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Pluvicto® – die erste

Radioligandentherapie für das

PSMA-positive, metastasierte, kastrationsresistente Prostatakarzinom

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Indiziert ist (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan in Kombination mit der Androgendeprivationstherapie (ADT) mit oder ohne Inhibition des Androgenrezeptor-(AR-) Signalwegs zur Therapie erwachsener Patienten mit progredientem PSMA-positivem mCRPC, die zuvor mittels Inhibition des AR-Signalwegs und taxanbasierter Chemotherapie behandelt wurden [6]. Damit steht die Radioligandentherapie erstmals als zugelassene Therapieoption für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom zur Verfügung.

Neben (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan wurde auch für Gallium-

(68Ga-)Gozetotid (Locametz®), einem Tracer für die PET zum Nachweis PSMA-positiver Zellen, die Zulassung erteilt. Das Diagnostikum Gallium-(68Ga-)Gozetotid ist nach Radiomarkierung mit Gallium-68 angezeigt für die Detektion von PSMA-positiven Läsionen durch PET bei Erwachsenen mit Prostatakrebs (PCa) in den folgenden klinischen Situationen [7]:

• Primäres Staging von Patienten mit Hochrisiko-PCa vor der initialen kurativen Therapie

• Verdacht auf ein PCa-Rezidiv bei Patienten mit steigendem Spiegel des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Se-

Das „theragnostische“ Wirkstoffpaar Pluvicto® und Locametz® rum nach einer initialen kurativen Therapie

Bei (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan (Pluvicto®) handelt es sich um eine Präzisionskrebsbehandlung, bei der ein zielgerichteter Wirkstoff (Ligand) mit einem therapeutischen Radioisotop (177LU) kombiniert wird. Nach der Verabreichung in die Blutbahn bindet der Ligand an die Zielzellen, einschließlich Prostatakrebszellen, die das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA), ein Transmembranprotein, exprimieren. Die vom Radioisotop bei dessen Zerfall emittierte Beta-Minus-Strahlung führt an den Zielzellen sowie an umliegenden Zellen zu DNA-Schäden, die zum Zelltod führen können [6].

Gallium-(68Ga-)Gozetotid (Locametz®) ist ein Diagnostik-Kit für radiopharmazeutische Injektionspräparate. Es besteht aus einem Liganden sowie einem Tracer für die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zum Nachweis PSMA-positiver Zellen [7].

• Identifizierung von Patienten mit einem PSMA-positiven, progredienten mCRPC, bei denen eine auf PSMA abzielende Therapie angezeigt ist

Vergleich mit bestmöglicher Standardversorgung

Die EU-Zulassung von Pluvicto® basiert vor allem auf den Ergebnissen der prospektiven, randomisierten, offenen Phase-III-Studie VISION [8], die die Wirksamkeit und Sicherheit von (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan untersuchte. Eingeschlossen wurden 831 Patienten mit PSMA-positivem mCRPC, die mindestens einen Inhibitor des Androgenrezeptor-Signalwegs und 1 oder 2 Taxan-basierte Chemotherapien erhalten hatten. Die Studienteilnehmer wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert und erhielten entweder Pluvicto® (7,4 GBq, verabreicht als intravenöse Infusion alle 6 Wochen über maximal 6 Zyklen) plus eine vom Prüfarzt gewählte bestmögliche Standardversorgung (BSoC) (Prüfgruppe, n = 551) oder BSoC alleine (Kontrollgruppe, n = 280). Zur Aufrechterhaltung des Kastrationsstatus bekamen alle Patienten weiterhin ein GnRH-Analogon oder hatten sich zuvor einer bilateralen Orchiektomie unterzogen. Als primäre Wirksamkeitsendpunkte wurden das Gesamtüberleben (overall survival, OS) und das radiographische progressionsfreie Überleben (radiographic progressionfree survival, rPFS) definiert. Die finalen Analysen von OS und rPFS waren ereignisgesteuert und wurden durchgeführt, nachdem 530 Todesfälle bzw. 347 Ereignisse aufgetreten waren [8].

Signifikante Verbesserung des Gesamt- und des progressionsfreien Überlebens

Die Daten zeigen, dass die PSMApositiven mCRPC-Patienten, die mit Pluvicto® plus bestmöglicher Standardversorgung (BSoC) behandelt wurden, ein besseres Gesamtüberleben hatten als unter BSoC allein (p<0,001) [8]. Bei den Patienten in der Prüfgruppe sank das Sterberisiko um 38 % und das Risiko einer radiografischen Krankheitsprogression oder des Todes (rPFS) war statistisch signifikant geringer als bei den Kontrollen mit BSoC allein (p<0,001) [8]. Darüber hinaus zeigte etwa ein Drittel (30 %) der Patienten mit auswertbarer Erkrankung bei Studienbeginn ein Gesamtansprechen (gemäß RECIST 1.1) auf Pluvicto® plus BSoC, verglichen mit 2 % in der Kontrollgruppe mit BSoC-Alleinbehandlung [8].

Angesichts der positiven Studienergebnisse wurden weitere PhaseIII-Studien zur Untersuchung von Pluvicto® für die Behandlung früherer Stadien von metastasiertem Prostatakrebs initiiert.

Brigitte Söllner, Erlangen

Deutscher Krebskongress 2022: Merck unterstreicht mit umfangreichem Portfolio

Therapie onkologischer Erkrankungen

Vom 13. bis 16. November 2022 fand der 35. Deutsche Krebskongress (DKK) in Berlin statt. Auf dem Kongress wurden in 2 Symposien von Merck und einem Symposium der Merck-Pfizer-Allianz aktuelle Forschungsergebnisse aus dem innovativen Onkologie-Portfolio vorgestellt.

