Spielzeit 2024/25
Buddenbrooks
nach dem Roman von Thomas Mann

„Die Kunst ist das schönste, strengste, heiterste und frömmste Symbol alles unvernünftig menschlichen Strebens nach dem Guten, nach Wahrheit und nach Vollendung.“
Thomas Mann
Buddenbrooks
Nach dem Roman von Thomas Mann
In einer Bühnenfassung von Niklas Ritter
Tony
Thomas
Christian
Konsul
Konsulin
Grünlich
Morten / Gerda / Köchin Trina
Kesselmeyer / Permaneder
Lotsenkommandant / Doktor
Hanno
Inszenierung
Bühne & Kostüme
Musik
Choreographie
Licht
Dramaturgie
Regieassistenz & Abendspielleitung
Inspizienz
Soufflage
Nora Hickler
Anjo Czernich
Jakob Schleert
Markus Voigt
Gabriele Völsch
Franz Warnek
Paula Dieckmann
Jan Bernhardt
Markus Voigt, Franz Warnek
Niklas Ritter
Annegret Riediger
Andreas Dziuk
Stefano Fossat
Kirsten Heitmann
Nadja Hess
Georg Meier
Stefano Fossat
Stefano Fossat, Kerstin Wollschläger
Liebe Gäste, wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Vielen Dank.
Premiere in Stralsund am 14. März 2025
Premiere in Greifswald am 29. März 2025
Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden, eine Pause
Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag GmbH. Frankfurt am Main
Ausstattungsleiterin: Eva Humburg Technischer Direktor: Christof Schaaf
Bühnentechnische Einrichtung: Michael Maluche Toneinrichtung: Hagen Währ, Samuel Zinnecker Leitung Bühnentechnik: Michael Schmidt, Robert Nicolaus Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann Leitung Ton: Daniel
Kelm Leitung Requisite: Alexander Baki-Jewitsch, Christian Porm Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva Humburg Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann, Kristin Loleit Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister
Malsaal: Anja Miranowitsch, Fernando Casas Garcia, Sven Greiner Dekoration: Lukas Ensikat Kostümwerkstätten: Gewandmeisterinnen: Carola Bartsch,
Annegret Päßler, Ramona Jahl Modisterei: Elke Kricheldorf Assistenz: Dorothea Rheinfurth, Maisa Franco Maske: Tali Rabea Breuer, Jill Dahm, Antje Kwiatkowski, Kateryna Maliarchuk, Ilka Stelter, Bea Ortlieb, Philipp Gielow Ankleiderinnen: Ute Schröder, Petra Hardt

Die „Buddenbrooks“ – zur Einführung
Thomas Manns Roman „Buddenbrooks“ ist einer der wichtigsten Gesellschaftsromane des 20. Jahrhunderts. Thomas Mann selbst gab seinem Romandebüt den Untertitel „Verfall einer Familie“. In späteren Selbstkommentaren beschrieb er die „Buddenbrooks“ als einen „Roman deutscher Bürgerlichkeit“, mit dem er einen „allgemeinen Weltprozess“ eingefangen habe.
Biographisches
Als zweiter Sohn des Lübecker Kaufmanns und Senators Johann Heinrich Mann und dessen Frau Julia da SilvaBruhns wurde Thomas Mann im Juni 1875 geboren. Die Familie Mann gehörte der patrizischen Oberschicht der Hansestadt an. Das angesehene Handelsunternehmen machte gute Geschäfte, so dass Thomas Mann gemeinsam mit seinen vier Geschwistern in wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs. Die Mutter war musikalisch und pflegte einen regen Kontakt zu Musikern und Sängern. Als Thomas Mann 16 Jahre alt war, starb der Vater, und da er die Geschäftsuntüchtigkeit seiner Söhne erkannt hatte, verfügte er in seinem Testament die Liquidation der Handelsfirma. Zwei Jahre später zog die Mutter mit den drei
jüngeren Geschwistern nach München. Thomas blieb allein zurück, um die von ihm als stumpfsinnig empfundene Schule zu beenden. Die Schulferien verbrachte er in Travemünde, wo er „die unzweifelhaft glücklichsten Tage“ seines Lebens verbrachte. 1894 ging er ebenfalls nach München – die Schule hatte er vorzeitig ohne Abitur verlassen. Wohl auf Wunsch seiner Mutter arbeitete er für kurze Zeit als Volontär für eine Feuerversicherung. An einen Freund in Lübeck schrieb er:
„Man braucht vielleicht auch einen festen Halt, eine geregelte Tätigkeit, um nicht ganz zu verbummeln.“
Letztlich nutzte er aber die Arbeitszeit, um heimlich an seiner Erzählung „Gefallen“ zu arbeiten, die im Oktober 1894 in einer Literaturzeitschrift veröffentlicht wurde. Sein schriftstellerisches Debüt wurde von der literarischen Welt lobend wahrgenommen, was dem jungen, an seiner Begabung zweifelnden Thomas Mann Zuversicht gab. Mit 21 Jahren bekam er aus dem Erbe seines Vaters genug Geld zum Leben und beschloss, Schriftsteller zu werden.
