Stylepark Magazin für Produktkultur Nummer 24

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9 EURO

NUMMER VIERUNDZWANZIG

68390

STYLEPARK MAGAZIN FÜR PRODUKTKULTUR – SOMMER 2011. THEMEN: MICHAEL REITER – EAT ART – ALS DIE STÄDTE LAUFEN LERNTEN – NICHTS BLEIBT, WIE ES IST. NICHTS IST, WIE ES SCHEINT – DAS LEBEN IST EINE VERLAGERUNG DER DINGE – JAPANISCHES VERPACKUNGSDESIGN – PRODUKTE – MATERIALS : NICHT VON BESTAND ? – SALONE INTERNAZIONALE DEL MOBILE 2011 – ICFF 2011 – GLASS HOUSE VON PHILIP JOHNSON – BOMPAS & PARR – JAN KATH – HAY – BRUNNO JAHARA – BUTTE – FLEUR MÉCANIQUE – JAIME HAYON


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EDITORIAL NOTHING CAN LAST

Vergänglichkeit. Ein Wort, das leicht klingt. Langes, offenes Ä, helles I. Doch auf der einen Seite ist das Wort mit einer unerbittlichen Endlichkeit und bitteren Wahrheit verbunden: Vergänglichkeit des Lebens, von Freundschaften, von Liebe. Auf der anderen Seite beschreibt Vergänglichkeit die Gelegenheit der Erneuerung, des Ausprobierens und der Entledigung von Altlasten. Wir wollen mit diesem Heft den kurzlebigen und flüchtigen Seiten der Vergänglichkeit huldigen. Bianca Beuttel schreibt in ihrem Text über japanisches Verpackungsdesign, das von dem Wechsel der Jahreszeiten geprägt ist und den Kult um die Vergänglichkeit zelebriert: „ ,Mono no aware‘ ist der ästhetische Begriff, der den flüchtigen Moment des Vergehens beschreibt. Aber anders als bei dem westlichen Begriff ,vanitas‘, der angesichts des Todes an die Nichtigkeit allen irdischen Seins erinnert, wohnt ihm weniger eine moralische Mahnung inne als vielmehr eine Wertschätzung des Moments, und sei er auch noch so kurz.“ Nora Sobich beschreibt in ihrem Text den mitunter schmerzlichen und gleichzeitig befreienden Moment bei der Verlagerung von Dingen. Unfreiwillig gehen Dinge verloren oder zu Bruch. Die Belastung durch die Dinge wird geringer, der Besitz leichter. Denn „wer dieses Bewahren ins Extreme treibt, lebt bald wie im Museum, umgeben von Dingen, die Geschichten erzählen und symbolische Bedeutungen in sich tragen.“ Dass ein leichter Besitz schon in den frühen Sechzigerjahren von Vorteil sein konnte, verstanden findige Visionäre wie beispielsweise die Architektengruppe Archigram, die Flexibilität, Mobilität und Beweglichkeit in den Mittelpunkt ihrer Szenarien setzte. So schreibt Sandra Hofmeister über Beispiele moderner Großstadtnomaden, die in beweglichen Wohnkapseln von Stadt zu Stadt ziehen und dabei ihr Haus im Gepäck mitnehmen.

Amelie Znidaric fragt sich in ihrem Text, wie viele Sofas man lieben kann. Muss oder sollte die erste Sofaliebe die letzte sein? Oder darf man sich in jeder Lebensphase neu verlieben? Doch der maßlose Konsum ist in die Kritik geraten. Denn spätestens seit der Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft „The Limits to Growth“ von 1972 wissen wir von den Grenzen des Wachstums und der Endlichkeit der Ressourcen. Leider ist seitdem nicht viel passiert und wir leben immer noch so, als könnten wir uns nicht nur sehr oft in neue Sofas verlieben, sondern sie uns auch kaufen. Demgegenüber stellt Katharina Horstmann eine Reihe von kompostierbaren Materialien und die dazugehörigen Produktentwürfe vor. Aber auch hier ist noch offen, wohin die Reise geht: Mehr Ackerflächen für nachwachsende Rohstoffe? Monokulturen und Verknappung der Lebensmittel? Wie werden sich der Markt und die Lebensbedingungen verschieben, wenn wir Mais nicht nur essen, sondern auch tanken, wenn wir damit verpacken und uns einkleiden? Wie aus Lebensmitteln ein Material der Kunst wird, umreißt Anne Haun-Efremides in ihrem Text über Eat Art. Dabei stellt sie fest, dass die Wahl der Mittel den idealistischen Kunstbegriff schwinden lässt, der eng mit dem Begriff der Dauerhaftigkeit und dem Mythos der Zeitlosigkeit verbunden ist. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Zeit beim Lesen. Ihr Stylepark Team

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STYLEPARK MAGAZIN FÜR PRODUKTKULTUR – SOMMER 2011. THEMEN: MICHAEL REITER – EAT ART – ALS DIE STÄDTE LAUFEN LERNTEN – NICHTS BLEIBT, WIE ES IST. NICHTS IST, WIE ES SCHEINT – DAS LEBEN IST EINE VERLAGERUNG DER DINGE – JAPANISCHES VERPACKUNGSDESIGN – PRODUKTE – MATERIALS : NICHT VON BESTAND ? – SALONE INTERNAZIONALE DEL MOBILE 2011 – ICFF 2011 – GLASS HOUSE VON PHILIP JOHNSON – BOMPAS & PARR – JAN KATH – HAY – BRUNNO JAHARA – BUTTE – FLEUR MÉCANIQUE – JAIME HAYON FEATURES 10 12 16 20 22

Ars longa, vita brevis? – Anne Haun-Efremides Als die Städte laufen lernten – Sandra Hofmeister Nichts bleibt, wie es ist. Nichts ist, wie es scheint. – Amelie Znidaric Das Leben ist eine Verlagerung der Dinge – Nora Sobich Flüchtige Hüllen – Japanisches Verpackungsdesign – Bianca Beuttel

PORTRÄTS 72 74 75 76 78 79 80

Kutani Choemon – Jaime Hayon Jan Kath Hay Brunno Jahara Butte – Scholten & Baijings Fleur Mécanique – Frédéric Malle Bompas & Parr

STANDARDS 09 24 36 38 52 60 82

Prolog – Michael Reiter Produkte Materials – Nicht von Bestand? – Katharina Horstmann Review – Salone Internazionale del Mobile 2011 Review – ICFF 2011 Review – Glass House von Philip Johnson Impressum

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CONFLUENCES Sofaprogramm. Design: Philippe Nigro. Stichwort: SP24. Katalog: www.ligne-roset.de



PROLOG MIT POLYESTERBÄNDERN ARBEITET MICHAEL REITER IMMER NOCH BEVORZUGT. RAUMINSTALLATIONEN UND SEINE BELIEBTEN „CONTAINER“ HABEN ZUWACHS BEKOMMEN. IN DEN LETZTEN JAHREN SIND MEHRERE ARBEITEN AUS BESAGTEN BÄNDERN UND BAMBUS ENTSTANDEN. NICHTS IST GEKLEBT ODER PLUMP BEFESTIGT. FÜR SPANNUNG IST GESORGT. DIE ÜBERNIMMT DER BAMBUS. WWW.REITER-MICHAEL.DE UND WWW.DETTERER.DE

Michael Reiter „SPINNEN“ Material: Drachenstoff, Bambus, 2010 Maße variabel. © Galerie Martina Detterer Foto: Hendrik Klug, Frankfurt

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ARS LONGA, VITA BREVIS? „WENN ALLE KÜNSTE UNTERGEHN, DIE EDLE KOCHKUNST BLEIBT BESTEHN“ – DIESE GEFLÜGELTE KÜCHENWEISHEIT IST NICHT ETWA DIE ERMUNTERNDE EINLEITUNG ZU EINEM KOCHBUCH DER HAUTE CUISINE ODER DER SELBSTVERMARKTUNGSSLOGAN EINES HIPPEN KOCHGENIUS, DER IM TV DIE GUTBÜRGERLICHEN GESCHMACKSNERVEN ZU KITZELN SUCHT; VIELMEHR HANDELT ES SICH UM DEN TITEL EINER ASSEMBLAGE VON DANIEL SPOERRI, DEM STOLZEN BEGRÜNDER DER SOGENANNTEN EAT ART.

Gemeint ist hier kein Ausverkauf der Kunst, sondern die avantgardistische Idee einer Engführung von Kunst und Leben, die der Ästhetik des fertigen Werkes den Prozess seiner Entstehung gegenüberstellt und die Kunst als performatives Ereignis inszeniert. Aus der Nobilitierung von Lebensmitteln zum Material der Kunst und der damit einhergehenden direkten Einbeziehung beziehungsweise Inkaufnahme von mitunter nicht kalkulierbaren organischen Prozessen, die gleichermaßen Erhaltung und Verfall, Vitales und Letales zur Anschauung bringen, resultieren nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich weitreichende Konsequenzen. Die Wahl der Mittel lässt den idealistischen Kunstbegriff schwinden, der eng mit dem Begriff der Dauerhaftigkeit und dem Mythos der Zeitlosigkeit verbunden ist.

Kochen als atmosphärischer Rahmen des sozialen Networkings spült dann in Zeiten des globalisierten Kunst-Jetsets seit den Neunzigern eine ganze Flut von Künstlerköchen auf den Markt, die den institutionellen White Cube selbst in eine allzeit mobile Großküche verwandeln; man denke nur an entsprechende Happenings von Rirkrit Tiravanija oder Matthew Ngui. An dieser Stelle setzt der niederländische Künstler Zeger Reyers mit seiner „Rotation Kitchen“ an, eine vollständig eingerichtete und funktionstüchtige Küche inklusive darin befindlicher Lebensmittel, die sich plötzlich langsam um die eigene Achse zu drehen beginnt. Was sich eben noch clean und aufgeräumt präsentierte, versinkt nun im Chaos, was intakt war, zerbricht in Stücke. Die Küche, anheimelnder Ort und Muse der Kunst, gerät in den Kreislauf alles Irdischen.

Filippo Tommaso Marinetti eröffnete 1931 das erste KünstlerRestaurant der Moderne, tischte die futuristische Ästhetik als kulinarisches Gesamtkunstwerk auf, forderte „die völlige Erneuerung des italienischen Ernährungssystems“ und erklärte der Nudel den Krieg. Nahrung war ebenso eine visuelle, konzeptuelle und mitunter konsumierbare Zutat der Kunstwelt, lange vor Giuseppe Arcimboldos oft reproduzierten Porträts aus Gemüse, Früchten oder Fischen. Aber erst in der Nachkriegszeit erlangte die radikale Erweiterung der Materialsprache in der Verwendung von Lebensmitteln eine subversive Qualität. Die sogenannten Künstlerköche der Sechzigerjahre waren vor allem an den veränderlichen Eigenschaften dieser essbaren Substanzen interessiert, was zur Folge hatte, dass das Temporäre, Provisorische und Vergängliche zum elementaren Bestandteil entsprechender Arbeiten, zur „conditio sine qua non“ avancierte.