Fortgeschrittenes

Urothelkarzinom:

Erstlinien-Erhaltungstherapie mit Avelumab

Literatur

1 Hupe MC et al. Front Oncol 2018;8:623

2 Bostwick DG et al. 1998;82:2256-2261

3 Minner S et al. Prostate 2011;71:281-288

4 Hope TA et al. J Nucl Med 2017;58: 1956-1961

5 Hofman MS et al. Lancet Oncol 2018;19: 825-833

6 Fachinformation Pluvicto®; Stand: Dezember 2022

7 Fachinformation Locametz®; Stand: Dezember 2022

8 Sartor Oet al. N Engl J Med 2021;385: 1091-1103

Auf einem Symposium der MerckPfizer-Allianz diskutierte unter anderem Professor Thomas Powles, London, die aktuelle Studienlage und Entwicklungen zur Behandlung des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms (UC). „Um die aggressive Erkrankung zu kontrollieren, ist für betroffene Patienten die Erstlinien-Erhaltungstherapie mit dem PD-L1-Inhibitor Avelumab (Bavenico®) als leitliniengerechter Therapiestandard, zusammen mit einer platinbasierten Chemotherapie, die angemessene Wahl“, so Powles. Eine Immuntherapie ist in der Erstlinie in der Regel nicht wirksam und für eine Zweitlinie, bei der eine Immuntherapie zum Einsatz kommen könnte, ist es für Betroffene normalerweise zu spät. Nur etwa ein Drittel der Patienten erhält eine Zweitlinienbehandlung. Die Induktion mit einer Chemothe- rapie ist bei Patienten ohne Krankheitsprogression der Standard. Insgesamt kommen ca. 90 % der Patienten für eine platinbasierte Chemotherapie infrage. Langzeitdaten der randomisierten, offenen Phase-III-Multizenterstudie JAVELIN Bladder 100 zeigen in einem medianen Follow-up von ≥38 Monaten (Datenschnitt 04.06.2021) ein verbessertes Gesamtüberleben (median 23,8 versus 15,0 Monate; HR: 0,76; p = 0,0036) unter der ErstlinienErhaltungstherapie mit Avelumab (plus Best Supportive Care, BSC) im Vergleich zur alleinigen BSC. Dies war unabhängig von Art und Dauer der Erstlinien-Chemotherapie. Der Einfluss auf die Lebensqualität in beiden Behandlungsarmen war dabei vergleichbar.

NSCLC mit METex14Skipping-Mutationen: Zielgerichtete Therapie mit Tepotinib

Der Stratifizierung von Patientengruppen kommt auch in der Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC eine hohe Bedeutung zu. Neben Biomarkern wie PD-L1 ist die Identifikation onkogener Treiber-Mutationen sehr relevant – etwa Mutationen im MET-Gen, die zum Verlust eines Genabschnitts – des Exons 14 – führen, sog. METex14-Skipping-Mutationen. Diese Mutationen im METGen können über RNA- und/oder DNA-basierte Assays an Gewebeoder Flüssigbiopsien nachgewiesen werden. „Die RNA-basierte Testung ist speziell für den Nachweis der METex14-SkippingMutationen sensitiver als DNAbasierte Testverfahren“, erläuterte Dr. Florian Länger, Hannover. Die Ergebnisse der VISION-

Studie untermauern die klinische Wirksamkeit einer zielgerichteten Therapie mit dem oralen METInhibitor Tepotinib (Tepmetko®) bei vorbehandelten Patienten mit METex14-Skipping-Mutation: So zeigten 49,5 % (95%-KI: 39,2 – 59,8) der vorbehandelten Patienten mit Gewebebiopsie ein objektives Ansprechen. Das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 11,5 Monaten (95%KI: 8,2 – 16,8), das mediane OS bei 20,4 Monaten (95%-KI: 17,0 – 26,8).

„Ich möchte noch einmal motivieren, breit zu testen“, appellierte Professor Michael Thomas, Heidelberg, in seinem Vortrag und betonte, dass es im Anschluss vor allem auch darum gehe, gutes Therapiemanagement zu betreiben und Nebenwirkungen zu minimieren. Bei ihrer Schilderung von praktischen Erfahrungen mit MET-Inhibitoren betonte Anna Eisert, Köln, dass es wichtig sei, Patienten im Vorfeld bereits über möglicherweise zu erwartende Nebenwirkungen zu informieren und geeignete Maßnahmen, etwa eine Lymphdrainage zur Ödem-Behandlung, frühzeitig in Betracht zu ziehen.

Kopf-Hals-Tumoren: Bessere Verträglichkeit mit dem TPEx-Schema

Patienten mit rezidivierten/metastasierten Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich (r/m SCCHN) können in der palliativen Behandlungssituation durch ein adaptiertes Schema mit Cetuximab (Erbitux®) hinsichtlich Verträglichkeit profitieren. In Kombination mit einer platinbasierten Erstlinientherapie zeigte Cetuximab sowohl im EXTREME-Schema* als auch im TPEx**, ***-Schema hohe Ansprechraten und ein langes progressionsfreies Überleben. „Mit weniger Toxizität erreichen wir nominal das Gleiche“, berichtete PD Dr. Philipp Ivanyi, Hannover, im Zusammenhang mit dem TPEx***-Schema. Die Sequenz von TPEx in der Erstlinie, gefolgt von einer Immuntherapie in der Zweitlinie führte in der multinationalen Phase-II-Studie TPExtreme zu einem medianen Gesamtüberleben von 21,9 Monaten (95%-KI: 15,9 – 35,0).

Die Möglichkeiten zur Deeskalierung der Therapie bei lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren werden weiter untersucht. Neben Daten zu Untersuchungen aus Immuntherapie und regionaler Strahlentherapie, die bislang laut Professor Rainer Fietkau, Erlangen, enttäuschen, wurde auch eine Reduktion des Bestrahlungsvolumens im Lymphabflussgebiet angesprochen.

Aktuell laufen Studien, um mit neuen Wirkungsmechanismen die Situation der Patienten zu verbessern.

