsschwierigkeiten hat Bendow in einem Text auch kundgetan:2 »Überhaupt ist es schlimm für einen Komiker am Mikrophon. Das erste Mal, als ich im Radio gesprochen habe, habe ich nach jedem sogenannten Witz eine Pause gemacht und gehorcht, ob jemand gelacht hat – Schweiß gebadet stand ich zum Schluß auf und sagte ganz gebrochen zu Alfred (Braun): Gott bin ich abgestunken. Kein Mensch hat gelacht!«

Bei der Berliner Funk-Stunde, Welle 484, leitet die Schauspiel-Abteilung, zu der auch die Rezitation und die Jugendbühne gehören, Alfred Braun (1888-1978).3 Allein bei den Herren werden hier 1929 über 80 Mitwirkende genannt. Neben Bendow, Max Ehrlich und Paul Morgan sind auch Größen wie Eugen Burg (Vater von Hans Albers’ Lebensgefährtin Hansi), Heinrich George, Curt Goetz, Kurt Gerron, Max Hansen und Otto Reutter dabei.4 1929 zählt man drei Millionen Rundfunkteilnehmer.5

Paul Morgan ist ebenfalls ein gern und oft gehörter Rundfunksprecher. Ein Verzeichnis aus dem Rundfunkarchiv6 nennt für Paul Morgan vom 30. November 1924 bis zum 8. Dezember 1932 zahllose Rundfunkauftritte – zahllos deshalb, weil er manche Sendungen in der Funkstunde wie »15 Ufa-Minuten« vom 9. April bis zum 4. Juni 1925 wöchentlich gestaltete. Ebenso regelmäßig war er mit Max Hansen zu hören: »Max und Paul. Ein Opti- und ein Pessimist«, zum Beispiel 15 Mal vom 21. März 1926 bis zum 20. März 1927. Sechs Schreibmaschinenseiten eines Sketch-Dialogs, leider ohne Anfang, zwischen »Max« und »Paul«, bei dem es am Schluss heißt: »Auf Wiederhören«, finden sich auch in Bendows Nachlass.7 Es ist wieder ein Gegensatz-Dialog, so wie auch mit Morgan und Bendow in »Mies und Munter« oder eben im Rennbahnsketch mit dem Laien und dem Experten. Hier ist Hansen der Optimist, der sich den Frühjahrsanzug bestellt, Jackett und Hose sollen in einer Woche fertig sein, »Weste und Rechnung haben noch Zeit«. Morgan hat nichts übrig für »neue Kostümierung« und lässt seinen »Paletot jetzt zum dritten Male wenden«. Weiter geht der Dialog über das, was allgemein interessiert: Liebe, Frauen, Bubikopf, neues Dienstmädchen und Essen.

Morgans Werbung

Werbung machte Morgan auch, unter anderem für Dornbusch-Herrenwäsche: »Mayer heiratet« am 6. Februar 1927 sowie für die Schuhfirma Tack, mal solo – »Man schiebt mir manches in die Schuhe« – am 18. November 1928 sowie am 2. Dezember 1928 mit Max Hansen und am 16. Dezember 1928 mit Claire Waldoff. Anekdoten-Plaudereien und eine Lesung aus seinem Buch »Stiefkind der Grazien« sind ebenfalls zu hören. In der Haller-Revue »An und Aus« im Admiralspalast wirkt er mit. Die Funk-Stunde überträgt die Revue am 23. November 1926 von 20.15 bis 23 Uhr – sicher auch für die Zuhörer eine Herausforderung.

Von Veranstaltungen wie dem »Wohltätigkeitstee der Berufsvereinigung

Deutscher Flugzeugführer, übertragen aus dem Kaisersaal im Zoo«, berichtet er ebenfalls (3. Mai 1932). Mit Kurt Robitschek hat Morgan das Witzbuch »Die einsame Träne« verfasst. Daraus erzählt Robitschek am 5. November 1924 »Schnurren und Anekdoten«.8

Bendow im Rundfunkarchiv

In dem Buch des Rundfunkarchivs tauchen die Namen Wilhelm Bendow und Max Ehrlich nicht auf, Marcellus Schiffer wird nur im Zusammenhang mit Kurt Robitschek und der Übertragung der »Operngroteske: Rufen Sie Herrn Plim« am 14. April 1932 von 22.30 bis 0 Uhr genannt.

Zu Bendow nennt das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) rund 30 Aufnahmen.9 Es sind jedoch weniger, denn manche Sketche werden mehrfach genannt, entweder wegen unterschiedlicher Länge, unterschiedlicher Tonträger, im Zusammenhang mit einer weiteren Sendung oder weil sich ein Fehler eingeschlichen hat: Einen Sketch »Auf der Reeperbahn« mit Bendow und Franz-Otto Krüger gibt es nicht. »Ganz generell müssen wir leider konstatieren, dass die Informationsquellen zum Rundfunk in der Kriegszeit außerordentlich dürftig sind, mit Beginn des 2. Weltkriegs wurden viele Rundfunkzeitschriften eingestellt und auch der Archivkatalog der RRG (Reichs-Rundfunk-Gesellschaft) endet etwa Ende 1939.«10

Hier einige Beispiele zu den Aufnahmen mit Bendow:

Am 23.4.1926 natürlich »Auf der Rennbahn«.

8.10.1926: »Prosit Neujahr!« mit Bendow/Morgan: »Das alte Jahr war mies – das neue wird noch mieser. Pleiten, miese Pleiten, wo man hinsieht, wo man hinhört …«

1929: »In der Oper« mit Bendow/Morgan.

1929: »Silvesterfeier« mit Bendow/Max Ehrlich: »… ein Hauch Wahrheit (in Form eines Liedes): ›Man ist von Kopf bis Fuß auf Dalles11 eingestellt / Und fast die ganze Welt / Lebt auf Kredit …‹«.

16.8.1929: »Mies und Munter im Theater« mit Bendow/Morgan: »… Das Stück verletzt mein öffentliches Ärgernis …« Aufnahme erneut am

15.9.1936, nun mit Bendow/Bruno Fritz.

11.4.1930: »Faust in der Garderobe« mit Bendow/Morgan: »… Ich habe Kainz als Mephisto gesehen, ich habe Matkowsky gesehen und Kortner, aber so wie Sie hat noch keiner geschwitzt …«12

März 1931: »Achtung, Tonfilmaufnahme oder Wilhelm Bendow im Löwenkäfig« mit Bendow/Morgan.

28.5.1932: »Nur nicht unterkriegen lassen«, Musik von Willy Rosen13, Text Morgan, mit Bendow/Morgan: »… minus null heut zu besitzen, ist das Sicherste der Welt …«

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