Werden und Vergehen als Modell des Lebensprozesses und das damit einhergehende unverhohlene Bekenntnis zur Zeitlichkeit, das sich nicht nur einer musealen Konservierbarkeit, sondern ganz grundsätzlich einer Überdauerung und damit dem Warencharakter der Kunst verweigert, hat wohl kein anderer konsequenter zum Thema seines Œuvres gemacht als der große Verfallsschöpfer und Schimmel experimentator Dieter Roth. Seine Bildfindungen sind oft von bezwingender Einfachheit und zeugen von einer der Vergänglichkeit ganz eigenen Ästhetik, die bisweilen äußerst prosaisch daherkommt. Wer würde unter dem romantischen Titel „Sonnenuntergang“ und der impliziten Metaphorik des Lebensabends schon die Fett- und Zersetzungsspuren einer vergehenden Salamischeibe vermuten? In einer zumeist alle menschlichen Sinne beanspruchenden Opulenz scheint sich die Roth’sche Kunst selbst zu verdauen, nimmt den Begriff der Eat Art beim Wort. Sinnfällig setzt Roth dies mit dem „Portrait of an Artist as Vogelfutterbüste“ ins Bild, einem Selbstbildnis aus Schokolade und Vogelfutter, das auf einem Besen steckend und mit Anflugbrett versehen, für die Aufstellung im Garten vorgesehen ist. Auch der Künstler also, nicht mehr länger gottgleicher Schöpfer, geht den Weg des Organischen im großen Potpourri aus Einverleibung und Verdauung.

In welchem Maße Essen in Avantgardekreisen als kommunikative Alternative zur Kunst und Kochen als grundlegend schöpferische Tätigkeit gehandelt wurde, demonstrieren unzählige Künstlerlokale wie das 1971 von Künstlern um Gordon Matta-Clark in New York gegründete legendäre Restaurant „Food“. Für den ausgebildeten Architekten Matta-Clark, der in der Folge vor allem durch seine Cuttings bekannt wurde, existiert eine unmittelbare Beziehung zwischen Architektur und Essen, die für ihn auf „Methoden der Besetzung“, und zwar durch „Überlagerung“, „Verhüllen“, „Verzehr“ und „Verdauung“ basiert.

Anya Gallaccio „Because nothing has changed“ Installation: Lehmann Maupin, New York 2001

Am Anfang war der Apfel: Mit der Vertreibung aus dem Garten Eden nahm die Vergänglichkeit ihren Lauf. „Because nothing has changed“ von Anya Gallaccio kombiniert einen Baumstamm aus Bronze mit realen Äpfeln. Die Symbiose von Ewigkeit, versinnbildlicht durch das klassische Bildhauermaterial, und Vergänglichkeit, manifest im fortschreitenden natürlichen Auflösungsprozess der Äpfel, schafft eine „Ikonologie des Zwischenraums“ (Aby Warburg) in der Zwischenzeit von fast kitschig-dekadenter Schönheit. Anne Haun-Efremides

Bronze, 250 Äpfel, Garn Abmessungen: 280 x 200 x 150 cm Mit freundlicher Genehmigung vom Künstler und Lehmann Maupin Gallery, New York

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ALS DIE STÄDTE LAUFEN LERNTEN FLIEGENDE UFOS, MOBILE WOHNKAPSELN UND TEMPORÄRE ARCHITEKTUR: VIELE UTOPIEN DER MODERNE HABEN HEUTE KULTSTATUS. SIE GALTEN FRÜHER EINMAL ALS REVOLUTIONÄR UND ENTFALTEN IHRE STRAHLKRAFT NUN VORNEHMLICH IN MUSEALEM KONTEXT.

Architektur hält ewig. Die Tempel der Griechen, die Basiliken der Römer und die Siedlungen der Etrusker stellen diesen Anspruch unter Beweis. Die Standhaftigkeit der steinernen Ikonen wird heute oft als eine Qualität gedeutet, die im aktuellen Architekturgeschehen unter ganz anderen Vorzeichen Relevanz erhält. Was lange währt und mehrere Generationen, vielleicht sogar Zeitalter übersteht, ist nachhaltig, verbraucht wenig Ressourcen und gilt dank seines langen Lebens als effizient. Die Schnelllebigkeit hingegen, das kurze Verfallsdatum und der temporäre Sinn für Gebautes sind unserer Baukultur teilweise abhanden gekommen. Natürlich gibt es Ausnahmen. Und es gibt eine lange Geschichte mobiler oder temporärer Behausungen, die von den frühen Avantgarden bis zum Mobile Home und heutigen Loft Cubes oder Living Boxes führt. Wirklich flächendeckend durchgesetzt hat sich die Utopie mobiler Architektur bis heute nicht. Trotzdem haben temporäre Gebäude generell einen anerkannten Stellenwert, der sich oft als musealer Kultstatus zeigt. BEWEGLICH, MOBIL, ZUKUNFTSORIENTIERT Befreit vom Weitblick in eine steinerne Ewigkeit begannen Architekten der frühen Avantgarde, mit seriellen Methoden des Bauens zu experimentieren. Das industrielle Zeitalter bot dazu umfangreiche Möglichkeiten. Häuser aus dem Versandkatalog, auf Lastwägen oder als Bahnfracht in verschiedenen Modellvarianten geliefert, galten als revolutionäre, schnelle, pragmatische Methoden für das Bauen. Sie konnten einfach vor Ort montiert und wieder demontiert werden, waren obendrein kostengünstig. So glaubte Frank Lloyd Wright noch, dass die soziale Frage durch die Vorfabrikation von Baukastensystemen gelöst werden könnte. „Prefab“ galt als Zauberwort, die serielle Produktion vormontierter Bauteile als ausgemacht für das flächendeckende Bauen der Zukunft, und das Potenzial an Freiheit, das mit beweglichen Häusern möglich war, wurde als unendlich eingeschätzt.

Doch als Buckminster Fullers runde Dymaxion-Häuser, ursprünglich im Auftrag der US-Regierung als kostengünstige Truppenunterkunft entwickelt, Mitte der Vierzigerjahre in Serie produziert wurden, war der Traum von der zerlegbaren und transportablen Blechkugel zum Wohnen schnell vorbei. Nicht mehr als vier Baukästen für die Ufo-artigen Metallhäuser wurden produziert und in Alaska, im Nahen Osten und in der Nähe von New York eingesetzt. Seine Strahlkraft hat die mobile Einheit als Haus der Zukunft deshalb nicht verloren. Flexibilität, Mobilität und Beweglichkeit in jeder Hinsicht waren im Mittelpunkt der Szenarien, welche die Architektengruppe Archigram in den frühen Sechzigerjahren als visionäre Fantasien konzipierte. Ihre Utopie galt modernen Großstadtnomaden, die in beweglichen Wohnkapseln von Stadt zu Stadt ziehen und dabei ihr Haus im Gepäck mitnehmen. Archigram machte dem Wohnen in vielen Zeichnungen Beine, rebellierte gegen konservative Lebensformen und starre urbane Strukturen. In der „Plug-in-City“ sollten Bewohner mit mobilen Wohnkapseln an das bestehende Gerüst einer städtischen Infrastruktur andocken. Aus dieser Zukunftsvision wurde Ende der Sechzigerjahre ansatzweise Realität: Das Futuro-Haus des finnischen Architekten Matti Suuronen, ursprünglich als Skihütte konzipiert, konnte per Helikopter transportiert werden und ging ab 1968 in die Serienproduktion. Nur 4.000 Kilogramm wog dieses Ufo auf Stelzen – Symbol der fortschrittsgläubigen Raumfahrtära. Es wurde aus glasfaserverstärktem Polyester gefertigt und bot auf seinen 25 Quadratmetern allerhand Wohnkomfort für den damals exorbitant hohen Preis von 12.000 Dollar. Doch die Ölkrise zu Beginn der Siebzigerjahre trieb den Preis für Kunststoff in die Höhe. Insgesamt wurden 96 Futuro-Häuser gebaut – teilweise in Lizenzproduktionen. Erst kürzlich wurde das Haus Nr. 20 in Taiwan wiederentdeckt. Das Museum Boijmans Van Beunigen in Rotterdam widmet dem Prototypen der ellipsoiden Wohnkapsel, der sich in der hauseigenen Sammlung befindet, derzeit eine Ausstellung. Futuro ist längst zum Kult geworden und zeigt beispielhaft das Scheitern einer Utopie aus einer Zeit, in der Architekten fest daran glaubten, die Gesellschaft zu revolutionieren. Zwar wird „Prefab“ auch heute noch in vielen Bereichen und allein schon aus Kostengründen gebaut. Doch die Idee, neben Stühlen und Laptop gleich noch das ganze Haus von Stadt zu Stadt oder in immer neue Landschaftsräume mitzunehmen, hat sich als Trugschluss erwiesen.

DER SERPENTINE-PAVILLON VON OLAFUR ELIASSON UND KJETIL THORSEN AUS DEM JAHR 2007 12 STYLEPARK


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FOTOS: ANTONIA HENSCHEL


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MUSEALE EXPERIMENTE Temporär und auf Vergänglichkeit ausgerichtet – im musealen Kontext sind diese architektonischen Prämissen heute oft zu Hause. Befreit von profitsüchtigen Bauherrenwünschen, von Bauvorschriften, Kostendruck und Nutzungsvorgaben, experimentieren internationale Architekten seit elf Jahren regelmäßig in den Kensington Gardens in London. Die temporäre Pavillonarchitektur der Serpentine Gallery mutiert dabei zu „L’art pour l’art“, zelebriert die so gewonnene Freiheit und lässt die Fesseln des Alltäglichen und der Langlebigkeit zugunsten der autoreferenziellen Möglichkeiten hinter sich. Der Rückbau besiegelt seit jeher auch das Schicksal der temporären Gebäude für Weltausstellungen. Für kurze Zeit konzipiert, verschwinden auch die Furore machenden Länderpavillons in ebenso kurzer Zeit wieder. Kritiker kreiden dies als Verschwendung von Ressourcen zugunsten des kurzweiligen und überflüssigen Spektakels an. Ihre Argumente sind nachvollziehbar. Trotzdem öffnet sich in der Kurzweiligkeit von Architektur auch eine Chance, Ungeahntes auszuprobieren, zu experimentieren und befreit von den Überlegungen der Langlebigkeit vorauszudenken. Im Fall von Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon hat sich die kurzzeitige Lebensdauer gar als ein veritabler Fall für die Ewigkeit herausgestellt: Der Ausstellungspavillon für die Weltausstellung in Barcelona wurde 1929 noch in seinem Baujahr wieder abgerissen. Die wiederverwendbaren Baustoffe wurden verkauft – einige davon sind im Altbau des Sächsischen Landtags verbaut worden. Doch in den Achtzigerjahren erhielt die Strahlkraft der Mies’schen Ideen durch die Rekonstruktion des Pavillons ein neues Abbild, das die Fantasie ganzer Generationen inspiriert. Was ursprünglich als temporäre Architektur gebaut wurde, gilt nun also doch für die Ewigkeit. Sandra Hofmeister Im Museum Boijmans Van Beuningen wird noch bis zum 9. Oktober 2011 die Ausstellung „Futuro – Constructing Utopia“ gezeigt. www.boijmans.nl

DER SERPENTINE-PAVILLON VON SANAA IM SOMMER 2009 STYLEPARK 15


„Auch die Idee, ein Möbelstück so lange zu besitzen, bis wir es unseren Kindern weitergeben können, wird immer lächerlicher.“ PETER COOK, 1963 GRASS IN EARTH CHAIR 1 UND HYACINTH IN WATER CHAIR VON KAI LINKE 16 STYLEPARK


NICHTS BLEIBT, WIE ES IST. NICHTS IST, WIE ES SCHEINT. MAN MUSS DERRIDA NICHT GELESEN HABEN, UM ZU WISSEN: DEM MANN IST NICHTS HEILIG. SEINE VORGÄNGER, ETWA DER FRANZÖSISCHE PHILOSOPH ROLAND BARTHES, HATTEN IMMERHIN PROPAGIERT, DASS DIE BEDEUTUNG EINES BEGRIFFES FESTSTEHT – SOFERN MAN SICH AUF EINE GEEINIGT HAT.