* EXTREME = 6 Zyklen Carbo-/Cisplatin, 5-Fluorouracil, Cetuximab

** TPEx = 4 Zyklen Docetaxel, Cisplatin, Cetuximab

*** Cetuximab ist indiziert für eine Behandlung von r/m SCCHN mit einer platinbasierten Chemotherapie.

Nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM)

Therapie von NTMLungenerkrankungen auf dem Prüfstand:

Die Versorgung von Lungenerkrankungen, die durch nichttuberkulöse Mykobakterien hervorgerufen werden (NTM-LD), erfolgt am besten interdisziplinär und gut vernetzt. So lautete das Fazit eines Symposiums von Insmed anlässlich des DGP-Kongresses in Leipzig. „Lungenerkrankungen aufgrund von NTM müssen immer ernst genommen werden, denn die Mortalität ist hoch“, betonte Professor Claus F. Vogelmeier, Marburg. Allerdings ist die Versorgung in Deutschland nicht ausreichend, wie Professor Roland Diel, Großhansdorf, anmahnte. Denn nur ein Fünftel der Patienten erhält aktuell eine leitliniengerechte Behandlung. Dringend geboten ist außerdem die enge Zusammenarbeit aller an Diagnose und Therapie beteiligten Ärzte. Daher haben Experten ein sektorenübergreifendes Versorgungskonzept verfasst, das Professor Christian Taube aus Essen vorstellte.

Zahlreiche Risikofaktoren

erhöhen die Mortalität

Die Risikofaktoren für die Erkrankung sind vielseitig: Mit einer Risikosteigerung um den Faktor 44,0 – 187,5 stehen Bronchiektasen weit an erster Stelle, für COPD betragen die Werte 2,0 – 10,0. Auch ein höheres Lebensalter begünstigt eine NTM-LD. Die durchschnittliche 5-Jahres-Gesamtmortalität beträgt 27 % wobei es prognostisch einen engen Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Lungenerkrankung gibt.

Kongresse

Das höchste Sterberisiko besteht bei den Kombinationen aus COPD + NTM-LD (41,5 %) und MAC + Emphysem (36 %). MAC steht für die Erreger aus dem Mycobacterium-avium-Komplex, die in Deutschland bei NTM-LD am häufigsten isoliert werden.

„Der Weg bis zur Diagnose NTMLD ist meist lang“, berichtete Vogelmeier. „Symptome wie anhaltender Husten sind unspezifisch und die Ärzte müssten überhaupt erst einmal an eine mögliche NTM-LD denken.“

Inhalatives liposomales Amikacin bei ausbleibender Sputumkonversion

Die aktuellen internationalen NTM-Leitlinien empfehlen, die antibiotische Therapie frühzeitig zu beginnen. Jedoch führt die initiale Antibiotika-Kombination nicht immer zum Erfolg. Als refraktär gelten Patienten, wenn nach 6 Monaten initialer Therapie eine Sputumkonversion ausbleibt. Die Leitlinie empfiehlt dann, zusätzlich liposomales Amikacin zur Inhalation (ALIS, Arikayce® liposomal) einzusetzen.

Arikayce® liposomal ist zugelassen zur Behandlung von Lungeninfektionen aufgrund von MAC, bei Erwachsenen mit begrenzten Behandlungsoptionen, die keine zystische Fibrose haben.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von ALIS wurden in der CONVERT-Studie nachgewiesen: Bei 29 % der zuvor therapierefraktären Patienten kam es mit Arikayce® liposomal plus leitliniengerechter Therapie bis Monat 6 zu einer Sputumkonversion. In der Vergleichsgruppe mit initialer Therapie allein waren es 9 %.

Arikayce® liposomal

Arikayce® liposomal ist eine inhalative liposomale Formulierung von Amikacin, einem etablierten antimykobakteriellen Therapeutikum, das bislang intravenös verabreicht wurde. Liposomales Amikacin ist im Gegensatz zu i.v. appliziertem Amikacin in der Lage, in MAC-Biofilme und pulmonale Makrophagen einzudringen. Arikayce® liposomal wird einmal täglich mittels des Lamira® Inhalationssystems inhaliert.

Die Versorgungssituation bei NTM-LD in Deutschland

Die Fallzahlen von NTM-LD haben sich nach Schätzung von Dr. Harald Hoffmann, München, in den letzten Jahren in Deutschland etwa auf dem Niveau der Tuberkulose von 2020 eingependelt. „Voraussetzung für eine leitliniengerechte und wirksame Antibiose ist eine Empfindlichkeitstestung der Erreger“, betonte Hoffmann und ergänzte: „Dieses Verfahren ist in Deutschland aktuell jedoch stark unterrepräsentiert.“ Weitere Daten zur aktuellen NTM-LD-Versorgung in Deutschland berichtete Diel: „50 % der NTM-LD-Patienten werden überhaupt nicht behandelt, nur 8 % werden länger als 18 Monate therapiert.“ In der Praxis wäre dies aber in weit mehr Fällen nötig. Bei Hausärzten – häufig „die Türöffner der Therapie“ – liegt die durchschnittliche Behandlungsdauer bei 4 Monaten, doch auch bei Pneumologen sind es lediglich 8 Monate. Der Anteil an Patienten mit einer leitliniengerechten Therapie nimmt gegen Behandlungsende weiter ab und liegt bei

Pneumologen unter 20 % und bei Hausärzten im Bereich von 2 %. Mikrobiologische Nachuntersuchungen gibt es laut Diel ebenfalls zu selten. Daher besteht dringender Handlungsbedarf. Nötig ist zuallererst ein besserer Informationsfluss.