Die „Buddenbrooks“ entstehen 1896 reiste er erstmals mit seinem Bruder Heinrich nach Italien und veröffentlichte 1898 den Novellenband „Der kleine Herr Friedemann“ im S. Fischer Verlag, der auch der Grund für den Brief des Verlegers Samuel Fischer war, in dem er Thomas Mann ermutigte, „ein größeres Prosawerk zu veröffentlichen“. Zu der Zeit arbeitete dieser gerade an einem auf 250 Seiten angelegten Werk mit dem Arbeitstitel „Abwärts“, das er später als „Keimzelle der Buddenbrooks“ bezeichnete:
„Während ich mich eigentlich nur für die Geschichte des sensitiven Spätlings Hanno und allenfalls für die des Thomas Buddenbrook interessiert hatte, nahm all das, was ich nur als Vorgeschichte behandeln zu können geglaubt hatte, sehr selbstständige, sehr eigenberechtigte Gestalt an.“
Von Italien aus bat er seine Mutter und andere Verwandte um Hintergrundinformationen und Dokumente, die über die Familie Auskunft gaben. Er erhielt Briefe, Festerinnerungen, Kochrezepte, Lebensläufe, wirtschaftsgeschichtliche Ausführungen sowie die „Biebel“ des Großvaters: ein aus losen Blättern zusammenge-
stelltes Heft, in dem Geburten, Einschulungen, Ehen usw. verzeichnet waren. All diese Informationen nutzte Thomas Mann, um genaue Stammbäume zu entwerfen, die Vermögensverhältnisse aufzuschlüsseln und eine Sammlung mit familiären Anekdoten anzulegen. Im August 1900 schickte er das 1000 Seiten umfassende Manuskript an seinen Verleger. Dessen Bitte, den Roman doch um die Hälfte zu kürzen, lehnte er erfolgreich ab –und so erschien der Roman erstmals im Oktober 1901 in zwei Bänden. Die zweite, einbändige und preisgünstigere, Ausgabe wurde ein Erfolg und machte Thomas Mann im Alter von 26 Jahren zu einem berühmten und wohlhabenden Autor. Maßgeblich für die „Buddenbrooks“ erhielt er 1929 den Literaturnobelpreis.
