The Gap 127

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MEMES — WENN USER LUSTIG SIND cro / neue recHte / moonrise Kingdom 127 magazin für Glamour und diskurs. monatlich. verlaGspostamt 1040 wien, p.b.b. GZ 05Z036212 m, nº 127, Juni / Juli 2012

Diablo III. Chromatics. John Maus. MAK: Design für den Wandel. Poolbar. Twin Shadow. Poliça. Mediaopera. Elmar Trenkwalder. Zeit Kunst Niederösterreich. Im Wortwechsel: Wie sieht das »Next Generation Copyright« aus?



Leitartikel von Thomas Weber.

Ausweitung der Kampfzone   Nicht erst in den letzten Jahren hat Literatur an Diskurs- und Deutungshoheit eingebüßt.   Mit Fritz Ostermayer als neuem Leiter der »Schule für Dichtung« betritt nun einer das Feld, dem eine poetische Expansion vorschwebt.

zyklisch gedacht, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt, eine Buchhandlung aufzusperren. Ein Laden nach dem anderen macht dicht, verkauft ab und die Großen der Branche verlieren immer offensichtlicher das Interesse am physischen Produkt Buch: Thalia kündigt bereits eine deutliche Verringerung der Geschäftsflächen an, verkauft Diddl-Mäuse und dirigiert seine Kunden, wann immer möglich, in den Webshop. Absehbar, dass die durchschnittliche Thalia-Filiale bald zum besser sortierten Libro-Outlet gerät. Libro wiederum dünnt sein Buch-Sortiment abermals stark aus und versucht sich gerade erneut zur Lifestyle-Kette zu wandeln. Neben Plastikkulis, Telefonwertkarten und Feng-Shui-Ratgebern werden bei Libro bald noch mehr Ohrringe, Kettchen und Glückwunschkitsch verkauft. Der Sanierer der Kette hat das letztens so im Format verlautbart. Azyklisch wäre das Aufsperren einer Buchhandlung allerdings nur dann, wenn dahinter eine Überzeugung stünde, dass nach der offensichtlichen Bedeutungsimplosion des Buches als Produkt bald wieder so etwas wie ein Bedeutungsgewinn bevorstünde. Dass auch die Verkäufe

Allein schon, um nicht vollständig der Rationalität digitaler Verwertungslogiken geopfert zu werden. Vielleicht absurd, wenn ausgerechnet eine Agentur für Kreativwirtschaftsförderung solch temporäre Laborbedingungen bereitstellt. Denn eigentlich gehört die Poesie ja wieder hinaus ins Feld, zu den Leuten, in den Alltag. Doch: »Alles, was die Buchdeckeln sprengt, bietet neue Chancen poetischer Expansion«, sagt der Autor und FM4Journalist Fritz Ostermayer, der dieser Tage die Leitung der Wiener »Schule für Dichtung« übernommen hat (im Interview mit thegap.at). Dank Ostermayer, einem angry old man subkultureller Erdung und von kompromissloser Konsequenz, und »seiner« Schule für Dichtung verfügt Wien nun über ein höchst spannendes literarisches Labor, das in nächster Zeit wohl für so manche Überraschung gut sein wird. Bleibt zu hoffen, dass Ostermayer sich nicht nur als Kulturträger, sondern auch als Manager bewährt und behaupten kann. Vielleicht ist es ja doch nicht ganz verkehrt, dieser Tage eine Buchhandlung aufzusperren. Sie könnte ja aussehen wie das Phil. Bild michael winkelmann

A

gedruckter Bücher wieder halbwegs in die Höhe gehen. Davon ist allerdings eher nicht auszugehen. Zumal das Buch nicht nur als Handelsware, sondern auch als Kulturträger immer mehr an Relevanz verliert. Denn Literatur insgesamt hat in den vergangenen Jahren an Diskurs- und Deutungshoheit eingebüßt. Massiv. Das muss man nicht prinzipiell bedauern. Geben halt andere Medien Themen vor, verlagern sich Diskussionen in Blogs oder werden von Web-Serien und hin und wieder von Graphic Novels angestoßen. Blöd ist die Sache bloß für Literaten, denen – analog zu den Musikern – außerdem bald die Felle im Digitalen davonschwimmen werden. Im Gegensatz zu den Auftrittsmöglichkeiten der Musiker gibt es in der Literatur auch kein etabliertes Geschäftsmodell für Performances oder Lesungen. Man ist es als Leser nicht gewohnt, für Lesungen oder Autorengespräche zu zahlen. Höchstens ein paar wenige Starautoren schaffen es, nennenswerte Summen aus Auftritten zu lukrieren. Umso löblicher, wenn eine Einrichtung wie die Kreativagentur Departure sich mit ihrem »Literature Lab« aktiv ums Ausloten neuer Literatur-Formate und Kooperationen bemüht – wie das zuletzt mit ihrer »Sehbuch«-DVD-Reihe passiert ist, die Texte von Jelinek, Handke, Rilke oder Ann Cotten um Visualisierungen aus dem Sound:frame-Umfeld erweiterte. Das Ergebnis mag einen überzeugen oder nicht. Das Suchen und Finden neuer, zeitgemäßer Formen der Fiktion und Poesie ist jedenfalls mehr denn je erforderlich.

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

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Memes vor fast genau fünf Jahren klickte zum ersten mal jemand auf einen link und landete unbeabsichtigt bei einem youtube-video von rick astley. ein Jahr später war das schon mehr als 18 millionen mal passiert. »rickrolling« nannte sich das phänomen und war eines der ersten memes – ein insider-Gag, der von verschiedenen communitys immer weiterentwickelt wird. seither ist viel passiert. dalia ahmed hat die welt der memes durchkämmt.

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Magazin MEMES 020 —— innerhalb von fünf Jahren sind sie in den mainstream hineinexplodiert. memes verändern das kommunikationsverhalten online, aber auch offline.

Mai-Thu Perret, Flow My Tears I, 2011, Courtesy Galerie Francesca Pia, Zürich

gOldEN frAME: ElMAr TrENKWAldEr 024 —— diese skulptur sieht aus wie eine rosa glasierte kathedrale für sexuelle obsessionen aller art. Geil irgendwie. CrO 026 —— hype? vielleicht. aber selbst wenn es dich nervt, cro ist ein gerechter hype und was vom sahnigsten, das deutscher rap derzeit zu bieten hat. zEiT KUNST NiEdEröSTErrEiCh 028 —— Gegenwartskunst bekommt in niederösterreich zwei neue standorte. Grund genug, einen genauen blick auf die kulturlandschaft des größten bundeslandes österreichs zu werfen. MEdiAOPErA 030 —— in einem randbezirk wiens stehen reihenweise beamer und leinwände für viualisten rum. nur ein weiterer Fall von notorisch unterfinanziertem kulturnomadentum? diABlO iii 033 —— Fast schon zwanghaft perfekter spiel-Flow, der mit süchtig machenden elementen – die Jagd nach neuen items und höheren stufen – mögliche kritik wirkungslos macht.

NEUE rEChTE 034 —— die autonomen nationalisten haben strategien, lieder und symbole der linken übernommen. mit neuen methoden gehen sie auf menschenfang. dEPArTUrE gET TOgEThEr: dESigN 038 —— bald soll es in wien bessere kooperationen zwischen kreativen und wirtschaft geben. und ja, im bereich design gibt es viel zu tun, meint peter stuiber. dESigN für dEN WANdEl 040 —— social design, Green design, tools zur weltverbesserung: das wiener mak zeigt eine umfassende schau zum thema. fOTOSTrECKE: POOlBAr 044 —— das poolbar-Festival ist eine vorarlberger tradition, die man seit mehreren Jahren in Form von t-shirt und taschen mit nach hause nehmen kann. eine Fotostrecke aus Feldkirch.

Reflecting Fashion


Cro was doch ein einziger track auslösen kann: wegen »easy« von cro ist der deutschsprachige rap in aufruhr. von einem neuen typ rapper, der die harten Jungs von der straße ablöst, ist da die rede, von spaßigem rap für die mittelschicht, von dem hype des Jahres. der typ selbst bleibt gelassen. klaus buchholz hatte cro für eines seiner allerersten interviews am telefon.

026 rubriken leitartikel inhalt Editorial Porträts / impressum fondue fabula rasa Unbezahlter Anzeiger Splitter Wortwechsel: wie sieht das »next Generation copyright« aus? Workstation: Jasmin baumgartner lookk: Fail, win, pivots Prosa: katja perat reviews introducing: benedict cumberbatch Termine

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Bild der Ausgabe eigentlich fühlen wir uns in der wiener albertina schon richtig daheim. unsere party-saison hat am 25. mai zur eröffnung in der albertina contemporary mit dJ-line-up von the Gap vor fast 2.000 leuten begonnen, die gekommen waren, um maria lassnig, alex katz und Gerhard richter zu sehen. ab 26. Juli wird die beat-saison auf der terrasse mit »albert & tina« fortgesetzt. liebes establishment, ick hör dir trapsen.

Kolumnen zahlen, bitte Know-Nothing-gesellschaft

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Kunst und Mode seit der Moderne 15. 6.– 23. 9. 2012

museum moderner kunst stiftung ludwig wien MuseumsQuartier, A - 1070 Wien www.mumok.at


edit  riAL Apologie des Rick Astley — Ein Ding des Internets auf altem Papier, geht das überhaupt? Memes am Cover? Auch im Büro von The Gap gab und gibt es da einige Skepsis. Das gehört doch bitte ins Internet, die Übersetzung ins Holzmedium könne doch gar nicht gelingen. Oder: Schönes Thema, nicht unsere Zielgruppe. Aber bitte, wenn etwas so relevant ist, dass es einem alltäglich begegnet, wenn es dazu taugt, dass damit Kritik von unten geübt werden kann, dass jeden Tag mit Humor und auch Spott auf kleine und große Entgleisungen reagiert wird, dann hat sich das eine Aufmerksamkeit verdient, die über das Wiederkäuen einzelner Memes hinausgeht. Und das Gefühl, dass da draußen etwas ist, das noch niemand so richtig überblickt, wozu man mal was bringen müsste, möglichst als Erster, gab es schon lange. Das einjährige Jubiläum der Nyan Cat hatten wir verpasst. Das fünfjährige Jubiläum von Rickrolling und Icanhascheezburger.com nicht. Aber Cover? Ja sicher, denn das ist Popkultur. Memes sind Pop. Sie sind der Schmutz und der Glitzer dieser Zeit, die Schundliteratur von 2012, ein Spiegel- und Zerrbild unserer Gegenwart. Und als solche haben sie es sich verdammt noch einmal verdient ernst genommen zu werden. Sag das doch einfach, falls deine Mutter fragt was das denn für ein hässliches Cover ist.  Stefan niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

KontriBut  ren

Dalia Ahmed

Werner reisinger

Fast seriöse Expertin — Die Coverstory über Memes schwirrte schon länger bei uns in der Redaktion herum. Nun sind wir ja alle schon ein bisschen zu alt für dieses Internet und haben noch nicht mal unsere PrivatsphäreEinstellungen auf Facebook verändert. Deshalb haben wir uns Dalia bei den Kollegen von Vice ausgeliehen. Die wohnt nämlich praktischerweise im World Wide Web, zumindest, wenn sie nicht gerade mit ihren Rich-Kid-Freunden auf Dachterassen herumhängt oder Serien schaut. Dalias Eltern kommen aus dem Sudan, weshalb sie jährlich einmal dort ist und großartige Fotos postet. Sie ist auch für irgendetwas an der Uni eingeschrieben, hat aber vermutlich auch vergessen für was. Dalia kennt sich so gut mit Memes aus, dass wir nach Abgabe der Story erstmal zwei Stunden recherchieren mussten, was sie überhaupt meint. Woher sie soviel Zeit hat? Sie musste noch nie in ihrem Leben arbeiten. Und nein, das Vice zählt da jetzt wirklich nicht. 

Aufklärer — Er mag keine Punschkrapferl. Die sind ja bekanntlich so wie Österreich: außen rosa, innen braun und immer ein bisschen betrunken. Als gebürtiger Linzer hat Werner Reisinger die KZ-Gedenkstätte Mauthausen vor der Haustür. Bei mehreren Projekten rund um das ehemalige Konzentrationslager hat er bereits mitgearbeitet, das Geschichtsstudium ist bald abgeschlossen, Schwerpunkt NS-Zeit, die Abschlussarbeit behandelt die Affäre Waldheim. Er ist einer von sieben Personen hinter der Diskurs-Website Supertaalk.at, die 2011 mit dem New Media Journalism Award ausgezeichnet wurde, er twittert, bloggt und ist Redakteur der ORFDiskussionssendung Club 2. Man könnte also meinen, Werner sei ziemlich no bullshit, und tatsächlich, er mag auch keinen Topfen. Ein paar Schwächen hat er dann doch, für Bob Dylan, Attwenger, Desmond Dekker, das Mühlviertel, Pressefreiheit und Kneipen aller Art. In dieser Ausgabe hat Werner Reisinger für The Gap die neuen Dresscodes und Styles der modernen Rechtsextremisten ausführlich unters Seziermesser gelegt. 

TExT Jonas voGt Bild privat

TExT steFan niederwieser Bild Jakob silbermayr

impressum

hErAUSgEBEr thomas weber ChEfrEdAKTiON martin mühl, stefan niederwieser rEdAKTiON ranya abd el shafy, niko acherer, Gregor almassy, michael aniser, matthias balgavy, claire benedikt, Josef berner, sandra bernhofer, liliane blaha, david bogner, manuel bovio, ivo brodnik, stephan bruckner, klaus buchholz, Johannes busching, ann cotten, lisa dittlbacher, andreea dosa, margit emesz, Juliane Fischer, holger Fleischmann, philipp Forthuber, manuel Fronhofer, daniel Garcia, lisa Gotthard, manfred Gram, dominique Gromes, benedikt Guschlbauer, Jan hestmann, christoph hofer, sebastian hofer, lukas hoffmann, peter hoffmann, michael huber, konstantin Jakabb, reiner kapeller, iris kern, markus keuschnigg, hubert kickinger, michael kirchdorfer, stefan kluger, michaela knapp, katrin kneissl, markus köhle, christian köllerer, rainer krispel, michael bela kurz, philipp l’heritier, Gunnar landsgesell, enrico r. lackner, artemis linhart, ali mahlodji, david mochida krispel, christiane murer, nuri nurbachsch, michael ortner, ritchie pettauer, stefan pichler, Johannes piller, stefanie platzgummer, karolina podolecka, christian prenger, teresa reiter, werner reiter, tobias riedl, Georg russegger, Joachim schätz, barbara schellner, bernhard schmidt, werner schröttner, richard schwarz, katharina seidler, wolfgang smejkal, cornelia stastny, Gerald c. stocker, Johanna stögmüller, peter stuiber, asha taruvinga, martin tschiderer, hanna thiele, horst thiele, richard turkowitsch, raphaela valentini, Jonas vogt, ursula winterauer, imre withalm, maximilian Zeller, martin Zellhofer, barbara Zeman PrAKTiKUM anne erwand, Jana wachter TErMiNE stefan niederwieser AUTOrEN Georg cracked, michaela knapp, michael lanner, moriz piffl-percevic, stefan tasch, Jürgen wallner, martin G. wanko fOTOgrAfiE Florian auer, lukas beck, stephan doleschal, andreas Jakwerth, Georg molterer, ingo pertramer, karin wasner, michael winkelmann illBillyillUSTrATiON Jakob kirchmayr COvEr knowyourmeme.com WOrKSTATiON-fOTOSTrECKE Jasmin baumgartner ArT dirECTiON sig Ganhoer dESigN monopol lEKTOrAT wolfgang smejkal, adalbert Gratzer WEB super-Fi, m-otion ANzEigEN herwig bauer, thomas heher, wolfgang hoffer, micky klemsch, david kreytenberg, martin mühl, thomas weber (leitung) diSTriBUTiON martin mühl drUCK Ferdinand berger & söhne Gmbh, pulverturmgasse 3, 1090 wien gESChÄfTSführUNg bernhard schmidt PrOdUKTiON & MEdiENiNhABEriN monopol Gmbh, Favoritenstraße 4–6/iii, 1040 wien KONTAKT the Gap c/o monopol Gmbh, Favoritenstraße 4–6/ iii, 1040 wien; tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at BANKvErBiNdUNg monopol Gmbh, easybank, kontonummer 20010710457, blZ 14200 ABONNEMENT 10 ausgaben; inland eur 15, europa eur 35, rest der welt eur 42; hEfTPrEiS eur 2,— ErSChEiNUNgSWEiSE 10 ausgaben pro Jahr; erscheinungsort wien; verlagspostamt 1040 wien namentlich gekennzeichnete beiträge geben nicht unbedingt die meinung des herausgebers wieder. Für den inhalt von inseraten haftet ausschließlich der inserent. Für unaufgefordert zugesandtes bild- und textmaterial wird keine haftung übernommen. Jegliche reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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F NDUE

Bild Niko alm, Claudia b, christoph Liebentritt, Nikolaus Ostermann, Martin RöSSler, Jacqueline Rüdel

Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Mitten im Leben, und wahrscheinlich auch mitten in einer eingetrockneten Lacke von menschlichem Urin.

Leck! Bis alles sauber ist. Nur wenn die Wolle recht kratzt, sollte man vorsichtig mit etwas Coral anfangen.

Wer’s braucht. Ich kann ja jederzeit auch ohne Obst Spaß haben.

By us can you brausen the Internet for 1 € in the hauer! Also it gives drinks and foods!

Der rechte Abfluss läuft in die Kläranlage, der linke in die Schwechater Brauerei. Haha, nur Spaß. Es ist natürlich genau umgekehrt.

My NU888CHALE is a PU887 magnet.


K  Lumne

fabula rasa die kolumne von georg Cracked. neue standards in sachen vertretbarem kulturpessimismus no. 30.

DAS ERSTE PORTRAIT ÜBER EINE DER WICHTIGSTEN PERSÖNLICHKEITEN DES 21. JAHRHUNDERTS

AB 15. 6. IM KINO WWW.AIWEIWEI-NEVERSORRY.DE

Also lasst mich noch Folgendes zum Kulturprogramm sagen, bevor es endgültig zu regnen beginnt: Es ist wahnsinnig leicht, immer dagegen zu sein, aber es ist verdammt schwierig, auch nur ein einziges Mal wirklich richtig gegen oder völlig für etwas zu sein. Und gerade die, die immer rumnörgeln, bei allem immer wissen, warum es nicht geht und warum alle anderen Trotteln sind, sind auch die, die sich nie hinstellen und mal was eigenes machen, etwas unternehmen oder anfangen oder auf die Beine stellen – und dadurch auch nie etwas erfolgreich zu Ende bringen. (Und seinen Posting-Count auf standard.at auf über 1.000 zu treiben, gilt nicht als Leistung …) Dieses Lavieren durchs Leben zieht sich auch durch die gesamte letztens erfolgte Pressemeldung: »Schlecht: dm lässt in Bangladesch fertigen. Außerdem ist dm nicht immer der billigste Drogeriemarkt.« Wie denn nun? Wenn alles billig sein soll (und billiger noch als die anderen auch noch billigeren, und dann auch noch immer billiger), dann muss der Kram auch wirklich richtig billig gefertigt werden, weil teuer herstellen und dann billig verkaufen geht nicht. Und wenn richtig billig gefertigt wird, dann wird es schnell ungustiös, unmenschlich und unmoralisch (und die Qualität ist auch schlecht). Ein Kollege kauft sich einen frisch gepressten Multi-Vitamin-Tropical Smoothie aus Fair Trade gehandelten Früchten und ein anderer Kollege sagt: die Früchte kommen mit dem Flugzeug aus einem anderen Kontinent, das ist total schlecht wegen dem Zeh-Oh-Zwei. Na gut, dann eben Cola, weil das wird vor Ort gefertigt? Oder, haha, Facebook-Aktie total schlecht! Ha-ha, Trackshittaz nicht im Finale! Und das geht den ganzen Tag so und die halbe Nacht. Also hab ich überlegt, was man tun kann, wogegen keiner was haben kann: In der Sonne sitzen – schlecht wegen Sonnenkrebs und Faulenzen ist nicht leistungsorientiert. Zuhause bleiben – bist du ein asozialer Couch-Kartoffel. Ein Unternehmen gründen – bist du einer von diesen Performance-Managern, die nur aufs Geld schauen. Ein Unternehmen gründen, das Menschen hilft, die sich nicht helfen können und rundum supergut ist – man sollte aber sowas nicht aus Eigennutz, sondern aus Güte und Mitmenschlichkeit tun, also auch ehrenamtlich und nicht damit Geld verdienen. Ich frage jetzt: Wer stellt diese Regeln auf? Egal, ich halte mich nicht mehr dran. Wenn ich was für richtig halte, dann kümmere ich mich ab jetzt nicht mehr um die Meinung anderer. Und schon gar nicht um eine Internet-Poster-Meinung. Ich nehm mir jetzt ein Glas Wein, setz mich auf den Balkon und schau dem Regen zu. Und das ganz ohne Kommentar-Posting-Funktion.  cracked69@hotmail.com


unBez  HLter Anzeiger es gibt dinge da draußen, die sind so gut, die sind segnungen für die menschheit, echte hits der warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

Stevia Ketchup

feinkostkistl

NES Candy

Ende 2011 wurde Stevia – man möchte fast meinen gnadenhalber – von der EU zugelassen. Und mittlerweile gibt’s auch schon brauchbare Produkte, wie z.B. das Felix Stevia Ketchup. Dieses kommt ca. auf die Hälfte der Kalorien des roten Hüftgold-Klassikers »Felix Ketchup mild«, weswegen man sich guten Gewissens noch eine fünfte und sechste Ladung Tunke auf die fett-triefenden Freibadpommerln quetschen kann. Schmecken tut’s übrigens tatsächlich annähernd gleich, wenn nicht sogar placebisch besser. www.felix.at

Das Zustell-Kistl boomt. Zu dem sich im Nordosten des Landes ausbreitenden Adamah-Kistl gesellt sich jüngst das Feinkostkistl. Zur Auswahl stehen Standard und Premium, wo je nach Bedarf Käse, Marmelade, Honig, Weine, Gewürze, Aufstriche, Soßen bzw. bei der Premium-Variante auch Trüffelpasteten, Wildspezialitäten und Ähnliches frei Haus kommen. Zwar nicht alles Bio, aber in hoher Qualität und mit Bedacht auf Nachhaltigkeit. Nachteil: Aktuell kann nur in Wien ausgeliefert werden, wobei ab Herbst ganz Österreich erschlossen werden soll. www.feinkostkistl.at

Wer war nicht neidisch, wenn seinerzeit die Super Mario Bros appetitliche Sprites naschen durften, während man selbst mit pickigen Nimm Zwei und Karamell-Popcorn die Zuckerschaukel in Gang halten musste (während gefühlte 100 Milisievert pro Stunde aus der Grundig-Röhre auf einen einstrahlten). Retrogaming-Süßigkeiten lassen somit auch heutzutage noch das Herz und die Bauchspeicheldrüse höher schlagen. Ok, von den Pilzen wird man realistischerweise nicht auf doppelte Größe anwachsen, bzw. würde das ein paar Monate und viele zusätzliche Gigakalorien brauchen. www.b-boy.at

Wir wollen fördern – auch Sie. Bank Austria Kunstpreis 2012.

