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FUCK OFF!

Gewinn Spiel

Das britische Duo Sleaford Mods ist die vielleicht überraschendste Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Mit rauen, spartanischen Songs und wütendem Sprechgesang erspielte sich das Duo Jason Williamson und Andrew Fearn eine große, immer noch wachsende Gefolgschaft. Ihr Sound und ihre Anti-Haltung sind ein gutes Gegengift gegen faden PopEinheitsbrei. Sleaford Mods-Stimme Williamson nimmt sich auch im Interview kein Blatt vor den Mund.

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Stimmt es, dass Sleaford Mods ur- sprünglich den Namen That’s Shit, Try Harder trugen? (lacht) Ja. Damals war ich noch solo unterwegs. Der Toningenieur sagte: Das ist zu lang, vielleicht findest du einen kürzeren Namen. Aus heutiger Sicht war es eine gute Entscheidung ihn zu ändern.

Sleaford Mods kommen aus dem Underground. Inzwischen spielen Sie in Großbritannien vor zehntausenden Menschen. Wie schaffen Sie es, bei all dem Erfolg immer noch so zornig zu klingen? Ich glaube, das ist bei mir eine Grundhaltung. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber Zorn ist mir als Gefühl einfach näher als andere Gefühle. Und es gibt immer etwas, das einen wütend macht. Aktuell finden sich besonders viele Sachen, die einen zornig oder traurig stimmen.

Man sucht oft in der Kindheit nach Erklärungen. Wie sind Sie aufgewachsen? Arbeiterklasse. Wobei mein Stiefvater ein Bauunternehmen aufgebaut und gut verdient hat. Ich war als Kind schon ein bisschen zornig. Meine Eltern trennten sich, als ich zehn war. Davon war ich natürlich nicht begeistert. Aber ich liebe meinen Stiefvater. Wir zogen bald in ein größeres Haus. Ein sozialer Aufstieg war damit meines Erachtens nicht verbunden. Heute gehöre ich ironischerweise tatsächlich zur Mittelschicht. Ich wohne in einem netten Vorort. Und ich genieße das.

Der Erfolg kam spät. Sie sind Anfang 50, also ähnlich alt wie Liam Gallagher. Das Verrückte ist: Liam ist sogar jünger als ich. Ich hätte nie gedacht, erfolgreich zu werden. Es sah zumindest lange Zeit nicht danach aus. Ich war ab Mitte 20 in Bands und habe in wechselnden Jobs gearbeitet, um irgendwie durchzukommen. Meist bin ich dramatisch gescheitert. Heute konkurrieren wir mit Leuten, die halb so alt sind wie wir. Ich will auf keinen Fall etwas machen, das nicht zu uns passt. Der Sound wird nicht verwässert.

Die Lage der Nation scheint Sie mehr aufzuregen als die Jungen. Ist das neue Album „UK Grim“ eine Abrechnung mit der englischen Politik? Zum Teil schon. Aber nicht nur. Ich rechne auch mit Musikern und Szenen ab, die ich nicht mag. „UK Grim“ ist ein Wortspiel mit dem britischen Rap-Stil Grime. Der Titel umschreibt unseren musikalischen Stil ziemlich perfekt und ist gleichzeitig ein Kommentar zur Lage der Nation.

In einem Song sprechen Sie von „Aldi-

Nationalismus“. Was heißt das? Ich habe das Bild gewählt, weil Aldi ein recht erschwinglicher Supermarkt ist. Nicht billig, aber billiger als andere Geschäfte. Unsere Politik wird gleichzeitig dominiert von einer billigen Version von Nationalismus und Faschismus. Sie wirkt klein und harmlos, aber der Antrieb dieser Politik ist dunkel und wirkt auf mich beinahe teuflisch.

„Tory Kong“ ist ein ausgestreckter Mittelfinger gegen die konservative Partei? Ja, aber mit absurdem, surrealem Touch. Ich habe das im Text mit Peter Jacksons „King Kong“-Film verbunden, den ich wirklich brillant fand.

Und wie steht es um die Labour Party? Furchtbar. Deprimierend. Labour sagt, wir sollen stolz auf nationalen Patriotismus sein. Ich sage: Verpisst euch.

Ich habe ein Interview mit Ihnen gelesen, in dem Sie kundtun, nicht zur nächsten Wahl zu gehen. Wieso? Ich glaube, ich muss nicht hin. Labour wird einen Erdrutschsieg einfahren. Es ist wichtig, dass die Konservativen abgewählt werden, aber ich müsste mich sehr überwinden, um Labour zu unterstützen.

Sie verfluchen in einem neuen Song die DIY-Szene. Leute, die mit geringen finanziellen Mitteln Ihre Musik selbst produzieren. Was haben Sie gegen die? Ich verstehe ihren Kampf. Sie setzen sich für die Unabhängigkeit von Musik ein, wollen kleine Konzert-Venues erhalten und all das. Einerseits. Auf der anderen Seite sind einige dieser Leute verdammte elitäre Wichser. Für mich sind sie genauso schlimm wie die Bosse an der Spitze der Musikindustrie. Vollidioten.

Im Pressetext zur Platte wird diese mit Alben von The Clash oder Public Enemy verglichen. Sehen Sie Parallelen zu diesen Bands? Steht das drin? Ich bin kein großer Clash-Fan, aber umso mehr von Public Enemy. Also nehme ich das gerne an. Wir haben hart gearbeitet. Es gibt nicht viele Leute, die es besser machen als wir.

Mit Ihren Protestsongs sind Sie eine laute Minderheit, nicht? Es gibt schon noch ein paar andere Bands mit zornigen, politischen Texten. Aber sehr viel höre ich nicht. Und wir machen im Grund ja auch nichts. Wir sind nicht aktiv darum bemüht, die Dinge zu ändern. Wir nehmen nur Musik auf, in der wir uns zu bestimmten Themen äußern. Das ist unser kleiner Beitrag.

Betrachtet man Ihren Output der letzten Jahre, sind Sie ein Workaholic wie Ihr Stiefvater. Absolut. Es muss immer weitergehen, damit die Kreativität nicht erlischt. Das treibt mich an.

Wie soll es weitergehen? Natürlich habe ich manchmal Angst, ein alter Wichser zu werden wie viele meiner Idole. Die machen ab und zu noch gute Platten, aber sie haben keine Relevanz mehr. Man kann als Kreativer nicht ewig mit der Gegenwart verbunden sein. Irgendwann werden Sleaford Mods wahrscheinlich auch scheiße klingen. Ich versuche es aber zu vermeiden.

n Das Lido Sounds findet vom 16. bis 18. Juni am Linzer Urfahrmarkt statt, Sleaford Mods spielen am letzten Tag.

LINE-UP INFO

Lido Sounds am 16. Juni Florence + The Machine * ALT-J *

Salò * Apollo Sissi * Bon Jour * Lil Julez