Inhalt
Über den Zeitraum von 1835 bis 1877 erzählt der Roman anhand von Familienmitgliedern aus vier Generationen den allmählichen Untergang des traditionsreichen hanseatischen Handelsunternehmens Buddenbrook. Der Handlungsort ist unzweifelhaft Lübeck, obwohl der Name im Roman nicht ausdrücklich genannt wird. Anfangs laufen die Geschäfte im Getrei-
dehandel sehr erfolgreich, die Familie verfügt über ein beträchtliches Vermögen. Traditionsbewusstsein, Erfolg und ökonomisches Denken sind die unhinterfragten Grundwerte, die alle Lebensbereiche der Familie bestimmen. Selbstverständlich ist auch, dass sich individuelle Glücksansprüche dem patriarchal bestimmten Wohl des Unternehmens unterzuordnen haben. Doch in der dritten Generation geraten diese Grundvereinbarungen ins Wanken. Der älteste Sohn Thomas übernimmt mit viel Ehrgeiz, Leistungsbereitschaft und höchstem Anspruch an sich selbst die Geschäfte seines Vaters. So gelingt es ihm zunächst, den wirtschaftlichen Erfolg der Firma zu steigern und als Senator eines der wichtigsten Ämter zu be-
kleiden. Doch dieser Weg ist für ihn nur mit äußerster Disziplin, persönlichem Verzicht und Selbstverleugnung möglich. Indem er sich selbst ein authentisches Leben verweigert, treibt er sich in die seelische und körperliche Erschöpfung. Seinem Bruder Christian ist als zweitgeborenem Sohn der Lebensweg als Kaufmann nicht vorgeschrieben. Dennoch gelingt es ihm nicht, sich von den Traditionen wirklich zu befreien. Vielmehr begibt er sich in Opposition zum Familienkodex, indem er sich in unstandesgemäßen Theaterkreisen vergnügt und als haltloser Weltenbummler herumtreibt. Durch seinen übermäßigen Hang zur Selbstentäußerung entwickelt er hochneurotische Züge und verspielt die Chance auf ein autono-

mes Leben. Und auch Tony, die von Anfang bis Ende die konstante Figur im Roman ist, kann sich dem traditionellen Denken der Familie nicht entziehen. Sie beugt sich dem elterlichen Erwartungsdruck und opfert ihre erste große Liebe – und damit auch ihr ganz individuelles Lebensglück. Zugunsten des Familienunternehmens willigt sie in eine Geldheirat ein. Doch ihr Ehemann geht Bankrott und sie kehrt als geschiedene Frau in das Elternhaus zurück. Aus dem verinnerlichten Verantwortungsbewusstsein heraus, am Erfolg und Ansehen der Firma „mitarbeiten“ zu wollen, geht sie eine zweite Ehe ein – noch bevor familiärer Druck auf sie ausgeübt wird. Ihr persönliches Glück stellt sie dabei wieder zurück. Der ersehnte Stammhalter Hanno ist zart, sensibel und überaus musikalisch begabt. Schon früh spürt er, dass er untauglich ist für die harte Welt des Handels und der Zahlen. Er zerbricht am väterlichen Erwartungsdruck, die Kaufmannstradition fortführen zu müssen – und an der Unmöglichkeit, seinen Platz in der Welt zu finden.
Historische Hintergründe
Der Niedergang des Familienunternehmens Buddenbrook wird begleitet und forciert von fundamentalen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Umwälzungen.
Nach dem Sieg über Napoleon 1815 wurde der Deutsche Bund gegründet, womit eine Zeit der Restauration anbrach. Während des Vormärz und der Revolution von 1848 erhoben sich Proteste mit Forderungen nach festgeschriebenen Grund- und Freiheitsrechten für alle. Die massiven Unruhen wühlten ganz Europa auf. Dann fanden drei Kriege statt, die auch in Norddeutschland zu geopolitischen Veränderungen führen. 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet. Parallel dazu führte die industrielle Revolution zu technischen Innovationen und einer stark beschleunigten Produktion. Das waren beste Voraussetzungen für ein zunehmend wagemutiges Unternehmertum und ein rücksichtsloseres finanz-ökonomisches Verhalten. Das Zeitalter der Großbanken, Großindustrien und Finanzbourgeoisie brach an – es ging um Aufstieg und Führungspositionen auch auf dem Weltmarkt. Viele patrizische Kaufleute verloren ihre führende Stellung an die neuen Herren der Industrie. Gerade in der alten Hansestadt Lübeck konzentrierten sich viele Handelsunternehmen weiterhin auf ihre traditionellen Geschäfte und verloren im neuen Wettkampf – wie auch die Buddenbrooks, die in persönlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht dem Sturm der neuen Zeit nicht standhalten konnten.
Drei Fragen an den Regisseur Niklas Ritter
Wie bist du vorgegangen, um aus einem fast 800-Seiten-Roman eine Bühnenfassung zu entwickeln?
Für mich waren beim ersten Lesen schon zwei Dinge klar. Erstens: Der Roman ist zu komplex, um ihn komplett auszuerzählen. Es brauchte einen Fokus. Eine Figur, die den Rahmen bildet. Diese Figur ist bei uns Tony Buddenbrook. Ihre Konflikte, um sich in einer traditionellen Familie, in einer patriarchalen Gesellschaft durchzusetzen, sind heute so aktuell wie damals. Und dann gibt es Thomas und Christian als weitere zentrale Figuren. Auch sie leiden unter dem Korsett aus Erwartungen, Regeln, Traditionen und zerbrechen daran. Alle drei verleugnen sich für ein überholtes System.