Die Bank Austria, einer der führenden Kultursponsoren in Österreich, vergibt 2012 zum dritten Mal den Bank Austria Kunstpreis in vier Kategorien. Der Preis zeichnet innovative Projekte im Kulturbereich sowie herausragende Leistungen im Kulturjournalismus aus. Die Ausschreibungsfrist läuft noch bis 28. September 2012. Die Ausschreibungsrichtlinien sind auf der Kunstpreis-Homepage der Bank Austria abrufbar: kunstpreis.bankaustria.at. Die Fachjury zur Ermittlung der Preisträgerinnen und Preisträger tritt im November zusammen. Bank Austria Kunstpreis 2012 – Regional – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis richtet sich an heimische Kulturinitiativen, die lokale Projekte realisieren. Ziele sind die Förderung und die Stärkung des Kulturlebens und einer entsprechenden Infrastruktur auf regionaler Ebene.

Bank Austria Kunstpreis 2012 – International – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis zeichnet heimische Kulturprojekte aus, die sich international behaupten können. Damit soll die Position Österreichs als kreative Kulturnation international gestärkt werden. Bank Austria Kunstpreis 2012 – Kunstvermittlung – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis richtet sich an heimische Kulturprojekte, die eine aktive Auseinandersetzung mit Kulturthemen in der Öffentlichkeit fördern. Ziel ist es, Barrieren abzubauen, möglichst viele Menschen an Kunst heranzuführen sowie Kunst und soziale Anliegen zu verbinden. Bank Austria Kunstpreis 2012 – Kulturjournalismus – dotiert mit EUR 8.000,–. Mit diesem Preis werden Kulturjournalistinnen und -journalisten ausgezeichnet, denen es mit herausragenden Beiträgen gelingt, kulturelle Inhalte einem möglichst breiten Publikum niveauvoll nahezubringen.


cH  rts

Am rAd  r

Jana lapper (praktikantin the Gap)

TOP 10

the sound oF Frühstück 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

move on up (curtis mayfield) can i kick it (a tribe called quest) baby let me kiss you (Fern kinney) wake up (40 winks) love (air) sunshine (atmosphere) kong (bonobo) lila (rodriguez Jr) stop it (pylon) Good times (delinquent habits)

TOP 5

das Teilen neu lernen

lieblinGsreZepte 01 02 03 04 05

spinatknödel spinatstrudel spinat-Feta-lasagne spinatpfannkuchen spinat mit spiegelei und salzkartoffeln

Die neunte Veranstaltung der Reihe twenty.twenty bildete am 24. Mai den Abschluss der Konferenz SmartWeb.Vienna. Auf Einladung von A1 und The Gap wurde im Wiener Media Quarter Marx zum Thema »Shared Ressources« diskutiert.

auch nicht schlecht: regengeräusche zum einschlafen

robert rotifer (popfest wien, Fm4)

TOP 10 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Fliederfarbene hemden unbeantwortete mails (von mir an andere) unbeantwortete mails (von anderen an mich) spröde tiefkühlfachladen, die sich einhändig brechen lassen die stille nach dem Zerschlagen des radios outsourcing neofeudalismus Fliederfarbene krawatten die preispolitik von ersatzkühlfachladen-webshops männer über vierzig, die beschwerdelisten schreiben

TOP 5

beste Gitarrensaiten 01 02 03 04 05

e a d G h (englisch: b)

auch nicht schlecht: mohnnudeln

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TExT martin mühl, werner reiter Bild thomas thurner

banale Gründe Für Gram und scham, Gesammelt im ZuG von london nach canterbury

Wenn von der Sharing Economy die Rede ist, wird meist Carsharing als Beispiel genannt. In Kombination mit entsprechenden Online-Plattformen für die Buchung ist es ein prototypisches Beispiel, wie Mechanismen, die in der digitalen Sphäre bereits etabliert sind, zur Lösung von Problemen der physischen Welt angewendet werden können. Die Realisierung des Prinzips »Nutzen statt Besitzen« wird durch neue Services im Netz Wirklichkeit. In seinem Eröffnungsstatement wies Felix Stalder, Professor für Digitale Kultur und Theorien der Vernetzung an der Zürcher Hochschule der Künste sowie Autor zahlreicher Publikationen zur Netzkultur, darauf hin, dass das Teilen Grundlage jeder Sozietät ist. In einer Netzwerkgesellschaft gewinnt es zunehmend an Bedeutung, denn das Prinzip des Teilens ist nicht nur zentral für die Wissensproduktion, es bietet auch Lösungsansätze für andere akute Probleme, wie etwa die knapper werdenden Ressourcen auf der Erde. Menschliche Kultur wäre ohne Teilen gar nicht möglich. Maria Baumgartner, eine österreichische Internet-Unternehmerin der ersten Stunde, erinnerte sich an die Aktivitäten der frühen Netz-Communities in Österreich. Durch Teamarbeit und Teilen wurde damals sehr viel erreicht. Heute engagiert sie sich im Vorstand von Respekt.net für zivilgesellschaftliche Projekte. Durch die größere Verbreitung des Internets ergeben sich neue Möglichkeiten für die Selbstorganisation von Menschen. Das Spektrum ist groß und reicht von Self-Publishing bis hin zu neuen sozialen Bewegungen. Gerin Trautenberger vom Industrial DesignUnternehmen Microgiants arbeitet seit vielen Jahren in der Kreativwirtschaft. Aktuell beschäftigt er sich intensiv mit Open Design. Er ist der Überzeugung, dass es durch Teilen gelingen kann, »den Kuchen gemeinsam größer zu machen.« Auch öffentliche Institutionen lernen immer besser zu teilen. Open Government Data sind letztlich geteiltes Wissen, das Mehrwert schafft. Julian Ausserhofer, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Web Literacy Lab des Studiengangs »Journalismus und PR« der FH Joanneum Graz führte noch weitere Beispiele für den Mehrwert des Teilens an: In den USA etwa arbeiten Journalisten aus verschiedenen Medienhäusern gemeinsam an großen Themen, indem sie Informationen teilen.  Twenty.Twenty ist eine Kooperation von A1, SmartWeb.Vienna und The Gap. Die nächste Veranstaltung findet am 19. Juni im Wiener Hub zum Thema »Informationswirtschaft« statt. Weitere Infos und Blogparade auf www.twentytwenty.at


BILD universal

A M R A D R

Arena Sommerkino

Kanye-Tweet-Lesung

Von 28. Juli bis 29. August werden beim 21. Arena Sommerkino junge und jung gebliebene Klassiker gezeigt.

The Voice Of This Generation. Am 20. Juni werden im Wiener Quartier 21 Tweets von Kanye West gelesen.

»The Other Chelsea«, »Insidious«, »Le Havre«, »Iron Sky«, »Headhunters«, »Attack The Block«, »Noise And Resistance«, »Sennentuntschi«, »Mann beißt Hund«, »Never Make It Home« oder auch »Faster, Pussycat! Kill! Kill!«. Und das sind nur die bisher bestätigten Filme beim heurigen Arena Sommerkino. Sonstige Besonderheiten: Die Filme werden bei jedem Wetter bei Einbruch der Dunkelheit gezeigt – und das auf gut einem halben Jahrhundert alten Projektoren in allerfeinster 35mm-Technik. Die beiden Abende am 16. und 17. August sind in Kooperation mit dem Volxkino bei freiem Eintritt zu genießen. An trockenen Abenden laden Decken ein, um auf der Wiese Platz zu nehmen, bei und Wetter fm4_em_quartier_GAP.pdf 1 Wind 14.05.12 21:05 bieten Terasse und Bühnendach Schutz. Erdberger Gemütlichkeit! 

Er orakelt auf Twitter über seine Reichtümer, plagt sich mit Selbstzweifeln und grandioser Selbstüberschätzung – Kanye West macht also genau das, was er auch mit seiner Musik macht. Er spendet schizophrene Aphorismen und pflegt seinen Cäsarenwahn. Auf das Quiz: »Kanye or Hitler?«, wird bei der Lesung leider verzichtet. Besonders gelungene Beispiele: We want to help simplify and aes­thetically improve everything we see hear, touch, taste and feel. — Do you know where to find marble conference tables? I’m looking to have a conference … not until I get the table though. — We’re all works in progress … we’re paintings … the oil don’t dry till we die.  After-Party mit 140 Zeichen unterstützt durch The Gap


cH  rts

Am rAd  r

magdalena stolhofer

(impulstanz soçial prinzessin, produktionsleitung & küchenfee)

TOP 10

»try a little tenderness« cover-versionen 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

otis redding mighty sparrow feat. byron lee etta James three dog night shirley bassey kurt edelhagen and his orchestra nina simone the Jacksons feat. sonny bono tom Jones bing crosby

TOP 5

lieblinGsspeisen des impulstanZ teams 01 asia burger mit scharfem curry-ingwer-Fleischlaberl, avocado, koriander, Frühlingszwiebel, Frischkäse & tomate 02 kartoffel-lauch-auflauf mit pomodori secci, rosmarin & Gruyère 03 polentatorte mit parmesan, roten rüben & frischem kren 04 semmelknödel mit Gurken-dill-sauce 05 risotto aller art (saisonal bedingt dzt. spargelrisotto)

auch nicht schlecht: ricola (heilmittel für alles von halsweh bis liebeskummer)

www.thegap.at / gewinnen xbox Controller Chrome Xbox – in Sachen Controller-Farbe generell fröhlicher und vielseitiger als die Konkurrenz – bringt neue Varianten auf den Markt. Diese haben nicht nur einen edlen Chrome-Look und sind in den Farben Blau, Rot und Silber erhältlich, sondern haben auch ein versenkbares Digital-Kreuz. Wir verlosen 2 Exemplare. Betreff: 127 verchromte Spielstunden

drive

maximilian Zeller (waves vienna / the Gap)

TOP 10

diese bands Gibt es wirklich 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

stuttgart online rainer stuhlgang blockflöte des todes problemfaktor mensch barbara’s bush schwermut Forest anal cunt altmodisch pro7 kakkmaddafakka

TOP 5

Für immer auF dem traGbaren musikabspielGerät 01 02 03 04 05

shellac – 1000 hurts why?! – elephant eyelash 4trackboy & echoman – mmX limited edition thomas meinecke & move d – work mF doom – mm...Food

auch nicht schlecht: dimensions Festival — www.dimensionsfestival.com

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Kein anderer Film hat den Winter über für soviel Gesprächsstoff und Begeisterung gesorgt. Am 29. Juni erscheint Winding Refns Interpretation amerikanischer ActionFilme endlich auf DVD und Blu-ray. Wir verlosen 2 DVDs, 1 Blu-Ray und 3 Bücher zum Film. Betreff: 127 Skorpione für ryan

ghost recon future Soldier Nach ganzen fünf Jahren bekommen Taktik-Shooter-Fans mit »Future Soldier« endlich neues »Ghost Recon«-Material. Modernste Technik der Tarnkleidung steht im Mittelpunkt dieses Einsatzes, der etwa nach Bolivien oder Afrika führt. Wir verlosen 3 Pakete (PS3-Game und Poster). Betreff: 127 unsichtbare Soldaten aus der Zukunft

Spartacus – Blood And Sand Sandige Schwert-Action und tendenziell orgiastische Sex-Szenen verspricht diese Serien-Interpretation des Sklavenaufstands gegen die Römer. Deftige Kost für Erwachsene. Wir verlosen 2 Blu-ray-Boxen – Uncut-Version nur in Österreich ab Anfang Juli erhältlich. Betreff: 127 blutige Kämpfe um Freiheit von rom

Piatnik »good friends« »Good Friends« ist ein Party-Spiel für alle, die es aushalten, dass sie mal recht ungeschönt mitbekommen wollen, was andere von ihnen denken. Und wie jede gute Party kann das Spiel schon mal recht heftig werden. Wir verlosen 2 Spiele. Betreff: 127 mehr oder mehr ehrliche Selbsteinschätzungen

Ernst Molden. vinyl. Es gibt neues von Wiens singendem Dichter Ernst Molden. Und zwar ganz ernst auf Vinyl. Prack! Na dann mal rauf damit auf die 1210er und den Molden ordentlich in den Club gemischt! Wir verlosen 3 Exemplare von »A So A Scheena Dog«. Betreff: 127 Beats Per molden



In der Küche des Hotel am Brilliantengrund bereiten Tess Marja Werner (links) und Elsy Lahner (rechts) ein Kochsackerl zu.

DOKUMENTATION JANA LAPPER BILD MATTHIAS HOMBAUER

Rezept und Zutaten kommen geliefert. Am Ende gibt es »Kichererbseneintopf mit Spinat und Tofu«.

Kochsackerl gibt es mit drei bis fünf Mahlzeiten für zwei bis sechs Personen. Gegessen wird am Besten gemeinsam.


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de Wi p e d W n fö ar t ir t r de ur e u sc r h a n Ko n d d f ts i o un p er e W i r ts at te i rn eh one cha ft me n z n m wis s a g ch ent it ur 1,5 en Mi K r e EINR EIC H lli at F R IS 18 .6 o n e i vT: B IS 1 .10.2 nE 012 ur o

Kochen mit Kuratorinnen Zwei Wiener Kuratorinnen kochen gemeinsam ein Kochsackerl von Kochabo.at – und The Gap hört zu. Tess Marja Werner, Kuratorin des 365 – The Fox House, und Elsy Lahner, Kuratorin der Albertina, über die Kuratorenarbeit, Offspaces und den künstlerischen Dialog. »Es ist gut, dass dort endlich wieder etwas passiert« findet Elsy, denn das Haus mit der weißen Fassade stand lange Zeit leer. Die jetzige Kuratorin an der Albertina, deren Ausstellungsraum Das Weisse Haus mittlerweile von ihrer damaligen Kollegin Alexandra Grausam allein geleitet wird, ist neugierig, was Tess mit dem Fox House am selben Standort in der Westbahnstraße geschaffen hat. Sowohl Das Weisse Haus als auch das Fox House verwirklichen die Idee der Zwischennutzung: Kunst in einem Raum auf limitierte Zeit. »Ich habe den Eindruck, dass das Konzept der Zwischennutzung in Wien noch nicht so gängig ist wie in manchen anderen Städten«, erzählt Tess von ihren Beobachtungen. Elsy beschreibt das Phänomen der Offspaces als Wellenbewegung: »Zeitweise sprießen mit Initiativen wie Das Weisse Haus, CoCo oder Ve.Sch Offspaces und junge Kuratoren nur so aus dem Boden«. Mit »Space Invasion« hat sie bereits ab 2006 Erfahrungen mit der temporären Nutzung von Räumen gemacht. Beide sind sich einig: Die Arbeit mit Offspaces ist zwar anstrengend, aber verbunden mit großer Leidenschaft. Sich verschiedene Räume anzuschauen und seine Phantasie spielen zu lassen kann sehr fruchtbringend sein: »Wie lässt sich zum Beispiel in einer ehemaligen Fleischerei ein Raum für Kunst schaffen?« Natürlich müssen da auch die Künstler mitspielen, denn Manchen wäre ein White Cube lieber und sie sehen erst gar nicht die Möglichkeiten, die in den Eigenarten solcher Räume stecken. Oft findet der Raum selbst die richtigen Arbeiten für sich als den jeweiligen Ort. Oder die Umgebung wirkt so auf die Werke ein, dass am Ende etwas völlig Unerwartetes entstehen kann. Offspaces geben Freiheit – und es geht nicht nur ums Geld. »Aber alles was länger dauert, kostet natürlich auch mehr« bedauert Elsy. Dann lieber komprimierter auf einen kurzen Zeitraum: »So kommen die Leute wenigstens zu den Eröffnungen«.

In fremde Gewässer »Künstlerisch passiert bei den Jungen zwar viel, aber die einzelnen Gruppen schwimmen viel zu sehr in ihren eigenen Gewässern«, meint Tess. Vor allem im Bereich der Akademie und der Angewandten gibt es ein reges kreatives Treiben und innerhalb ihrer Netzwerke auch intensive Zusammenarbeit, aber kaum Kommunikation zwischen den Gruppen: »Da kann und sollte man viel machen, wie es das Fox House auch will und umsetzt«. Dasselbe gilt für die verschiedenen Disziplinen und Genres wie Fotografie, Malerei, Medienkunst: Dialog ist das A und O und dient unvergleichbar der gegenseitigen Inspiration und Befruchtung.  »Kochen mit Kuratorinnen« ist eine Kooperation zwischen Kochabo.at und The Gap. Kochabo bietet online die Hauszustellung von Kochsackerln an, deren Inhalt sich mit Rezept vergleichsweise einfach zu drei bis fünf Mahlzeiten für 2–6 Personen zubereiten lassen. Weitere Kochberichterstattung auf www.thegap.at

departure focus

KOOPERATION

get together – create together – work together

departure get together Eine Veranstaltungsreihe von departure und The Gap im Rahmen des Themencalls focus Kooperation.

Do 28.6.2012, 19 Uhr project space Treitlstraße 2, 1040 Wien www.departure.at


Kolumne: Zahlen, bitte! von Thomas Edlinger

17   17 Jahr’ sind wir alle mal, ob blond oder nicht. Unter anderem Helene Hegemann, Airen, Bret Easton Ellis   und Ben Brooks, der gerne der neue Fänger im Roggen wäre, es aber zum Glück nicht ist.

O

kay, Helene Hegemann haben wir alle noch im Kopf eingespeichert. Sie war die 17-Jährige, an der sich die Geister schieden. Die alten – meist männlichen – Gralshüter der Literatur warfen ihr anlässlich ihres Romans »Axololtl Roadkill« Datenklau vor, die anderen – meist weiblichen – Verteidigerinnen legten sich für ihren unverkrampften Zugang zum Dauerbrenner adoleszente Verwirrungen der Zöglinge ins Zeug. Dabei war ihr Zugang so unverkrampft auch wieder nicht; schließlich verkleidete sich die Tochter des Volksbühne-Chefideologen Carl Hegemann in Buch und Interviews als Diskursballerina und redete so, wie der Schnabel von Polleschoiden Theaterinszenierungen im Zerrspiegel der Copy-&Paste-Tastenkombination gewachsen war. Autorenschaft gibt es dann natürlich auch im Hegemann-Ich nicht mehr, sondern nur mehr Diskurseffekte, die hysterische, pillengeeichte Körper ausagieren. Das sahen dann ausgerechnet die selbsternannten Anwälte des Bloggers Airen, der als betrogenes Autorensubjekt von ein paar gesampelten Sätzen bald ausfindig gemacht war, anders, während Airen, der auch mit um die 17 Fahrt durchs Berliner Nachtleben aufgenommen hatte, die Sache mit dem Plagiieren halb so schlimm fand. In beiden Texten lauerte jedenfalls in der Berliner Nacht ein knallsüßer, sensibelharter Hedonismus, der mit dem Sex-&-Drugs-Tempel Berghain lockt und mit dem Kater droht. Kapitalismus und Depression hießen die Stichworte, wie sie schon in einer Volksbühne-Buchreihe ausgegeben wurden. An ihrem 18. Geburtstag bekam Helene Hegemann die Rechnung dafür präsentiert, dass sie nicht wie erwünscht im Dauerdelirium den Spagat aus gern bestauntem Nihilismus und gern beklatschtem Idealismus der Generation Null ff. vorturnte. Das Feuilleton schickte Abordnungen zu ihrem Geburtstag, den sie frecherweise im Veteranen-Technoclub Tresor zu feiern beliebte. Man stellte hämisch fest: So wild ist die ja gar nicht! Die lacht sogar! Die langen Haare im Gesicht sind gar nicht

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das Kainsmal einer Satanistin, sondern der Schutzwall einer normalen jungen Frau oder vielleicht einfach nur eine Frisur, und die Party hat sogar fast was von »Kindergeburtstag«, wie es in einem Artikel hieß. Der Feldforschungsbericht aus dem dunklen Kontinent Jugend stellte auch noch die Frage, ob das Ganze vielleicht gar eine Performance für Erwachsene war und übersah dabei den blinden Fleck dieser Mutmaßung – nämlich den sozialen Ort der Frage, das Milieu einer bürgerlichen Erwachsenenwelt.