Die Versorgung neu aufstellen: Zentren wo nötig, so viel Facharzt wie möglich

Den Weg in eine bessere Versorgung weisen möchte ein Expertengremium mit einem neuen Konzept. Mitautor Taube erläuterte die wesentlichen Ansätze. Das Versorgungskonzept ist interdisziplinär und transsektoral. Es gelte, klare Fallidentifikationskriterien und Überweisungsstrukturen sowie NTM-Kompetenzzentren zu etablieren. „Wir brauchen eine bessere Diagnosequalität sowie eine frühere leitliniengerechte Einleitung, Überwachung und Steuerung der Therapie“, sagte der Pneumologe. Hausärzte müssten wissen, wann sie „hellhörig“ werden und bei unspezifischen Symptomen einen Verdacht auf NTM-LD hegen sollten. „Chronisch persistierender Husten plus Atemnot, Bluthusten oder begleitende Lungenerkrankungen rechtfertigen eine Überweisung zum Pneumologen. Dieser hat die zentrale Rolle und muss entscheiden, ob er den Patienten allein versorgt oder zur Rücksprache ein NTM-Kompetenzzentrum einbindet“, erläuterte Taube. Die Zentren sollen Hilfestellung geben und ihr gebündeltes Expertenwissen in die regelhafte ambulante Versorgung transferieren. „Zentren wo nötig, so viel Facharzt wie möglich“ ist für Taube ein zentraler Punkt. Die Organisation eines Zentrums ist dabei egal, es kann

Kongresse

auch eine Hochschulambulanz sein. Wichtig sind eine enge Vernetzung mit anderen Zentren und eine Versorgung strikt gemäß den geltenden Leitlinien. Auch sollte eine Thoraxchirurgie vorhanden sein und das Kompetenzzentrum sollte mit regionalen Rehazentren und Patientenorganisationen zusammenarbeiten. „Künftig muss eine wohnortnahe, bestmögliche Versorgung von Patienten mit NTM-Lungenerkrankung gewährleistet sein“, betonte Taube abschließend.

Hoher Leidensdruck bei besonderen Lokalisationen

Management von PsoriasisPatienten mit besonderen Manifestationen

Über die Hälfte <der PsoriasisPatienten mit Hautläsionen an besonderen Lokalisationen wie Gesicht, Kopfhaut, Handflächen und/ oder Fußsohlen, Nägeln oder Genitalien stufen ihre Erkrankung als moderat oder schwer ein. Zudem fühlen sie sich stärker in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt als Betroffene ohne diese Manifestationen. Dies legt nahe, dass Patienten mit besonderen Manifestationen eine intensivere Beobachtung und möglicherweise auch eine Intensivierung ihrer Therapie benötigen.

Führt eine erste systemische Therapie dann nicht zum gewünschten Erfolg, kann eine frühzeitige Umstellung auf den oralen Phosphodiesterase 4 (PDE 4)-Inhibitor Apremilast (Otezla®) zielführend sein, wie auf dem von Amgen veranstalteten Symposium „Individualisierte Psoriasis-Therapie in der Praxis“ anlässlich der FOBI 2022 dargelegt wurde.

Dass der Befall besonderer Lokalisationen die Lebensqualität der Patienten enorm beeinträchtigt, verdeutlichte PD Dr. Dr. Felix Lauffer, München, anhand aktueller Umfrage-Ergebnisse aus der UPLIFT-Studie zur Versorgungssituation und Wahrnehmung von Patienten mit Psoriasis (PsO) oder Psoriasis-Arthritis (PsA) in Nordamerika, Europa und Japan. Die Teilnehmer der Online-Umfrage (2.3.2020 bis 3.6.2020) wurden nach dem Zufallsprinzip rekrutiert. Bei der Auswertung wurden die Antworten von 3.806 Patienten berücksichtigt, bei denen zu 67 % eine PsO, zu 28 % sowohl eine PsO als auch eine PsA und zu 5 % ausschließlich eine PsA diagnostiziert wurde. Bei 78 % der Patienten war die Hautbeteiligung auf eine Fläche begrenzt, die ≤3 Handflächen entspricht. Etwa 90 % der Befragten berichteten von typischen Symptomen der Haut wie Juckreiz, Rötung und Schuppenbildung. Auch wenn keine PsA diagnostiziert worden war, gaben 63 % muskuloskelettale Symptom an, die auf eine PsA hindeuteten.

„In der PsO-Kohorte hatten 53,5 % der befragten Teilnehmer Läsionen an der Kopfhaut, gefolgt von Gesicht (28,2%), Handflächen (17,2 %), Nägeln (16,7 %), Fußsohlen (13,2 %) und Genitalbereich (12,3 %), berichtete Lauffer. Von diesen Patienten mit mindestens einer besonderen Manifestation und ansonsten begrenzter Hautbeteiligung stuften 60 % ihre aktuelle Erkrankungssituation als moderat oder schwer ein. So war beispielsweise der Anteil von Patienten mit mindestens moderater Auswirkung auf die Lebensqualität (DLQI ≥6) bei mindestens einer besonderen Lokalisation größer als ohne. Bei Patienten mit Gesichtsbeteiligung war der Leidensdruck am größten. „Diese Ergebnisse unterstreichen den starken Einfluss besonderer Lokalisationen auf die Lebensqualität und die hohe Krankheitslast“, schlussfolgerte Lauffer.

Ein weiteres Ergebnis der UPLIFTBefragung war, dass topische Therapieoptionen besonders bei Anwendung im Bereich der behaarten Kopfhaut und im Gesicht von den PsO-Patienten als belastend empfunden werden. Außerdem führen topische Therapien an besonderen Lokalisationen nach der Erfahrung von Lauffer oft zu keiner zufriedenstellenden Krankheitskontrolle.

Upgrade-Kriterien gut dokumentieren

Zur Optimierung dieser Behandlungssituationen empfahl der Experte, in der dermatologischen Sprechstunde ein Augenmerk auf Patienten mit besonderen Lokalisationen zu richten und regelmäßig zu prüfen, inwiefern das Ansetzen von Upgrade-Kriterien gerechtfertigt ist.

„Diese Kriterien ermöglichen den Einsatz von Systemtherapien bei Befall besonderer Lokalisationen und stark eingeschränkter Lebensqualität (DLQI >10) unabhängig vom absoluten PASI“, erläuterte Lauffer. Die jeweiligen UpgradeKriterien sollten immer gut dokumentiert werden. So kann die dokumentierte Erfassung des DLQI z.B. mit einer Fotodokumentation des Befundes zu Baseline und im weiteren Therapieverlauf (z.B. bei Nagelbeteiligung) sinnvoll ergänzt werden.