Für Jacques Derrida hingegen war sie ständig neu zu verhandeln. Jedes Wort, ja, jedes Kommunikationsmittel im weitesten Sinne – Musik ebenso wie Malerei, Mode, Möbel, Architektur oder Film – war ihm zufolge nichts weiter als ein provisorisches Behelfsmittel, das von der eigentlichen Bedeutung mehr ausschloss, als es umfasste. Und dementsprechend in jedem Zusammenhang neu zu definieren war. Nichts bleibt, wie es ist. Nichts ist, wie es scheint. Seinen offiziellen Namen bekam das Zeitalter der Ungewissheit vom französischen Philosophen Jean-François Lyotard, der 1979 in seiner Studie „Das postmoderne Wissen“ das Ende der großen Erzählungen, also der allgemeingültigen Wahrheiten verkündete. Anstelle allumfassender Ideologien sei eine Vielzahl individueller, momentan gültiger Wahrheiten getreten. Das Unbeständige, Flüchtige galt für Ideen ebenso wie für Materielles. Die Kunst- und Kulturschaffenden hatten den Zeitgeist freilich schon viel früher erkannt. 1963 schreibt Peter Cook von der radikalen Architekturgruppe Archigram in der dritten Ausgabe des gleichnamigen Magazins: „Wir gewöhnen uns immer mehr an den Gedanken, Kleidungsstücke Jahr für Jahr auszutauschen, anstatt davon auszugehen, dass wir sie mehrere Jahre lang behalten werden. Auch die Idee, ein Möbelstück so lange zu besitzen, bis wir es unseren Kindern weitergeben können, wird immer lächerlicher. In dieser Situation sollten wir nicht überrascht sein, wenn sich Produkte innerhalb ihrer ‚willkommenen‘ Lebensspanne abnützen anstatt der traditionellen. Die Geisteshaltung, die das akzeptiert, durchwächst unsere Gesellschaft, und zwar im selben Ausmaß, wie Verbrauchsgüter erhältlich werden. Wir müssen das als gesundes und insgesamt positives Zeichen werten. Es ist das Resultat einer fortgeschrittenen Gesellschaft im Unterschied zu einer stagnierenden (und letztlich im Niedergang begriffenen).“ Ihren Ausdruck fand Archigrams Haltung in Projekten wie etwa der „Plug-in-City“ mit ihren Wohnkapseln, mit der die Bewohner mal hier, mal dort andocken sollten. Auch andere junge Architekten beschäftigten sich mit dem Improvisierten, Unbeständigen. Das amerikanische Kollektiv Ant Farm etwa tourte 1970 mit seinen „Inflatables“ – mobilen, aufblasbaren Ballonzelten und damit Vorvätern des Berliner Spacebuster – durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Jahr später überdachten die Österreicher Haus-Rucker-Co Mies van der Rohes Haus Lange mit einer weißen Traglufthalle.

Seitdem erfreuen sich auf- und schnell wieder abbaubare Raumstrukturen größter Beliebtheit – bei jungen Architektenteams wie Raumlabor mit dem schon erwähnten Spacebuster ebenso wie bei etablierten. Rem Koolhaas etwa installierte 2009 in Seoul den Prada Transformer: ein streng geometrisches Stahlgerüst, umgeben von einer weißen Membran, in dem jede Oberfläche zugleich Wand, Decke und Boden war – je nachdem, wie der Transformer gerade gedreht oder gekippt war. Dem „ZEITmagazin“ gab Koolhaas damals zu Protokoll: „Es gefällt mir, etwas zu machen, das verschwindet. Es ist eine sehr begrenzte Sicht der Dinge, dass Architekten immer Gebäude für die Ewigkeit schaffen sollen.“ Vergangenen Sommer bei der Architekturbiennale in Venedig fiel seine Meinung nicht minder kritisch aus. In einer Ausstellung mit dem Titel „Preservation“ zeigte er auf, welch rasanten Aufschwung der Denkmalschutz in den letzten 35 Jahren genommen hat. Bei einem Vortrag im Mai dieses Jahres in New York sagte Koolhaas dazu: „Wir sind so sehr von der Vergangenheit besessen, dass Zeit nicht länger als Phänomen funktioniert. Erbe ist unsere Zukunft.“ Schon bald, fügte er hinzu, würden wir Dinge erhalten und schützen, bevor sie noch fertig gebaut wären. Der legendäre, 1988 verstorbene Architekturkritiker Reyner Banham hätte ihm wohl applaudiert. Der schrieb nämlich schon 1975: „Wenn wir paranoiden Denkmalschützern erlauben, uns dahin zu manövrieren, dass wir alles behalten, werden wir den normalen Lebensprozess von Verfall und Erneuerung zum Stillstand bringen, wir werden uns selbst in eine Zwangsjacke einbalsamierter Städte der Vergangenheit stecken.“ Frühes Beispiel einer solchen Einbalsamierung ist der Eiffelturm. Das, was mittlerweile als Pariser Wahrzeichen schlechthin gilt, sollte schon zwanzig Jahre nach der Errichtung für die Weltausstellung 1889 wieder abgerissen werden. Gustave Eiffel konnte die Pariser Stadtväter schließlich mit dem Argument überzeugen, dass sein Turm eine ausgezeichnete und unverzichtbare Antenne für den Fernfunk abgäbe. Das war 1909, und Paris befand sich gerade in den Endzügen eines europaweiten „Karnevals der Architektur“, den der britische Architekt Augustus Pugin schon 1836 beklagt hatte. Der ökonomische Aufschwung des Bürgertums Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Wohnzimmer in Rokoko-Boudoirs, chinesische Salons und bayrische Jagdstuben verwandelt. Alle paar Jahre wurde umdekoriert – mit Möbeln und Accessoires, die nicht für die Ewigkeit gemacht waren.

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1932 schließlich, die Weltwirtschaftskrise war fast auf ihrem Höhepunkt, schrieb der amerikanische Werbefachmann Earnest Elmo Calkins: „Es gibt zwei Arten von Waren: jene, die wir benutzen, etwa Autos oder Sicherheitsrasierer, und jene, die wir verbrauchen, etwa Zahnpasta oder Kekse. Das Consumer Engineering muss dafür sorgen, dass wir jene Art von Waren verbrauchen, die wir heute bloß benutzen.“ Die künstliche Veralterung als Allheilmittel gegen die Krise: Calkins’ Idee wurde eifrig umgesetzt, etwa von Raymond Loewy. Ihm verdanken wir Kühlschränke, Autos und andere langlebige Konsumgüter, die ihren Look von Jahr zu Jahr änderten und damit gleich viel weniger langlebig wurden. In den Achtzigerjahren legte Philippe Starck, Loewys würdigster Nachfolger, noch eins drauf und löste eine Flut an saisonal variiertem „Designer“-Kram aus, unter der wir bis heute leiden. Dinge in Würde altern zu lassen, ist in unserer Konsumgesellschaft unerwünscht. Und doch tritt gerade dabei eine ganz eigene Schönheit zutage, wie eine weitere Ausstellung bei der letztjährigen Biennale in Venedig bewies. Das Architektenkollektiv Rotor inszenierte im belgischen Länderpavillon abgenutzte Architektur als minimalistische Kunst: Böden, die Spuren jahrzehntelang unverrückter Möbel zeigten oder den Schmutz, der sich – schlecht erreichbar für Besen und Wischmob – in Ecken angesammelt hatte; zerkratztes Polyester, Treppengeländer mit abgesplittertem Lack und Randsteine, von Millionen Schuhsohlen glatt geschliffen. Wabi-Sabi nennen die Japaner diese Vervollkommnung durch Alter und Verschliss. Doch so viel Zeit haben Produkte heutzutage oft nicht mehr. Weil wir auf Geschichte, Charakter und Patina dennoch nicht verzichten wollen, wird der Alterungsprozess eben beschleunigt. Und wir kaufen nagelneue, abgewetzte Jeans, Lederjacken oder Teppiche wie jene aus der Diesel Collection von Moroso. Seit Calkins’ genialer Idee zur Wirtschaftsankurbelung ist nicht nur das Bruttosozialprodukt gewachsen, sondern auch der Müll. Die Reaktionen auf diesen Umstand fallen unterschiedlich aus. Marcel Wanders etwa will nur Dinge erschaffen, die man so sehr liebt, dass man sie erst gar nicht wegwerfen will. Dass sich Designer schon beim Entwurf Gedanken über Recycling machen, versteht er nicht. „So geht man doch nicht auf ein neues Stück zu“, sagt er im Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“, „so beginnt man doch keine Liebesbeziehung. Das ist wie wenn Sie einen netten Mann treffen und zu ihm sagen: ,Wenn wir uns trennen, nehme ich den Tisch.‘“ Doch auch Wanders präsentiert Jahr für Jahr mehr Stühle, Sofas, Leuchten, und man fragt sich angesichts dieser Mengen, ob nicht auch seine Produkte nur auf einen kurzen Flirt aus sind. Wie viele Sofas kann man lieben?