Google-Matura Nun dürfen wir einen neuen 17-jährigen Helden bestaunen. Er hat nicht nur von Hegemann, sondern auch von Bret Easton Ellis einiges gelernt, der sein Debüt »Unter Null« rund um den Ennui eines 18-Jährigen Collegeboys angeblich auch mit 17 unter Speed-Einfluss in die Tasten gehämmert hat. Der junge Mann heißt Jasper, und er ist so ziemlich genau das Gegenteil von Sebastian Kurz und Niko Pelinka. Jasper liest gern »Mein Kampf«, versucht im Sex-Chatroom zu Gratis-Strips zu kommen, schwängert im Rausch die, die er verlacht und weiß in wichtigen Momenten nicht, warum er nur darüber schreiben, aber nicht bereden kann, dass er »emotional querschnittgelähmt« ist und vom nuklearen Holocaust träumt, der ihn beim Sex übrig lässt. Aber sonst ist Jasper eigentlich ein netter und vor allem ziemlich witziger Kerl. Er schießt Kalauer aus der Hüfte wie: »Ich bin nicht oberflächlich. Gesunder Geist, gesunder Körper.« Ausgestattet mit der Google-Matura weiß er ganz gut darüber Bescheid, dass Psychologinnen das alles nicht so gut, dafür aber interessant finden und dass er als weißes Kind in einem Londoner Vorort doch ziemlich privilegiert ist und er nicht gerade politisch korrekt daherredet. Wenn ihm alles zuviel wird mit dem Wunsch nach mehr Sex als viel Sex, einer besseren Party als gestern

und dem schlechten Gewissen darüber, dass man kein Gewissen hat und das auch noch ein bisschen verwegen findet, versucht er »sein Herz zu überreden, nicht mehr zu schlagen«. Weil das aber nicht klappt, wird Jasper irgendwann noch ein aufgeweckter junger Mann werden, ich tippe mal auf Literaturstudent. Schließlich ist er ja schon im Roman des in England gefeierten Jungautors Ben Brooks selbst ein Schriftsteller, der sich für seinen Roman eine richtig derbe Vergewaltigungsszene einfallen lassen möchte, die er dann im Buch als unter Drogenverabreichung herbeigeschwindelten, einverständigen Sex mit dem Hauptobjekt seiner Begierde verwirklicht. Seine beste Freundin kommentiert die nächtliche Körperverschlingung so: »Das hört sich nach dem typischen Sex an, den das typische Teenagermädchen so hat.« Ach ja, eine Generation soll das alles natürlich auch mal wieder beschreiben. Da wir »Unter Null« schon lange hinter uns haben und X bis Y auch schon durch ist, bleibt nur eines übrig: »Wir sind die Generation, die dem Analverkehr sein Stigma genommen hat.« Übrigens: »Grow Up«, auf Deutsch leider etwas unbeholfen mit »Nachts werden wir erwachsen« übersetzt, ist bereits der vierte Roman des nun 20-jährigen Ben Brooks. Brooks sieht mit seinen korrekt verwuschelten Haaren wie aus dem Alternative-Musterkatalog geschnitten aus. Er gibt sich in Interviews bescheiden und interessiert sich mit glaubhaftem Ernst vor allem für das, was ihn durch die Jugend begleitet hat: Bücher, die von Nicht-17-Jährigen handeln und von Nicht17-Jährigen geschrieben sind. Die Qual der Zahl – 9 wie »Revolution Nr. 9« oder 99 wie in »99 Luftballons«? Schreibt uns eure Vorschläge, um welche Zahl zwischen 0 und unendlich es nächstes Mal gehen soll. zahlenbitte@thegap.at

Thomas Edlinger Journalist und Kurator


| E. PIRKER

Ö1 Wohlfühltage 2012 »In Bewegung bleiben«

Verbringen Sie mit uns sportliche Tage in den schönen Resorts der VAMED Vitality World und tanken Sie neue Energie für Körper und Seele! Informationen und Anmeldung in

oe1.orf.at/wohlfuehltage > Ermäßigungen für Ö1 Club-Mitglieder

Therme Laa, Hotel & Spa ****s, 19. – 22. Juli 2012 »In Balance sein« – Medizinische Fachkompetenz, Wellness und Sport perfekt vereint St. Martins Therme & Lodge ****s im burgenländischen Seewinkel, 4. – 7. Oktober 2012 »Einzigartige Naturerlebnisse« – Gesunde Bewegung im Naturschutzgebiet Nationalpark Neusiedler See Aqua Dome ****s Tirol Therme Längenfeld, 22. – 25. November 2012 »Die Kraft der Gegensätze« – Belebende Vitalität und tiefe Entspannung inmitten der beeindruckenden Tiroler Bergwelt


glossar 01

Sneezing Panda Video eines Panda-Babys, das überraschend niest und damit seine Mutter erschreckt. Fast 140 Mio Aufrufe.

Text Dalia Ahmed Bild screenshots von youtube.com, knowyourmeme.com, spreadingsantorum.com, eli pariser

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Courage Wolf Bild eines zähnefletschenden Wolfs, der den Betrachter mit brutalen Sprüchen ermutigt. Beispiel: »There is no defeat. Only delayed victory.«

Rage-Comics Serie von krude gezeichneten Internet-Comics mit einer Reihe feststehender Gesichter. Beispiel: Trollface, Forever Alone Guy, Rage Face.

Porto Cervo Fashion Clubbing Auf diesem Video feiern Kinder aus der Wiener Oberschicht im Phoenix Supper Club und geben Interviews über ihre Garderobe. Bisher 120.000 Aufrufe.


Memes Netz-Insider-Schmäh und Instant-Karikatur

Wie das Meme zum Meme wurde Sie kommen immer wieder wie ein Running Gag und sind ebenso Massenphänomen wie auch Geschäft. Memes verändern die Art, wie wir kommunizieren. Vor fünf Jahren gingen zwei der wichtigsten Beispiele ans Netz. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

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Lolcats: Das sind Bilder von Katzen, die in gebrochenem Englisch (Leetspeak) Pointen reißen. »I can has Cheezburgers?« war z.B. die Frage der Ur-Lolcat. Das zugehörige Netzwerk wurde heuer fünf Jahre alt. 06

Advice Dog: Golden Retriever, der mehr oder weniger brauchbare Lebensratschläge erteilt. Beispiel: »Eat Mushrooms. They made Mario grow.« 25 Jahre ist es her, seit der britische Sänger Rick Astley seinen größten Hit sang. »Never Gonna Give You Up« war in 25 Ländern Nummer Eins. Und im Normalfall wäre ein typisches Schicksal vorprogrammiert gewesen, eine Existenz auf 80er-Samplern und den Oldies-Sendern dieser Welt. Bis vor ziemlich genau fünf Jahren war das auch so. Doch dann kam es anders. Im Mai 2007 postete jemand auf 4chan.org einen Link für jene Besucher, die eigentlich den allerersten Trailer von »Grand Theft Auto IV« – heute ein absoluter Games-Klassiker – sehen wollten. Die nichtsahnenden User wurden stattdessen auf Rick Astleys Youtube-Video weitergeleitet. Das rickrolling war geboren, und es verbreitete sich rasend schnell. Nur ein Jahr später sollen bereits mehr als 18 Millionen Menschen von Rick Astley überrascht worden sein. »Never Gonna Give You Up« wurde zum Internet-Phänomen – zum Meme.

I can has Meme? Das Meme ist ein Kind des Internets. Ein Running Gag, ein Schmäh, der sich mal schnell, mal langsam verbreitet, lokal und global. Doch nicht jedes Video oder Bild ist gleich ein Meme, nur weil man es eine Woche lang auf jeder Pinwand, in der Inbox und in jeder Late Night Show sieht 01–04. Memes werden über das Internet bekannt und mehr oder weniger im Open Source-Verfahren vervielfacht, parodiert, kopiert und verwurstet. Und das ohne Aufforderung. Das macht ein Meme zum Meme. Man kann dabei kaum über Memes reden, ohne 4chan zu erwähnen. Auf 4chan sind über 50 Kanäle auf einer Web-

site vereint. Diese Foren haben die unterschiedlichsten Themen, von Pokémon bis Kochen ist so ziemlich alles dabei. Das berühmt-berüchtigtste der Boards auf 4chan ist das /b/ Forum. Das themenlose Forum macht den Großteil des Verkehrs auf der Seite aus. Wäre das Internet eine Stadt, das /b/ Forum wäre der Stadtteil, vor dem dich deine Mutter warnt. Auf 4chan werden vor allem Bilder anonym ausgetauscht. Das Besondere daran: Bis auf Kinderpornografie wird fast nichts gelöscht, egal wie widerlich, rassistisch oder in manchen Fällen illegal es ist. 4chan und das /b/ Board wurden vor allem mit zwei Dingen bekannt: Zum einen hat es die Anonymous-Bewegung hervorgebracht – quasi die Leute hinter diesen komischen weißen Masken, die sich auch auf Demos für die Freiheit des Netzes einsetzen. Zum anderen haben dort eine Vielzahl von »Ur-Memes« ihren Ursprung 05–08.

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Pedobear: Der Comic-Bär wurde ursprünglich auf 4chan genutzt, um Moderatoren auf kinderpornografische Inhalte aufmerksam zu machen. Wurde später zum Symbol für Pädophilie. 08

Y U Tube? 4chan ist aber nicht für alle Memes verantwortlich. Was 4chan für das Bild-Meme, ist Youtube für das VideoMeme 09–11. Manchmal wird ein Meme aber auch über die Verbindungen zwischen mehreren Plattformen bekannt. Ohne Foren, Blogs und einer ganzen Menge Links wäre rickrolling nicht zu dem geworden, was es heute ist. Und auch wenn Youtube heute nicht mehr wegzudenken ist, so hat es Video-Memes auch schon vorher gegeben. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Star Wars Kid, bei dem ein bemitleidenswerter Teenager mit einem Stock den Bösewicht aus dem damals brandneuen Film »Star Wars: Episode 1« ungelenk nachahmt. Das Video verbreitete sich im Jahr 2003 über Internet-Tauschbörsen und später über

Successful Black Man: Schwarzer Geschäftsmann im Anzug. Die Texte spielen mit Klischees vom schwarzen Kleinkriminellen. Beispiel: »Pass that joint. (Pause) Venture proposal. It sounds promising.« 021


Vom Cheezburger zur Politik

verschiedene Blogs – zwei Jahre, bevor Youtube aus der Taufe gehoben wurde. Heute ist es so etwas wie die Urmutter eines Netz-Videos, das mit Hohn und bösem Humor verbreitet wird und für die Betroffenen gar nicht mal so lustig ist. So kann heute ein Dorftrottel über ein Meme zum Gespött des ganzen Planeten werden. Das Star Wars Kid musste sogar in psychische Behandlung.

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Geld, Ruhm und Zorn Charlie Bit My Finger: Auf dem Video beißt der einjährige Charlie den dreijährigen Harry in den Finger, worüber dieser sich beschwert. Seit Mai 2007 über 450 Mio. Aufrufe. 10

Dramatic Chipmunk: Auf diesem Video dreht sich ein Backenhörnchen zu dramatischer Musik überraschend um und blickt in die Kamera. Bisher 35 Mio. Aufrufe. 11

Rebecca Black – Friday: Dieser Videoclip der 13-jährigen Sängerin schaffte es aufgrund der Tanzeinlagen und der Lyrics auf über 200 Mio Aufrufe. Textprobe: »We we we so exited«, »Fun Fun Fun Fun« 12

Scumbag Steve: Das Bild von einem Jugendlichen in Parka und Baseballcap. Die Texte dichten ihm grundsätzlich ein Arschloch-Verhalten an. Beispiel: »Pukes on something. Disappears.«

Die Popularität der Memes rief zunehmend Unternehmen auf den Plan. 2006 kaufte der Condé Nast Verlag (Vogue, GQ, Wired) die Website reddit.com um kolportierte sieben Millionen Dollar. Auf Reddit werden Links von Usern hochgeladen und bewertet – quasi sekundengenaue Charts, die Auskunft darüber geben, was die Community gerade bewegt. Heute wird die Seite jeden Tag von mehr als einer Million Menschen besucht. Auch andere Unternehmen haben das Geschäftsmodell für sich entdeckt, bei dem die User selbst für die Inhalte sorgen, für Bilder, Videos, Kommentare und Links. Schon Youtube und Facebook sind mit fremden Inhalten groß geworden, warum also nicht auch mit Memes? Die digitale Ware wird von den Nutzern selbst erstellt. Die Websites sorgen nur noch für die Infrastruktur und die richtige Präsentation und verdienen an der Werbung. So macht das Cheezburgernetwork, zu dem die Seiten failblog.com, icanhazcheesburger.com und memebase.com gehören, jedes Jahr geschätzte vier Millionen Dollar Gewinn. Nicht jedem gefällt das. Ganz besonders, wenn zum Beispiel eine Website wie 9gag.com auf jedes neue Posting sein digitales Wasserzeichen schreibt und sich so zum Urheber ausruft. Damit wird ein sensibles Feld berührt: In einem Bereich, in dem der Content von einer anonymen Community in Open Source-Verfahren hergestellt wird und sich jeder mit Hilfe von Generatoren in Sekundenschnelle selbst ein Meme basteln kann, sind die Urheberrechtsfragen bislang weitgehend ungeklärt. Memes beruhen zum großen Teil auf viraler Verbreitung im rechtsfreien Raum, auf der schnellen Kopie, auf unklaren Urheberrechten. Und dennoch versucht nicht nur das Big Business sein Geld mit Memes zu machen, sondern auch seine Protagonisten. Dabei müssen sie schnell und geschickt sein, denn das Internet ist eine flatterhafte Geliebte. Das Meme Scumbag Steve 12 wurde etwa Anfang 2011 bekannt. Im Interview entpuppte sich der Nichtsnutz auf dem Bild als ein 21-jähriger Student namens Blake Boston, ein netter junger Mann, der zur Abendschule geht, um eines Tages für seine Freundin und ein Baby sorgen zu können. Doch dann beging Blake Boston einen schweren Fehler, als er versuchte, mit einem Song ein bisschen Geld aus seiner unerwarteten Berühmtheit zu machen. Das Wohlwollen löste sich quasi im selben Moment in Luft auf und Blake Boston wurde zum verbalen Abschuss frei gegeben. Ähnlich erging es dem Wiener Rapper Money Boy 13 mit seinem Song »Dreh den Swag auf«. Spätestens nach seinem Deal mit Sony und einem Werbespot für die Saftmarke Rauch wurde er zum Prügelknaben. Das ist eine der grundlegenden Gefahren, wenn man versucht, Geldscheine aus seinen 15 Minuten Ruhm herauszupressen.

Das Muster, nachdem Memes entwickelt und verbreitet werden, ist im Grunde so alt wie das Katzenbild von vorletzter Woche. Eine eingeschworene Gemeinschaft entwickelt oder entdeckt ein Meme, feiert dieses für eine Weile, ist vorne dran, hat es gleich schon gewusst. Irgendwann erreicht es den Mainstream und wird schließlich für den nächsten heißen Scheiß fallen gelassen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Lolcats. Lange Zeit wirkte es so, als würde das Internet nur noch aus Katzen bestehen. Irgendwann ebbte der Hype dennoch ab, heute ist eine Lolcat fast schon wieder ein Zitat aus den guten alten Internet-Tagen. Mittlerweile folgt auf den Aufstieg eines Memes der Fall immer rascher. Anfang April 2012 tauchte auf Reddit das Bild eines Marathonläufers, dem die Anstrengungen gar nichts auszumachen schienen, unter dem Titel Ridiculously Photogenic Guy auf. Nur Stunden später gab es unzählige Variationen davon, der »unsinnig fototaugliche Typ« namens Zeddie Little wurde ausfindig gemacht und bei der meistgesehenen Frühstücksfernsehsendung der USA zum Interview eingeladen. Drei Wochen später scheint ihn das Netz vergessen zu haben. Die Möglichkeiten, blitzschnell reagieren zu können, verändert unsere Kommunikationsstruktur. Wurden Ereignisse in den Nachrichten früher erst Tage später in Glossen oder Karikaturen behandelt, passiert dies heute in Stunden, teilweise Minuten. Als im Jänner die Costa Concordia sank, überfluteten Memes mit dem feigen Kapitän Francesco Schettino das Internet. Die Memes sind zur Karikatur 2.0 geworden. Und auch politischer Aktivismus findet zunehmend subtil Einzug in die Memes. Ron Paul, republikanischer Politiker in den USA, erfreute sich im Netz enormer Popularität, was sicher mit seiner generell liberalen Haltung zu Sexualität und der Legalisierung von Marihuana zu tun haben dürfte. Es tauchte ein Ron Paul-Meme auf, das ihn in durchwegs positivem Licht zeichnete. Währenddessen fanden sich Erzkonservative wie Rick Santorum 14 oder Fox News-Moderator Bill O‘Reilly in Spott-Memes wieder. Diese Form der digitalen Unterstützung unterscheidet sich noch einmal stark von der Kampagne des Obama-Wahlkampfs 2008, die letztlich starke Züge einer klassischen Kampagne über neue Kanäle trug.

Die Zukunft des Meme Mit Ausnahme der Cartoon-Serie »South Park«, die sich in zwei Folgen relativ früh mit dem Phänomen beschäftigte, hat die Meme-Kultur erst in letzter Zeit begonnen, den Sprung aus der Internet- und Nerdkultur hin zum Massenphänomen zu machen. Allein Planking hat es bis in alle Nachrichtensendungen dieser Welt geschafft. Eine weitere Rolle spielt zudem das neue Facebook-Design, das Fotos heute viel prominenter und häufiger anzeigt – und das selbst dann, wenn die Person, die das Bild hochgeladen hat, nur indirekt befreundet ist. Die individuelle Filterblase 15 im Internet verschwindet dadurch zwar nicht, sie wird aber deutlich größer. Mittlerweile reichen oft ein oder zwei Facebook-Freunde, die sich auskennen, um die wichtigsten, neuesten, heißesten Memes mitzubekommen. Bis Ausdrücke wie Forever Alone, Cool Story Bro und U Mad? oder die diversen Rage-Comics in den Duden aufgenommen werden, ist es nur noch eine Frage von Monaten. Das Meme kommt im Mainstream an, ist fester Teil unseres Newsfeed, unserer Sprache, unseres Alltags und unserer Kultur. Eines Tages wird mein Kind mich fragen »I Can Has dein Auto?« und ich werde antworten »Y U No Take Ur Feet?«.


Me Gusta Jeder kennt ein Meme, das sonst niemand kennt. Dabei ist die Grenze zwischen   viralem Kracher und schlechtem Scherz allerdings fließend. Eine Reihe von Image Macros, Videos   oder thematische Pages auf Facebook wäre gern zum Meme geworden, hat das aber nie geschafft. Bei diesen fünf hier ist das definitiv nicht so. fotos von albernen posen

Planking

2011 legte sich jemand hin – und es wurde ein Welthit. Jeder machte mit. Sogar Armin Wolf legte sich bei der ZIB quer. Danach folgten Coning, Owling, Scarlett Johanssoning und PleaseMakeItStoping. Das Ganze hörte aber erst wirklich auf, als Xzibit anmerkte, dass der Begriff »Planking« aus der Zeit des Sklavenhandels stammt, als man Sklaven beim Transport nach Amerika übereinander stapelte, um mehr Platz zu haben.

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rage comics

Y U No Guy Der Y U NO Guy regt sich stets darüber auf, dass irgendetwas nicht passiert, und verwendet dabei kurze SMS-Sprache und krude Grammatik. Die Bilder werden mit dem typischen zweigeteilten Satz untertitelt. Bekannteste Beispiel sind »Orange juice. Y u no taste good after I brush teeth?« oder »Rick Astley. Y u no give me up?!«

youtube-video mit zahllosen variationen

Nyan Cat

Die Nyan Cat ist eine Comic-Katze, die in einem äußerst pixeligen Weltall vor sich hinfliegt und dabei einen Regenbogen furzt. In dem Video aus dem Jahr 2011 tut sie das zu dem japanischen Song »Nyanyanyanyanyanyanya«, der sich genauso anhört wie er heißt. Stellvertretend für eine Reihe von Videos, die ihren Witz aus der Monotonie ziehen.

image macro mit berühmter person

Strutting Leo

Ein Foto von Leonardo DiCaprio, der fast absurd fröhlich über das Set von »Inception« schlendert. DiCaprio wurde aus dem Foto heraus- und in andere Szenen hineingeschnitten. Auf dem Tumblr-Blog »Fuck Yeah Strutting Leo« läuft er z.B. glücklich durch »V wie Vendetta«, steht bei einem Britney Spears-Konzert auf der Bühne oder besucht den Nürnberger Reichsparteitag.

unkaputtbarer insider-gag

Chuck Norris

Die Chuck Norris-Facts sind eine Sammlung von angeblichen Fakten über den ehemaligen Actiondarsteller und Texas Ranger. Den Anfang nahm alles 2008 mit einem Chuck Norris Fact Generator. In den Sprüchen werden Norris Superkräfte angedichtet (»Chuck Norris counted to infinity. Twice.«) oder auf seine Kampfsport-Fähigkeiten angespielt (»Every night, the Boogeyman checks his closet for Chuck Norris«). Es gibt auch nationale Adaptionen, z.B. »Chuck Norris darf während der Fahrt mit dem Fahrer sprechen«. image macro mit bildfundstück

Advice Dog

Der liebe Hund mit den schrecklichsten Tipps war der erste seiner Art. Mit ihm nahm alles seinen Anfang, als ein User 2006 in einem Super Mario Fan Forum die Frage, wie man denn den ersten Kuss angehen sollte mit »Just do it, man!« und einem Bild von seinem Hund beantwortete. Was folgte, war eine unüberschaubare Schar von Advice Animals, die zu Beginn noch einem ähnlichen Muster folgten, aber mittlerweile alles Mögliche (z.B. kein Tier) sein können.