Apremilast bei belastenden Psoriasis-Symptomen und -Lokalisationen

Bei der Wahl einer geeigneten systemischen Therapieoption sollten immer die Patientenwünsche, die Komorbiditäten und das jeweilige Nebenwirkungsprofil berücksichtigt werden, riet Lauffer. Als eine Therapieoption bei besonderen Psoriasis-Manifestationen und einem PASI unter 10 empfahl der Experte Apremilast (Otezla® , 30 mg, 2 × tgl.), insbesondere auch dann, wenn Methotrexat oder Fumarsäureester zuvor nicht vertragen wurden.

Dass Apremilast eine gute Option ist, belegen Daten aus dem deutschen Versorgungsalltag: In der LAPIS-PSO-Studie erreichten 35,6 % (n = 42/118) der Patienten mit Nagelbeteiligung zu Studienbeginn nach etwa 13 Monaten Behandlung mit Apremilast einen tNAPSI-Score von 0 (Nail Psoriasis Severity Index in the target [worst] nail). Von den Patienten mit Kopfhautbeteiligung erreichten 54,7 % (n = 111/203) unter Apremilast einen scalp PGA (Physician’s Global Assessment) von 0 und von den Patienten mit palmoplantarer Beteiligung erreichten 71,6 % (n = 48/67) einen PPPGA-Score (PPPGA, Palmoplantar Psoriasis Physician’s Global Assessment) von 1 bei der letzten dokumentierten Visite in Monat 13.

Frühe antiinflammatorische Interventionen zeigen höchste Effektivität

Professor Lars E. French, München, erinnerte daran, dass Psoriasis vulgaris eine komplexe System- erkrankung ist, die bei schweren Verlaufsformen mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität (z.B. 4-fach erhöhtes Risiko für Herzinfarkte) und Komorbidität assoziiert ist.

Zu den häufigen Begleiterkrankungen zählen z.B. das metabolische Syndrom, Fettstoffwechselstörungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, psychologische Erkrankungen sowie PsA. Eine zunehmende Evidenz deutet darauf hin, dass frühe therapeutische Strategien zur Verringerung systemischer Entzündungen bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis Vorteile gegenüber späteren Interventionen bieten können.

In frühen Krankheitsphasen sollte das Zeitfenster genutzt werden, um den Krankheitsverlauf langfristig zu modifizieren und weiteren Organschäden vorzubeugen. Ein Beispiel dafür ist laut French der frühe Einsatz von systemischen Therapieoptionen wie Apremilast bei PsO-Patienten mit oligoartikulären oder leichteren Formen der Polyarthritis und moderater Krankheitsaktivität.

Apremilast ist ein intrazellulärer Immunmodulator, der die systemischen Spiegel mehrerer pathogener Zytokine wie beispielsweise TNFalpha, Interleukin (IL)-17 und IL23 reduziert.

„Der PDE 4-Inhibitor ist eine wirksame orale Therapieoption auch bei Komorbidität. Vor allem PsA-Patienten sprechen schnell und effektiv auf eine Therapie mit Apremilast an“, so die Erfahrung von French.

Tofacitinib bei RA, JIA und AS:

Aktuelle Daten und Therapieerfahrungen

Nach 10 Jahren weltweiter Marktpräsenz – die Zulassung für die Indikation rheumatoide Arthritis (RA) erfolgte 2012 in den USA –liegen für den Januskinase-Inhibitor (JAKi) Tofacitinib (Xeljanz®) umfangreiche Erfahrungen vor. Mittlerweile ist Tofacitinib in 5 Indikationen zugelassen. Im Rahmen von 2 Symposien anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) diskutierten Experten aktuelle Themen zu Tofacitinib bei RA.

Neue Daten aus dem RABBIT-Register bei RA

Daten zu Sicherheitsaspekten haben für die Therapieentscheidung einen hohen Stellenwert. In diesem Kontext bieten RealWorld-Daten (RWD) eine wichtige Ergänzung zu randomisierten klinischen Studien, da sie aufgrund des breiten Patientenklientels den Praxisalltag besser abbilden, erläuterte Frau Professor Anja Strangfeld, Berlin, auf dem Symposium „Patientenorientierte Therapieentscheidung“. Im deutschen RABBIT (Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie)-Register werden seit Zulassung auch zielgerichtete krankheitsmodifizierende Antirheumatika (tsDMARDs; zur Nomenklatur der DMARDs siehe Insert) – die JAKi – erfasst. In der Studie ORAL Surveillance war bei einer Hochrisikopopulation mit RA ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) unter Tofacitinib versus

Klassifizierung der krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs)

• synthetische DMARDs (sDMARDs)

 konventionelle synthetische und zielgerichtete synthetische DMARDs (csDMARDs bzw. tsDMARDs)

– csDMARDs sind die traditionellen Medikamente (wie Methotrexat, Sulfasalazin, Leflunomid, Hydroxychloroquin, Goldsalze)

– tsDMARDs sind Medikamente, die entwickelt wurden, um auf eine bestimmte molekulare Struktur abzuzielen

• biologische DMARDs (bDMARDs), die weiter unterteilt werden in Original- und Biosimilar-DMARDs (boDMARDs und bsDMARDs)

 bsDMARDs haben die gleiche Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur wie ein Original (boDMARD) und besitzen eine ähnliche Wirksamkeit und Sicherheit wie das Originalprotein

Tumornekrosefaktor-alpha-Inhibitoren (TNFi) beobachtet worden. Die Daten aus dem RABBIT-Register zu kardiovaskulären (CV) Ereignissen unter JAKi wurden daher mit Spannung erwartet – und sie zeigten keine Hinweise auf ein erhöhtes MACE-Risiko.

Betrachtet wurden Patienten, die zwischen 1/2017 und 4/2021 eine Therapie mit einem JAKi (n = 2.030), einem TNFi (n = 2.338) und einem csDMARD (n = 871) begonnen hatten. Zusätzlich wurden –ähnlich wie in ORAL Surveillance – Patienten mit einem erhöhten CVRisiko definiert. In der Gesamtkohorte zeigte sich kein Unterschied zwischen den 3 Therapiegruppen. Auch bei der Gruppe mit erhöhtem CV-Risiko ergab sich kein signifikanter Unterschied.