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„Es ist eine Tatsache, dass die Leute Dinge wegwerfen“, sagt Dana Oxiles, Designstudentin am New Yorker Pratt Institut. Unter der Anleitung von Giulio Cappellini hat sie für die Möbelmesse ICFF Mitte Mai ihre Chipboard Stools entworfen. Die Hocker sehen aus, als wären sie aus Leder, doch wer genau schaut, erkennt, dass es Graupappe ist und darauf angelegt zu verfallen. Materialien zu verwenden, die ganz offen zu ihrem baldigen Ablaufdatum stehen, ist die konsequente Entwicklung von Calkins’ Forderung nach künstlicher Veralterung – wenn auch von ihm so wohl nicht geplant. Studio Libertinys Honeycomb Vase etwa ist aus Bienenwachs – von den Bienen selbst gefertigt im Übrigen. Der New Yorker Galerie Moss erzählte der Designer Tomás Gabzdil Libertiny: „Es hat mich interessiert, der aktuellen Konsumgesellschaft (die sich für glattes Design interessiert) etwas entgegenzuhalten, indem ich mich entschied, mit einem scheinbar sehr verletzlichen und vergänglichen Material zu arbeiten – Bienenwachs.“ Der Vergänglichkeit und dem Verfall in Design und Kunst widmete das New Yorker MAD – Museum of Arts and Design letzten Sommer gleich eine ganze Ausstellung. In „Dead or Alive“ sah man etwa eine Leuchte aus Seidenraupenkokons (Ango Designs „Eight Thousand Miles of Home“), einen Wandteppich aus Knochen und Federn (von Jodie Carey) und eine hinreißende Lichtinstallation des niederländischen Duos Drift: feingliedrige Schaltkreise mit echten, LED-beleuchteten Pusteblumen. Ralph Nauta und Lonneke Gordijn hatten „Fragile Future“ im Jahr 2005 konzipiert, 2009 wurde die modulare Lichtskulptur bei der Design Miami gezeigt und erst diesen April in der Mailänder Zona Lambrate. Die in New York und Mailand gezeigte „Fragile Future III“ ist laut den Designern weit weniger empfindlich als frühere Versionen – und doch bleibt sie ätherisch. Viel angreifbarer ist dagegen das Diplomprojekt von Greg Bethel, Absolvent des Art Institute of Chicago. Wie Rotor im belgischen Länderpavillon zeigt er, was passiert, wenn Menschen Architektur und ihre Bestandteile benutzen: Sie verschleißt. Doch Bethels Türgriff „Wabi-Sabi“ ist aus hellblauer Kreide. Schönheit durch Alter und Vergänglichkeit, das Jahrhunderte alte japanische Konzept von Ästhetik, hinterlässt hier schon beim ersten Handgriff ihre Spuren. Amelie Znidaric


„Wenn wir uns trennen, nehme ich den Tisch.“ MARCEL WANDERS

HYACINTH IN WATER TABLE VON KAI LINKE STYLEPARK 19


DAS LEBEN IST EINE VERLAGERUNG DER DINGE. DAS LEBEN IST EINE VERLAGERUNG DER DINGE – MIT DIESEM ZITAT WILL MEINE MUTTER ERKLÄREN, WARUM EIN STÄNDIGES KOMMEN UND GEHEN IHRE ZIMMER IN FLUSS HÄLT, SIE IHR HAB UND GUT WIE EINEN RIESIGEN GESCHENKKARTON REGIERT. SIE FREUT SICH DIEBISCH, WENN ANGEHAMSTERTES MIT GESCHICKTEM TAKTIEREN DANKBARE ABNEHMER FINDET ODER ES IHR GELINGT, DASS DER EIGENE EHEMANN BEI BESUCH VON FREUNDEN DIE HOSE DES GASTES LOBT UND DABEI NICHT BEMERKT, DASS ER DA GERADE EBEN SEIN EIGENES, ABGELEGTES STÜCK BEWUNDERT HAT. ES GILT, WIE EIN BALLONFAHRER IMMER WIEDER BALLAST ABZUWERFEN UND ERLEICHTERT AN HÖHE ZU GEWINNEN.

Es ist wohl eine anthropologische Konstante, sich durch Dinge erinnern zu wollen. Je rasanter der Warenfluss ist, desto öfter erfahren Gebrauchsdinge eine romantisierende Heiligsprechung und Verkitschung. Was nicht verlagert wird, wird zum persönlichen Zeitzeugen verklärt und existiert in vorzeitiger Produktpension als unbenutztes Staubobjekt auf dem Regal. Wer dieses Bewahren ins Extreme treibt, lebt bald wie im Museum, umgeben von Dingen, die Geschichten erzählen und symbolische Bedeutungen in sich tragen. Kleine Schritte in diese Richtung tut wohl jeder. Aus Kindertagen ist noch die Erinnerung greifbar, als ich heimlich in die Schale auf dem Schreibtisch meines Vaters griff, wo lauter Fetischdinge aufbewahrt waren, darunter auch das Parfüm in der grünen Flasche, das ich öffnete und mir großzügig an den Hals goss. Später kam der ernsthafte Blick des Vaters und die Erklärung, dass das Parfüm nicht für den Gebrauch bestimmt sei, sondern Erinnerung an eine Verstorbene wäre, und ich fühlte, wie der Duft, einmal ausgegossen, sich in den nächsten Tagen verflüchtigen würde. Die Achtung vor persönlicher Patina, wie sie sich in personifizierten Gebrauchsspuren ablagert, ist im Grunde aber in unserer Zeit nicht angesagt. Solche Schönheiten kauft man schneller fabrikfrisch im Geschäft, als zerschlissene Jeans oder ausgelatschten Schuh. Auch protestantische Erziehungsprinzipien – „Das kann doch noch gut getragen werden“ – sind aus der Zeit geraten und passen schlecht in den Überfluss. Viel zu billig ist das Neue und viel zu verlockend ist es, am Fortschritt, an Moden und an sich änderndem Geschmack teilzuhaben. Die ersten krachig bunten Familienalben der Kriegsgeneration lesen sich heute schon wie vorsintflutliche Dokumentationen einer Dingkultur unverlagerter Haushaltsführungen, wo eine in den Sechzigerjahren angeschaffte Wohlstandsgarnitur vierzig Jahre unverändert stehen blieb, selbst Vasen, Kerzenständer und Gebäckschalen geduldig 20 STYLEPARK

die Stellung hielten. Die Dinge, so objektiv wertlos sie auch sein mochten, bekamen ihre Chance, manchmal ein ganzes Leben lang. Sich treu den Dingen zu verheiraten, kann eben auch belastend sein. „Unsere Erbschaften erdrücken uns …“, schrieb Paul Valéry. Und der Gefahr, dass der Geist der Vergangenheit uns vereinnahmt, entflieht man am besten durch Zufall oder mutige Taten. Ein Freund besaß einmal ein wunderschönes Zwiebelbrett, groß wie ein Tortenteller, auf dem schon seine Urgroßmutter ihr Gemüse geschnitten hatte. Die birkenholzhelle Oberfläche hatte durch all den Gebrauch Gesicht bekommen und war fein wie Millimeterpapier gerastert. Aber verteufelt sind die Dinge. Während eines Festes war kaum laut ausgesprochen, dass dies ein einzigartiges Brett sei, da stach den Freund der Hafer, es auf die Probe zu stellen. Und als aus dem Garten die Rufe kamen, wir brauchen für den Tisch einen Untersatz, dass die Tischbeine nicht im Rasen versinken, schrie er: „Hier“ und zückte das Brett. Das war das Ende, es zerbrach. Jede Trennung ist ein kleiner Bataille’scher Tod. Und gerade was plötzlich und ungewollt verloren geht, schmerzt lange nach. Beim Besuch vom Schloss Belvedere in Weimar verlor ich an einem nasskalten Januartag meinen grünen SmaragdOhrring. Vor der großen Orangerie ging die Hand zum Ohr und es war schmucklos. Viermal suchten wir den matschigen Sandweg zwischen Schloss und Parkplatz ab, stocherten mit den Schuhspitzen in den schlammigen Kieselsteinen, doch der Ohrring fand sich nicht wieder. Nur ein kleiner pinkfarbener Barbiepuppenschuh, den ich beim Suchen aufgesammelt hatte, blieb am Ende, und die Vorstellung, dass irgendwo ein unbeschuhter Aschenputtel-Puppenfuß auf einem Kinderarm durch die Welt getragen wird. Die geheimnisvolle Verlagerung der Dinge als Ausdruck unserer Lebensläufe hat der Schriftsteller Neal Ascherson in seinem Buch „Das Schwarze Meer“ als etwas beschrieben, das weniger mit den Dingen als mit uns selbst zu tun hat. Einen profanen Gegenstand seiner Familiengeschichte holte er aus der Erinnerung und schrieb: „Das ist die Axt meines Großvaters. Mein Vater hat einen neuen Holm angebracht, und ich eine neue Schneide, aber es ist immer noch die Axt meines Großvaters“. Nora Sobich

FOTO: ANTONIA HENSCHEL

Glücklich, wer nichts besitzt und wie ein Zen-Mönch der Versuchung des Anhäufens und Verlagerns widersteht. So lebt an der Küste der griechischen Ägäis ein Architekt zurückgezogen wie in einem Kloster und hält sein Haus in gleichsam energetischem Gleichgewicht, indem er für jedes Stück, das neu zu ihm kommt, ein anderes verschwinden lässt. Auf nicht weniger ungewöhnliche Weise verweigert ein gebildeter Provokateur, Sammler und Anwalt sich dem Rhythmus des Haben-Wollens und Wegwerfens und pflegt seit Jahrzehnten ein so intimes Verhältnis zu dem auf seinem Herd stehenden Eiertopf, dass er dieses profane Objekt der Küchenkultur schon aus Respekt vor der gemeinsam verbrachten Lebenszeit niemals entkalken würde. Mit den unzähligen Eiern, die in dem Topf gekocht wurden, hat sich der Kalk in ihm wie in einer Tropfsteinhöhle abgelagert. Die Phase ist schon absehbar, dass der Topf vor lauter Kalk bald weder Platz für Wasser noch für Eier haben wird. Ablagern und nicht Verlagern ist die Alltagsgeschichte dieses Tropfsteintopfes. Eine Außenstehende, die wahrscheinlich nie ein in dem Topf gekochtes Ei gegessen hat, soll schon versucht haben, ihn aus hygienischer Fürsorge an sich zu bringen. Vergeblich. Er wurde zurückverlangt und steht nun wieder auf dem Herd, so wie er ist.


„Unsere Erbschaften erdrücken uns...“ PAUL VALÉRY

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FLÜCHTIGE HÜLLEN VERPACKUNGSDESIGN DARF KURZLEBIG SEIN – UND NIRGENDS MEHR ALS IN JAPAN. HIER PAART SICH DIE TEMPORÄRE NATUR DER VERPACKUNG MIT EINEM ÄSTHETISCHEN SINN FÜR VERGÄNGLICHKEIT.