Money Boy: Der Wiener Rapper erlangte mit »Dreh den Swag auf« kurzzeitig Berühmtheit. Er macht bis heute Videos, twittert, facebookt und ist meistens unfreiwillig komisch. 14

Rick Santorum: Der Senator wurde aufgrund seiner steinzeitlichen Ansichten zu Homosexualität zum Ziel einer Google-Bombe. Sein Name wird noch lange diese Bedeutung haben: »the frothy mixture of lube and fecal matter that is sometimes the by-product of anal sex«. 15

Filterblase: Die Algorithmen von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken führen dazu, dass mein Internetverhalten und meine Freunde bestimmen, was mir beim nächsten Besuch angezeigt wird. 023


Wenn sich notgeile Bl端mchen-Goths eine Kathedrale errichten w端rden, w端rde sie wohl so aussehen. Dabei ist die Formation voller ambivalenter und vielf辰ltiger Metaphern.


golden frame — Elmar Trenkwalder – WVZ 183 S TRE

Obsessionen in Keramik Wie ein plastischer (Alp)traum stehen Elmar Trenkwalders raumfüllende Skulpturen da, unwirklich – gleichzeitig aber strahlen sie eine nahezu erdrückende Anwesenheit aus. Womit hat man es hier zu tun? Ist es eine gotische Miniaturkathedrale, eine okkulte Installation? Stalagmitenformationen aus dem Weltall oder feuchtglänzende Riesenschwänze? Elmar Trenkwalder arbeitet vielschichtig und zeitlos. Der 1959 geborene Vorarlberger schert sich weder um stilistische noch materialspezifische Anpassung an zeitgemäße Normen und verfolgt fest entschlossen seinen Weg, der den Betrachter vor ein Endergebnis stellt, das nicht nur die Imagination, sondern auch die Bandbreite an Interpretation sprengt. Man findet Anklänge verschiedenster Architekturepochen, philosophischer Denkmodelle, religiöser Symbolsprache, sexueller Fantasien und vor allem einen Einblick in die Welt des Unterbewussten. Man sieht, was man sehen will, man suggeriert, was man zu wissen glaubt. Für Elmar Trenkwalder entzieht sich die Kunst der Sprache, er versteht seine Werke als bildlich umgesetzte Metaphern. Diese seltsamen Figuren mit ihren rosa Kapuzenmänteln sind unantastbar, oder ist es gerade die glänzende Oberfläche der standhaften Schäfte, die uns einlädt, näher zu treten? Ambivalenz scheint es zu sein, was dem Künstler keine Ruhe lässt: Es gibt nicht nur eine Sicht der Dinge. Der Trieb dominiert, der Instinkt, der uns allen innewohnt. Für Trenkwalder ist es ein Drang, herauszulassen und zu erschaffen, was ihm notwendig erscheint. »WVZ 183« steht monumental im Raum. Die Anordnung der glänzenden Finger, die sich aufrecht in den Raum erigieren, hervorgewachsen aus griechischen Säulenstümpfen, die von Vulva-ähnlichen Formen bekränzt sind, folgt einem strengen Grundriss, in ihrem Zentrum steht ein kathedralenartiger Block. Fein verästelt sich gotisches Maßwerk über den Boden – oder sind es ornamentale Ranken, aus denen weitere glänzend weiße Phalli wie Pilzgewächse wuchern? Die Installation scheint aus dem Boden herausgeschossen zu sein wie eine fremdartige Pflanze. Sicher ist, dass sie Trenkwalders Vorstellungskraft entsprungen ist, sich in unzähligen Arbeitsschritten, Auf- und Grundrisszeichnungen und Modellen bis zu ihrer endgültigen Form und Farbe manifestiert hat. Glasierte Keramik, ein Material von langer Tradition in der Kunst- und Kulturgeschichte, bildet den widernatürlichen Gegenpart zum eben erlebten archaischen Empfinden, vermittelt eine kühle, abgehobene Verschlossenheit dem Raum gegenüber. Die fertige Installation wird aus Einzelteilen zusammengesetzt, da ein einziger Brennofen das Gesamtvolumen nicht fassen könnte. Der Künstler selbst sieht sein Werk meist zum ersten Mal im Ausstellungskontext, da die eigenen Atelierwände nicht hoch genug sind. Den bizarren Ausformungen, diesen riesigen stummen Existenzen, muss man gegenüber gestanden sein, um die Bandbreite ihrer Mehrsinnigkeit und auch die visionäre Welt des Elmar Trenkwalder zu begreifen. Die Kunsthalle Krems bietet diese Möglichkeit ab dem 15. Juli: »Elmar Trenkwalder: Ornament und Obsession«. 025

Text Margit emesz Bild Le creux de l’enfer, Thiers, Galerie Bernard Jordan, Paris / Zürich

Gebilde zwischen Mensch, Tier, Bauwerk und vegetabilen phallischen Auswüchsen transformiert Elmar Trenkwalder aus seiner Imagination in den Ausstellungsraum und   erschafft damit eine unheimliche Wesenhaftigkeit.


CrO – »rAOP« — Panda-Rapper mit smarten Chart-Hits

Schelm, Schmerzensmann, Superstar 026

TExT klaus buchholZ Bild chimperator

Anstatt mütter zu fi cken, will der neue rap-superstar cro mit ihren töchtern schäkern. mit smarten indie-pop-schmankerl weicht er deutschen HipHop wieder für die mittelschicht auf.  eine gute Hit-single genügt doch. Spätestens, als der zehnjährige Samuel in der RTLFernsehshow »Deutschland sucht den Superstar Kids« auftritt und »Easy« rappt, sollte allen klar geworden sein, wie erfolgreich Cro wirklich ist. Die Performance wird von den TV-Juroren gelobt, Berufszyniker Dieter Bohlen gibt sich begeistert. Das Studiopublikum johlt und tost. Das war Anfang Mai 2012, lange nachdem Jan Delay via Facebook Cro zur »Zukunft von Deutschrap« erhoben hatte und gerade als seine Hit-Single »Easy« 17 Millionen Mal angeklickt wurde. Die Facebook-Seite von Cro wird schon bald mehr als 800.000 Daumen gefallen haben. Und sein im Sommer erscheinendes Debüt wird auf Platz Eins der deutschen Albumcharts landen. Das freut den jungen Rapper Anfang 20, der sein Gesicht hinter einer großen Pandabärenmaske verbirgt. Und es freut sein Umfeld, das vom Hype des neuen Pop-Phantoms profitiert. Da wäre einmal das kleine Indie-Rap-Label Chimperator aus Stuttgart, dessen Genre-übergreifende Künstler (Kaas, Tua, Maeckes, Plan B, Die Orsons) den Weg geebnet haben für verspielte Charaktere wie ihn. Im Frühjahr 2011 veröffentlicht Cro sein Mixtape »Meine Musik« gratis im Netz. Er produziert selbst, rappt und singt. Seine Songs sind eingängig, voll mit Pop-Samples von Caesars bis Vampire Weekend. Dass Kaas ihn kurz darauf via Twitter aufspürt und schließlich zur Vertragsunterzeichnung bei Chimperator bringt, ist Teil einer folgerichtigen Evolution innerhalb einer immer bunter werdenden RapSzene. Die üppigen Angebote zahlreicher Major Labels hat Produzent und Rapper Cro zielsicher abgelehnt. Seine Tourneen sind ohnehin ausverkauft. Sky ist the limit. Die Mystifizierung per Maske hat schon die Karriere von Sido befördert. Doch der Straßenrap, den er ab 2003 mit Aggro Berlin etabliert

hat, ist längst nicht mehr die einzige Einstiegsdroge auf deutschen Schulhöfen. Schillernde Individualisten wie Marteria (Marsimoto), Casper, K.I.Z. oder auch Haftbefehl repräsentieren an der Spitze der Charts die Vielfalt von deutschsprachigem HipHop anno 2012. Vom kommerziellen Olymp bis zum brodelnden Untergrund zeigt sich eine Szene, deren Spektrum so bunt ist wie nie zuvor und endlich auch so wahrgenommen wird. Die Nachfrage nach harmlosen deutschen RapSongs ist in den letzten Jahren schon viel zu groß geworden, als dass der Überraschungserfolg von Cro eine Überraschung bleiben sollte.

deine mutter KLicKt iHn  Neben Cro gibt es einen Kollegen-Kreis neuer deutscher MCs (Rockstah, Ahzumjot, Kayn Bock, Olson, Eou), die sich hörbar von dem inspirieren haben lassen, was sich vor etwa fünf Jahren unter dem Titel Hipster-Rap zwischen die Platzhirsch-Gangster in den USamerikanischen Medien schob. Ihre Einflüsse reichen von Trendsetter Kanye West, The Cool Kids, Kid Cudi, Chiddy Bang bis zu Theophilus London. Als bekennende Nerds und geschulte Netzwerker haben die deutschen Nachzügler genau hingesehen. Sie haben gelernt, Pop leichtfüßig zu interpretieren und Social Media für sich zu nutzen. Da wie dort wird Do-It-Yourself als Selbstvermarktung verstanden und viral verbreitet. So gehen reihenweise Mixtapes gratis ins Netz, man geht auf Tour und eröffnet Webshops für selbstgemachte Mode. Vio Vio heißt etwa die Marke von Cro. Sein Sortiment besteht (noch) aus T-Shirts mit großflächigen Aufdrucken – geometrischen Formen und anderen Beliebigkeiten. Understatement und Ironie werden hier bis zum Exzess getrieben, denn die neuen Mittelschicht-Rapper scheuen Angriffsflächen und Attitüden. Zeitgleich zum Cro-Hype bricht in den großen Feuilletons der Bundesrepublik eine Diskussion um gefühls-


der Panda spricht im interview erklÄrt cro, was er wie richtig gemacht hat, warum er sich trotz ausverkaufter tourneen noch nicht als superstar fÜhlt, warum er hohe summen von major labels abgelehnt hat und fragt sich, was andere rapper nur von seiner mutter wollen.

betonte Schmerzensmänner aus, denen vor lauter Emanzipation die Kanten fehlen würden. »Sie ist ein bisschen L.A. Ghetto, ein bisschen Nizza / Ein bisschen Hipster, ein bisschen Glitzer-Glitzer / Doch scheiß mal auf Schampus, sie will’n Sixer« (»Allein«) – Cro stilisiert sich derweil als Dandy, der nicht groß oder stark sein, sondern sich in den Armen seiner Amazonen ausruhen will. Sein Charme kommt nicht nur bei Mädchen und Frauen gut an. Er verkörpert einen anpassungsfähigen Mittelstand, der emotional und finanziell unabhängig sein kann. Dennoch ist seine Musik smart und überdurchschnittlicher Pop. Cro ist zweifelsohne ein talentierter Schreiber, der eingängige Hymnen aus simplen Elementen formen kann, ohne dass sie einfältig klingen. So einen unaufgeregten Ohrwurm wie die Hit-Single »Easy« hat deutscher HipHop lange nicht hervorgebracht. Zumindest dafür darf der Panda gestreichelt werden.

Wie hast du dich gefühlt, als bei der Fernsehshow »Deutschland sucht den Superstar« ein kleiner Junge deine Single »Easy« gerappt hat? (lacht) Das war natürlich eine Überraschung. Wow, krass, witzig – das dachte ich mir dabei. Du wirst auch als Gallionsfigur einer Veränderung wahrgenommen. Siehst du dich selbst so? Ich selber sehe mich noch nicht ganz so. Ich glaube aber, dass alles danach aussieht. Wenn mich anderen so nennen, »die Gallionsfigur vom neuen Zeitalter«, dann passt das schon. Dann sage ich, okay, cool. Du bleibst bescheiden. Naja, wie würde das denn jetzt kommen, wenn ich herumrennen würde und sagen: Yes, ich bin jetzt euer Führer. Huhu! Das wäre ja voll doof. Es wurde gemunkelt, dass du sehr große angebote von großen Labels abgelehnt hast. Warum war das für dich so klar? Als das ganz gerade explodiert ist, im Dezember und Januar, kamen dann alle Majors. Four Music, Universal, Warner, alle. Die haben uns nach und nach ihre Angebote gemacht und sie wieder getoppt. Irgendwann waren wir auf unmenschlich hohen Summen. Diese ewige Verhandlungsscheiße hat sich echt über drei Monate hingezogen. Wäh! Es war ganz ekelhaft, mit ständigem Essengehen. So, dass ich dann irgendwann sagte, ich habe keinen Bock drauf. Das läuft von alleine auch. Das ist auf jeden Fall cooler und wir verdienen noch mehr. Yeah! (lacht) Wie beim Drogenbusiness – scheiß auf die Zwischenhändler (lacht). Wie sieht der autorenvertrag für dich aus, den du mit universal gemacht hast? Da bin ich halt, um die Connections zu anderen Künstlern zu knüpfen, um auch mal was für andere zu schreiben. So einen Autorenvertrag hat ja eigentlich jeder. Wie geht es den rappern aus deinem umfeld mit deinem großen Erfolg? So an sich ziemlich gut, die sind alle cool damit und gönnen mir das. Aber es schwingt auch immer etwas mit. Neid ist halt irgendwo immer da. Stichwort: hipster-Bashing. Es gibt von rappern aus anderen Lagern auch schon sehr starke abgrenzungen zu deiner Person. Wie geht es dir mit solchen reaktionen? Ich weiß nicht, das meiste davon kriege ich gar nicht mit. Wenn irgendjemand rumquatschen will, dann soll er quatschen. Das passt schon. So wie dieser KC Rebell in einem Interview. Ich glaube, der beleidigt meine Mama und ich weiß nicht warum. Ich finde sowas total doof. Mir wurde das nur erzählt. Er behauptet auch, Cro wäre zu 99 Prozent Marketing. Warum behauptet der denn sowas? Der hat doch überhaupt keine Ahnung. Was bei uns Marketing war, war so gut wie nix, nullkommanix. Man hat sich überlegt, was geht ab und: okay, wir machen das so. Ein Video und das passt. Das war überhaupt nichts mit Marketing, nur alles eine spontane Schnapsidee von uns Idioten. Aber naja, wenn er es so nennen will. Das finde ich dann fies, wenn irgend so ein Holzkopf und Dummkopf, der keine Ahnung hat, einfach Lügen erzählt. Der quatscht da über sein ganzes Leben und die Überschrift ist Cro. Cool, scheiß auf den da. Aber es geht trotzdem an mir vorbei.

Das Debütalbum »Raop« von Cro erscheint am 6. Juli via Chimperator.

Das vollständige Interview findet sich auf www.thegap.at 027


Zeit Kunst Niederösterreich — Das Land Niederösterreich setzt der Krise Kunst entgegen

Kunst-Expansion 028

Text Franz Maximilian Bild Bruno Klomfar, August Walla, Manfred Wakolbinger

Die niederösterreichische Kulturlandschaft wächst stetig und das seit Jahren. Passt permanentes Wachstum überhaupt in unsere Krisenzeit? Absolut. Es ist ein kulturpolitisch aufregender Sommer. Die Landesgalerie für zeitgenössische Kunst Niederösterreich wird mit zwei Standorten eröffnet. Seit 3. Juni sind in Krems die Werke des Bildhauers Manfred Wakolbinger zu sehen. Im Einzugsgebiet wird – man sieht es an den Plakatwänden – stark dafür geworben. Am 28. September folgt Standort Nummer Zwei in St. Pölten mit Werken von Hans Kuppelwieser. Vom Programm her ist die »Zeit Kunst Niederösterreich« Künstlern der Gegenwart mit Niederösterreich-Bezug und international anerkanntem Oeuvre gewidmet.

Kultur oder Wirtschaft, Kultur und Wirtschaft Mit dieser jüngsten kulturpolitischen Expansion hält das Land Niederösterreich Kurs – trotz Krise und Sparzwang scheint dort das Kulturbudget kontinuierlich zu steigen, was sich am ersichtlichsten in der Gründung von Museen niederschlägt. Jean Monnet (1888–1979), französischer Unternehmer und Vordenker der europäischen Einigung, sagte einmal den viel zitierten Satz: »Wenn ich das Ganze der europäischen Einigung noch einmal zu machen hätte, würde ich nicht bei der Wirtschaft anfangen, sondern bei der Kultur.« Kann denn die Kultur mehr bewirken als die Wirtschaft? In Gegenwartskunst zu investieren ist derzeit – zumindest am wachsenden Kunstmarkt – en vogue, denn das Risiko des Wertverfalls scheint geringer als bei Immobilien oder Wertpapieren. Nach einer kleinen Delle zur Zeit der großen Bankenpleiten hat sich der Markt in den letzten Jahren als sehr krisensicher bewiesen und läuft derzeit allen anderen Sparten der Kulturindustrie den Rang ab. Die Furcht, es könnte sich dabei um eine Blase wie zu Dotcom-Zeiten oder am US-Immobilienmarkt handeln, scheint es nicht zu geben. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Niederösterreich ein konservatives, katholisches Kernland ist, scheint die Ausrichtung auf Gegenwarts-

kunst dennoch mehr als fortschrittlich. Der Spagat zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen Tradition und Zeitgenössischem tut der Beliebtheit des regierenden Landeshauptmanns Erwin Pröll keinen Abbruch. Dabei wurden die lokalen Museen großteils vom Beamtentum befreit. Die Niederösterreichische Kulturwirtschaft, kurz NÖKU, gibt es seit dem Jahr 1999. Sie bildet die Dachgesellschaft für Veranstaltungs- und Ausstellungsbetriebe in Niederösterreich, hat eine Controlling-Funktion und ist vor allem auch für die Vermarktung der Standorte verantwortlich. In die NÖKU fließen neben Geldern von Land, Bund und Gemeinden auch die Gelder von privaten Sponsoren.

Hotspots für Gegenwartskunst Die Kunstmeile Krems nahm hier im Jahr 1995 mit der Eröffnung der Kunsthalle Krems ihren Anfang. Im Stile eines internationalen Standorts wird dort Gegenwartskunst gezeigt. Derzeit sind Werke des deutschen Aktionskünstlers John Bock zu sehen, es folgt Elmar Trenkwalder (siehe auch »Golden Frame«, s. 025). Erst kürzlich war Yoko Ono zu Gast, die einen Beitrag für die Ausstellung »Wunder« vor Ort ablieferte. Gleich nebenan folgen das Karikaturmuseum, die Factory, das Forum Frohner und der Kunstraum Stein. Aber auch in Wien zeigt sich ein verlängerter Arm der Kunstlandschaft des größten österreichischen Bundeslandes. Der Kunstraum Niederösterreich, zentral in der Herrengasse im Ersten Bezirk und in unmittelbarer Nähe von Kanzleramt und diversen Ministerien gelegen, ist zu einem Hotspot für junge Kunst geworden. Der Fokus liegt auf jungen Künstlern, ein renommierter Performance-Preis und gut kuratierte Gruppenausstellungen tun das ihre dazu. Das Programm des nicht minder mutig programmierten Donaufestivals wird hier regelmäßig den Hauptstädtern präsentiert. Mit dem Art Brut Museum Gugging ist aber der vielleicht größte Coup gelungen. Der maßgeblichen Arbeit der dort ansässigen Künstler und deren Werk wurde nicht nur Rechnung getragen, sondern das


DIESE SEITE LINKS: »Weltallende« von August Walla gehört zu den weltweit herausragenden Beispielen der Art Brut. RECHTS:

Manfred Wakolbinger eröffnet am 3. Juni mit »Up From The Skies« die Landesgalerie für zeitgenössische Kunst in Krems.

Museum als internationales Forum für Art Brut auf ein gutes Fundament gestellt. Das Programm des Museums ist international orientiert, momentan ist eine umfassende Retrospektive des großen Gugginger Künstlers August Walla zu sehen.

Die Landesgalerie für zeitgenössische Kunst »Zeit Kunst Niederösterreich« eröffnet am 3. Juni mit »Up from the Skies« von Manfred Wakolbinger in Krems, es folgt »Reflections« von Hans Kuppelwieser am 29. September in St. Pölten.

Jedem KünstLer sein museum?  Die Expansion von »Zeit Kunst« in Krems und St. Pölten ist verglichen mit allen anderen Bundesländern ein fast utopischer Vorstoß. Die Ausrichtung muss aber gelegentlich hinterfragt werden. Mit dem Hermann Nitsch Museum und dem Arnulf Rainer Museum wurden zwei lebenden Künstlern ihre eigenen Museen gebaut. Bedenkt man, dass Museen hohe Kosten, etwa für Logistik, Werbung, Fachpersonal, von der Restaurierung bis zu den Aufsichten, verursachen, so stellt sich die Frage, ob Einzelstandorte auf Dauer Sinn machen. Ein eigenes Museum mag dem Künstler zudem nicht nur Vorteile bringen, sondern sogar andere Museen daran hindern, größere Personalen auszurichten.