„Venöse Thromboembolien (VTE) kommen bei Patienten mit RA weitaus häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung“, berichtete Strangfeld. Daten des US-amerikanischen CorEvitas-Registers zeigten keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich VTE bei Tofacitinib versus biologische (b) DMARDs – sowohl bei Patienten mit CV-Risikofaktoren als auch ohne. Anhand der RABBIT-Daten konnte gezeigt werden, dass höheres Alter, höhere Krankheitsaktivität sowie VTE in der Vorgeschichte das Risiko für eine VTE erhöhen. Hinsichtlich des Risikos für schwerwiegende Infektionen (SIE) wurde speziell die Gruppe der 2.274 älteren RA-Patienten (>70 Jahre) aus RABBIT betrachtet. Unter der JAKi-Therapie wiesen 70 % der Patienten ≥3 Komorbiditäten auf, unter TNFi-Therapie waren es 63 %. Trotzdem gab es keinen Unterschied bei den Inzidenzraten (IR) für SIE unter JAKi oder bDMARDs und beide Therapien waren im Vergleich zu konventionellen (cs)DMARDs nicht mit einem erhöhten SIE-Risiko assoziiert. Im Vergleich zu allen im RABBIT-Register erfassten Patienten gibt es bei den älteren (>70 Jahre) an RA Erkrankten jedoch ein deutlich erhöhtes SIE-Risiko: Bei 425 Patienten >70 Jahre traten 626 SIE auf.

Im RABBIT-Register wurden 559 Herpes-zoster (HZ)-Ereignisse (61 davon schwerwiegend) bei 533 Patienten dokumentiert. Im Vergleich zu anderen RA-Therapien zeigen die Daten mit einer IR von

21,5/1000 Patientenjahren ein erhöhtes HZ-Risiko unter JAKi. „Vor allem bei älteren Patienten sollte vor Beginn einer JAKi-Therapie daher eine HZ-Impfung in Betracht gezogen werden“, betonte Strangfeld.

Therapieentscheidung am individuellen Patienten ausrichten

„Bei der Therapieentscheidung spielen neben klinischen Erfahrungen und Studiendaten auch etwaige Risikofaktoren der Patienten eine wichtige Rolle“, konstatierte PD Dr. Philipp Sewerin, Herne. Angesichts der großen Zahl von bDMARDs und mittlerweile auch verschiedenen tsDMARDs stellt sich die Frage, welche Substanzen am besten bei den jeweiligen Patienten einzusetzen sind. Dies muss speziell vor dem Hintergrund, dass trotz der zahlreichen verschiedenen Therapieoptionen in vielen Fällen keine Remission erreicht wird, betrachtet werden. Hier besteht laut Sewerin deutlicher Optimierungsbedarf. Im Hinblick auf eine individualisierte Therapieentscheidung verwies er auf die von der EULAR herausgegebenen Leitlinie zur RA, für die beim EULAR-Kongress ein Update vorgestellt wurde. Nach der aktualisierten Guideline werden bDMARDs und JAKi in der Zweitlinie weiterhin auf einer Stufe empfohlen. JAKi können in Betracht gezogen werden, doch müssen die bei den Patienten vorliegenden Risikofaktoren für CV-Ereignisse und Malignome berücksichtigt werden. Dies ist im Kontext der Studie ORAL Surveillance zu sehen. „Die Daten der ORAL Surveillance sind wichtig, wir berücksichtigen sie und beziehen sie in unsere Entscheidungsfindung ein. Es gibt aber auch in dieser Studie – ebenso wie in der täglichen Praxis – zahlreiche Patienten, auf die diese Risiken nicht zutreffen. Dann kann und sollte unsere Therapieentscheidung auf einen JAKi fallen, da es sich hierbei um eine hocheffektive und schnell wirksame Substanzgruppe handelt”, so das Fazit von Sewerin.

Tofacitinib bei JIA: hohe Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit

Im August 2021 wurde das therapeutische Spektrum in der Kinderrheumatologie um eine wichtige Option erweitert: Tofacitinib wurde als erster JAKi bei aktiver polyartikulärer juveniler idiopathischer Arthritis (pJIA, Rheumafaktor-positive [RF+] oder -negative [RF-] Polyarthritis und erweiterte Oligoarthritis [eOA]) und der juvenilen Psoriasis-Arthritis (PsA) bei Kindern ab 2 Jahren zugelassen. Ein Jahr danach zog Professor Gerd Horneff, St. Augustin, auf dem Symposium „Neue Indikationen für Xeljanz®“, eine positive Bilanz: „Aus der klinischen Praxis haben wir zu Tofacitinib bislang limitierte Daten mit kleinen Kohorten, die aber hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit die überzeugenden Ergebnisse der klinischen Zulassungsstudie bestätigen. Es kam auch in den aktuellen Untersuchungen bei der Mehrheit der Patienten zu einem klinischen Ansprechen bei guter Verträglichkeit. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet.“

Mit Stand vom 30. Juni 2022 wurden im Register für Biologika in der Kinderrheumatologie (BiKeR) 27 Behandlungen mit Tofacitinib bei mit mehreren bDMARDs vorbehandelten JIA-Patienten do- kumentiert. Die Patienten hatten mehrheitlich eine mittelschwere Erkrankung (n = 18, 67 %, Juvenile Arthritis Disease Activity Score 10 [JADAS-10] zwischen 6,1 und 17); eine hohe Krankheitsaktivität wiesen 4 Patienten auf (15 %, JADAS-10 bei ≥17). In der Nachbeobachtung zeigten sich deutliche Verbesserungen: Der JADAS-10 nahm um 71 % ab, 44 % erreichten einen JADAS-10 <2,7, was einer Remission entspricht. Die Anzahl der betroffenen Gelenke nahm um 78 % ab. Positive Veränderungen zeigten sich auch im globalen Arzt- und Patientenurteil, ebenso verbesserten sich die Werte gemäß des Childhood Health Assessment Questionnaire (CHAQ).

