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Moor am Meer - Urlaubsmagazin Fischland-Darß-Zingst
Moor am Meer
Ein Fakt, der bewegt: Intakte Moorböden binden im Nordosten Deutschlands rund 30 Prozent aller Treibhausgase – fast doppelt so viel wie alle Wälder zusammen. Grund genug, sie zu pflegen und zu hegen.
Es ist leicht bewölkt, als wir auf den Parkplatz „Wieker Weg“ abbiegen. Viele Kilometer sind wir zuvor auf dem mal mehr, mal weniger befestigten Weg gefahren, der geradewegs zum alten Schlösschen Sundische Wiese führt. Das schmucke alte Jagdhaus, das rund acht Kilometer vom Ortskern des Ostseebades Zingst entfernt liegt, bildet das Zentrum des Osterwaldes. Er ist durchsetzt von einem sogenannten Regenmoor, eine echte Rarität unter den zahlreichen Moorgebieten der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst.
„Eine Rarität, die es zu schützen gilt“, sagt Kristin Nolte, die wir auf dem Parkplatz treffen. Kristin Nolte ist Mitarbeiterin des Nationalparkamtes Vorpommern und regelmäßig im Einsatz, um Schüler, Familien und Interessierte mit der beeindruckenden Moorwelt auf dem Ostzingst vertraut zu machen. „Wir wollen neugierig machen, sensibilisieren und zeigen, wie faszinierend unsere Umwelt sein kann. Denn eines ist klar: Die Natur ist nicht nur auf Fischland-Darß-Zingst unser wichtigstes Gut. Sie bietet einer einzigartigen Flora und Fauna ein Zuhause, ist unverzichtbar im Bezug auf die Klimakrise und nicht zuletzt ein echter Magnet für Einheimische und Urlauber.“
Wie dieser Magnet am eindrucksvollsten erlebbar gemacht werden kann, erfahren wir in den kommenden Stunden. Wir begleiten Kristin Nolte bei der Vorbereitung eines Moortages, der am kommenden Tag für Sechstklässler einer nahegelegenen Schule veranstaltet wird. Dafür folgen wir ihr einen guten Kilometer tief in den Osterwald hinein. Den Boddendeich im Rücken führt der Pfad vorbei an Sumpfgräben, die immer wieder gespickt sind von umgestürzten Bäumen und riesigen Wurzeln, die im nassen Boden ihren Halt verloren haben. „Natur Natur sein lassen – das Motto des Nationalparks wird hier besonders gut sichtbar“, lässt uns Kristin Nolte wissen, und zeigt kurz darauf auf die vielen kleinen Triebe im morastigen Waldboden. „Hier entsteht wieder neues Leben. So, wie es sein soll.“
Kurz nach einer kleinen Gabelung, entscheidet sich Kristin Nolte eine Bodenprobe zu nehmen. Mit einem Erdbohrstock, der Bodensedimente aufnehmen kann, sticht die studierte Geografin, die vor einigen Jahren aus Niedersachsen an die Ostseeküste zog, etwa einen halben Meter in die Tiefe des Moores. „Hier erklären wir den Schülern, wie die Zusammensetzung des Moores ist – kurz gesagt, was Moor eigentlich ist. Es sind die besten Archive der Landschaft, denn Moore sind nichts anderes als abgestorbene Pflanzenreste, die sich im Laufe der Zeit übereinander lagern.“
„Moorboden wächst durchschnittlich einen Millimeter im Jahr.“
Kristin Nolte fasst die Probe an und zerreibt die feine Torfschicht zwischen ihren Fingern. „Das ist ganz fein. Weder Sandkörner noch andere groben Strukturen durchziehen die Masse.“