öffentLicH-priVAte cLuster für Kunst  Das privat finanzierte Essl Museum in Klosterneuburg ist eines der Zentren für Gegenwartskunst im internationalen Kontext geworden. Das Ehepaar Essl hat durch jahrzehntelange Sammlungstätigkeit (derzeit mehr als 7.000 Werke) und vor allem Durchhalten ihr Museum weitestgehend etabliert. Im mitteleuropäischen Raum war das Essl Museum eines der ersten privat finanzierten Sammlermuseen. Während aber in Deutschland die Sammlermuseen aus dem Boden schießen, kann in Österreich nur noch der Industrielle Herbert W. Liaunig mit seinem 2008 eröffneten Museum in Kärnten mithalten. Durch das Zusammenspiel mehrerer Museen entsteht zumindest in Klosterneuburg mit dem Essl Museum, dem Art Brut Museum in Gugging und dem Stift Klosterneuburg ein Cluster, der gemeinsam Publikum anziehen will. Rechnet man all das zusammen, so kommt man auf über 70 Standorte, was das Land sogar mit der kulturellen Dichte Wiens mithalten lässt. Die entscheidende Frage wird sein, wie sich das Kulturland Niederösterreich in Zukunft entwickeln wird. Zieht es tatsächlich auch immer mehr Künstler nach Niederösterreich? Werden die Museen auch von den Besuchern angenommen? Inwieweit lässt sich die zeitgenössische Kunst in der breiten Bevölkerung verankern? In Zeiten der Krise tut es gut, die Worte von Jean Monnet zu bedenken, lässt die internationale Ausrichtung der Gegenwartskunst den Tellerrand doch meist verschwinden.

Manfred Wakolbinger startet »Zeit Kunst Niederösterreich« die neu gegründete reihe »Zeit kunst niederösterreich« präsentiert das schaffen des österreichischen bildhauers manfred wakolbinger am neuen standort in der säkularisierten dominikanerkirche krems. der 1952 in mitterkirchen in oberösterreich geborene künstler lebt in wien und ist autodidakt. sein Zugang zur zeitgenössischen kunst ist wesentlich geprägt vom deutschen kunsttheoretiker bazon brock. bekannt ist er vor allem für seine skulpturen aus aluminium, Glas, metall und beton, die oft wie aliens den raum besetzen. einige davon sind im öffentlichen raum zu sehen, etwa in wien, salzburg, linz und st. pölten. wakolbingers werk beinhaltet aber auch Fotografie, unterwasserfotografie und videoarbeiten. die ausstellung »up from the skies« ist bis 24. oktober 2012 am neuen standort der landesgalerie niederösterreich zu sehen. Krems, Dominikanerkirche. Öffnungszeiten: täglich 11–18 uhr www.zeitkunstnoe.at 029


In der Mediaopera stehen zahlreiche Beamer, Projektoren und Leinwände für die lokalen Visual Artists bereit. Sie ist nur ziemlich weit draußen.

Im dritten Wiener Gemeindebezirk entsteht Österreichs größtes Medienzentrum. 57 Mio. Euro investiert die Stadt Wien in das Media Quarter Marx. Teil davon sind die denkmalgeschützten, 224 Meter langen Rinderhallen. Der Verein Mediaopera hat in diesem Gelände, dem ehemaligen Schlachthof von St. Marx, eine Spielstätte für die Medienkunst- und Visualistenszene gefunden. Auf einer Teilfläche von 2.400 m2, die unentgeltlich von der Wiener Stadtentwicklungsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden, entstand innerhalb des letzten Jahres ein Spielort aus Containern, Beamern, hunderten Metern von Kabeln und einem Oktogon aus Projektionsflächen. Ein Großteil der Ausrüstung stammt aus dem österreichischen Pavillon der Expo 2010 in Shanghai, der an die Mediaopera übergeben wurde. So weit, so rosig. Wie aber steht es um die langfristige Perspektive mitsamt Position der Wiener Kulturpolitik – oder ist die Visualisten-Spielwiese einfach nur ein weiteres Beispiel von Kultur-Nomadentum in einem urbanen Randbezirk, ein kleiner Baustein zur baldigen Gentrifizierung?

Das liebe Geld Mediaopera — Visuelle Spielstätte im Randbezirk

Im Endeffekt ist das die lästige Frage nach der Finanzierung. Die Antwort von Peter Koger, einem der drei Vorstandsmitglieder der Mediaopera, geht notgedrungen in Richtung freiwilligem Engagement, d.h. viel ehrenamtlicher Arbeit. Ohne die Szene der Medienkünstler, für die die Mediaopera ja entstanden ist, würde es nicht funktionieren. Eine Kulturförderung der MA7 reicht nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken. Man sucht eifrig nach Sponsoren – was definitiv auch schon einmal einfacher war. Momentan übernimmt einen großen Anteil die Wiener Stadtentwicklung, der die Rinderhallen gehören. Bleiben noch die Einnahmen aus den Veranstaltungen.

Die Mediaopera will zum visuellen Epizentrum der Medienkunst und zu einer Alternative in Wiens Clublandschaft werden. Ein ambitioniertes Ziel, aber Paradigmenwechsel im Club Man könnte doch bekannte Musiker und DJs buchen, immerhin kein leichtes Unterfangen. hätte man keine Miete, die Technik im Haus und könnte die Bar ma-

Text joahnnes piller, stefan niederwieser Bild mediaopera

chen – Vorteile, die andere Veranstalter nicht haben. Den Vorstand stellt das aber vor grundsätzliche Fragen, immerhin will man Gegenpol zum gängigen Club-Programm sein. Auf Stars wird deshalb fast zur Gänze verzichtet. Bis Ende September werden die unterschiedlichsten Zweige und Äste der Medienkunst präsentiert. Visuals gehen Flirts mit Tanz, Musik, Performance und Literatur ein. Partys gibt es auch. Expanded Cinema wie Liege-Kino, Mixed Media Performance-Abende sowie ein Digital Heritage Cafe vervollständigen das Programm. Und das Openlab bietet allen Medienkünstlern Technik für ihre Projekte. Vor allem diese macht ja Visuals so kostbar und teuer. Das ist auch die Grundlage der Mediaopera: Den Künstlern eine Spielwiese zu bieten und ihre Arbeit einem breiteren Publikum bereitzustellen. Bleibt zu hoffen, dass die Kulturpolitik nicht einer Investorengruppe am Areal und also Anrainerbeschwerden weichen muss. Bei einer Brachfläche mit unklarer Zukunft in der Nähe von U-Bahn-Stationen besteht diese Gefahr immer. Der Mediaopera bleibt inzwischen nur, ihren Ruf aufzubauen. Und mit sehr viel Engagement zum unverzichtbaren Bestandteil der lokalen IG Visuals zu werden, auf dass sie in einem Atemzug mit Sound:frame oder Strukt, Neon Golden, Urban Art Forms, 4youreye und wie sie alle heißen genannt wird. Denn nur dann wird sie unverzichtbar. Die Mediaopera bietet bis Ende September ein multimediales Programm, wie die »Luv Lite Labelnight« am 16.6., »Arbeit Rhythmus« am 26.7. und 31.7. oder das »Moozak Festival« am 21., 22.9. 030


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diABlO iii — Spielerische Perfektion in Sachen Sammelwut

hack’n’flow 033 »Diablo III« erzeugt ihn wieder: den perfekten Spielfluss. Das nächste Erfolgserlebnis ist stets nur ein paar Schwertstreiche oder einen Feuerzauber weit entfernt. Dann fällt der mächtige Gegner, werden wertvolle Artefakte gefunden, das nächste Level erreicht. Nur noch einen Stufenaufstieg, bevor für heute Schluss ist! Ein Vorhaben, das sich nur schwer umsetzen lässt: Die Entwickler haben erneut an der Suchtspirale gedreht, sie im Vergleich zu den ebenfalls hervorragenden Vorgängern noch weiter optimiert. Gold und Heilung (in Form von Heilkugeln, die Gegner fallen lassen) gibt’s nun ganz nebenbei, nämlich durch bequemes Drüberlaufen. Für die Balance-brechenden Heiltränke wurde eine saftige Abkühlphase eingebaut – ein kleiner Kniff mit großer Wirkung. Und das sich letztlich die Kämpfe so unfassbar gut anfühlen, liegt nicht zuletzt an der befriedigenden Trefferrückmeldung: Jede noch so kleinen Attacke macht ordentlich Wumms, Gegner taumeln zurück, auch die Umgebung nimmt Schaden. Kein anderes Hack’n’Slay erzeugt diesen perfekten Spielfluss, das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein und weiter, immer weiter nach besserer Ausrüstung und Fertigkeiten zu gieren.

strudeL der perfeKtion  Blizzard veröffentlicht nur wenige Spiele, und davon sind die meisten neue Teile bekannter Serien. Nach dem globalen Siegeszug von »World Of Warcraft« im Jahr 2004, auch das die Online-Rollenspielvariante einer bekannten Reihe, waren es seither bis auf Add-Ons überhaupt nur zwei Spiele: »StarCraft II« im Jahr 2010 und nun eben »Diablo III«. Beide Titel waren jahrelang in Entwicklung und schon vor drei Jahren stellten sich Fans auf Messen stundenlang an, um einen frühen Blick auf die Spiele zu erhaschen. Und die Hardcore-Spieler verzeihen viel. Beinahe vergessen scheinen die Foren-Diskussionen leidenschaftlicher Fanboys, die ob der kontrastreichen Farbgebung

und dem leichten Comiclook des Spiels auf die Barrikaden stiegen. Dafür polarisiert nun das neue Skillsystem, das auf Fertigkeitenpunkte und Talentbäume verzichtet und vordergündig anspruchslos wirkt, in höheren Schwierigkeitsstufen (»Nightmare«, »Hell« und dem gnadenlosen »Inferno«) aber zum Segen wird. Spielflow, dieser seltsame Zustand zwischen Anspannung und Entspannung, der einen so richtig im Spiel versinken lässt, sorgt zusammen mit dem hohen Suchtpotenzial, noch ein weiteres kleines Ziel zu erreichen, für jenen Effekt, in dem Blizzard absoluter Meister ist. Erreicht wird dies mit überdurchschnittlich langen Entwicklungszeiten und ein hohes Augenmerk auf Perfektion und Balancing. Man könnte das Ergebnis zu Recht als glatt oder steril bezeichnen, als Labor-Entwicklung, deren einzige Leidenschaft in der Fehlerlosigkeit liegt. Aber nur so lange, bis man selbst spielt, sich in den Bann ziehen lässt und bei aller Abneigung gegenüber steriler Perfektion deren Anziehungskraft doch nicht auskommt. Das führt auch dazu, dass die Spieler, trotz der Aufregung in Foren und auf Plattformen, die für die lange Vorbereitung eigentlich überraschenden Server-Probleme der ersten Tage bereitwillig verzeihen. Denn was jahrelang eine Selbstverständlichkeit war, ist in »Diablo III« tabu: Offline-Gaming. Spieler müssen auch dann ständig mit dem Internet verbunden sein, wenn sie das Abenteuer alleine erleben. Kooperatives Onlinegaming sei eben eine spielerisch tragende Säule, argumentieren die erfolgsverwöhnten Entwickler. Dass ein alternatives Auktionshaus, wo reale Währung ins Spiel kommt, ebenfalls die umstrittene Entscheidung beeinflusst hat, ist naheliegend. Schließlich will Blizzard nicht auf die Cash-Cow Micropayments verzichten: Mit 3,5 Mio verkauften Kopien innerhalb von 24 Stunden und 6,3 Mio nach einer Woche ist »Diablo III« vielleicht der erfolgreichste PCSpiel-Start überhaupt. Willkommen im Flow! »Diablo III« (Blizzard Entertainment) ist für PC und Mac erschienen. 033

TExT steFan kluGer Bild bliZZard

Blizzard stellt mit »diablo iii« erneut die genre-Referenz: die atemlose Jagd  nach neuen waffen und noch mehr erfahrungspunkten geht in die nächste runde.



Neue Rechte — Subversive Codes, Taktiken und Slogans

Rochade von rechts 035 Der glatzköpfige Neonazi-Skin stirbt langsam aus. Rechtsextreme vergreifen sich stattdessen an jüngeren Subkulturen und Styles. Linke Symbole und Slogans jetzt auch ganz rechts: Unzufriedenheit über Globalisierung, Kapitalismus und Netzkultur bereiten den Boden dafür auf. Anonymous für Netznazis Ein weiteres Beispiel für die neue Flexibilität der Szene sind die »Spreelichter«: Rechte Gruppen in und um Berlin haben einen neuen Weg in die Schlagzeilen gefunden: Im Netz organisieren sie Flashmobs, bei denen sie mit Fackeln und weißen Masken durch die Straßen und um die Blocks ziehen, fast wie normale Wutbürger, aber mit Plakaten wie »Die Demokraten bringen uns den Volkstod!« oder »Gegen die Ausbeutung aller unterdrückten Völker« bewaffnet. Sie streunen quer durch die Stadt, so schnell, dass weder Antifaschisten noch Polizei rechtzeitig eingreifen können. »Die Unsterblichen«, wie sie sich nennen, haben nicht nur die strategischen Vorteile von aktionistischen Bewegungen wie Anonymous erkannt, sondern auch die Social Networks für sich entdeckt. Aktionen werden gefilmt, nachproduziert und auf Youtube gestellt. Auch die Klicks der Schaulustigen zählen. Links werden dann in Anonymous-Gruppen oder gerne auch auf Anti-Acta-Plattformen gepostet. »Junge Neonazis suchen nach kulturellen Abgrenzungsmöglichkeiten gegen ihre als altbackenen und klischeebeladenen Vorgänger. Und Zugang zu den Jugendszenen – das geht nur mit frischer, unverbrauchter Verpackung«, weiß auch der deutsche Politikwissenschaftler Christoph Schulze. Das gilt besonders für Szenekleidung. »Wer will, bekommt brachiale Bekenntnisse zum Nationalsozialismus, für Zögernde gibt es zweideutige Marken.« Die braunen Klamotten sind auch ein enormes Geschäft, das die Kassen bei rechten Unternehmern wie auch bei der NPD klingeln lässt.

HC Hardcore und andere Neutöner Das Anfixen funktioniert auch heute noch oft mit Musik. RechtsRock und rechtsradikale Liedermacher gibt es zwar nach wie vor, Gitarre ist aber heute in allen Schattierungen vertreten. Besonders NS-Hardcore oder Hatecore bildeten schon früh einen Kernbereich rechtsextremer Subkulturen. Hatecore bietet für die Verbindung von 035

Text Werner Reisinger Bild christian jäger

Die Braunen werben wieder offensiv um Nachwuchs. Eine gewisse Engstirnigkeit bei der Wahl der Waffen ist längst Geschichte. Aufgrund des durchschlagenden Erfolgs stellt man die Berührungsängste mit den Strategien der autonomen Linken hintan, obwohl die älteren Kader die neuen Methoden anfangs noch als »undeutsch« abgelehnt hatten. Auch die Aktionsformen werden immer niederschwelliger, kaum eine Protestform, die nicht kopiert, adaptiert oder erfolgreich umgedeutet wird. »Autonome Nationalisten« sind optisch kaum von linken Autonomen zu unterscheiden. Selbst die Fahne wird frech kopiert und dabei nur Schwarz und Rot vertauscht. Die Ursprünge der autonomen Rechten gehen bis in die 90er zurück, vor etwa zehn Jahren begann man, die Klamotten und Lieder auszutauschen. Bei Demos treten sie als »Schwarzer Block« auf, aus den Lautsprechern tönen Wir sind Helden oder Die Ärzte, auch Che Guevara-Fahnen und Palästinenser-Tücher – klassische Symbole der Linken – sind keine Seltenheit. Diese symbolischen Aneignungen waren eigentlich einmal Strategien der Linken gegen Rechte. Deren Taktik hat aber heute längst nicht nur das Ziel, die Polizei und die Gegner zu verwirren. Politisch gibt es Überschneidungen mit den Themen der autonomen Linken, wie etwa das Feindbild Amerika, Kapitalismus oder Euro. Einzig an den xenophoben, antisemitischen und nationalistischen Transparenten sind die rechtsradikalen Absichten erkennbar. Wer sich durch Ausländer bedroht fühlt, bei dem steigt die Bereitschaft, zumindest mal vorbeizuschauen. In urbanen Zentren stilisiert man sich bewusst als progressiv, will vom Lederhosen- und Springerstiefel-Mief der alten Generation weg, positioniert sich gegen den politischen Mainstream und versucht, die Demokratie- und Wirtschaftskrise bestmöglich auszunutzen. Auf der Webseite der Autonomen Nationalisten Wien findet sich ein abgewandeltes Zitat der linksradikalen RAF-Terroristin Gudrun Ensslin: »Wir wissen, dass Reden ohne zu Handeln, Unrecht ist [sic!]«.


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»Bei Demos treten sie als Schwarzer Block auf, aus den Lautsprechern tönen Wir sind Helden oder Die Ärzte, auch Che Guevara-Fahnen und Palästinenser-Tücher sind keine Seltenheit.«

Szenen perfekte Voraussetzungen: Wo vor allem Provokation zählt, sind auch Hemmungen, NS-Symbolik und Parolen zu verwenden, leichter zu überwinden. Nazi-Sein ist eine der wenigen Möglichkeiten, noch zu provozieren: »We play NS-Hardcore!« Für viele unkritische Fans ist der eigentliche Zweck der Musik unklar oder auch zweitrangig. Das wird bewusst ausgenutzt. Der Sänger der Hatecore-Band Eternal Bleeding spricht das in einem Interview mit einem Szene-Fanzine offen aus: »Bei mir gibt es in der Musik sowieso keine Toleranzgrenze, von mir aus kann gehört und gemacht werden, was will! Musik ist Musik, nur der Inhalt und die Botschaft zählen, das ist meine Überzeugung!« Nationalsozialistischer Black Metal agiert mit ähnlichen Beschwichtigungen. Auch im Hardcore Techno gab es immer wieder Diskussionen über die Rolle von Neonazis in der Szene. Bis die ersten rassistischen Brostep-Mixe auftauchen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, mit der hoch-technischen Überwältigungsästhetik scheint der Stil das logische, nächste Ziel der Radikalen. Sie brauchen nur meistens ein bisschen länger als alle anderen, um das zu kapieren.

»I’m not anti-system, system is anti-me« Eternal Bleeding starteten vor zwei Jahren ein HipHop-Nebenprojekt: Sprachgesang zum Untergang (SZU). »National Sozialist HipHop« oder »patriotischer Rap« nennen sie ihre Tracks, auch hier wird die Musik als Vehikel für die Hetze missbraucht. Entsprechend schlecht hört sich das dann auch an. Es scheint vor allem darum zu gehen, die Modernisierung und Verbreiterung weiter voranzutreiben. Dem verhassten »Kanacken Rap« von Bushido und Konsorten möchte man eine Alternative entgegenstellen. Speziell was NS-HipHop angeht, ist das Netz von großer Bedeutung. Man setzt auf gratis Downloads. Die Möglichkeiten digitaler Verbreitung sprechen sich auch bei NS-Rappern herum. Momentaner Star der braunen HipHop-Fans ist die Berlinerin Dee Ex. In ihren Texten drückt sich ihre schwülstige Heimatliebe aus und sie gibt sich pseudokritisch und politisch inkorrekt, scheint nicht offensiv rechtsextrem. Auf Facebook gibt sie allerdings mit Slogans wie »Mit freien Völkern gegen Feindbilder, Kriege & Korruption!« eindeutige Zeichen an die Szene, die »dissidenten Linken« seien aber ebenso willkommen, schreibt sie auf ihrer Pinnwand. Occupy-Plakatsprüche à la »I’m not anti-system, system is anti-me« gibt’s obendrauf. Dee Ex geht weiter als andere, die tarnen und täuschen. Sie kokettiert, benutzt einschlägige Codes, ist »dagegen«, wo man schnell mal zustimmen kann, und »dafür«, wo auf den ersten Blick eigentlich auch nichts dagegen spricht. Es geht längst nicht mehr darum, sich klar von den politischen Gegnern abzuheben und traditionsbewusstes Image zu pflegen. Man weiß genau: Die Grenzen zwischen rechtsextrem, Verschwörungstheorie, Globalisierungs- und Kapitalismuskritik sind in Auflösung begriffen. Das Zeitgeist-Movement unterwanderte da wie dort die Occupy-Bewegungen. Es muss sich was ändern, da sind sich viele einig. Fragt sich nur, wer für den Kampf um die Köpfe, der sich abzeichnet, besser aufgestellt ist. 036

Neonazismus-Geschichtsstunde In Österreich tauchten die ersten Skins erst in den 80ern auf, der Kult kam schon als eine rein rechtsextreme Szene im deutschsprachigen Raum an. Hooligans wechselten rasch ihre Jeanskutten gegen den Bomberjackenstil mit Glatze. Musikalisch entwickelte sich aus dem in den 70ern entstandenen Oi! Punk eine dreckige, meist miserabel performte Mischung aus Punk und Metal mit rassistischen und nationalistischen Texten, Skrewdriver mit dem »Blood and Honour«-Gründer Ian Stuart Donaldson waren die ersten, die offen ihre nationalsozialistische Ideologie besungen. »Deutschrock« dominierte in den 90ern die Szene. Und während in Deutschland nach der Wiedervereinigung rechtsextreme Gewalt rasant zunahm, trainierten hierzulande die braunen Kader der Vapo bei Wehrsportübungen und »paintballerten« im Wald. Nachdem Polizei und Justiz dem Treiben ein Ende bereiteten und die Kameradschaften verboten, schien die Zeit reif für einen Taktik- und Imagewechsel. Zwei zentrale Entwicklungen erleichterten die Entwicklung dieser gegenwärtigen, tückischen Form von Rechtsextremismus ganz wesentlich: Einerseits stieg nach der massiven Gewalt gegen Ausländer und Asyl-Suchenden in den 90ern der öffentliche und mediale Druck auf Nazis, es kam zu einer Sensibilisierung gegenüber dem Problem Neonazismus und dessen klassischen Arbeitsweisen. Neonazis mussten reagieren. Andererseits eröffneten Globalisierung, aufkommender Antiamerikanismus und die politischen Entwicklungen nach dem 11. September auch für die Rechten neue Themenbereiche. Hinzu kommen jeweils länderspezifische Probleme wie Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Spannungen durch Migration. Die aktuelle Krisensituation macht die Entwicklung noch brisanter. Europaweit ist Rechtspopulismus erfolgreich und öffnet heute ganz besonders den Positionen der radikalen Rechten das Terrain, macht Ausländerfeindlichkeit und offenen Rassismus salonfähig, artikuliert Ängste vor »Überfremdung« und »Islamisierung«. Die Strategie geht in beide Richtungen: Die populistische Rechte kokettiert mit dem extremen Rand, und umgekehrt ist man bereit, sich in den demokratisch legitimierten Parteien und Bewegungen zu engagieren. Über 20 Prozent der gewaltbereiten Nazis sind inzwischen bei den Autonomen Nationalisten organisiert. Sogar in Österreich, dort, wo jeder Modernisierungstrend ein wenig hinten nach ist, dominieren Skins nur noch in Vorarlberg die rechte Szene.