Eine prospektive Beobachtungsstudie untersuchte 27 therapierefraktäre Patienten mit pJIA, die mit Tofacitinib und begleitender Methotrexat-(MTX)-Therapie behandelt wurden. Weitere Medikamente wie Steroide und NSAR und andere DMARDs waren erlaubt. Außer bei der eOA kam es bei allen JIA-Subtypen zu einer signifikanten Verbesserung im JADAS-27 (p < 0,001; für eOA p < 0,067). Nach 24-wöchiger Studiendauer war die Erkrankung bei 70,4 % der Patienten inaktiv. Die Steroiddosis konnte deutlich reduziert werden. Die Verträglichkeit von Tofacitinib war gut. Zu Woche 6 wurden in wenigen Fällen Kopfschmerzen und Erbrechen, ein Anstieg der Alanin-Aminotransferase sowie Anämie beobachtet. In einer weiteren Studie, die Horneff vorstellte, wurde Tofacitinib u.a. bei 15 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer pJIA, die auf verschiedene bDMARDs (Etanercept, Adalimumab, Abatacept, Tocilizumab, Canakinumab) unzureichend angesprochen hatten, untersucht. Knapp die Hälfte (47 %, n = 7) erreichte ein vollständiges Ansprechen, 6 Patienten erreichten ein partielles Ansprechen (complete response bzw. partial response nach Wallace-Kriterien). Lediglich 2 der 15 Patienten sprachen auf die Tofacitinib-Therapie nicht an. Bei 4 Patienten kam es zu Nebenwirkungen – Erhöhung der Leberenzyme (n = 2), Hypercholesterinämie (n = 1), Lymphadenitis (n = 1) –, die aber nicht zu einem Abbruch der Therapie führten. Schwere Infektionen und Varicella-zoster-Virusinfektionen traten nicht auf.

Tofacitinib in die neuen ASASTherapieempfehlungen zur axSpA aufgenommen

Das Update der ASAS (Assessment of SpondyloArthritis)-Therapieempfehlungen zur axialen Spondyloarthritis (axSpA) stellte PD Dr.Uta Kiltz, Herne, vor. Bei symptomatischen Patienten sollte wie bisher mit einer Therapie mit NSAR sowie nicht pharmakologischen Maßnahmen wie Bewegung begonnen werden. Bei Nicht-Ansprechen nach 2 Wochen kann auf ein zweites NSAR gewechselt werden. Wenn auch nach dem zweiten NSAR, also innerhalb von 4 Wochen, kein Therapieeffekt festgestellt wird, kann auf eine Therapie mit einem bDMARD (TNFi oder IL-17-Blocker) oder aber mit einem JAKi gewechselt werden. Tofacitinib, das seit November 2021 für die Therapie der röntgenologischen axSpA (r-axSPA oder AS) indiziert ist, wurde damit – neben weiteren JAKi – in die aktuellen Therapieempfehlungen aufgenommen. Da mit bDMARDs mehr Erfahrungen vorliegen, werden diese gegenüber den JAKi bevorzugt empfohlen. Neben der phar- makologischen Therapie verwies Kiltz auf die Notwendigkeit regelmäßiger Bewegungsübungen, wobei eine hochintensive Bewegungstherapie vielversprechende Resultate erbracht hat.

Deutliche Verbesserung der Schmerzrate unter Tofacitinib versus Placebo

Schmerz ist bei Patienten mit AS ein häufiges Symptom, wobei das Schmerzmuster individuell sehr unterschiedlich ist. Auch gibt es geschlechterspezifische Unterschiede: Frauen geben ein größeres Schmerzareal an als Männer. Stärkere Schmerzen gehen zudem mit einem erhöhten Depressionsrisiko und eingeschränkter Funktionsfähigkeit einher. „Bei der Auswahl der Therapie ist daher die Schmerzreduktion ein wichtiger Aspekt“, betonte Kiltz. Hier verfügt Tofacitinib über eine gute Wirksamkeit, wie eine Phase-III-Studie zeigte, in der u.a. speziell der Einfluss von Tofacitinib auf die Schmerzrate untersucht wurde. Die erwachsenen Patienten bekamen 16 Wochen lang Tofacitinib 2 × 5 mg täglich oder Placebo. Anschließend erhielten alle Patienten das Verum für weitere 32 Wochen. Unter Tofacitinib erreichten signifikant mehr Patienten eine Verbesserung beim nächtlichen Rückenschmerz bis Woche 16 als unter Placebo (Least square mean improvements –2,67vs. –0,84; p < 0,001). Nach der Umstellung auf Tofacitinib besserten sich ab Woche 16 im Verlauf auch die Schmerzen der vormaligen Placebo-Patienten. Die Schmerzreduktion wurde über die gesamte Studiendauer von 48 Wochen aufrechterhalten.

Elisabeth Wilhelmi, München

Multiple Sklerose: Neue Therapiestrategien mit BTK­Inhibitoren in Sicht

Die Therapiemöglichkeiten bei Multipler Sklerose (MS) haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir heute die MS immer besser behandeln können, aber es bleibt noch vieles zu tun, wenn es in die Progression geht“, sagte Professor Ralf Gold, Bochum, bei einem Symposium anlässlich der „neurowoche 2022“ in Berlin. Ziel muss es sein, nicht nur akute Krankheitsschübe zu verhindern, sondern auch Neurodegeneration und Hirnatrophie zu verlangsamen.