Was die Struktur angeht, habe ich ganz formal nach einer Erzählweise gesucht, die ein gewisses Tempo hat. Der Roman hat viele Zeitebenen, etliche Ortswechsel und er ist gespickt mit großartigen Dialogen, die man sehr gut verwenden kann … ein bisschen musste ich beim Lesen an die großen Bergman-Filme denken. Letztlich habe ich mich für eine sehr filmische Erzählweise entschieden, mit vielen Schnitten, Zeitsprüngen, Ortswechseln.
Welcher inhaltliche Schwerpunkt hat sich für dich während der Textarbeit herauskristallisiert?
Mitte des 19. Jahrhunderts werden Prozesse angestoßen, die mit neuen Vorstellungen individueller Freiheit und der Möglichkeit neuer, gleichberechtigter Lebensentwürfe zu tun haben. Vor allen Dingen, was die Rolle der Frau angeht. Die Bedürfnisse der Frauen nach Selbstbestimmung wurden immer größer. Aber die gesellschaftlichen Widerstände waren noch groß. Wenn wir ehrlich sind, ist dieser Prozess ja bis heute nicht abgeschlossen. Stichwort: Frauen in Führungspositionen, Frauen in Politik und Wirtschaft, Stichwort gleiche Bezahlung und so weiter.
Was können die Konflikte der Geschwister Buddenbrook über unsere Gegenwart erzählen?
Die Konflikte unserer Hauptfiguren Tony, Thomas und Christian sind sowohl familiär als auch gesellschaftlich. Alle drei scheitern auf unterschiedliche Weise an dem Versuch, ihre individuellen Bedürfnisse zu leben und gleichzeitig die Familientradition zu wahren. Aber auch die „Marke Buddenbrook“, für die sich die Figuren
letztlich „opfern“, gehört zu einem veralteten, überholten System und geht an den eigenen Prinzipien zugrunde.
Weil seine Tradition einem neuen Hyperkapitalismus aus Innovation und Spekulation nicht standhält. Das heißt: Die Familien- und Geschäftsphilosophie der Buddenbrooks ist unfähig, mit den grundlegenden industriellen, finanz-ökonomischen und sozialen
Herausforderungen einer sich wandelnden Zeit Schritt zu halten. Wie sehr können wir an Vertrautem, an unseren Sicherheiten festhalten angesichts der aktuellen Umwälzungen? Und schon befinden wir uns im Hier und Jetzt. Ich würde sagen, Thomas Manns „Buddenbrooks“ sind aktueller denn je…



Nachfolger gesucht
Die Nachfolge stellt Familienunternehmen heute vor erhebliche Herausforderungen. Viele junge Menschen bevorzugen andere berufliche Wege – sei es die vermeintliche Sicherheit einer Festanstellung oder die Dynamik der Startup-Szene. Der Prozess der Unternehmensnachfolge stellt auch eine erhebliche emotionale Herausforderung für alle Beteiligten dar. Besonders für die Übergeber gestaltet sich die Situation oft schwierig, da die Trennung vom eigenen Lebenswerk eine große emotionale Hürde darstellt. Was über Jahre oder sogar Jahrzehnte aufgebaut und gepflegt wurde, loszulassen und in andere Hände zu übergeben, wird häufig als schmerzlicher persönlicher Verlust empfunden.
Eine weitere Herausforderung liegt in den möglichen Generationenkonflikten, die während des Übergabepro-
zesses auftreten können. Unterschiedliche Vorstellungen, Erwartungen und Herangehensweisen zwischen der älteren und jüngeren Generation bergen Konfliktpotenzial. Junge Nachfolger bringen häufig frische Perspektiven und innovative Ansätze mit, die das Potenzial haben, das Unternehmen grundlegend zu modernisieren – aber auch zu Reibungen mit etablierten Strukturen und traditionellen Geschäftsmodellen führen kann. Außerdem geht die Verantwortung für ein Unternehmen für die neuen Inhaber oft mit einer erheblichen Arbeitsbelastung einher, die gut organisiert und bewältigt werden muss. Es gilt, von Anfang an ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beruflichen Anforderungen und privatem Leben zu etablieren, um langfristig erfolgreich und zufrieden arbeiten zu können.