Departure Get Together: Design — Kooperationen zwischen Design und Wirtschaft

Falsche Erwartungen, Missverständnisse und Skepsis: Designer und Unternehmen finden nicht immer leicht zueinander. Dabei sind sie oft gar nicht so weit voneinander entfernt.

Sprung ins kalte Wasser Ein positives Fallbeispiel: Adam Wehsely-Swiczinsky, Jahrgang 1971, betreibt ein kleines Produkt-Designbüro in Wien und ist seit vielen Jahren vor allem für die Skiindustrie und im Bereich Healthcare tätig. Auf die Frage, wie ihn sein seinerzeitiges Designstudium an der Universität für Angewandte Kunst auf den Beruf vorbereitet habe, folgt ein knappes: »Gar nicht. Null.« Warum er dennoch seinen beruflichen Weg gefunden hat? »Ich hab vor dem Studium eine Tischlerlehre gemacht und hatte danach eine eigene Werkstatt, habe immer wieder für Architekten geplant und Dinge umgesetzt.« Diese Erfahrung in einem »echten« beruflichen Umfeld war es dann auch, die ihn dazu brachte, sich nach dem Studium kurzerhand für die Designabteilung des Skibindungsherstellers Tyrolia zu bewerben, wo er einige Jahre arbeitete: »Das war der klassische Sprung ins kalte Wasser.« Danach machte er sich selbstständig, verbreiterte sein Angebot, über die Sportindustrie kam es zu Kontakten zu einem Produzenten von Healthcare-Artikeln und zu weiteren Aufträgen. Wehsely-Swiczinsky ist die Ausnahme, auch weil er schon früh einen klaren Fokus hatte: »Es hat mich immer sehr interessiert, Design nicht für eine Elite, sondern für die Allgemeinheit zu machen.« An der Angewandten war sein Professor übrigens paradoxerweise Paolo Piva, der klassisches Möbeldesign vertritt. »Aber damit ist man schnell im elitären Bereich«, so Wehsely-Swiczinsky. »Da geht es um Kleinserien und nicht um Massenprodukte.« Kein Zufall ist es, dass man die heimischen Studios, die sich vornehmlich auf Möbeldesign spezialisiert haben, an einer Hand abzählen kann. Doch selbst wer früh weiß, wohin er will, hat zunächst noch die Qual der Wahl bei der Ausbildung. »Wer Industriedesigner werden will, dem würde ich heute raten, nach Graz zu gehen«, so Wehsely-Swiczinsky. Doch auch an einer Kunstuniversität wie in Wien hat man die Möglichkeit, das Metier kennenzulernen. So war ja etwa Hartmut Esslinger bis vor Kurzem hier ein Professor, der die künstlerische Ausrichtung seiner Klasse umkrempelte und seine Studenten auf die globale Wirtschaft vorzubereiten versuchte. Nur kann sich durch einen Professorenwechsel klarerweise auch die Ausrichtung des Studiums wieder gehörig verändern.

Angewandte Aufträge Das Problembewusstsein dafür, dass Absolventen enorme Schwierigkeiten haben, an Aufträge zu kommen, ist an der Angewandten nicht neu. So gab es vor einigen Jahren das Projekt »Karriereleiter. (K) eine Anleitung zur Designarbeit!«, eine Filmdokumentation über Absolventen, herausgegeben von Thomas Geisler und Ingrid Mückstein. »Dass ein Fachstudium nicht unbedingt in eine fachspezifische Karriere münden muss, gilt für den Großteil aller Studienabgänger«, heißt es da. Ganz klar wird hier auch sichtbar, dass es um mehr geht als nur

künstlerische Skills: »Die vielbeschworene Kreativität mischt sich da mit anderen Kompetenzen und hält einen irgendwie finanziell über Wasser oder aber es gelingt tatsächlich der Sprung hin zum erfolgreichen Kleinunternehmer bzw. zur Ich-AG als quasi Personalunion aus Arbeitgeber und Arbeitnehmer.« Egal ob klassisches Industriedesign oder Grafikdesign, Kommunikations- oder Markendesign: Irgendwann ist jeder Designer mit der Tatsache konfrontiert, dass die Auftragslage in Österreich nicht rosig ist. Die meisten heimischen Unternehmen sind Klein- und Mittelbetriebe und beschäftigen hausintern keine Designerinnen und Designer. Wer einen der wenigen Jobs bei den großen Firmen ergattert, kann sich also ebenso glücklich schätzen wie jene, die bei großen Designbüros wie Kiska unterkommen. Der Gang in die Selbstständigkeit ist daher in den meisten Fällen vorgezeichnet, ob man will oder nicht. »Daher ist es wichtig, dass sich Designer auch mit unternehmerischer Führung beschäftigen und mit betriebswirtschaftlichem Wissen ausgestattet im Markt aktiv sind«, heißt es in der 2006 veröffentlichten Departure-Studie »Designleiter« zum Designbewusstsein österreichischer Firmen.

Und Produzenten? Womit wir beim zweiten Partner sind: den Unternehmern. Denn die »weltfremden« Designer tragen nicht die alleinige »Schuld« dafür, dass für Design in Österreich so wenig Platz ist. Die eben zitierte Studie belegte nämlich erstmals schwarz auf weiß, dass Design bei rund der Hälfte der Unternehmen keine oder bestenfalls die Rolle des oberflächlichen Stylings hat. Design als Begleiter in der Entwicklung oder gar »Design als Strategie«, bei der Entscheidungen in der Gestaltung gemeinsam mit dem Management erarbeitet werden, ist im internationalen Vergleich stark unterrepräsentiert. Wobei das ein entsprechend anderes Berufsbild erfordern würde. Neben dem traditionellen Handwerk müssten Designer sich dann auch auf die Suche nach neuen Trends machen, den Markt beobachten und daraus selbst Businessmodelle entwickeln, so die Studie von Departure. Immerhin meinten vor mittlerweile sechs Jahren mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmer, dass Design gut für das Portmonnaie ist. Offenbar vermittelt Design das Image von Erfolg und Innovation. Diese positive Einstellung ist eigentlich durchaus erstaunlich, denn selbst in einem Land wie Großbritannien, in dem das Thema groß geschrieben wird, bedarf es der unermüdlichen Tätigkeit des British Design Councils, um die Kreativdisziplin im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Apropos Öffentlichkeit: Auch die Journalisten kriegen ihr Fett ab. »Es ist ein massiver Fehler, Design als Tätigkeit von Egomanen zu kommunizieren. Designer werden in den Medien meist als coole Typen dargestellt, es dominieren Personality-Storys. Daher haben viele Unternehmen Angst, sich so ein Ego reinzusetzen«, ist Adam Wehsely-Swiczinsky überzeugt. »Wenn ein Designer Grundrespekt gegenüber der Firma erkennen lässt, ist das schon mal der erste Schritt. Schließlich sollte es darum gehen, wie man die Sachen besser machen kann und nicht, wie man sich als Ego positionieren kann.« Von welcher Seite man das Problem auch betrachtet, sicher scheint nur eins: Die Vorurteile verstellen oft den Blick auf die Realität. Diese abzubauen ist der erste Schritt zu verbesserten Kooperationen. The Gap veranstaltet am 28. Juni im Wiener Project Space ein erstes Get Together im Rahmen des Calls für Einreichungen von Kreativ-Projekten »departure focus: Kooperation«. 039

Text Peter Stuiber Bild aws designteam

Die meisten Studierenden wissen am Anfang ihres Studiums gar nicht so genau, was sie an der Uni erwartet und welche Jobs sich danach auftun. So geht es auch den Design-Akademikern. Das wäre an sich nicht so schlimm, würde sich die Lage im Laufe der Jahre aufklären und berufliche Perspektiven am Horizont auftauchen. Das tun sie in der Regel jedoch nicht oder kaum, vor allem bei jenen, die eine künstlerisch dominierte Ausbildung genossen haben. Böse Zungen behaupten außerdem: Industriedesign in Österreich – das sei ein Widerspruch in sich, weil es hierzulande so gut wie keine Industrie gebe …


Design für morgen? Drei Arbeiten von Esslinger-Studenten: Robo Hero Bugs, 2011 – Konzept für ein Spiel mit selbstlernenden Roboterkäfern von Benjamin Cselley.

Design für den Wandel — Produkt-Lebenszyklus-Management im MAK

Das nächste, bessere Ding 040 Text peter stuiber Bild Benjamin Cselley, Lukas Dönz, Jupin Ghanbari

Das MAK steckt mit einer großen Ausstellung über »Design für den Wandel« sein Terrain ab.   Ein wichtiges Projekt, nicht nur für den neuen Direktor.

Lange wurde darüber spekuliert, was Christoph Thun-Hohenstein anders machen würde als sein Vorgänger, Langzeit-Chef Peter Noever: Mehr Design? Angewandte Kunst? Zeitgenössische Kunst wie bisher? Die Ankündigungen des neuen MAK-Direktors schienen darauf eine eher zweideutige Antwort zu geben. Der Plan ist offenbar, ein möglichst breites Spektrum anzubieten, mit deutlich mehr Design als bisher, aber auch mit Konzentration auf die Sammlungsstärken des Hauses und die Wiener Moderne. Im Bereich Design gab es zwischenzeitlich zwei kleinere Projekte: die Ausstellung »Adventures in Foam« des Südtirolers Patrick Rampelotto, die – abgesehen von den sehenswerten Objekten – allein schon deshalb bemerkenswert war, weil sie nicht im abstellraumähnlichen »Design Space« stattfand, sondern auf mehr Raum im Untergeschoss des Hauses. Zum anderen gibt es seit Kurzem eine Intervention des Designers Michael Anastassiades im Geymüllerschlössel, einer Biedermeier-Außenstelle des MAK, der man offenbar (wieder) Leben einhauchen will. Und nun also ab 6. Juni die erste große Design-Ausstellung im Haupthaus am Stubenring, eine Art Feuerprobe für den neuen Direktor. »Made 4 You. Design für den Wandel« lautet der Titel. Das Thema sollte allein schon durch die mediale Dauerpräsenz in den vergangenen Jahren für Interesse sorgen. Stichworte dazu: Social Design, Green Design, Nachhaltigkeit. Nichts genuin Neues also, aber

zumindest eine kleine hausinterne Revolution: Angewandte Kunst oder experimentelle Design-Art sind hier nicht zu sehen, sondern eher Techno-Utopien, Tools zur Weltverbesserung, Design-Beispiele von global agierenden Konzernen.

Problemlöser Als Gastkurator der Ausstellung fungiert Hartmut Esslinger. Der mittlerweile 68-jährige Deutsche ist einer der bekanntesten Industriedesigner unserer Zeit, gründete vor mehr als 30 Jahren die Firma Frog Design, arbeitete für Global Player wie Sony, Microsoft, Apple und Siemens. In Wien ist er kein Unbekannter: Esslinger unterrichtete von 2006 bis 2011 an der Universität für Angewandte Kunst, was einen – vorübergehenden – Kulturwechsel zur Folge hatte. Denn er versteht sich selbst als Problemlöser in einem globalen, wirtschaftlichen Rahmen und geht mit der Vorstellung von Design als künstlerischer, »individualistischer« Disziplin hart ins Gericht. Die Abschlussarbeiten seiner Studenten waren denn auch für Wien ungewöhnlich: Keine experimentellen Möbel, sondern solarbetriebene Fiaker und andere technoide Erfindungen, die unsere Welt angeblich positiv verändern sollen. Esslinger sieht den Designer im Schnittpunkt von verschiedensten Disziplinen – und damit an zentraler Stelle. Eine Sicht, die übrigens schon der austro-amerikanische Vordenker Victor Papanek vor 40 Jah-


E1 – eone, 2011 – Konzept für ein elektrisches Motorrad von Lukas Dönz.

ren propagierte. Dementsprechend einflussreich sind die Gestalter: »Designer und ihre Geschäftspartner haben die schier einzigartige Möglichkeit, eine Umgebung zu schaffen, die nicht nur lebenswert und nachhaltig ist, sondern auch Spaß macht und kulturell bereichert«, ist Esslinger überzeugt. »Meiner Ansicht nach ist Design die moderne, mit der Symbolik von Menschheitsgeschichte und Metaphysik aufgeladene Variante ›technischer‹ Funktionalität. Wenn Designer ein neues und besseres Objekt, einen Apparat, eine Softwareanwendung oder ein anregendes, auf den Menschen gerichtetes Erlebnis entwerfen, wird daraus durch sinnvolle Innovation, hohe Qualität und ethisches Verhalten ein Markenzeichen.« Und weiters: »Unterstützt von ihren Geschäftspartnern haben Designer die Möglichkeit, schon in der Frühphase strategischen Einfluss auf das System des PLM, des Produkt-Lebenszyklus-Managements, zu nehmen.«

Next Best Thing Gezeigt werden im MAK rund 80 internationale Beispiele von Projekten und Produkten, die den Qualitätskriterien von »gutem« oder »richtigem« Design nach Esslingers Dafürhalten entsprechen. Aufgeteilt sind sie in sechs Themenbereiche: Mobilität, digitale Konvergenz, Leben & Freizeit, Leben & Arbeit, Gesundheit und Überleben. Diesem universalistischem Ansatz entsprechend sind die Beispiele unterschiedlichster Natur: »Showcars« von Mercedes oder Audi, Handprothesen für Kinder, digitale Lesegeräte, Hochgeschwindigkeitszüge, eine semiakustische Violine, Babyschnuller etc. »Bei Design, das auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, geht es im Kern nicht um das nächste neue Ding, sondern um das nächste bessere Ding«, schreibt Esslinger im Katalog über sein Verständnis von »strategischem Design«. (Da fragt man sich vielleicht auch, ob es denn überhaupt immer eines nächsten »Dings« bedarf, aber das ist eine andere Geschichte.) Gespannt darf man darauf sein, wie das Publikum der Auswahl von Esslinger begegnen werden. Schließlich geht die Meinung darüber, was »innovativ« oder »nachhaltig« oder gar »sozial« ist, weit auseinander – bei Experten ebenso wie bei Laien. Von der schönen Kategorie der Relevanz von Neuem ganz zu schweigen. Angesichts des eher spröden Materials kommt der Ausstellungsgestaltung eine zentrale Rolle zu. Sie wurde

Leonardo, 2011 – Konzept für ein solarbetriebenes Flugzeug von Jupin Ghanbari.

dem jungen österreichischen Duo Vandasye (Georg Schnitzer, Peter Umgeher) übertragen, die den Content in die Umgebung eines fiktiven Unternehmens der Zukunft einbettet: In der »Lobby« werden Beispiele aus Esslingers eigener Firma präsentiert, in der »Fabrik« am Markt befindliche oder marktreife Produkte und Anwendungen von Global Playern, und im »Labor« kriegen die Studierenden von Esslinger ihren eigenen Auftritt.

Internationale Reife Produktzyklen, Global Player, Marktreife: Das MAK als Ausstellungsort zum Thema globale Wirtschaft? So überraschend das für manche klingt, so logisch scheint dieser Schritt doch zu sein, schließlich wurde das Museum vor beinahe 150 Jahren mit der Intention gegründet, die Zusammenarbeit von künstlerischer Gestaltung und industrieller Produktion voranzutreiben. Wer diesen Auftrag zeitgenössisch interpretiert, landet genau dort, wo »Made 4 You« ansetzt. Interessanterweise spricht ja sogar Esslinger, der Kritiker des »alten Designs«, von »Gebrauchskunst« im Zusammenhang mit Design. Doch wozu eigentlich? Wenn der Designer einer Prothese oder eines Schlafphasenweckers »Gebrauchskünstler« ist, dürfen sich auch andere eine solche Bezeichnung umhängen: Lehrerinnen, Floristen, Journalistinnen oder Fußballtrainer zum Beispiel. Also bitte den Kunstbegriff lieber für Schriftsteller, Videokünstlerinnen oder Opernsänger reservieren, dann tun wir uns alle leichter. Doch zurück zum MAK. Mit der Ausstellung leistet man Pionierarbeit in einem Land, das mit Design noch immer relativ wenig anzufangen weiß. Es wird spannend, wie das Publikum damit umgeht. Denn es ist kein Geheimnis, dass Industriedesign manchmal soviel Sex hat wie der Beipackzettel eines Medikaments. Und es ist kein Zufall, dass in kleineren Ausstellungen zu dem Thema mitunter mehr Aufseher zu sehen sind als Besucher. Wenn sich das MAK nun ins Zeug legt, könnte das jedoch einen Aufbruch bedeuten. Dann wäre der Subtitel der Ausstellung – »Design für den Wandel« – auch auf das Haus selbst anzuwenden. »Made 4 You – Design für den Wandel« ist von 6. Juni – 7. Oktober im MAK Wien zu sehen. www.mak.at 041


nikolaus kraft

rechtsanwalt

Wie sieht das »Next Generation Copyright« aus? Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie das Urheberrecht an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters angepasst werden soll. Von einer Lösung ist man heute entfernter denn je. Die Fronten haben sich verhärtet. Auf der einen Seite machen immer mehr Künstler mobil, die darauf aufmerksam machen, dass ihre althergebrachten Einnahmequellen im Internet zu versiegen drohen. Sven Regener, Sänger von Element Of Crime, polterte kürzlich in einer Spontantirade im deutschen Radio, die sogenannte Gratiskultur sei nichts anderes, »als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: ›Euer Kram ist nichts wert. Wir wollen das umsonst haben.‹ Eine Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.« Auf der anderen Seite stehen Menschen, die die Informationsfreiheit im Netz bedroht sehen. Und zwar von staatlicher Seite, wo laufend neue Ideen entwickelt werden, wie illegalem Filesharing beizukommen sei: Vom Sperren des Internetzugangs für Wiederholungstäter wie etwa in Frankreich bis zur Verwendung gespeicherter Vorratsdaten zur Ausforschung von Urheberrechtsverletzern. Da werden schwere Geschütze zum Schutz der Künstler aufgefahren, die gewaltige Kollateralschäden verursachen. Interessanterweise kocht die Diskussion medial zu einem Zeitpunkt hoch, in dem die Piratenpartei starken Zulauf hat und das vermeintliche Böse ein Gesicht bekommt. Dabei vertreten jene, die die Piraterie im Namen tragen, eine differenzierte Sichtweise. Sie sprechen sich zwar für eine Entkriminalisierung des privaten, nichtkommerziellen Filesharing aus, haben aber durchaus Vorschläge, wie die Rechte der Urheber gestärkt werden sollen. Weil die Arbeit der Künstler und auch die Informationsfreiheit etwas wert sind. The Gap wird das Thema auf www.thegap.at weiter verfolgen.

dokumentation werner reiter bild Verlag Manz, Wien, Magdaléna Tschmuck, Aleksandra Pawloff, Grüne Burgenland

der wortwechsel. vier personen zur frage:

»Für die Freiheit der Schöpfer« — Das Urheberrecht befreite einst den Kreativen vom Diktat des Mäzenatentums. Die Freiheit des Schöpfers ist unverändert aktuell: Wer sein Leben auf Dauer dem Schaffen kreativer Inhalte verschreibt, soll Herr seiner Schöpfung und kein rechteloser Bittsteller sein. Das digitale Zeitalter lebt mehr denn je von kreativen Inhalten. Das Märchen von der »digitalen Brotvermehrung« zieht aber nicht: In der digitalen Welt zählt jeder Klick. Wer urheberrechtlich geschützte Werke – also etwas anderes als Wissen, Information und Fakten – ohne Erlaubnis des Schöpfers nutzt und damit anonym, in großem Stil und ohne einen Cent zu bezahlen Klicks und Traffic gewinnt, beutet den Kreativen aus. Und lacht sich häufig in der Luxusvilla ins Fäustchen. Es wäre viel gewonnen, wenn sich alle Lager zu Folgendem bekennen: 1. Der Kreative soll selbst über Schicksal und Verwertung seiner Werke entscheiden. Ob ein Anpassungsbedarf des Urheberrechts besteht, ist zu diskutieren (Stichworte: Fair Use, Urhebervertragsrecht). Der Kreative muss gestärkt, nicht geschwächt werden. 2. Der Kreative soll seine Rechte in der Praxis auch wirklich durchsetzen können. Dass ihm zu diesem Zweck möglich und erlaubt sein muss, den zunächst anonymen Rechtsverletzer auch wirklich zu ermitteln, liegt auf der Hand.  Nikolaus Kraft, 38, ist Rechtsanwalt, Vertreter der österreichischen Anti Piraterie Organisation (VAP) und Mitbegründer der Internationalen Gesellschaft für Musikwirtschaftsforschung.