Teriflunomid zur Basistherapie

Gut belegt ist eine neuroprotektive Wirkung für den Immunmodulator Teriflunomid (Aubagio®), ein etabliertes Basistherapeutikum bei MS. „Ein Großteil der MS-Patienten benötigt eine Basistherapie, nur etwa 3 – 10 % der Erkrankten brauchen hochaktive Therapien“, erklärte Gold und ergänzte: „Teriflunomid ist ein bewährtes Präparat in der MS-Therapie – deshalb wird es auch oft als Vergleichspräparat in Studien eingesetzt.“ In einem Head-to-Head-Vergleich mit dem Anti-CD20 Antikörper Ofatumumab (Studien ASCLEPIOS I, II) zeigten sich nach 12 und 24 Monaten vergleichbare Effekte bei der Verbesserung von Behinderung und beim Hirnvolumenverlust. Ein Vergleich mit dem S1P-Agonist Ponesimod (OPTIMUM-Studie) ergab keine statistisch signifikanten Unterschiede bei der über 12 und 24 Wochen bestätigten Behinderungsprogression.

Effekte der BTK-Inhibition auf das adaptive und angeborene Immunsystem

MS wird traditionell als eine Störung der adaptiven Immunzellen (inkl. T- und B-Zellen) angesehen. Neuere Erkenntnisse deuteten auf eine Beteiligung der angeborenen Immunität hin, einschließlich der Makrophagen, Mikroglia und Astrozyten im ZNS, berichtete Professor Sven Meuth, Düsseldorf, und verdeutlichte: „Bisherige Therapien greifen meist in der Peripherie an, es besteht ein großer Bedarf an innovativen Therapien, die sich gegen die Entzündungsreaktionen im ZNS richten und so die Progression aufhalten.“ Besonders wichtig ist es, die sog. Smoldering MS, also die pathologischen Prozesse der MS, die überwiegend zu Behinderungsprogression führten, in den Griff zu bekommen.

„Bei der PIRA (Progression Independent of Relapse Activity) wird die Progression betrachtet, die unabhängig von den Krankheitsschüben auftritt und insbesondere unter hochaktiven Therapien beobachtet wird, obwohl diese die Schubrate wirkungsvoll senken. Man findet keine kontrastmittelanreichernden T1-Läsionen und auch keine neuen oder sich vergrößernden T2-Läsionen.

Inzwischen wird diskutiert, ob die Smoldering MS sogar die „richtige“ MS ist, die primär im ZNS beginnt und sekundär als Antwort zu entzündlichen Prozessen führt“, erklärte Frau Professor Stefanie Kürten, Bonn. Bei der Entstehung der Smoldering MS kommt den BZellen und der Mikroglia im ZNS eine besondere Bedeutung zu, und mit den aktuellen DMTs sind diese schwelenden Prozesse noch nicht ausreichend zu beeinflussen.

Hier setzen die sogenannten Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitoren wie Tolebrutinib, Evobrutinib und Fenebrutinib an, die derzeit in klinischen Studien untersucht werden. „BTK ist an Schlüsselprozessen der MS beteiligt, denn das Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivierung von BZellen, Mikroglia und Makrophagen. Die Idee ist, dass man durch die BTK-Inhibition im ZNS über die Modulation von Makrophagen und Mikroglia die Erkrankungsprogression, die Smoldering Inflammation, bekämpfen kann. Zudem kann die BTK-Hemmung die Funktion von B-Zellen in der Peripherie und im ZNS modulieren“, erläuterte Meuth.

Umfassendes Studienprogramm zu Tolebrutinib zeigt vielversprechende Ergebnisse

Tolebrutinib ist ein in der Prüfung befindlicher, oral einzunehmender gehirngängiger BTK-Inhibitor, der in In-vitro-Studien im Liquor die erforderlichen Konzentrationen erreicht, um auf B-Lymphozyten und Mikroglia einzuwirken.

BTK-Inhibitoren (BTKi) werden derzeit in unterschiedlichen klinischen Studien zur Behandlung der MS getestet. Das Tolebrutinib-Studienprogramm untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit des BTK-Inhibitors im gesamten MS-Krankheitsspektrum: Er wird in klinischen Studien der Phase III für die Behandlung schubförmig verlaufender Formen der MS (RMS; GEMINI-I & II) sowie der nicht schubförmig verlaufenden sekundär progredienten MS (nrSPMS; HERCULES-Studie) und der primär progredienten MS (PPMS; PERSEUS-Studie) untersucht.

In einer Phase-II-Studie zur Dosisfindung kam es mit Tolebrutinib zu einer raschen Reduktion der fokalen Entzündung: „Nach 12 Wochen 60 mg Tolebrutinib 1 × täglich wurde die Zahl der neuen Gd-anreichernden Läsionen um 85 % im Vergleich zu Placebo gesenkt“, berichtete Meuth. Diese Ergebnisse konnten auch in einer aktuellen Auswertung einer Phase-IIb-Verlängerungsstudie über 96 Wochen bestätigt werden: Im Tolebrutinib-Arm blieb die Zahl der Gd+-Läsionen gering. Ebenso konnte die Schubrate durch den BTKi langfristig signifikant verringert werden: Nach 96 Wochen Behandlung mit Tolebrutinib zeigte sich bei Patienten mit aktiver MS und einer jährlichen Schubrate von 1,23 im Vorjahr eine relevante Schubratenreduktion auf 0,17. 80,6 % der Patienten waren schubfrei, 12,9 % hatten noch einen, 5,6 % zwei und 0,8 % drei Schübe und mehr.

„Was man bisher über eine etwas längere Beobachtungszeit sieht, sind sehr ermutigende Ergebnisse. Die Sicherheitsdaten der PhaseIIb-Studie über 96 Wochen zeigten zudem eine insgesamt gute Verträglichkeit von Tolebrutinib“, resümierte Meuth.

Die Referenten waren sich einig: Die BTK-Inhibition ist ein äußerst interessantes therapeutisches Ziel und man erwartet mit Spannung die Ergebnisse der Phase-III-Studien des Tolebrutinib-Studienprogramms. „Sieht man positive Effekte in den Studien zu den progredienten MS-Formen, bedeutet dies, dass der BTK-Inhibitor im ZNS tatsächlich die schwelenden Prozesse modulieren kann“, so Kürten.

Fabian Sandner, Nürnberg

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