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Roland Garros

Rafael nadal (gr. Foto) und novak Djokovic

Rekordsieger

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Geniales Sandplatz-Tennis in Paris

Vor 15 Jahren hat Rafael Nadal erstmals die French Open gewonnen. 19 war er damals! Der Beginn einer schier unglaublichen Erfolgsserie mit 100 gewonnenen Matches in Roland Garros bei nur zwei Niederlagen. Gegen Novak Djokovic, die Nummer eins der Weltrangliste, holte er sich zum 13. Mal den mit Abstand bedeutendsten Sandplatz-Titel. Es war sein 20. Grand-Slam-Triumph, womit er den Rekord von Roger Federer einstellte. Beeindruckende Zahlen, die jedoch nichts widerspiegeln von dem, was sich an dem Sonntagnachmittag auf dem Court Philippe Chatrier zu Paris abspielte.

Rafael Nadal übertraf alles, was man bisher an Sandplatz-Tennis geboten bekommen hatte. Der Mallorquiner ging mit einer für die 1.000 Privilegierten, die zuschauen durften, geradezu fühlbaren Entschlossenheit in „sein“ Finale, nachdem er bei den US

Open nicht angetreten war. Nadal erhob sich auf ein spielerisches

Niveau, an das Novak Djokovic lang nicht heranreichte. Nur zwei

Spiele in den ersten beiden Sätzen – wann hatte der 30-Jährige jemals so zurückgelegen? Eine echte Chance, diesen Sandplatz-

Zauberer in „seinem Wohnzimmer“ zu schlagen, hatte er, der in dieser sehr speziellen Saison bis dahin nur einmal verloren hatte, nie. Am Ende stand es 6:0, 6:2, 7:5 und Nadal entschuldigte sich beinahe beim Weltranglisten-Ersten, dass er ihn so gnadenlos zermürbt hatte. Dabei führt Djokovic nach dem 56. (!) Aufeinandertreffen der beiden Filzball-Giganten immer noch mit 29 zu 27. „Doch was du heute hier gemacht hast, ist wirklich unglaublich.“ Vielleicht kostete den Serben auch der beschwerliche Weg ins Endspiel zu viel Kraft. Im Halbfinale ging es gegen Stefanos

Tsitsipas (Nr. 5 der Setzliste) über fünf Sätze, und zuvor gegen

Pablo Carreno Busta über vier, wogegen Nadal ohne Satzverlust durchs Feld pflügte. Selbst dem Sandplatz-Wühler Diego Schwartzman ließ er in den drei Sätzen nicht den Hauch einer Chance.

Dabei hatte der kleine Argentinier zuvor im Viertelfinale in einem denkwürdigen Fünf-Stunden-Match den US-Open-Sieger Dominic

Thiem niedergerungen und -gerannt.