Inbegriff der Vergänglichkeit in Japan ist die Kirschblüte: Stellen Sie sich einen schmalen Flusslauf vor, gesäumt mit Kirschbäumen. In ihren Kronen türmen sich kleine, zartrosa Blüten in solcher Vielzahl, dass die Äste der Bäume in einen schier nicht enden wollenden Himmel aus Kirschblütenwolken hineinragen. Bald schon löst der Wind einzelne Blütenblätter. Sachte schweben sie hinab auf die Wasseroberfläche, deren unaufhaltsames Fließen sie davonträgt. Schöner noch als die frisch erblühte Pracht an den Zweigen gilt dem japanischen Gemüt der Anblick dieses flüchtigen Moments des Vergehens. „Mono no aware“ („Rührung durch die Dinge“) ist der ästhetische Begriff, der dieses Gefühl beschreibt. Wehmut über die Vergänglichkeit schwingt darin mit, aber anders als bei dem westlichen Begriff „vanitas“, der angesichts des Todes an die Nichtigkeit allen irdischen Seins erinnert, wohnt ihm weniger eine moralische Mahnung inne als vielmehr eine Wertschätzung des Moments, und sei er noch so kurz. Dieser Moment kommt nie wieder, es bleibt nichts anderes, als seine Einzigartigkeit und Schönheit hier und jetzt zu genießen. Eng verbunden mit „Mono no aware“ sind Motive der Jahreszeiten. An Blüten, Früchten und anderen Naturerscheinungen machen sich steter Wandel und das damit verbundene Vergehen fest. Diese jahreszeitlichen Momentaufnahmen sind fester Bestandteil der japanischen Kultur, vom „Kigo“, dem Jahreszeiten-Wort im 17-silbigen Haikugedicht, über Kimonomuster bis hin zu Dekorationen und Details von Utensilien für die Teezeremonie oder den Süßigkeiten selbst, die zum Tee gereicht werden. Und auch in der modernen Konsumkultur finden sich diese Motive wieder, in Verpackungen ganz alltäglicher Produkte, die mit global standardisierten Produktionsverfahren und Materialien hergestellt sind. Da werden beispielsweise gewöhnliche Schlauchbeutel- oder Becherverpackungen durch geschickte Handgriffe sowie raffinierte Bedruckungen und Verschlüsse zu einer Irisblüte, einem Pfirsich oder gar einem Goldfischteich. Die so verpackten traditionellen „Wagashi“-Süßigkeiten übereicht man gerne als kleines Geschenk oder Mitbringsel. Und es versteht sich von selbst, dass sich ein solcher jahreszeitlicher Gruß auch nur so lange übermitteln lässt, wie das Motiv Saison hat.

IM LAUF DER JAHRESZEITEN Nur kurze Zeit erhältlich ist auch „Shincha“, „neuer Tee“, der erste grüne Tee der Saison. Dieser Tee wird Anfang Mai, wenn die Teeernte beginnt, aus frisch gepflückten Blättern hergestellt. Er schmeckt mild und erfrischend. Man sagt, wer „Shincha“ trinkt, bleibt das ganze Jahr gesund. Dem Hersteller Suntory und seiner Marke Iyemon, die die heiter-gelassene Teekultur in die Hektik des Alltags bringen will, ist es zu verdanken, dass es eine so flüchtige Spezialität auch abgefüllt in PET-Flaschen gibt. Das Etikett versprüht eine frühlingshaftlebendige Stimmung – und ist jedes Jahr anders gestaltet.

PLANMÄSSIGES VERSCHWINDEN Noch häufiger ändern sich die kleinen, nur 2,5 Zentimeter Kantenlänge messenden Tirol Choco Schokoladenquadrate. Dank der gleichbleibenden Form ist die Marke wiedererkennbar, das Design der einzelnen Sorten aber ist immer anders. Ständig lösen neue Geschmacksrichtungen und Motive die alten ab, lediglich zwei oder drei Sorten sind gleichzeitig im Angebot. Dazu kommen Sondereditionen zu traditionellen Festen oder Ereignissen der Popkultur. Tirol Choco ist kein Einzelfall. Einem Japan-Unerfahrenen kann es durchaus passieren, genau die Sorte eines Getränks, Snacks oder einer Süßigkeit zum Favoriten zu wählen, die es nach zwei Wochen schon nicht mehr gibt …

STÄNDIG WECHSELNDE SORTEN: TIROL CHOCOS KLEINE SCHOKOLADENQUADRATE OBEN: TIROL CHOCO „WEISS UND KEKS“ UNTEN: TIROL CHOCO „MILCH“

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DER REIZ DES VORÜBERGEHENDEN Dem stets Verfügbaren fehlt das Besondere, es ist selbstverständlich. Ein Produkt aber, das so plötzlich wie es auftaucht, auch wieder verschwindet, löst den Impuls des Haben-Wollens aus, garantiert Aufmerksamkeit und Abwechslung.

ENDLICHKEIT ÜBERWINDEN? Auch das Knabberzeug Kaaru, ein beliebter Longseller, kommt in saisonal limitierten Editionen. Während des Winters liegt Schnee auf den gekringelten „Katakana“-Schriftzeichen des Logos. Im Frühjahr schmilzt er. Von Dezember bis Februar wird dem Produktnamen aber auch ein auf „u“ lautendes Schriftzeichen vorangestellt: „U-Kaaru“ ist ein Wortspiel, in dem „Shiken ni ukaru“ anklingt, „die Prüfung bestehen“. Damit sendet diese wie ein Amulett gestaltete Verpackung eine hoffnungsvolle Botschaft an alle japanischen Schüler, die Tag und Nacht fleißig für die Aufnahmeprüfungen an Oberschulen oder Universitäten lernen.

Wie die natürlichen Jahreszeiten ist auch diese von der modernen Gesellschaft geschaffene „soziale“ Jahreszeit der Examensvorbereitungsphase jährlich wiederkehrend sowie zeitlich begrenzt. Und mit ihr auch die Produkte, die sich auf sie beziehen. Zur Ermutigung all derer, die zu einem anderen Zeitpunkt eine Prüfung ablegen müssen, lässt sich von der Homepage des Herstellers Meiji eine Vorlage mit den „U-Kaaru“-Motiven kostenlos herunterladen. Einfach ausdrucken, ausschneiden, aufkleben – und die Vergänglichkeit ist überwunden

Ein Beispiel dafür sind die Erfrischungsgetränke der „Sekai no kitchen kara“-Reihe des Herstellers Kirin Beverage. Das kurzfristige Erscheinen dieser von traditionellen Rezepten „aus den Küchen der Welt“ inspirierten Geschmacksabenteuer ist gänzlich losgelöst von einem erkennbaren Zeitmuster. Mit jedem neuen Getränk wechseln zudem Behälterform, Farben, Muster, Schriftarten – allein durch das Logo ist die Reihe wiederzuerkennen. Somit ist das Entdecken einer neuen Edition so überraschend wie aufregend. Man weiß nie, wann und womit man rechnen kann. Zugegeben, hinter all diesem Kommen und Gehen mag Marketingstrategie stecken. Konsum durch immer neue Kaufanreize zu stimulieren, dient dem Profit. Doch die flüchtigen Erscheinungen auf den japanischen Verkaufsregalen geben auch Gelegenheit, inmitten des Alltags eine philosophische Geisteshaltung zu üben: Nicht festhalten an Dingen und Vorstellungen, offen sein für Veränderung und Neues. Bianca Beuttel

OBEN: TIROL CHOCO „PFIRSICHKUCHEN“ UNTEN LINKS: TIROL CHOCO NEUJAHRSEDITION: MIT GLÜCKSBRINGENDEN SYMBOLEN UND ORAKELARTIGEN BOTSCHAFTEN UNTEN RECHTS: TIROL CHOCO KLASSISCH (KAFFEE)

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PRODUKTE WEITERE INFORMATIONEN ZU FOLGENDEN PRODUKTEN UND HERSTELLERN FINDEN SIE MITHILFE DER WEBCODES UNTER WWW.STYLEPARK.COM

Produkt: VILLA JULIA Hersteller: MAGIS Designer: JAVIER MARISCAL Webcode: 05.1670.10214 24 STYLEPARK


Produkt: ZETTELZ ITALIA Hersteller: INGO MAURER Designer: INGO MAURER Webcode: 04.1169.11095 STYLEPARK 25


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Produkt: CIRCUS LIMITED EDITION Hersteller: NODUS Designer: HUMBERTO UND FERNANDO CAMPANA Webcode: 10.7333.00003 26 STYLEPARK


Produkt: ROOTS Hersteller: NODUS Designer: MATALI CRASSET Webcode: 10.7333.00062 STYLEPARK 27


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Produkt: TAKEAWAY Hersteller: ESTABLISHED & SONS Designer: WERKSENTWURF Webcode: 01.4211.00161 28 STYLEPARK


Produkt: CAPE Hersteller: ESTABLISHED & SONS Designer: KONSTANTIN GRCIC Webcode: 05.4211.00177 STYLEPARK 29


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Produkt: LL04 Hersteller: PASTOE Designer: MAARTEN VAN SEVEREN Webcode: 05.4472.00080 30 STYLEPARK


Produkt: SOFTSEATING FANNING STOOLS Hersteller: MOLO DESIGN Designer: WERKSENTWURF Webcode: 05.7141.00021 STYLEPARK 31


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Produkt: MESSINGLEUCHTE Hersteller: LFF LICHT FORM FUNKTION Designer: TITOFF Webcode: 04.1836.10323

Produkt: AKARI 1N Hersteller: VITRA Designer: ISAMU NOGUCHI Webcode: 04.2051.00158

Produkt: COPPER AND WALNUT DESK Hersteller: PAUL KELLEY Designer: PAUL KELLEY Webcode: 05.4121.00020

Produkt: CM05 HABIBI BESTELLTISCH HIGH Hersteller: E15 Designer: PHILIPP MAINZER Webcode: 05.1593.10672

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Produkt: HOLES Hersteller: ARTURO ALVAREZ Designer: BERTJAN POT Webcode: 04.4924.00084

Produkt: TURBINE CLOCK MESSING /ALUMINIUM Hersteller: VITRA Designer: GEORGE NELSON Webcode: 01.2051.00128

Produkt: POH Hersteller: CAPPELLINI Designer: RAPHAEL NAVOT Webcode: 05.1205.11482 STYLEPARK 33


PRODUKTE WEITERE INFORMATIONEN ZU FOLGENDEN PRODUKTEN UND HERSTELLERN FINDEN SIE MITHILFE DER WEBCODES UNTER WWW.STYLEPARK.COM

Produkt: MY ZOO Hersteller: MAGIS Designer: MARTÍ GUIXÉ Webcode: 01.1670.10260

Produkt: CARTA BANK Hersteller: CAPPELLINI Designer: SHIGERU BAN Webcode: 05.1205.11298 34 STYLEPARK

Produkt: MUNKEN CUBE Hersteller: E15 Designer: WERKSENTWURF Webcode: 05.1593.10686


Produkt: OG7 MARCEL Hersteller: AZUCENA Designer: WERKSENTWURF Webcode: 01.6190.00076

Produkt: PO/9804A/9804B Hersteller: CAPPELLINI Designer: PIETRO SILVA Webcode: 01.1205.11460

Produkt: MEMORY CHAIR Hersteller: MOROSO Designer: TOKUJIN YOSHIOKA Webcode: 05.1894.10270 STYLEPARK 35


NICHT VON BESTAND? FARBEN AUS GEMÜSESÄFTEN, EINWEGGESCHIRR AUS MAISSTÄRKE, STÜHLE AUS HANF UND PULLOVER AUS EINWEGFLASCHEN: DIE ANWENDUNG VON NATURMATERIALIEN UND RECYCLINGSTOFFEN STEIGT LANGSAM, ABER STETIG – AUCH DANK EINER NEUEN OFFENHEIT GEGENÜBER RESSOURCENSCHONENDEN KONZEPTEN.