Auf dem weiteren Weg, der immer tiefer in den Nationalparkwald hineinführt, wird das Moorufer links und rechts des Weges stetig feuchter – und grüner. „Das ist alles Moos“, gibt Kristin Nolte zu verstehen. „Aber nicht ein und dasselbe. Es sind weit über 25.000 verschiedene Moosarten bekannt.“ Die Nationalparkmitarbeiterin erklärt, dass das
Verstehen der Vielfältigkeit des Lebensraums Moor ein wesentliches Lernziel bei Führungen mit interessierten Menschen ist. „Moor ist eben nicht gleich Moor, und Moos nicht gleich Moos. Was aber nahezu alle Moosarten vereint, ist ihre Kunst, große Mengen an Wasser zu speichern.“
Kristin Nolte holt einen Schwamm aus ihrem Rucksack und lässt ihn im feuchten Untergrund Wasser ziehen. Dann wringt sie ihn aus. „Die Saugwirkung von Moosen ist ähnlich groß wie beim Schwamm.“
Während die Umweltpädagogin letzte Stationen und die Gegebenheiten für den morgigen Erlebnistag erkundet, hören wir in der Ferne das Trompeten von Kranichen. Wir schauen suchend nach oben. „Da vorne, zwischen den Bäumen.“ Kristin Nolte weist uns flüsternd auf eine kleine Lichtung hin – und doch dauert es einige Zeit, bis unsere Augen die majestätischen Vögel zwischen den Bäumen und dem Gestrüpp erspähen. „In den Erlenbrüchen brüten die Kraniche, die im Frühjahr und Herbst zu abertausenden in der Region unterwegs sind. Hier im Wald sind ihre Nester gut vor Feinden geschützt.“
Die Sonne hat sich inzwischen ihren Weg zwischen den Wolken gebahnt und trifft mit frühsommerlicher Kraft eine Lichtung, die unseren Weg kreuzt. „Wie hier finden Wanderer an vielen Stellen in unseren Wäldern Infotafeln, auf denen wir über die Geschichte und Vielfalt der Moore, Pflanzen und Tiere im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft informieren. Damit wird jeder Spaziergang zu einer spannenden Exkursion.“ Die letzten Meter zum Parkplatz atmen wir noch einmal tief durch. Uns wird klar, mit welcher Schönheit unsere Natur aufwartet, vor allem, wie wichtig es ist, sie als Lebensraum, Erholungsraum und wertvollen Lernort zu schützen und zu erhalten.

MOOR IN ZAHLEN
• 15 % aller Moorflächen Deutschlands liegen in Mecklenburg-Vorpommern.
• Fast 1/3 der Landflächen des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft sind Moorböden. Das sind etwa 4.200 Hektar.
• Rund 50 % aller Moorlandschaften der Region sind Küstenüberflutungsmoore. Deren Wasserversorgung hängt von regelmäßigen Überflutungen durch Brack- und Ostseewasser ab.
• Nur drei Prozent der Moorböden in Mecklenburg-Vorpommern sind im natürlichen Zustand. Bisher wurden 31.000 Hektar wiedervernässt.
• Moore weisen eine Torfauflage von 30 Zentimetern bis zu zehn Metern auf. Das älteste Moor im Nationalpark ist das 10.000 Jahre alte Prerower Torfmoor bei Wieck, das eine 4,30 Meter hohe Torfauflage hat.


MOOR ERLEBEN
Rangerführung „Moor, Wald, Wandel im Osterwald“: von Mai-Oktober immer jeden ersten Freitag im Monat, 11 Uhr, ab dem Kurhaus Zingst. Infos und Anmeldung: nationalparkvorpommersche-boddenlandschaft.de
Geführte Radtour „Bodden im Blick“ (mit Moor-Abstecher): von Mai-Oktober immer jeden zweiten Freitag im Monat, 11 Uhr, ab Hafen Müggenburg. Infos und Anmeldung: nationalpark-vorpommerscheboddenlandschaft.de
Familienführung „Der Natur auf der Spur“: verschiedene Termine rund ums Jahr. Infos: zingst.de und nationalparkvorpommersche-boddenlandschaft.de
Darßer Arche – Nationalpark- und Gästezentrum: Bliesenrader Weg 2, 18375 Wieck a. Darß. Infos: darsser-arche.de
Infozentrum Wald und Moor (mit Naturpfad und Erlebnisausstellung): Ribnitzer Landweg 3, 18311 Neuheide. Infos: ribnitz-damgarten.de