Und wie sah es hinter den beiden haushohen Favoriten aus? Bei diesen von der Pandemie vom Frühsommer in den Herbst vertriebenen und deshalb in jeder Hinsicht sehr speziellen French Open gab es eine ganze Reihe von faustdicken Überraschungen, schon wegen der für ein Sandplatz-Turnier besonderen äußeren Verhältnisse: Kälte, reichlich Regen, der Sand rutschig, die Bälle langsam und schwer. Hocherfreulich aus deutscher Sicht, dass für eine der größten Daniel Altmaier sorgte. Der 22-Jährige aus Kempen am Niederrhein kam aus dem Nichts und schoss sich als Qualifikant mit sechs Siegen bis ins Achtelfinale und damit ins Zentrum der Tenniswelt. Er galt beim DTB schon von Kindesbeinen an als absolut förderungswürdiges Talent, ging jedoch auch gern eigene Wege. So entschloss er sich, seinem Idol Stan Wawrinka in dessen Agentur Starwing zu folgen. Sein aktueller Trainer Francisco Yunis nahm ihn mit in seine argentinische Heimat, wo er in der Pampa das Fitwerden lernte nach zahlreichen Verletzungen. Und jetzt übergangslos der erste Auftritt gleich auf der ganz großen Bühne. Nach dem Durchmarsch in der Quali fegte Altmaier als erstes den erfahrenen Spanier Feliciano Lopez (WR 60) in drei Sätzen hinweg. Dann die große nationale Herausforderung, das Duell mit JanLennard Struff, in der Weltrangliste mit 32 der zweitbeste Deutsche. Für ihn fungierte Altmaier immer wieder mal als Hitting Partner, jetzt hatte Struffi nur im zweiten Satz eine Chance. Mit 3:6, 6:7(4) und 3:6 war Schluss für ihn, der zuvor noch das amerikanische Dauertalent Tiafoe besiegt hatte. Als nächstes war der Italiener Matteo Berrettini dran, in Paris an Nummer sieben gesetzt. Mit seinem unbändigen Siegeswillen und seinem aggressiven, weitgehend fehlerfreien Spiel setzte sich Altmaier mit 6:2, 7:6 und 6:4 durch. Der Einzige, der nicht überrascht war, schien er selbst zu sein. Gut, dass Altmaier die Zeit seiner Verletzungen offensichtlich genutzt hat, um zu lernen, sich perfekt auszudrücken und mit einigem Selbstvertrauen zu erklären, wie es jetzt weitergehen soll. Gegen die Nummer 17 der Weltrangliste, Pablo Carreno Busta, ging es nicht weiter. Der erfahrene Spanier ließ sich nicht überraschen und siegte deutlich mit 6:2, 7:5 und 6:2. Daniel Altmaier konnte 189.000 Euro Preisgeld mit nach Hause nehmen und die Gewissheit, mit mehr öffentlicher Beachtung fertigwerden zu müssen. Das schafft er.

Damit muss der ein Jahr ältere Alexander Zverev schon lange klarkommen. Besonders nach seinem ersten Grand-Slam-Finale bei den US Open, das er in einem unvergesslichen Match gegen seinen Spezi Dominic Thiem verlor. Der neue Anlauf in Paris führte ihn problemlos über den Österreicher Dennis Novak, danach über fünf Sätze und vier Stunden gegen den erfahrenen Franzosen Pierre Hugues Herbert und über Marco Cecchinato, ebenfalls in die vierte Runde. Bei dem an sich mühelosen Drei-Satz-Sieg

gegen die italienische Überraschung hatte sich Zverev, der sich bereits vorher über die Nässe und die niedrigen Temperaturen beklagt hatte, offensichtlich erkältet. Gegen Yannik Sinner, den Wunderknaben aus Südtirol, ging ihm so sehr die Luft aus, dass er vom Turnierarzt ein Mittel für Erleichterung beim Atmen anfordern musste. „Ich hätte gar nicht antreten sollen“, meinte er hinterher, ohne die überzeugende Leistung Sinners damit schmälern zu wollen. „Für einen 19-Jährigen ist er extrem konzentriert und ernsthaft bei der Sache.“ Zverev war froh, dass er mehrfach negativ auf Corona getestet worden war. Wie überhaupt dieses Turnier erstaunlich infektionsfrei durch die besonders in Paris so angespannte Situation kam. Lediglich Dominik Koepfer hatte ein sehr spezielles Erlebnis. Nach seinem Sieg in Runde eins gegen den Franzosen Hoang verlor er gegen Stan Wawrinka in vier Sätzen. Danach wurde er an einem Tag positiv auf Corona getestet und tags darauf negativ, was letztlich bestätigt wurde. Philipp Kohlschreiber hatte wieder einmal Pech mit der Auslosung und schied gleich gegen den Vorjahressieger der BMW Open, Cristian Garin (WR 20), in vier Sätzen aus.