Er ist der Inbegriff der Massenproduktion. Schnell und billig kann er in großen Stückzahlen produziert werden. Sein günstiger Preis, das geringe Gewicht und seine Stapelbarkeit haben ihn zum meistverkauften Stuhl der Welt werden lassen: der aus Kunststoff gefertigte Monobloc. Doch Kunststoff ist zwar einerseits ein praktisches, preiswertes und flexibles Material, aber als nicht verrottender Plastikmüll eine Plage für die Erde. Zudem neigt sich das Erdöl, die Ressource, auf der die Kunststoffherstellung basiert und der wir die meisten werkstofflichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts zu verdanken haben, dem Ende zu. Ersatz ist also dringend nötig – und deshalb werden Anwendungen von Biowerkstoffen immer wichtiger. Einen Schwerpunkt in dieser Entwicklung bilden Biokunststoffe, die – wie alle Biowerkstoffe – mindesten zu zwanzig Prozent, wenn nicht vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Allein bei ihnen wird in den nächsten Jahren mit einer jährlichen Zuwachsrate von 25 bis 30 Prozent in der Produktion gerechnet, wodurch das Erdöl als Grundlage für die Kunststoffherstellung seine Bedeutung zum Teil verlieren könnte. Das bringt abermals eine große Herausforderung für Designer mit sich. Denn sie sind es in der Regel, die bei werkstoffbasierten Entwicklungen für die Auswahl eines Materials zuständig sind und die Konstruktionen eines Produktes beeinflussen. Werner Aisslinger hat mit seinem jüngsten Entwurf ein neues Material in die Welt des Produktdesigns eingeführt: Der „Hemp Chair“, ein in einem Arbeitsgang aus Hanf und einem Malvengewächs hergestellter Stuhl, der eine Mischform aus einem Monobloc und dem „Panton Chair“ zu sein scheint. Die Naturfasern bilden hier die Basis für einen Verbundwerkstoff, der eine besonders hohe Belastbarkeit durch die Zugabe von Acrodur, einem wasserbasierten Acrylharz von BASF, erhält. Beim Aushärten entstehen, anders als bei anderen Harzen, keine giftigen Substanzen wie Phenol oder Formaldehyd, sondern lediglich Wasser. Die auf Langfasern basierende Technologie wird schon vielseitig in der Automobilindustrie angewendet, in der Möbelbranche ist sie jedoch neu und revolutionär.

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Ein weiteres Produkt ist der „DBA 98 Pen“ von der gleichnamigen Firma DBA aus New York. Der von Leon Ransmeier entworfene Stift besteht aus einem Biokunststoff und ist, anders als herkömmliche Stifte, zu 98 Prozent biologisch abbaubar – wie jedes Produkt von der Europäischen Union charakterisiert wird, das sich im Rahmen einer industriellen Kompostierung in zwölf Wochen zu mindestens neunzig Prozent wieder in seine Ausgangsstoffe, Kohlenstoffdioxid und Wasser, zersetzt. Der Tintenbehälter des „DBA 98 Pen“ besteht aus Getreidefasern; seine Papierhülle wird mit einer auf Gemüsesäften basierenden Farbe bedruckt. Und ist die Tinte, die ebenfalls auf umweltfreundlichen, nicht giftigen Substanzen basiert, einmal aufgebraucht, kann man ihn auf einen Komposthaufen legen – was bleibt, ist die Schreibfeder. Diese bildet allerdings die restlichen, nicht kompostierbaren zwei Prozent und muss herkömmlich entsorgt werden. Ganz neu sind kompostierbare – und bei sortenreiner Trennung mehrfach recyclingfähige – Biokunststoffe für umweltfreundliche Massenartikel jedoch nicht: Zu seinen Pionieren gehört das Stärkeblend Mater-Bi, das aus einer Basis von mehr als 88 Prozent Maisstärke besteht. Schon 1992 wurden die ersten biologisch abbaubaren Abfallsäcke aus dem Materialgemisch gefertigt, und im Jahr 2000 fand es Verwendung in der Designwelt: Die Mailänder Firma Pandora Design stellte ein erstes Einwegbesteck, „Clack“, aus MaterBi vor; ein Jahr darauf folgte die von Giulio Iacchetti und Matteo Ragni gestaltete und mehrfach ausgezeichnete Gabel-Löffelkombination „Moscardino“. Doch auch und insbesondere im Verpackungsdesign finden Biokunststoffe vermehrt Verwendung, zum einen bei Behältern wie Joghurtbechern – jüngstes Beispiel sind die ebenfalls aus Maispflanzen hergestellten von Danone –, zum anderen bei Gesichts- und Körperpflegeprodukten wie von Pangea Organics. Der amerikanische Spezialist verpackt seine handgefertigten, ökologischen Seifen in einer aus recyceltem Material hergestellten und zu hundert Prozent kompostierbaren Pappbox, die Samen von Pflanzen wie Basilikum oder Amaranth enthält. So wird der Verbraucher angehalten, die Verpackung auch wirklich zu kompostieren – mit dem Dank eines neuen Pflänzchens.


Die Herstellung von biologisch abbaubaren Produkten macht auch vor der Kleidungsindustrie nicht halt. Das Sport- und Freizeitkleidungsunternehmen Trigema aus Baden-Württemberg stellt T-Shirts aus hundert Prozent Bio-Baumwolle her, die nicht nur besonders hautfreundlich, sondern eben auch kompostierbar sind. Auch die amerikanische Sportbekleidungsfirma Patagonia hat sich mit ihrem Einsatz für die Umwelt einen Namen gemacht. Sie stellt nicht nur Kleidungsstücke aus abbaubarer Bio-Baumwolle oder Hanf her, sondern auch aus wiederverwertbarem Recycling-Polyester. Bei Letzterem wird nach dem „Cradle-to-Cradle“-Prinzip – im Deutschen auch als „Abfall-ist-Nahrung“-Prinzip bekannt – verfahren. Es gibt, wie in der Natur, keinen Abfall, denn alle biologisch nicht abbaubaren Materialien werden so ausgewählt, dass sie später wieder neu verwendet werden können und dabei die Eigenschaften eines Neumaterials besitzen. Im Falle von Patagonia sind es bequeme recyclingfähige Kleidungsstücke aus ausrangierten Plastikflaschen. Eine Idee, die auch der dänische Möbelhersteller Hay mit „Nobody Chair“ von Komplot Design oder der Holländer De Vorm mit Benjamin Huberts Sessel „Pod“ aufgegriffen haben. Ersterer wird wie schon der „Hemp Chair“ aus einem Stück geformt, besteht jedoch nicht aus Naturfasern, sondern aus einem hundertprozentig recycelbaren Filz, der ebenfalls aus ausrangierten Plastikflaschen gewonnen wird. „Plot“ dagegen besitzt einen Rahmen aus Eschenholz und eine Sitzschale aus recyceltem PET-Filz, die bisher angeblich größte produzierte Fläche aus dem Material. Die Zeiten also, in denen Ökologie nur um den Preis von Einbußen bei Designqualität und Ästhetik zu haben war, sind vorbei. Bei vielen Konsumenten ist das Bewusstsein für einen umweltverträglichen Umgang mit Werkstoffen und das Denken in Materialkreisläufen längst angekommen – eine Entwicklung, bei der der Kreativbranche eine Schlüsselrolle zukommt, mit der sie sich vermehrt auseinandersetzen muss.

LINKS: „HEMP CHAIR“ VON WERNER AISSLINGER FOTO: MICHEL BONVIN, WWW.MICHELBONVIN.COM MITTE: „NOBODY CHAIR“ VON KOMPLOT DESIGN FÜR HAY RECHTS: „POD“ VON BENJAMIN HUBERT FÜR DE VORM OBEN: GABEL-LÖFFEL-KOMBINATION „MOSCARDINO“ VON GIULIO IACHETTI UND MATTEO RAGNI FÜR PANDORA DESIGN

Katharina Horstmann

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MY HOME IS MY CASTLE BEI EINER MESSE HAT JEDER HERSTELLER FÜR EIN PAAR TAGE DIE MÖGLICHKEIT, AUF EINEM FLECKCHEN MESSEBODEN SEIN HAUS NEU ZU ERRICHTEN. NUR EIN KLEINES HAUS, EIN ZEIGEHAUS UND KEIN PRODUKTIONSHAUS. ER KANN ES SO BAUEN, WIE ER SICH DER WELT ZEIGEN MÖCHTE.

Je nach Kapazität kann er jedes Jahr ein neues Haus oder vielmehr einen verlängerten Arm seines Unternehmens aufstellen. Denn der Messebau unterliegt ganz eigenen Bedingungen und Spielregeln, die dem Hersteller ermöglichen, flexibel und innerhalb eines kurzen Zeitraums einen Kontaktraum für seine Zielgruppe zu schaffen. Dabei geht jeder Hersteller anders vor. Doch nach etlichen Spaziergängen über die Schachbretter der Messehallen, kürzlich erst wieder beim Salone Internazionale del Mobile in Mailand, offenbaren sich auch viele Gemeinsamkeiten und das Bedüfrnis wächst, die temporären Bauten in ein paar Schubladen zu stecken. Jeder grenzt seinen Bereich ab, dicht an dicht soll deutlich gemacht werden: Das ist mein Tanzbereich und das ist deiner. Ob der Messestand eher geschlossen oder offen ist, einladend oder abschreckend, mit oder ohne Schwelle, die Grenzen zum Nachbarn sind auf jeden Fall klar definiert. Die meisten bauen mit Schwelle, einerseits sicherlich, um den Messeboden qualitativ aufzuwerten, andererseits auch, um damit gleichzeitig zu symbolisieren, „Jetzt betrittst du meinen Bereich, ich lade dich ein, aber hier herrschen auch meine Regeln.“ Das erste Date findet auf nicht ganz neutralem Boden statt. Bleiben wir bei der Jahresschau schlechthin, der Mailänder Möbelmesse. Im Grunde stehen sich zwei Typen des Messebaus gegenüber: die Box und die Bühne. Und dazwischen spielt sich das meiste ab. Die komplett geschlossene Box (wie bei Edra), die halb offene Box (wie bei Poliform), die Kombination aus Box und Bühne: Bühne in Box (wie bei Flos) oder Box auf Bühne (wie bei Vitra). Mitunter wird die Bühne kleiner und schrumpft zur Galerie, manchmal steht die Galerie vor der Box (Riva 1920), manchmal auf der Bühne (Ingo Maurer).