Cengiz Altaca
Sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bey Nacht ruhig schlafen können.
Geschäftsmotto der Firma Buddenbrook
„Wir sind, meine liebe Tochter, nicht dafür geboren, was wir mit kurzsichtigen Augen für unser eigenes, kleines, persönliches Glück halten, denn wir sind nicht lose, unabhängige und für sich bestehende Einzelwesen, sondern wie Glieder in einer Kette … Du müsstest nicht meine Tochter sein, nicht die Enkelin Deines in Gott ruhenden Großvaters und überhaupt nicht ein würdig Glied unserer Familie, wenn Du ernstlich im Sinne hättest, Du allein, mit Trotz und Flattersinn Deine eigenen, unordentlichen Pfade zu gehen.“
Konsul Buddenbrook

Tante Elisabeth & der weite Weg zur Gleichberechtigung
Maria Elisabeth Mann wurde im August 1838 in Lübeck geboren und gilt als das reale Vorbild für die Figur der Tony Buddenbrook. Auf die Bitte von Thomas Mann hatte seine Schwester Julia Mann einen mehrseitigen Bericht über die gemeinsame Tante Elisabeth verfasst, der die Hauptquelle für die Figur der Tony Buddenbrook werden sollte und in manchen Sätzen wortgetreu in den „Buddenbrooks“ wiederzufinden ist.
Elisabeth Mann war eine lebenslustige Frau und eine „gute Partie“. Sie hatte viele Verehrer und besonderes Interesse an ihrem musikalisch begabten Cousin. Dann aber tauchte Ernst Elfeld auf, ein Pastorensohn mit guten Referenzen, und warb um Elisabeth. Der unattraktive 27-Jährige interessierte Elisabeth allerdings nicht – aber ihre Eltern rieten ihr zu, so dass sie schließlich nachgab: „Jung, Menschen in ihrer List noch nicht kennend, müde durch das ewige Werben, verlobte ich mich …“. Doch bereits wenige Monate nach der Hochzeit ging Elfelds Firma in Konkurs und das Ehepaar musste von da an in sehr bescheidenen Verhältnissen leben. Erst vier Jahre später durfte sie gemeinsam mit ihren beiden Kindern in das Lübecker Elternhaus
in der Mengstraße zurückkehren. Sie reichte die Scheidung ein wegen der „Unfähigkeit des Mannes, seine Familie zu ernähren“ – doch der verarmte Elfeld klagte auf Scheidung wegen „böswilligen Verlassens“. Elisabeth ließ sich von seinen Angriffen nicht beeindrucken und war sogar bereit, den Sohn dem Vater zu überantworten. Letztlich wurde sie schuldig geschieden – wenige Monate nach dem unerwarteten Tod ihrer kleinen Tochter. Da ihr Vater Johann Siegmund Mann sie in seinem Testament enterbt hatte, war sie nun von der Wohltätigkeit ihrer Familie abhängig. Mit 26 Jahren ging sie nach Stuttgart und heiratete dort den aus angesehener Familie stammenden Gustav Haag. Die Firma Mann gewährte ihm ein größeres Darlehen, dessen Zinsen er aber bereits ein Jahr später schon nicht mehr zahlen konnte. Zwei Kinder wurden geboren, doch Elisabeths zweiter Ehemann war jähzornig, ging fremd und wurde wegen „betrügerischen Bankrotts“ angeklagt. Nach 15 Jahren Ehe wurde er schuldig geschieden aufgrund „angeblichen Ehebruchs mit Prostituierten“. Nun war Elisabeth eine zweifach geschiedene Frau und erneut ohne finanzielle Mittel. Anlässlich der Heirat ihrer Tochter kehr-
te sie fünf Jahre später nach Lübeck zurück – doch auch diese Ehe verlief unglücklich: Der Schwiegersohn verlor seinen Job, wurde des Betrugs angeklagt. Mit 52 Jahren zog Elisabeth mit ihren Kindern an den Rand von Dresden, wo ihr musikalischer Cousin lebte. Sie starb 1917, und in Viktor Manns Memoiren heißt es: „Nach Erscheinen der ‚Buddenbrooks‘ nannten ihre Freunde sie nur noch ‚Toni‘, was sie zunächst indigniert, dann mit Humor und schließlich mit Stolz hinnahm.“