Iga Swiatek

eine 19-JähRige POLin ROcKT die dAmenKOnKuRRenz LAURA SIEGEMUND IM VIERTELFINALE

Seit Serena Williams nicht mehr die Szene dominiert, seit gut zwei Jahren also, fehlt im Damentennis eine feste Größe: vier verschiedene Siegerinnen in den letzten Grand-Slam-Turnieren. Das könnte sich nach Roland Garros ändern. Wie Iga Swiatek die French Open beherrschte, lässt für die Zukunft einiges erwarten. Mit 19 Jahren ist sie die jüngste Siegerin in Paris seit Monica Seles 1992. Die erste Polin überhaupt in der Grand-Slam-Geschichte, mit einem Resultat, das es so auch noch nicht gegeben hat. In den sieben Partien verlor sie keinen Satz und gab insgesamt lediglich 28 Spiele ab. Ihr außergewöhnliches Talent bewies Swiatek bereits 2018, als sie in Paris den Juniorenwettbewerb im Doppel, einen Monat später den Einzeltitel in Wimbledon gewann, und sich an Nummer fünf in der Junioren-Weltrangliste positionierte. 2019 überraschte sie bei den French Open gleich mit dem Einzug ins Achtelfinale, wo sie noch glatt gegen Simona Halep verlor. Über die vierte Runde in Australien kam sie schließlich als Nummer 54 nach Roland Garros. Als neue Nummer 17 der Weltrangliste und um 1,6 Millionen Euro reicher kann sie sich in ihrer Heimat gebührend feiern lassen. Faszinierend, mit welcher Ruhe und Ausgeglichenheit sie ihre Matches angeht. Von der Grundlinie aus beherrscht sie das Feld mit kraftvollen, aggressiven und zielgenauen Schlägen. So revanchierte sie sich bei der an Nummer eins gesetzten Simona Halep mit 6:1 und 6:2 für die Vorjahresniederlage. Im Finale hatte die Australian-Open-Siegerin, die Amerikanerin Sonya Kenin, auch keine Chance. Die 22-Jährige hatte zuvor Petra Kvitova in einem Feld voller Überraschungen besiegt.

laura Siegemund

Alexander Zverev

Daniel Altmaier Zu letzteren zählt absolut auch Laura Siegemund. Die 32-Jährige, die erst kürzlich mit ihrer russischen Partnerin Wera Swonarjowa im Doppel bei den US Open reüssiert hatte, lieferte in Paris das beste Einzelergebnis in einem Grand Slam in ihrer langen, von einem Kreuzbandriss unterbrochenen Karriere. Siegemund schlug mit ihrem variantenreichen, unorthodoxen Spiel in Runde eins die Französin Kristina Mladenovic, die sich übrigens am Ende mit einem Triumph in der Doppelkonkurrenz, zusammen mit ihrer Partnerin, der Ungarin Timea Babos, halbwegs schadlos hielt. Bedauerlicherweise bereits in Runde zwei trafen die beiden Deutschen Siegemund und Julia Görges aufeinander. Im ersten Satz dominierte Görges, die zuvor die an 19 gesetzte Amerikanerin Alison Riske geschlagen hatte, ließ ich aber von den Stopps und Lobs von Laura Siegemund aus dem Konzept bringen. Am Ende stand es 1:6, 6:2 und 6:3 für die Württembergerin. Angie Kerber, die dritte Deutsche mit Ambitionen, an Position 18 gesetzt, ging bereits in Runde eins mit 3:6 und 3:6 gegen die 20-jährige Slovenin Kaja Juvan unter. Siegemund musste in Runde drei gegen die Kroatin Petra Martic über drei Sätze gehen, wobei sie den ersten im Tiebreak verlor. Sie ließ sich auch durch früh aufgetretene Rückenproblemen nicht von ihrem Siegeswillen abbringen und kämpfte sich schließlich gegen die Spanierin Paula Badosa ins Viertelfinale. Dort war gegen die Tschechin Petra Kvitova, die zweifache Wimbledon-Siegerin, die sich nach einer dramatischen Handverletzung gerade zurück in die Weltelite kämpft, Ende ihrer Rallye. Laura Siegemund tröstete sich mit 283.000 Euro Siegprämie und will ihre Karriere weiter konzentriert verfolgen. Ludwig Rembold