Innerhalb dieser grob formalen Einteilung spiegeln sich natürlich die verschiedenen Charaktere und Temperamente der Hersteller wider. Bei den Spartanisten heißt es „Mein Produkt ist mein Stand“ (als Box bei Alias, als Bühne bei Emeco). Die Exklusiven stellen vor ihre Box einen Tresen, der wie ein Türsteher eine gewisse Begehrlichkeit wecken soll. Das heißt, willst du in die Box, kommst du an dem Tresen und den dazugehörigen Damen nicht vorbei (wie bei Kenzo Maison, Fendi oder Walter Knoll). Bei den Platzhirschen sieht man vor lauter Menschen den Messestand kaum (wie bei Moroso oder Vitra). Die erreichte Bedeutung des Unternehmens bringt auch eine gewisse Erwartungshaltung an die Messepräsentation mit. Vitra verwendet beispielsweise einige Materialkomponenten wieder, was auch für den ressourcenschonenden Umgang spricht, legt sehr viel Aufmerksamkeit auf die Inszenierung der Produkte und komponiert alles zusammen zu einer gefälligen Ausstellung. Am Ende entsteht ein bemerkenswertes Gesamtkunstwerk. Auffallen ist das große Gebot, das träge Auge in der Flut der Reize erregen. Die Kreativen versuchen mit ihren auffälligen Messepräsentationen herauszuragen (wie bei Kartell, Desalto, Campeggi). Antidiva ist inmitten der statischen Boxen ein besonderer Clou gelungen: Recht einfach, aber wirkungsvoll bliesen Ventilatoren die von der Decke hängenden Stoffbahnen in Bewegung und fielen mit dieser unerwarteten Dimension auf. Mein persönlicher Liebling ist und bleibt Nils Holger Moormann. Für ihn gibt es eine eigene Klasse, der Moormann oder „The master of understatement“. Er könnte, will aber nicht. Und so fällt er mit seinen originellen Ideen in seiner kleinen Box am Rande der Messehalle schlussendlich doch auf, karikiert den Ansturm auf Neuheiten und Prototypen und will einfach nur gutes Design machen.

FOTOS: ANTONIA HENSCHEL

Nancy Jehmlich

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„Cape“ Sofa KONSTANTIN GRCIC FÜR ESTABLISHED & SONS

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„Nos Da“ und „Bora Da“ KissenDONNA WILSON FÜR SCP

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„Dot“ Teppich SCHOLTEN & BAIJINGS FÜR HAY

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„Biknit“ Stuhl und Liege PATRICIA URQUIOLA FÜR MOROSO

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„Memory“ Stuhl TOKUJIN YOSHIOKA FÜR MOROSO

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„Chassis“ Stuhl STEFAN DIEZ MIT STOFFAUSWAHL VON FARAH EBRAHIMI FÜR WILKHAHN

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FOTOS: ANTONIA HENSCHEL


ICFF 2011 AUF DER INTERNATIONAL CONTEMPORARY FURNITURE FAIR IN NEW YORK WAR NICHT WIRKLICH NEUES ZU SEHEN. VOR ALLEM FÜR BESUCHER DER MAILÄNDER MÖBELMESSE. DAFÜR LEGTEN SICH DIE DIVERSEN SHOWROOMS UMSO MEHR INS ZEUG.

Große Entdeckungen gab es nicht zu machen. Auf der ICFF, die sich immerhin als beste Möbelmesse Nordamerikas verkauft, überkam einen das Gefühl eines gewissen Déjà-vu. Altbekanntes mischte sich mit Neuheiten, die bereits in Mailand vorgestellt wurden.

Auch bei Matter, einem Laden und Hersteller für zeitgenössisches Design, gab es nicht nur Rum-Cocktails. Die Auswahl der Produkte ist erlesen und auch für uns Europäer gibt es einiges zu sehen und zu kaufen. New York ist doch immer wieder eine Reise wert.

Doch nicht nur der Teufel steckt im Detail. Für Jäger und Sammler gab es einige Überraschungen. Dieses Jahr zählte Rafael de Cárdenas mit seinen Möbeln in der Ausstellung „Architecture at Large“ dazu. Er zeigte in der Johnson Trading Gallery Möbel, die sich auf Memphis und Mark Borthwick zu besinnen scheinen und in ihrer Kraft Eindruck hinterließen.

Johnson Trading Gallery 490 Greenwich Street New York, NY 10013 www.johnsontradinggallery.com Matter 405 Broome Street New York, NY 10013 www.mattermatters.com

BLICK AUS DEM LADEN „MATTER“ AUF DIE BROOME STREET STYLEPARK 53


COCKTAIL BEI „MATTER“ IN DOWNTOWN 54 STYLEPARK


„THE NIGHTSTANDS“ BEI PHILLIPS DE PURY, CHAMPAGNER IN UPTOWN STYLEPARK 55


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„ARCHITECTURE AT LARGE“ VON RAFAEL DE CÁRDENAS IN DER JOHNSON TRADING GALLERY IN TRIBECA 58 STYLEPARK


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ENTMATERIALISIERTE WÄNDE ER PROVOZIERTE GERNE. UND AUCH MIT SEINEM 1949 ENTSTANDENEN GLASS HOUSE REBELLIERTE DER AMERIKANISCHE ARCHITEKT PHILIP JOHNSON GEGEN GESELLSCHAFTLICHE NORMEN UND TABUS.

Das völlig transparente Gebäude in New Canaan in Connecticut ist komplett verglast und besteht aus einem einzigen Raum. Eine Unterteilung in einzelne Zimmer wurde nicht vorgenommen, allein einige Einbauten deuten auf die verschiedenen spärlich möblierten Wohnbereiche hin. Nur das Bad des gläsernen Hauses, das Johnson tatsächlich jahrelang bewohnte, ist gemauert und uneinsehbar.

Philip Johnson gilt als Wegbereiter der modernen Architektur und feierte mit seinem Glass House sowie weiteren zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen namhaften Künstlern wie Mies van der Rohe entstandenen Entwürfen große Erfolge. Das Glass House ging nach Johnsons Tod in den National Trust über, dem zu verdanken ist, dass es dem interessierten Publikum bis heute zugänglich ist.

Das Glass House demonstriert ein zur Schau gestelltes Privatleben, statt die Privatsphäre durch blickdichte Mauern zu wahren. Die Idee bleibt bis heute brisant. Allerdings wohnte Philip Johnson nahezu allein in dem transparenten Haus, das auf einem weitläufigen, von Bäumen umgebenen Grundstück steht.

Sandra Spannaus

FOTOS: ANTONIA HENSCHEL

Glass House Visitor Center 199 Elm Street New Canaan, CT 06840 www.philipjohnsonglasshouse.org

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GLASS HOUSE

„The Bedroom“

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Blick aus „The Bedroom“

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„The Study“

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„The Kitchen“

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„The Living Room“

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JAIME HAYON FÜR KUTANI CHOEMON ES KLINGT NACH ÜBEREINSTIMMUNG UND HARMONIE, WAS AM RANDE DER DESIGNTIDE TOKYO IM JAHR 2009 ZWISCHEN JAIME HAYON UND DEM JAPANISCHEN DESIGNER HIROTOSHI MARUWAKA BEGANN.

ku Die Entwürfe des spanischen Designers Jaime Hayon, die gern als barock bezeichnet werden, scheinen auf den ersten Blick weniger zur Zurückhaltung der japanischen Designer zu passen. Aber die in Zusammenarbeit mit dem traditionellen japanischen Porzellanbetrieb Choemon entstandene Serie aus Tisch- und Tafelwaren vereint Hayons Kreativität und das über Jahrhunderte gereifte handwerkliche Können der Japaner. In Anlehnung an traditionelle japanische Formen und

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Farben sind verspielte Schalen, Tassen, Teller und Vasen in vorherrschend blau-weißen Mustern entstanden. Ein gelungenes Zusammenspiel unterschiedlicher Kulturen und eine Mischung von Tradition und Moderne sind die Merkmale dieser außergewöhnlichen Entwürfe. www.hayonstudio.com


utani choemon

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JAN KATH ÜBER UMWEGE AUF DEM TEPPICH GEBLIEBEN

Als Spross einer Teppichhändlerfamilie aus dem Ruhrgebiet wollte Jan Kath alles anders machen. Und landete nach langen Selbstfindungsausflügen durch Asien letztendlich doch in der Branche. Allerdings drehte er den Spieß um – der Orient kauft nun exklusive Teppiche aus Bochum! Gleichermaßen heimatverbunden wie weltoffen gelang es Kath durch außergewöhnliches Design und faire Produktion unter Berücksichtigung uralter, zeitintensiver Knüpftraditionen und durch die Verwendung von überaus hochwertigen Materialien, das angestaubte Image des Teppichs an sich zu revolutionieren. In seinen Entwürfen zeigen sich traditionelle orientalische Formen in minimalistischem Muster und reduzierten Ornamenten Seite an Seite mit modernen VintageElementen. So sehen beispielsweise seine Evolution-Modelle streckenweise gewollt abgenutzt und zerschlissen aus, aber nie billig oder minderwertig.

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Qualitätseinbußen jeglicher Art duldet der weit gereiste Meister nämlich nicht, in dieser Hinsicht sei er sehr konservativ, sagt er. Kaths Teppiche, übrigens nicht selten nach individuellen Kundenwünschen gefertigt, schmücken inzwischen die Böden arabischer Königshäuser, liegen in den Showrooms internationaler Modelabel aus oder schippern auf Luxusyachten über die Ozeane. Kaths Ideen haben den weltweiten Siegeszug angetreten. Teppich ist in. www.jan-kath.de


DIE WELT IST BUNT. IN ANDEREN ERDTEILEN BUNTER ALS BEI UNS, ABER GLÜCKLICHERWEISE BRINGEN DESIGNLABELS WIE DAS DÄNISCHE UNTERNEHMEN HAY AUCH IN UNSEREN ALLTAG MEHR FARBE.

Ein gutes Beispiel für kräftige Farben und abwechslungsreiche Muster ist die Textilreihe „Antique Quilt“. Die Stoffe stammen aus Indien und setzen sich aus vier- und fünflagigen klassischen Saris zusammen, die mit viel Aufwand von Hand zu einem hochwertigen Quilt verarbeitet werden. Jeder Quilt ist in Farbe und Muster ein Einzelstück, geliefert wird nach Verfügbarkeit – das heißt, die Spannung um das endgültige Aussehen bleibt bis zum Tag der Lieferung bestehen.

Wer für eine Tagesdecke keine Verwendung findet, dem sei die in derselben Serie erschienene Ottomane empfohlen, die mit ebendiesen vielfarbigen und verschiedenartig gemusterten Stoffen bezogen ist und ihr endgültiges Erscheinungsbild ebenfalls dem Zufall überlässt – in seiner Form schlicht und schnörkellos, ist das vielfarbige Sitzmöbel ein außergewöhnlicher Blickfang für den Wohnraum. www.hay.dk

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BATUCADA DER DESIGNER BRUNNO JAHARA STAMMT AUS BRASILIEN, DEM LAND DES SAMBAS. AUCH DES SAMBA BATUCADA, DER OHNE GESANG AUSKOMMT UND WÄHREND DES KARNEVALS DAS TANZENDE VOLK AUF DEN BELEBTEN STRASSEN ANHEIZT.