Im 19. Jahrhundert konnte vor allem im Bürgertum von einer Gleichstellung von Mann und Frau nicht die Rede sein. Vielmehr stand die bürgerliche Familie unter der patriarchalen Herrschaft des männlichen Oberhaupts. Insbesondere die Frauen hatten sich ihren Ehemännern unterzuordnen und waren auch finanziell von ihnen abhängig. Frauen galten als kindlich, unselbständig, naiv und unfähig zu verantwortungsvollem Handeln. Ihnen wurden (von den Männern) Eigenschaften wie Gefühlswärme, Zärtlichkeit und Eleganz zugeschrieben. Dementsprechend hatten sie sich aus der von Männern bestimmten Arbeitswelt und Politik fernzuhalten – in
ihren Bereich fielen die Organisation des Haushalts, die Erziehung der Kinder sowie repräsentative Aufgaben. Die wichtigste Aufgabe der Töchter war es, durch eine standesgemäße und finanziell vorteilhafte Heirat, das Ansehen von Familie und Firma zu erhalten bzw. zu steigern. Die Ehemänner wurden meist von den Vätern bzw. Eltern ausgewählt, so dass die jungen Frauen von der Hand des Vaters in die des Ehemannes „übergeben“ wurden – ohne die Chance, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Und war die Eheschließung erreicht, so musste auch in unglücklichen oder sogar demütigenden Verhältnissen nach außen hin der Schein der heilen Welt gewahrt bleiben, verbunden mit Verzicht und dem Schweigen der Frauen.
Seitdem ist viel geschehen hinsichtlich der Anerkennung und Gleichberechtigung von Frauen – sei es „nur“ z. B. das Wahlrecht, die freie Berufswahl, der Zugang zu Universitäten und politischen Ämtern. Doch in Europa werden viele Frauen für die gleiche Arbeit noch immer schlechter bezahlt als Männer. In politischen und ökonomischen Leitungspositionen sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Und im Hinblick auf noch längst nicht überwundene tra-
ditionelle Rollenbilder sind Frauen von der Doppelbelastung durch Beruf und Familie stärker betroffen als Männer, da die sogenannte Care-Arbeit eher als weibliches Ressort gesehen wird. Darüber hinaus ist aktuell bisher Erreichtes durch erstarkendes rechtskonservatives
Denken bedroht – darauf Bezug nehmend hat Bundespräsident Steinmeier in seiner Rede zum Frauentag 2025 formuliert, dass „Gleichstellung zum Fundament unserer Demokratie“ gehört.

Es ist nicht genug. Feminist*innen mussten sich zu jedem Zeitpunkt der Geschichte anhören, dass eigentlich alles okay wäre – wenn sie sich nur nicht so anstellen würden! Doch ein großer Teil unserer heutigen Freiheit ist den Kämpfen derer zu verdanken, die darauf bestanden haben, dass noch nicht alles gut ist, und die sich nicht einschüchtern ließen von Leuten, die ihnen erzählten, sie seien zu verbittert, zu naiv oder komplett verrückt.
Margarete Stokowski

Diejenigen, die meine Schriften durchblättert haben, werden sich erinnern, dass ich der Lebensform des Künstlers, des Dichters stets mit dem äußersten Misstrauen gegenüberstand ... Ich weiß, was ein Dichter ist, denn bestätigtermaßen bin ich selber einer. Ein Dichter ist, kurz gesagt, ein auf allen Gebieten ernsthafter Tätigkeit unbedingt unbrauchbarer, einzig auf Allotria bedachter, dem Staate nicht nur nicht nützlicher, sondern sogar aufsässig gesinnter Kumpan, der nicht einmal sonderliche Verstandesgaben zu besitzen braucht, sondern so langsamen und unscharfen Geistes sein mag, wie ich es immer gewesen bin, – übrigens ein innerlich kindischer, zur Ausschweifung geneigter und in jedem Betrachte anrüchiger Scharlatan, der von der Gesellschaft nichts anderes sollte zu gewärtigen haben – und im Grunde auch nichts anderes gewärtigt – als stille Verachtung. Tatsache aber ist, dass die Gesellschaft diesem Menschenschlage die Möglichkeit gewährt, es in ihrer Mitte zu Ansehen und höchstem Wohlleben zu bringen. Mir kann es recht sein; ich habe den Nutzen davon.