Peter Tschmuck

Lena Doppel

Michel reimon

Musikwirtschaftsforscher

Digital Strategist

Politiker und Autor

»Balance zwischen Interessen herstellen« — Die digitale Revolution hat die Musikschaffenden als Träger von Urheber- und Leistungsschutzrechten ins Zentrum eines neuen Wertschöpfungsnetzwerks gerückt. Grundsätzlich können heute alle Künstler bzw. ihr Management versuchen, die Rechte selbst zu verwerten. Dazu bedarf es einer juristischen und wirtschaftlichen Grundkompetenz sowie spezieller Schutzmechanismen im Vertrags- und Urheberrecht. Kurz gefasst, es braucht in Österreich ein Urhebervertragsrecht, in dem die Exklusivität von Vereinbarungen auf Ausnahmefälle beschränkt wird und keine langfristigen oder gar unbefristeten Lizenzen erteilt werden können. Auf dieser Basis könnte dann ein modulares Urheberrecht aufbauen, das es den Urhebern im Sinn der schon existierenden Creative Commons-Lizenzen überlässt, zu entscheiden, in welchem Umfang und mit welchen Befugnissen sie Nutzungsbewilligungen erteilen wollen. Es bedarf zudem der radikalen Verkürzung von Schutzfristen und der Einführung von Fair-Use-Bestimmungen, wie sie z.B. im US-amerikanischen Copyright existieren, um vor allem das derivative Werkschaffen zu unterstützen. Und schließlich braucht es neue Vergütungsmodelle, wie z.B. eine Musik-Flatrate, die neue Einkommensmöglichkeiten für die Musikschaffenden bietet, aber auch private Musiknutzer entkriminalisiert, wenn sie untereinander digitale Musikfiles austauschen. Ein Urheberrecht im digitalen Zeitalter muss also die Balance zwischen den legitimen Interessen der Urheber, Rechteverwerter und privaten Nutzer, die immer öfter auch selbst kreativ Schaffende (Stichwort: Prosumer) sind, herstellen. 

»Weniger Kohle in ACTAs, SOPAs, PIPAs und Kunst-hat-Recht-PR« — Ich gebe viel Geld für urheberrechtlich geschützte Inhalte aus, monatlich sicher bis zu 200 Euro. Dieses Geld erreicht so gut wie keinen deutschsprachigen Urheber. Warum? Ich konsumiere diese Inhalte ausschließlich digital. In den Jahren der wachsenden Digitalisierung hat man mir konsequent »abgewöhnt«, deutschsprachige Inhalte zu konsumieren. Ich besitze schon 4K Bücher, 1K CDs und 0,5K DVDs und ich weiß nicht mehr, wo ich das Zeug hinstellen soll. Und digitales Deutschsprachiges war einfach nicht verfügbar. Ich bin keine geübte Downloaderin. Ich bin so »sozialisiert«, dass ich mir lieber Bezahl-Content reinziehe. Weil ich gut bin? Nein. Nur bequem und nicht arm. Langsam gibt es jetzt die ersten deutschsprachigen Angebote. Trotzdem fällt mir auf: Ich verweigere noch immer. Deutschsprachige Kindle-Bücher des Suhrkamp-Verlags kosten z.B. 1 Cent (!) weniger als ihre Papierausgabe. Nicht mit mir. Deutsche Verwerter haben für mich einfach zu lange gewartet, oder eigentlich andersrum: Ich habe auf sie viel zu lange warten müssen. Und zu allem Überfluss darf ich mich seit Kurzem auch noch als Teil der »GratiskulturNetzcommunity« beschimpfen lassen. Also schreib ich den Urhebern, den Verwertern und ihren Industrien ins Stammbuch: Bitte weniger Kohle in ACTAs, SOPAs, PIPAs und Kunst-hat-Recht-PR buttern und mehr in die Entwicklung legaler digitaler Angebote. Dann klappt’s vielleicht auch wieder mit den Konsumenten. 

»Endlich fliegen die Fetzen« — Viel zu lange hat es nur eine Minderheit interessiert, jetzt reden endlich Massenmedien und Medienmassen darüber. Endlich fliegen die Fetzen. Der Konflikt entzündet sich an der Widersprüchlichkeit zweier Ziele: Maximaler kreativer Output und maximale Verbreitung von Kultur und Wissen. Leider widersprechen sich diese beiden Ziele in einer Welt, in der die Kreativen auch Geld verdienen müssen. Jeder Vorteil auf einer Seite zieht einen Nachteil auf der anderen mit sich, es gibt keine perfekte Lösung. Und es gibt bedeutende Nebenwirkungen: Digitale Kontrollmechanismen eignen sich hervorragend zur Überwachung auch in anderen Bereichen. Da geht es plötzlich nicht »nur« um Kultur und Wissen, sondern auch um demokratische Grundrechte. Dazu kommt noch eine politisch einflussreiche Industrie, die um ihr Überleben kämpft – weil sie ein Produkt anbietet, das vielleicht nur wenige Jahrzehnte der Menschheitsgeschichte »industriefähig« war. Wie die perfekte Lösung aussieht? 1. in der Mitte zwischen den Extremen und daher 2. für niemanden perfekt und 3. ist sie nie von Dauer. Die Organisation der Informationsgesellschaft ist ein Problem, das nie mehr »gelöst« werden wird. Wir brauchen einen langen Atem. Willkommen in der Zukunft. 

» Jeder Vorteil auf einer Seite zieht einen Nachteil auf der anderen mit sich, es gibt keine perfekte Lösung.« (Michel Reimon)

Michel Reimon, 40, Journalist, Autor und grüner Abgeordneter im Burgenland. Hat den Roman »#incommunicado« über den Kampf ums Urheberrecht geschrieben: reimon.net/incommunicado

Lena Doppel, 44, beschäftigt sich intensiv mit der digitalen Welt und entwickelt digitale Strategien für Kunden.

Peter Tschmuck, 41, ist Professor an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Musikwirtschaftsforschung.

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HEISSE LUFT IN FELDKIRCH Das Poolbar-Festival in Feldkirch (6. Juli – 19. August) widmet sich »Kulturellem von Nischen bis Pop« – in diesen Rahmen passen Marilyn Manson und Regina Spektor ebenso wie ein Kunstwettbewerb und außergewöhnliche Grafik. Mit der diesjährigen Kampagne wird »Heiße Luft« thematisiert. Ziel ist es nicht nur, das Festival zu bewerben, sondern auch die Stadt Feldkirch als Eigentümerin des Hallenbads dafür zu sensibilisieren, dass dringend eine verbesserte Lüftung benötigt wird. Die Petition dazu findet sich auf www.poolbar.at. Geld, das über diverse Aktionen aufgetrieben wird, wandert in einen Topf, der der Stadt zur Verfügung gestellt wird, sobald die Bauarbeiten beginnen. Oh – und es gab einen Poolbar Style Contest. Designs für T-Shirts, Taschen, Kleider, Hoodies waren gesucht – und wurden gefunden. ××


Models: Julia, Marie-Theres, Angie — Shirts: Unterliieble Heisse Luft — Design: Zeughaus, Feldkirch

Models: Julia, Marie-Theres, Angie — Shirts: Unterliieble Heisse Luft — Design: Zeughaus, Feldkirch

Model: Isa — Dress: My Ghost — Design: niishe.com, Wien 045

bild matthias rhomberg (rhomberg.cc) —Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Feldkirch

Model: Julia — Hoody: Bloomy Sunday — Design: niishe.com, Wien


Model: Isa — Dress: Leidenschaftlich — Design: Saskia Lugmayr, Hamburg


Model: Schöner Unbekannter — Shirt: Travel Towards The Eastern Sun — Design: niishe.com, Wien

Tasche: weekendbag — poolbarbag 2012 — Design: Patricia Hatumesen, superearthstore.com, Bali

Model: Angie — Shirt: Unterliieble Heisse Luft — Design: Zeughaus, Feldkirch

Model: Alex — Shirt: Heisse Luft — Design: Zeughaus, Feldkirch 047


bild jasmin baumgartner dokumentation jana lapper


Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Antje Hochholdinger, 39, Schauspielerin, Regisseurin

Die Theaterbesuche gemeinsam mit ihrer Familie waren wohl der Zündstoff ihrer Leidenschaft für die Schauspielerei. So kam der Wunsch, selbst auf der Bühne zu stehen: Antje Hochholdinger besuchte eine Schauspielschule in Wien, nahm aber noch zusätzlich Unterricht in Sprechtechnik, Stimmbildung und szenischer Arbeit. Heute steht sie nicht nur auf der Theaterbühne, sondern auch vor der Kamera – wie in ihrem letzten Kurzfilm »Eine Gute Nacht Geschichte« (Das Foto wurde am Set aufgenommen). Das Interesse an der Regiearbeit entwickelte sich dann erst nach vielen Jahren Bühnenerfahrung – aus der Lust, selbst über die Interpretation und Ästhetik des Stückes zu entscheiden. Die tägliche Arbeit einer Schauspielerin und Regisseurin besteht dann vor allem aus viel Text – lernen und erarbeiten – sowie der Arbeit an neuen Inszenierungen und der allgemeinen Fitness. Kein Zuckerschlecken, aber Antje Hochholdinger liebt ihren Beruf, vor allem, weil er es ihr ermöglicht, sich in einen anderen Charakter hineinzufühlen. Möglicherweise lernt man sich so ja auch selbst besser kennen.



Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Christoph Ivenz, 39, Angestellter im Foltermuseum Wien

Daumenschrauben, Guillotinen und skurrile Puppen sind das Arbeitsumfeld von Christoph Ivenz. Jeden Tag steigt er die Stufen hinab ins Halbdunkel eines Schutzbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg, in ein Gruselkabinett aus Folter und menschlicher Grausamkeit. Sein Arbeitsplatz ist das Foltermuseum in Wien. Studiert hat Christoph Ivenz Geschichte und Philosophie, seine besondere Faszination galt aber schon als Jugendlicher dem Thema Folter. Folter ist bis heute ein Tabu, weshalb dem 39-Jährigen neben den geschichtlichen Aspekten vor allem die Aufklärung der Museumsbesucher wichtig ist. Sein tägliches Schalten und Walten besteht dann nicht nur aus dem Herumstreifen zwischen den Foltergeräten und gequälten Puppen bei Führungen, sondern auch Kartenverkauf und Büroarbeit gehören zu seinem Tagesgeschäft. Die Reaktion anderer Leute auf seine Tätigkeit im Foltermuseum ist sehr unterschiedlich, aber eigentlich nie neutral: Die einen wundern sich, wie man sich täglich mit Grausamkeit und Dunkelheit umgeben kann, doch die meisten sind neugierig und wollen selbst vorbeischauen.


Gründerserie Lookk No 23 von Andreas Klinger.

Fail, Win, Pivots   Andreas Klinger über Fehler, emotionale Löcher, Learnings und permanente Änderungen in Start-ups.

S

tart-ups agieren in dunklen Umgebungen permanenter Unsicherheit. Als wäre man in einer fremden Stadt ohne Navigationssystem. Der Plan A brachte einen nicht ans Ziel, verdammt, er war sogar in der falschen Sprache für das falsche Land. Die Einheimischen – größtenteils wahnsinnige Menschenfresser. Andere ortskundige Unternehmer geben bestenfalls verwirrende Aussagen von sich, die man erst Jahre später versteht.

Plan A: failure Auf Plan A folgt Plan A1, A2 usw. – irgendwann schmeißt man alles über den Haufen und landet bei B, ich meinte C … OK zurück zum Whiteboard. »Jungs, Plan D wird der heiße Scheiß … Scheiß … Scheiße … E wird’s … war eh klar!« Routenänderungen sind verdammt hart. Und je später man sie macht, desto schmerzhafter werden sie. Hat man einmal Strukturen aufgebaut, in Prozesse investiert, Leute eingestellt und an ca. 200 Leute Versprechungen gemacht, ist es nicht mehr Rock’n’Roll oder cool, alles zu ändern. Man bricht Versprechen dafür, um von einem Unbekannten ins nächste Unbekannte zu hüpfen. Theoretiker sprechen von »pivots« – Wendepunkte in der Strategie. Man überdenkt das Produkt, den Markt oder die Kanäle. Man hat vielleicht noch dieselbe Vision oder dasselbe Ziel, aber irgendwie ist alles anders.

Wende Es ist verdammt leicht, Pivots aufgrund der falschen Dinge zu machen. Sozusagen das Falsche als Angelpunkt für die Wende zu nehmen. Und so mancher Pivot landet

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in einem neuen Produkt, das nicht mehr viel mit dem alten zu tun hat. Aus Garmz wurde LOOKK. Aus Relaunch wird Neustart, aus Umstrukturierung wird Radikalschlag. Radikalschläge haben Konsequenzen, die man erst wirklich komplett sieht, wenn alles geschlagen wurde.

Energie Wenn etwas nicht funktioniert, muss man agieren. Aber mit der Aktion kommt Extralast. Der Mensch hat beschränkt Energie, Mitarbeiter beschränkt Nerven und Investoren beschränkt Geduld. Man verändert radikal, weil etwas nicht funktioniert. Dass es aber nicht funktioniert, hinterlässt Spuren, Selbstzweifel und Frustration. Eines von zehn Start-ups wird erfolgreich. Und tagtäglich arbeitet man scheinbar immer in einem dieser neun anderen, während ständig neue Nummer1-Start-ups auftauchen. 100 Billion Dollars? Not for you – but maybe tomorrow – or maybe not.

Durchhalten Seedcamp hat einen Coffee Mug im Office, dessen Aufschrift es gut zusammenfasst. »Shut up and fucking deal with

it.« Aber es geht dabei nicht um Durchhalten, es geht darum, Lösungen finden. Oft ist es besser, einfach loszulassen. Oft besser, neue Motivation zu schöpfen, sich hochrappeln und Löcher hinter sich zurückzulassen. Unternehmensgründer vergessen oft, dass sie noch in der besten Situation sind. Mitarbeiter haben genau dieselben Probleme, aber weniger Handlungsmöglichkeiten. Hier Mitarbeiter zu sein, ist doppelt schlimm. Erst agiert man unter schlechtem Management, das zu den Fehlern führte, dann agiert man unter Änderungen im Management, das zu neuen Fehlern führt. Failure kommt für niemanden ohne Selbstzweifel, aber dafür auch nie ohne Learnings. Die besten Leute die ich kenne, gewannen ihre Erfahrungen, wenn die Dinge bergab gingen. Alles richtig machen und Erfolg haben kann jeder. Die Kunst ist es, nicht Erfolg zu haben und dennoch alles richtig zu machen.

Andreas Klinger @andreasklinger


Foto: Š Michel Pilon

sommerszene.net

5.— 15. juli tanz|performance|film


Lyrik von Katja Perat

Die

Wirklichkeit bewachen

das slowenische kulturinformationszentrum skica liess werkpassagen von vier preisgekrönten, slowenischen jungautoren (katja perat, nataša kramberger, nejc gazvoda und goran vojnovi´c) ins deutsche transferieren. die resultate sind auf der website skica.at zu lesen. die lyrik von katja perat gibt es auch hier.

n at i o n al g e o g r a p h i c

MUT

Der Blick auf die Savanne, mit der das Wetter kein Erbarmen hatte, vermittelt den Eindruck, dass Überleben nicht viel verlangt. Spleen, Beklommenheit, die sich der Verantwortung für ihre Beklommenheit entsagt hat, vermittelt so einen Eindruck nicht.

Etwas, obwohl nie genug, Ist, aufmerksam zu sein; Nicht gegenüber schlecht deklarierten Dingen Wie die Geschichte im Allgemeinen, Die Einbildung, die aus Trost immer zur Last wird, Oder der Stadtbus, der in der Metapher vorkommt, Gegenüber allem anderen.

Zufällig treffe ich auf mich im Widerschein im Fernsehen Ich denke mir: Ich bin das Leben, das den ganzen langen Weg der Evolution bestreiten musste, um sich selbst ins Gesicht schauen zu können. Sich mit sich unterhalten. Ich bin nur Stille. Die Aufgabe, für die mich das Leben ausgerüstet hat, erfülle ich nicht. Die Savanne, obwohl ich sie verzerrt sehe, vermittelt den Eindruck der ausgedehnten Abwesenheit von Zögern. Sie ist reine Selbstverständlichkeit. Und ich reine Stille. Schwerfälliges Unbehagen menschlichen Privilegiertseins. Reine Stille, die nicht die Angst vor dem Tod ist, sondern die Angst vor diesem Anderen. Ich bin unglücklich, wenn ich mich an deine Schulter lehne, jedoch weiß ich, dass ich an den Tagen unglücklicher sein werde, die kommen, wenn ich mich nicht mehr an deine Schulter lehnen werde. Ich weiß nicht, weshalb die Entfremdung unaufhörlich bedroht, vielleicht wegen des Kapitalismus. Doch zugleich ist es gut möglich, dass der Kapitalismus mit allem nichts zu tun hat. Was zählt, sind Musik, Sex und die verständliche Selbstverständlichkeit der Zebras, die die Savanne queren. Alles andere ist ein einziges Chaos menschlicher Bemühungen und edler Vorsätze, mit denen der Weg in die Hölle gepflastert ist.

Etwas ist auch verstehen, Dass es nicht wahr ist, Dass die römisch-katholische Kirche das Monopol auf die Gnade hat Und die Schönheit das Monopol auf Liebe, Dass es Kapitulation ist, Über Dinge zu verfügen, die erreichbar sind Und dass sich der Wunsch erst in der letzten Etappe des langen Entfernens verdichtet. Und vieles Ist eine ganz bestimmte Wirklichkeit; Der Überfluss an blauem Licht, Das sich morgens gleichmäßig auf die Gegenstände und Menschen legt, Die in den Wohnungen verstreut sind Dinge, die aufgezählt, beschrieben und benannt werden möchten, Aber nicht gestatten, dass Oberflächlichkeit sie verschmiert. Alles andere ist Kampf mit der Angst. In Partisanennovellen, Nachts, wenn die Ganzheit bröckelt, In Öffentlichkeitserklärungen, Vor dem Spiegel, Vor dem Tod, in der Liebe und Erkenntnistheorie. Auf dem äußersten Rand der Müdigkeit, Wo Bestimmungen und Vorstellungen abfallen Und die Mehrwertsteuer entrichtet wird, In den Abständen zwischen seltenen Dingen – Gut durchdachten außenpolitischen Zügen, Großen Lieben und klaren Vorstellungen von der Zukunft, Wo die Tatsachen dem Erwartungsdruck nicht standhalten, Wo sich in verdichteter Zufälligkeit die Wirklichkeit unbeaufsichtigt anhäuft, In gescheiterten Versuchen, wie sich durch die Nacht schlagen, Kämpfen mit der Angst, Jedes Mal aufs Neue etwas richtig zu machen.


Ad Personam: Katja Perat

Klar und deutlich, mit Mut zum starken Bild, präsentiert sich die Prosa von Katja Perat. Geboren 1988 in Ljubljana, zählt sie zu den talentiertesten slowenischen Lyrikerinnen der Gegenwart. 2011 erhielt sie für ihren Gedichtband »Najboljši so padli« (Die Besten sind gefallen) bei der Buchmesse Ljubljana den Preis für das beste Debüt zugesprochen. Kritiker schrieben gar vom »Erstlingswerk des Jahrzehnts«. Nominiert war sie damit auch für den Veronika-Preis, die größte und bestdotierteste Lyrikauszeichnung Sloweniens. Perat studiert vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie, schreibt für die 14-tägig erscheinende Kulturzeitung Pogledi und ist Vorstandsmitglied bei der Literaturzeitschrift Manfred Gram Idiot. Im Vorjahr war die Autorin zudem Artist in Residence in Krems.

ENGE L S

z ä r t l i c hk e i t

Ich kann mit Sicherheit sagen, Dass der einzige Mann, der mich lieben könnte, ohne sich dazu zwingen zu müssen, Friedrich Engels ist.

Beruhigung Mit der vor Ungewissheit schwankenden Welt Nähert sich immer in derselben Gestalt:

Unter den Mitgliedern des zweiten Blocks herrscht eine stille Übereinkunft, Sich in allen Augenblicken des Tages Ohne Verpflichtung Und ohne Fotografen, der den Augenblick in die Ewigkeit stopfen würde, Gegenseitig den Kopf in den Schoß zu legen Und Wärme zu verlangen.

Dass jemand aufpasst – Nicht unbedingt auf mich, Bestimmt aber auf etwas Was alle empfindlichen Dinge miteinander teilen; (Einige Eingeständnisse, Regungen auf einigen Gesichtern, Dämmerung, die über den Berg hinwegzieht) Schönes, Das man unmöglich zu einer Ermahnung degradieren kann –

Ich gehe auf die Toilette, Um meine Frisur und das verwischte Mascara zu richten. Ich stoße mit einer Schar Flüchtiger aus Geschichtsbüchern zusammen. In einer langen Reihe gehen sie durch den schmalen Gang. Sie drängen sich aneinander vorbei, Als würde am Ende die Offenbarung auf sie warten oder zumindest Heidelbeerkuchen. Es ist mir unangenehm, Als mich Robespierre am Kragen packt und mich an der Wand hochhebt, Sodass ich mit den Füßen zehn Zentimeter über dem Boden baumle. Ein wütender Junge. So viel Blut für die Redefreiheit, und jetzt sind wir alle still. Niemand fühlt sich berufen. In den Ecken drücken wir uns an die anderen Versager. Niemand würde seinen Plan für ein besseres Morgen vorschlagen. Kein Übermensch ist zu sehen, Der unversehens auftauchen und die Angelegenheit lösen würde.