Die entsprechenden Klänge kommen nicht selten aus selbst gebauten Instrumenten, die von der ärmeren Bevölkerung in den Favelas aus Blechbüchsen und Aluminiumdosen hergestellt werden. Aus dem Portugiesischen übersetzt bedeutet „Batucada“ Trommelschlag. Damit wird deutlich, wie die Homeware-Kollektion des kürzlich aus Europa in seine Heimat zurückgekehrten Designers Brunno Jahara zu ihrem Namen kam.

Die Kollektion ist aus hundertprozentig recyceltem und durch verschiedene Beschichtungsverfahren gehärtetem Aluminium hergestellt. Die in unterschiedlicher Gestalt und Größe erhältlichen Produkte schimmern in metallisch Grün, Blau, Grau, Rot, Lila und Sonnengelb und bringen somit einen Hauch der Lebensfreude und Ausgelassenheit brasilianischer Sambatänzerinnen in farbenfrohen Kostümen in unsere Wohnzimmer und Küchen.

Diese besteht aus handgefertigten bunten Vasen, Lampen und Tabletts, die besonders durch ihr zerknautschtes und zerbeultes Aussehen auffallen. Eben so, als hätte man kräftig dagegengetrommelt.

www.brunnojahara.com

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Gira Esprit Neue Rahmenvarianten www.gira.de/esprit

Gira Esprit Gira erweitert die Material- und Farbvielfalt im Schalterprogramm Esprit. Mit den neuen Rahmenvarianten Aluminium Schwarz, Aluminium Braun und Nussbaum-Aluminium wird das erfolgreiche Designkonzept konsequent weiterverfolgt: klare Formen, ausgewählte Materialien und perfekte Oberflächen. Für Gira Esprit stehen mehr als 280 Funktionen zur Auswahl. Abb. v. l. n. r: Aluminium Schwarz/Anthrazit, Aluminium Braun/ Cremeweiß glänzend, Nussbaum-Aluminium/Farbe Alu

Aluminium Schwarz Bei den Rahmen aus eloxiertem Aluminium bleibt die natürliche Schliffstruktur des Materials erhalten. Dadurch wird die Haptik der Oberfläche dem hochwertigen Erscheinungsbild gerecht. Die neue Designvariante in mattem Schwarz eignet sich besonders für moderne Innenarchitekturkonzepte. Abb.: Gira Esprit, Aluminium Schwarz mit Energie- und Wetterdisplay Funk

Aluminium Braun Unterschiedliche Brauntöne sind ein Trend in modernen Farbkonzepten der gehobenen Innenarchitektur. Gira greift diesen Trend im Schalterprogramm Gira Esprit mit Rahmen aus eloxiertem Aluminium in mattem Braun auf. Abb.: Gira Esprit, Aluminium Braun mit Wohnungsstation Video AP, Cremeweiß glänzend

Nussbaum-Aluminium Nussbaumholz ist eines der begehrtesten Hölzer für die Herstellung von Möbeln. Die Kombination mit Rahmen aus eloxiertem Aluminium verleiht der neuen Design variante NussbaumAluminium eine organisch anmutende und moderne Optik. Abb.: Gira Esprit, Nussbaum-Aluminium mit Gira Tastsensor 3 Plus, 2fach und Gira Tastsensor 3 Komfort, 3fach, Farbe Alu

Designauszeichnungen: red dot award 2011 [Gira Esprit Aluminium Schwarz, Aluminium Braun und Nussbaum-Aluminium] interior innovation award 2011 [Gira Esprit Nussbaum-Aluminium]


EIN THUNFISCH. EINE SCHILDKRÖTE. UND EIN BAUM. JEDES MOTIV ERZÄHLT „SEINE“ PERSÖNLICHE LEBENSGESCHICHTE IN UNSERER ÖKOLOGISCH EHER BEDENKLICHEN WELT.

ESTABLISHED & SONS

FOTO: PETER GÜNZEL

Butte

Die von Scholten & Baijings für das britische Unternehmen Established & Sons entworfenen und nach dem Vorbild traditioneller Reisekoffer gefertigten hölzernen Aufbewahrungsboxen „Butte“ thematisieren mit ihren Zeichnungen den verantwortungslosen Umgang mit der Umwelt. Thunfisch, Schildkröte und Baum sind von den Designern beispielhaft herangezogen wurden, um die Vernichtung von Tier und Pflanzen darzustellen.

Die liebevoll per Hand gemalten Motive täuschen über die eher dramatischen Inhalte hinweg. Im Inneren der Boxen leuchten fluoreszierendes Orange, Blau oder Pink. Erhältlich in drei Größen, bieten diese einzigartigen Behältnisse Platz für kleine und größere Schätze. Auch ohne Inhalt zieren „Butte Tuna“, „Butte Turtle“ und „Butte Tree“ als Designobjekt die Regale. www.establishedandsons.com

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FLEUR MÉCANIQUE BISHER SORGEN DUFTÖLE, RÄUCHERSTÄBCHEN UND AROMASPRAYS FÜR EIN „ANGENEHMES“ RAUMKLIMA. WIR HÜLLEN UNSERE RÄUME IN KÜNSTLICH ERZEUGTE DUFTSCHWADEN, SCHWER ZU DOSIEREN UND IN NICHT IMMER VERTRÄGLICHEN NOTEN.

FRÉDÉRIC MALLE

Fleur Mécanique Der Sinn fürs Ästhetische bleibt bei manchem Raumduft auf der Strecke – verschnörkelte Keramiklämpchen, Kerzen in biederem Design oder gar Zimmerbrunnen in Tierform sind nicht jedermanns Sache. Die Fleur Mécanique von Frédéric Malle verspricht nun Abhilfe – ein roter Würfel in schlichtem Design zerstäubt auf Verlangen Parfum und Home Fragrances in fünf verschiedenen Duftrichtungen, die von Parfümeuren zusammengestellt wurden.

Geräuscharm, kabellos und aufladbar wie ein Mobiltelefon bietet die mechanische Blume somit Wohlbefinden auf Abruf. Erhältlich ist dieser Zauberwürfel bisher exklusiv in den Boutiquen der Editions de Parfums Frédéric Malle in Paris und New York. www.fredericmalle.com

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SHAKE IT UP! DIE MEISTEN BAUWERKE BESTEHEN AUS STEIN. IN NACHBILDUNGEN ODER MODELLEN EVENTUELL AUS HOLZ, KUNSTSTOFF ODER ANDEREN MATERIALIEN. SKYLINES ODER GEBÄUDE AUS GELEE SIND HINGEGEN WENIGER ÜBLICH.

Die jungen Briten Bompas & Parr erregen mit ihren Kreationen aus Wackelpudding nicht nur Aufsehen, sondern erzielen auch große Erfolge. Wollten sie ihrer Leidenschaft für die glibbrige Masse am Anfang lediglich mit einem Stand auf dem heimischen Wochenmarkt frönen (was ihnen übrigens verwehrt wurde), so ist daraus inzwischen ein sehr gefragtes Unternehmen geworden, das für Restaurants und Events gebucht wird und Kundenwünsche anhand von extra dafür angefertigten Gussformen detailgetreu und mit größter Sorgfalt und längst auch über die Grenzen von London hinaus in wackelige Gelatineberge umsetzt.

Die aus chemischem Tütenpulver angerührte Götterspeise unterscheidet sich von der britischen Wackelpuddingkunst – wohl wissend, dass bereits das viktorianische Zeitalter sein Jelly über alle Maßen zu schätzen wusste, legen Bompas & Parr bei der Zubereitung größten Wert auf frische Zutaten von höchster Qualität. So sind die aus der gallertartigen Masse entstehenden Kirchen, Brücken, Türme und Häuserzeilen nicht nur ein optisches Highlight, sondern im Anschluss auch ein kulinarischer Genuss in über dreißig Geschmacksrichtungen. www.jellymongers.co.uk Das Buch „Jelly“ von Bompas & Parr ist bei Anova Pavilion erschienen. ISBN-10: 9781862058798 ISBN-13: 978-1862058798

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:Wi :[i_]dcW]Wp_d \ļh ceZ[hd[i B[X[d Die Out-of-H.O.M.E.: Eine Rundreise für smarte Traveller durch die Designwelt mit Neuröffnungen und Insidertipps weltweit.

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IMPRESSUM STYLEPARK MAGAZIN FÜR PRODUKTKULTUR – SOMMER 2011

Verlag Trademark Publishing, Westendstr. 87, 60325 Frankfurt am Main, www.trademarkpublishing.de Herausgeber Stylepark AG, Brönnerstraße 22, 60313 Frankfurt am Main, www.stylepark.com Redaktion Claudia Beckmann, Daniel von Bernstorff, Christian Gärtner, Antonia Henschel (V.i.S.d.P.G.), Nancy Jehmlich, Armin J. Noll, Esther Schulze, Dimitrios Tsatsas, Robert Volhard Titelfoto Antonia Henschel, Glass House von Philip Johnson Berater der Redaktion Karl W. Henschel Anschrift der Redaktion Stylepark Magazin, Brönnerstraße 22, 60313 Frankfurt am Main T +49 (0)69 29722 222, F +49 (0)69 29722 223, magazin@stylepark.com Mitarbeiter dieser Ausgabe Bianca Beuttel, Anne Haun-Efremides, Sandra Hofmeister, Katharina Horstmann, Nora Sobich, Sandra Spannaus, Amelie Znidaric Art Direction Antonia Henschel, SIGN Kommunikation GmbH, Frankfurt am Main Produktion Oliver Selzer, SIGN Kommunikation GmbH, Frankfurt am Main Druck pva, Druck- und Medien-Dienstleistungen GmbH, Landau/Pfalz Anzeigenverkauf Jessica Hamburger, T +49 (0)69 29722 246, hamburger@stylepark.com Anzeigenverwaltung und Disposition Nicole Gründler, Stylepark AG, T +49 (0)69 29722 212, gruendler@stylepark.com Abonnement Das STYLEPARK Magazin erscheint vierteljährlich; Abonnement: Einzelpreis 9,- EUR zzgl. Versandkosten, Jahresabonnement 32,- EUR inkl. Versandkosten; online abonnieren unter www.cpshop.de Vertriebsbetreuung Einzelverkauf SI special-interest MD & M Pressevertrieb GmbH & Co. KG, Nordendstr. 2, 64546 Mörfelden-Walldorf, T +49 (0)6105 975 060 Das Magazin ist über ausgewählte Zeitungskioske erhältlich. ISSN 1860-5737 Die im STYLEPARK Magazin veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen weder Herausgeber noch Redaktion oder Verlag die Verantwortung. Bei Briefen an die Redaktion wird das Recht zur – auch auszugsweisen – Veröffentlichung vorausgesetzt. Anzeigen und Werbebeilagen sind außerhalb der Verantwortung des Herausgebers.

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