Thomas Mann
Thomas Mann – ein langes Leben kurzgefasst
Thomas Mann wird am 6. Juni 1875 als zweiter Sohn einer Lübecker Kaufmannsfamilie geboren. 1901 wird sein Romandebüt „Buddenbrooks“ erstmals veröffentlicht. 1905 heiratet er die aus einer wohlhabenden Industriellenfamilie stammende Katia Pringsheim. Aus der Ehe gehen sechs Kinder hervor –darunter die Schriftsteller*innen Erika, Klaus und Golo Mann. 1912 erscheint die Erzählung „Tod in Venedig“. 1918 verfasst Thomas Mann die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ – seine darin geäußerte Kriegsbegeisterung führt zu einem mehrjährigen Bruch mit seinem Bruder Heinrich Mann. Erst 1922 kommt es zur Versöhnung zwischen den Brüdern und Thomas Mann bekennt sich
in seiner Rede „Von deutscher Republik“ zu Demokratie und Humanität. 1924 vollendet er seinen Zeit- und Bildungsroman „Der Zauberberg“. 1926 beginnt er an seinem großangelegten Werk „Joseph und seine Brüder“ zu arbeiten. 1929 erhält Thomas Mann den Literaturnobelpreis. Ab Anfang der 1930er Jahre beginnt er in zahlreichen Reden mit wachsender Entschlossenheit vor den Nationalsozialisten zu warnen. Nach deren Machtergreifung kehrt er im Frühjahr 1933 von einer Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurück. 1938 emigriert er aus der Schweiz gemeinsam mit seiner Familie in die USA und lehrt als Gastprofessor an der Princeton University. 1939 zieht er ins


kalifornische Pacific Palisades. Von 1940 bis 1945 strahlt die BBC monatlich seine Radiobotschaften „Deutsche Hörer!“ aus. 1944 wird er amerikanischer Staatsbürger. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 vertritt er in dem offenen Brief „Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre“ die These von der Kollektivschuld, die ihm ein paar Jahre später in Deutschland heftige Kritik einbringt. 1947 erscheint sein Roman „Doktor Faustus“. 1949 kehrt er erstmals zurück nach Deutschland. Mit Beginn der McCarthy-Ära gerät auch Thomas Mann ins Visier der Kommu-
nistenjäger, so dass er 1952 beschließt, die USA zu verlassen. Er lässt sich zusammen mit seiner Frau Katia in der Schweiz nieder, wo er 1954 den ersten Teil des letztlich aber Fragment gebliebenen Romans „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ beendet. 1955 erhält er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Lübeck – ungefähr ein Vierteljahr später stirbt er am 12. Juni 1955.
Sein Gesamtwerk umfasst 12 Romane, über 30 Erzählungen, zwei Bühnenstücke, rund 30 Essays sowie ein knappes Dutzend autobiografische Schriften.
Buddenbrooks –
Chronologie der Ereignisse im Roman
1768 Gründung der Fima Buddenbrook
1825
Jean Buddenbrook heiratet Elisabeth (Bethsy) Kröger – sie bekommen vier Kinder: Thomas (1826), Tony (1827), Christian (1828) und Clara (1838) 1835 Kauf und Einweihungsfest des „Buddenbrook“-Hauses (erbaut 1682)
1842 Jean Buddenbrook wird alleiniger Inhaber der Firma und Thomas tritt mit 16 Jahren als Lehrling in die Firma des Vaters ein 1845 Juni/Juli: Bendix Grünlich wirbt um die 17-jährige Tony; Ende Juli: Tony lernt in Travemünde Morten kennen; September: Tony verlobt sich mit Grünlich
1846 Tony heiratet Grünlich und zieht nach Hamburg; Thomas (20 Jahre) geht zur Ausbildung nach Amsterdam, Christian macht eine Kaufmannslehre in London
1848 Anfang Oktober: Revolution in Lübeck 1850 Februar: Grünlich macht Bankrott, Tony kehrt mit 23 Jahren ins Elternhaus zurück; Scheidung von Grünlich; August: Thomas kehrt zurück ins Familienunternehmen
1851 Sommer: Christian reist nach Valparaiso 1855 Jean Buddenbrook stirbt und Thomas wird mit 29 Jahren Chef der Firma 1856 Christian kehrt zurück und erhält in der Firma eine Prokuristenstellung
1857 Thomas heiratet Gerda; Tony fährt nach München und lernt Alois Permaneder kennen; Christian verlässt die Firma und geht nach Hamburg; Tony (30 Jahre alt) heiratet Permaneder und zieht nach München
1859 Ende November: Tony kehrt zurück und lässt sich scheiden
1861 am 15.04. wird Hanno geboren; Christian (33 Jahre) liquidiert in Hamburg und reist wieder nach London
1862 Thomas wird mit 36 Jahren zum Senator gewählt
1864 Deutsch-Dänischer Krieg
1866 Preußisch-Österreichischer Krieg; die Firma verliert dadurch 60.000 Mark 1867 Christian (39 Jahre) kehrt zurück
1868 Mai: Kauf der Pöppenrader Ernte „auf dem Halm“; Juli: 100-jähriges Firmenjubiläum und Vernichtung der Pöppenrader Ernte durch Hagel
1870/71 Deutsch-Französischer Krieg
1871 Elisabeth (Bethsy) Buddenbrook stirbt
1872 Verkauf des Hauses in der Mengstraße an Hermann Hagenström
1875 Januar: Thomas stirbt im Alter von 49 Jahren
1875-76 Firma Buddenbrook wird liquidiert
1877
Frühjahr: Hanno stirbt mit 16 Jahren; Gerda kehrt nach Amsterdam zurück; Tony ist 50 Jahre alt

Impressum
Herausgeber: Theater Vorpommern GmbH
Stralsund – Greifswald – Putbus
Spielzeit 2024/25
Geschäftsführung: André Kretzschmar
Redaktion: Nadja Hess
Layout: Öffentlichkeitsarbeit / Bartels
1. Auflage: 500
Druck: Flyeralarm www.theater-vorpommern.de
Textnachweise: Die Texte auf den Seiten 4 - 7, 14 - 16, 18 und 19 sind Originalbeiträge von Nadja Hess für dieses Heft und basieren u. a. auf Informationen aus: Borchmeyer, Dieter: Thomas Mann. Werk und Zeit. Frankfurt/Main 2022; Buddenbrooks. Neue Einblicke in ein altes Buch. Hg. von Manfred Eickhölter und Hans Wisskirchen. Lübeck 2000; Vogt, Jochen: Thomas Mann „Buddenbrooks“. München 1995; Wuttke, Gabi: „Ich bin eine vom Leben gestählte Frau!“ Auf den Spuren der wirklichen Tony Buddenbrook. Ein Feature vom 23.12.2008, unter: www.deutschlandfunkkultur.de; Weber-Kellermann: Frauenleben im 19. Jahrhundert. München 1991.
Mann, Thomas: Essays, Hg. von Michael Mann. Band 1: Literatur. Frankfurt/Main 1977. Mann, Thomas: Buddenbrooks. Frankfurt/Main 1988.
Mann, Thomas: Über mich selbst. Auobiographische Schriften. Frankfurt/Main 1994. Altaca, Cengiz: Familienunternehmen: Nachfolger gesucht – Die Herausforderungen der Unternehmensnachfolge in Deutschland, unter: www.euroconsil.de Stokowski, Margarete: Die letzten Tage des Patriarchats. Reinbeck bei Hamburg 2019.
Bildnachweise: Die Szenenfotos in diesem Heft sind bei der Komplettprobe am 7.3.2025 entstanden. Alle Fotos: Copyright Peter van Heesen.
„Glück und Erfolg sind in uns. Wir müssen sie halten: fest, tief. Sowie hier drinnen etwas nachzulassen beginnt, sich abzuspannen, müde zu werden, alsbald wird alles frei um uns her, widerstrebt, rebelliert, entzieht sich unserem Einfluss…“
Thomas Buddenbrook
Theater Vorpommern
Stralsund – Greifswald – Putbus
www.theater-vorpommern.de