Dass jemand mit seiner Zärtlichkeit Die Wirklichkeit bewacht.

Es tut mir leid um Robespierre. Sein Aufsatz gegen die Todesstrafe war gut. Mit dem Rand der Handfläche fahre ich an seinem Gesicht entlang. Er ist nicht schön und hat sich oft geirrt. Jedoch bin ich voller Mitgefühl, wie er so aufgeregt vor mir steht. Vor dem Gesetz sind wir gleich, Aber man wird ihm erklären müssen, Dass die Gleichheit, wie alles auf der Welt, Irgendwo ihre Grenze hat, die fein ist und kaum sichtbar. Er kann mich nicht mitnehmen. Ich kehre zurück zu Friedrich – An ihm ist nichts Großes. Ich suche Zuflucht in seiner wohltätigen Zweitklassigkeit, Wie die orthodoxen Juden Zuflucht in Seinem Flügelschatten suchen. © Übersetzung: Metka Wakounig, 2012



A B H IER : REZENS ONEN

Twin Shadow Confess (4AD)

Middle of the Road

BILD Tina Tyrell

Weicher Rock, Referenzwahnsinn, Hochglanz-Pop: George Lewis Jr. sollte es mit seinem zweiten Album gelingen, sein eigenes Herz direkt ins Herz der Charts zu hieven. George Lewis Jr. hat sein zweites Album seinem Motorrad gewidmet. Der Mann, der unter dem Namen Twin Shadow der Welt mit seinem Debüt 2010 eines der schönsten Pop-Alben des Jahres geschenkt hat, hatte in grauer Vergangenheit eines unwirtlichen Wintertages, an dem man die Maschine besser in der Garage lässt, die Idee, mit einem Freund auf dem Sitz hinter sich mit seinem geliebten Bike durch die Gegend zu düsen. Es kam zum Sturz und zu den berühmten, ein ganzes Leben in Sekundenbruchteile fassenden Gedanken vor dem vermeintlichen Todesmoment. Danach war erst einmal Schluss mit dem Dasein als harter Kerl und das Motorrad wurde aus dem Privatkosmos verbannt. Für die Aufnahmen seines zweiten Albums hat es Twin Shadow nun von Brooklyn nach Los Angeles verschlagen, und mit der Weite der Stadt ist auch die Lust am Biken zurückgekehrt. Der Multiinstrumentalist Lewis Jr. betont das ausdrücklich, es ist ihm wichtig. Nun ist »Confess« jedoch keineswegs ein Album über Hell’s Angels und Chrompflege geworden, sondern ein tiefprivates Album, das die innersten Regungen seines Protagonisten spiegelt, und das Herz des Künstlers dahinter auf nach oben gedrehten Handflächen jedem präsentiert, der es sehen will. Spielte der Erstling »Forget« noch bewusst mit Lo-Fi-Heimwerker-Ästhetik und wurde so auch als Nebenschauplatz von Chillwave rezipiert, so ist »Confess« nicht in erster Linie an der Nachstellung eines Sound-Konzepts interessiert, sondern am Schreiben von bitteschön perfekten Songs. »Confess« geht weit: Das Referenzspektrum wird von britischem 80er-Gitarren-Wave auf weichen Yacht-Rock im Andenken an Michael McDonald und Kenny Loggins ausgeweitet; The Police, Bruce Springsteen oder den EdelPop von Prefab Sprout – man kann das alles heraushören. Musik, die ausdrücklich middle of the road, glatt, offen und frei sein will. Keine dröge ironische Geste, sondern eine sympathische; eine Geste, die man sich vielleicht auch nur leisten kann, wenn man so schöne Lieder hat wie George Lewis Jr. 08/10 philipp l’heritier 057


Rez

Bang On! Sic (Big Dada)

musik

Chromatics Kill For Love (Italians Do It Better)

Koks auf der Achterbahn Bang On! hat auf die Entwicklungen der letzten Jahre geschissen und eine konventionelle Grime-Platte gemacht. Wurde auch mal wieder Zeit. Das Londoner Label Big Dada hat zweifellos einiges für den britischen HipHop getan, in seiner 15-jährigen Karriere aber nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen. Glücksgriffe wie Diplo können nicht verbergen, dass sich doch eine ganze Menge halb-interessanter Acts seit Jahren mitgeschleppt werden. Nach dem viel gelobten »Freedom Of Speech« von Speech Debelle erscheint bei Big Dada mit »Sic« heuer schon eine zweite Platte, die wieder die Aufmerksamkeit nach oben treibt. Das Debüt des Liverpoolers Elliot Egerton alias Bang On! ist so durch und durch britisch, dass es eine Wohltat ist. Grime wie aus dem Jahre 2005, als wäre Lady Sovereign nie als Vorband von Gwen Stefani aufgetreten. Für Menschen außerhalb der Insel ist natürlich weiterhin die Sprache die Sensation. Ja, es ist irgendwie Englisch. Trotzdem versteht man maximal 30 Prozent. Bang On! setzt den Cockney-Akzent der Londoner seinen nordenglischen Scouse entgegen, und der trägt Tracks wie »Hutzlin« oder »’ands ’igh« ziemlich ordentlich. Thematisch dominieren Gewalt, Drogen, und Hustlen, aber mit dem typischen Humor erzählt. Verwahrlosung und misslungene Stadtplanung mögen der englischen Jugend einiges genommen haben, aber sicher nicht das Lachen. Im Gegensatz zu Mike Skinner, der die Grime-Versatzstücke relativ schnell nur noch als Referenz für seinen klugen Pop-Klamauk nutzte, lässt sich Bang On! musikalisch auf keine Experimente ein – was aber völlig funktioniert: Two-Step-Beats, ab und zu mal eine verzerrte Gitarre, und über allem der wummernde und schwingende Bass, der einige Subwoofer vor Herausforderungen stellen dürfte. Das alles wird knallhart und mit zehn Jahren Dubstep im Hinterkopf produziert. »Sic« ist Geschwindigkeit und Wahnsinn. Es gönnt sich keine Pause, nur Opener und Schlusstrack sind ruhiger gehalten. Sonst aber ist das Album eine Achterbahnfahrt oder eine Tour durch Liverpool mit einer Gang deiner besten Freunde und einem Haufen Koks, bei der alles dabei ist: Bars, Clubs, schlechte Anmache, Testosteron und Messerstechereien. Ein typischer Abend im Leben eines Scousers eben. Oder zumindest das, was wir Bürgerkinder uns darunter so vorstellen. 07/10 jonas vogt 058

Sehnsucht, ick hör dir trapsen Während Bands wie M83 dem Synthie-Pop Herzchen aufmalen, schleifen die Chromatics zerbrochene Herzen über den Boden. Hermann Nitsch hätte seine Freude. Wir haben sie auch. Die Arbeit am vierten Album gestaltete sich für die Band aus Oregon langwierig: Ein erster Entwurf war bereits 2010 fertig – einer, über den Chromatics-Mastermind Johnny Jewel heute sagt: »It was laughable, embarrassing.« Übriggeblieben ist aus dieser Experimentierphase als Bonus für alle Remix-Freudigen eine Version des Albums, die auf Schlagwerk verzichtet. Mit dem ›echten‹ – absolut unpeinlichen – »Kill For Love« haben die Chromatics ihre Post-PunkVersion der frühen Nuller Jahre endgültig durch kühlen Synthie-Pop mit Dream-Pop-Einsprengseln ersetzt – was noch lange nicht heißt, dass sie sich das warme Knacken eines Plattenspielers als Intro verkneifen müssten: Jewel, der schon zuvor ein Händchen für Coverversionen bewiesen hat, bettet als Opener Neil Youngs 70er-Hymne »Hey Hey My My« auf einen 80er-Teppich; Ruth Radelet verleiht ihr mit ihrer Mädchenstimme eine ganz eigene Note. Was sich zu Beginn durchaus beschwingt zwischen die Synapsen legt, ist bald von einer dunklen Sehnsuchtspatina überzogen, der auch einen Tanz aus dem Grab in Disco-Noir-Manier gut zu Gesicht steht (»Back From The Grave«): Schmachtende Popsongs (»Lady«) und atmosphärische Elektro-Arrangements (»These Streets Will Never Look The Same«) alternieren auf »Kill For Love«, einige wenige von Jewel gesungene Tracks (»These Streets Will Never Look the Same«) schmiegen sich an verzweifelte Anrufbeantwortertexte (»There’s A Light Out On The Horizon«). Jewel, der auch auf Glass Candy- und Desire-Hochzeiten tanzt und einem breiteren Publikum durch seinen Beitrag zum Soundtrack von Nicolas Winding Refns »Drive« bekannt geworden sein dürfte, inszeniert mit »Kill For Love« einen unwirklichen Drift durch vollmondbeschienene Stadtlandschaften, der bei über einer Stunde Laufzeit keine Längen kennt. 08/10 sandra bernhofer


Rez

Gaggle From The Mouth Of The Cave (Transgressive)

Stimmgewitter

BILD Luke Avery, Italians Do it Better, Andrew Whitton, Wolf + Lamb

Frauenstimmen, wo man hinhört – Gaggle aus London sprengen Formate und haben eine Agenda. The Polyphonic Spree haben es vorgemacht: Wer das übliche Bandformat mit großem Kabumm in die Luft jagt, hat die Aufmerksamkeit auf seiner Seite. Dazu noch einheitliche, gerne auffällig bunte Gewänder, und die Fantasie des Rezipienten treibt freudig Blüten – endlich wieder eine Musiksekte! Als solche, aber auch als Band im Allgemeinen und als eine mit erhöhtem Logistikaufwand im Speziellen, bedarf es natürlich eines Rädelsführers. Im Falle von Gaggle, jenem 21-köpfigen Londoner Frauenchor, um den es hier geht: einer Rädelsführerin. »Eine große Menge Frauen auf einer Bühne, das ist das Erste, was du sehen sollst; Frauen, wie man sie zuvor noch nicht auf einer Bühne gesehen hat – Unmengen davon«, so die Idee von Deborah Coughlin. Nicht mit der Lieblichkeit eines Chors, sondern mit der Wucht eines Fußball­ stadions wollte sie Aufmerksamkeit erzeugen. Auch als Gegenposition zum Vier-Mann-Format, wie man es von so vielen langweiligen IndieRock-Bands kennt. Es gelang: Britische Medien reichten die unhand­ lichen Gaggle bald als aufregendste neue Band herum, noch ehe diese ein Album veröffentlicht hatte – man kennt das ja. Nun ist dieses Album fertig, und der Schluss ist zulässig, dass hinter Gaggle nicht bloß Effekthascherei steckt. Es ist vielmehr eine Gruppe von Frauen am Werk, die ihre Musik als Gelegenheit versteht, die ungleich gewichteten Verhältnisse aus weiblicher Per­spektive zu thematisieren. Das Private hat dabei ebenso Platz wie Wirtschaft oder Politik. Der Selbstermächtigung wird eine trotzige Hymne geschrieben (»Army Of Birds«) und es wird davon gesungen, dass man hinter sich lassen soll, was schlecht für einen ist (»The Cave«). Textlich vielleicht nicht immer supersubtil, aber das schadet kaum. Die Musik dazu stammt von Coughlin und Simon Dempsey, ihrem ehemaligen Kollegen bei der Band 586, der als einziger Mann aus dem Gesamtbild fällt. Es geht querfeldein: von R ’n’ B über Breitwand-Pop, vorbei an Disco-Funk und ein bisschen Weltmusik, bis hinein in düstere Synth-Strudel. Dazu geben Gaggle, einem Stimmgewitter gleich, wahlweise das goscherte Cheerleading-Team, den aufgescheuchten Indianerinnenstamm oder eine Armee atavistischer Hohepriesterinnen. Womit wir wieder bei der Musik­sekte angelangt wären. 07/10 Manuel Fronhofer

musik

Deniz Kurtel The Way We Live (Wolf + Lamb)

The New Cool Deniz Kurtel ist die Frau unter den Williamsburger Wölfen. Mit ihrem zweiten Album weiß sie genau wohin. Nämlich am Dancefloor vorbei in die Weichteile. Deniz Kurtel ist vieles und tut vieles. 2009 erschien ihre erste EP auf dem hinlänglich renommierten New Yorker Label Wolf + Lamb. Eine Handvoll Veröffentlichungen, einigen Live-Gigs und einem Debütalbum auf Crosstown Rebels später releast Deniz Kurtel ihr zweites Album »The Way We Live« wieder auf ihrem New Yorker Heimatlabel. Deniz Kurtel entkernt dabei Electro und House auf seine essentiellen Bestandteile und öffnet kühlen Grooves und HipHop Tür und Tor. Dabei wühlt sie nicht in angestaubten Soul- und Funk-Plattenkisten, sondern übernimmt viel mehr die Attitüde und das Gefühl des Genres. Durch den gekonnten Einsatz ihrer stimmenstarken Kollegen, den rollenden Grooves und den strahlenden Lead-Synths, die einen durch das ganze Album begleiten, bekommt man das Gefühl, dass Deniz Kurtel das lebt und die Musik macht, die ihr etwas bedeutet – abseits des Club-Dogmas. Und im Unterschied zu ihrem letzten Album entstand jeder Track mit einem oder mehreren Features. Die Mitwirkenden stammen alle aus dem Umfeld von Wolf + Lamb. Zweiter Unterschied: Die zwölf Tracks sind so vielschichtig wie Acht Schätze mit Couscous-Salat und Wiener Schnitzel nach Thai Art zusammen. Das Titelstück ist ein melancholischer HipHop-Beat mit neurotischen Zeilen. Kurtel serviert viel Slow Motion House, manchmal garniert mit Saxofon, verstärkt mit Subbässen, elegant ausgestattet mit klaren Synths und seidigen Bässen. Wer sich außerdem beim Album-Cover allein schon an den Film »Drive« erinnert fühlt, liegt nicht falsch. In den Tracks tut sich meistens zu wenig. Sie sind entschlackt und auf ganz wenige Elemente reduziert. Dadurch sind sie vor allem eines: cool wie Marlon Brando, wie Uma Thurman, wie Ryan Gosling. Dass da einige »Seelenlos!« und »Oberflächlich!« rufen werden, ist natürlich vorprogrammiert. Aber genau darum geht es ja, der Seele im kalten, leeren Maschinenraum nachspüren. Die präzise Produktion hilft dabei ganz enorm, dass das auch gelingt. 07/10 Johannes Piller 059


Rez

John Maus A Collection Of Rarities And Previously Unreleased Material (Domino)

musik

Dent May Do Things (Paw Tracks)

Regenbogen-Crooner Industrial Mit seiner Memomusik-Hymne »Believer« kann hier nichts mithalten. Auf seinem Archiv erzählt John Maus in dunklem Bariton allerdings andere Geschichten, von Betonruinen und Bauhaus. John Maus ist ein Liebkind der Pop-Kritik. Mit seiner Musik kann man erklären, dass nämlich Sound nicht alles ist, dass es bei Musik um Ideen geht. John Maus klingt zwar zutiefst nach 80er, aber Achtung, das ist alles ganz anders gemeint, jaja, und Recht haben sie. Statt Flucht im glitzernden MTV-Pop knüpft John Maus an die postindustrielle Depression an, an drahtige Betonruinen-Musik, die von einem größeren Scheitern erzählt. Da lässt sich dann ausholen, zu Visage, Bauhaus, Cabaret Voltaire und Ian Curtis, zu mittelenglischen und US-amerikanischen Geisterstädten, zur Erfindung der Finanzwirtschaft, zum Umbau einer ganzen westlichen Wirtschaftsform. John Maus ist Philosophie-Dozent mit dunklem Bariton, PoparchivKünstler mit Tiernamen, Kollaborateur von Ariel Pink und Panda Bear – so jemandem traut man zu, an eine verschüttete Sozial- und Ideengeschichte der Avantgarde anzuknüpfen. Seine Songs sind aber auch Memomusik, sie setzen sich aus Sounds aus den Gedächtnis-Kammern zusammen. Während Destroyer letztes Jahr mit bipolarem Soft-Rock an eine Zeit vor dem Niedergang der westlichen Industrie anschloss, kriecht John Maus mitten in die schmerzhafte Metamorphose hinein, fragt schon 2003, was denn mit ihm nicht richtig ist (»The Fear«), singt 2004 vom Nervenzusammenbruch (»Mental Breakdown«), 2008 vom Hass (»My Hatred Is Magnificent«) und 2010 Engeln der Nacht (»Angel Of The Night«). Und wie im Vorbeigehen beweist John Maus mit nichts anderem als dem Willen, etwas ganz Bestimmtes auszudrücken, dass aus einer Simulation heraus etwas Neues entstehen kann. Auf seinem fantastischen Album »We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves« von vor einem Jahr war das allerdings noch besser zu hören. 06/10 Stefan Niederwieser 060

Schräge Strandhymnen aus dem Mississippi-Delta: Neo-Psychedelia und 80er-Disco-Rhythmen laden zu einem klebrig süßen Wellenbad ein. Der 27-jährige Südstaaten-Weirdo Dent May zelebriert eine Neuauflage des Endless Summer und mischt auf seinem zweiten Album »Do Things« 60s-Psychedelia, Barbershop-Gesänge und Disco zu einem eigenwilligen Destillat aus schwelgerischen Beach Boys-Harmonien und klirrendem Electropop zusammen. Dent May hat die Erwartungen auf »Do Things« bereits im Vorfeld ziemlich hochgeschraubt. Nichts weniger als sein Opus Magnum, das »›Pet Sounds‹ für die Smirnoff-Ice Generation« solle das Album werden, ließ er über seinen Twitter-Account wissen. Herausgekommen ist dabei ein Stück Musik, das zumindest zeitgeistig klingt. Honigtriefende Gefühls-Chöre reiten auf Wellen sonnengebräunter Synthesizer-Melodien, ein Drumcomputer steuert dazu 80er Jahre Toy-Electronica-Rhythmen bei. Man stelle sich einen gewagten DiscoRemix aus Beach Boys-, Panda Bear- und Bee Gees-Singles vor, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie »Do Things« klingt. Country, Samba und Funk dürfen dabei ebenso wenig fehlen wie Camp, Kitsch und Hillbilly-Folklore. Der musikalischen Landkarte folgend, bezeichnet sich die Ein-Mann-Kapelle Dent May nicht von ungefähr als »wedding reception band on acid«. Stets zeichnet ein gar zu süß anmutender, ungezügelter lyrischer Optimismus manche aus Ecken heimlich hervorlugende dunkle Zwischentöne weich. »When you were young, what did you fantasize your life would bring?« heißt es etwa in »Rent Money« – aber anstatt der verlorenen Adoleszenz melancholisch nachzuweinen, schießen in Folge Regenbögen aus den Lautsprechern. Das größte Problem der Platte ist allerdings genau das, was sie auch von genreverwandten Produktionen hervorhebt: So sehr man sich bemüht, die dröhnende, neonfarbene 80er Disco-Maschine nervt oft mehr, als sie gut tut. Positiv hervorzuheben wären »Wedding Day« und »Parents« – hier mengt sich der Disco-Beat bei, ohne allzu sehr auf sich zu deuten. Mehr Subtilität im Umgang mit den verschiedenen musikalischen Einflüssen hätte allerdings einigen Songs mehr Größe verliehen. 06/10 Michael Kirchdorfer


Rez

musik

SOMMER

2012

Poliça Give You The Ghost (Memphis Industries)

New Age of Autotune

BILD Mark Blower, Paw Tracks, Memphis Industries

Die Songs von Poliça sind eine klare, bittere Medizin. Dabei bedeuten sie eine neue Chance. Kanye West machte nach dem Tod seiner Mutter ein Album, auf dem er seine Stimme vollständig in Technik einkleidete. Die Schmerzen mussten abgefedert, übersetzt und überschrieben werden. Sein »808s & Heartbreak« ließ vor vier Jahren den Einsatz von Auto­ tune explodieren, so sehr, dass Jay-Z höchstpersönlich es killen wollte (Mit Kanye hat er später trotzdem ein Album aufgenommen, das den megalomanischen Rock der 70er ganz goldig in HipHop verwandelte). Auch Poliça schleift ihre Emotionen durch den Rechner. Der digitale Effekt schafft Affekt, er schafft Distanz, und er schmückt, erweitert, transformiert. Neu ist das nicht. Missy Elliot hat ihre Stimme damit schon entsexualisiert, Marsimoto wird zum bekifften Joker, Grimes zur Elektroelfe. Aber so unaufgeregt und selbstverständlich wie Poliça hat bisher niemand mit dem Geist in der Maschine gesprochen, gesungen. Auf »Give You The Ghost« ist die Stimme eingebettet in relativ traditionelle Songs, Bass, Schlagzeug, viel Percussion, etwas Violine, einige Synths. Dadurch bricht sich das Licht nicht so stark im Stimmeffekt, nur die Person, die da spricht, entrückt sich, entmenschlicht sich dabei aber nicht. Die Musik von Poliça ist zwar artifiziell, wirkt aber nicht sonderlich gekünstelt, sondern reduziert und entschlackt, sie riecht nach klarer Morgenluft, wie sie das Getier und das Liebespaar im Video zu »Amongster« riecht. Wer dazu New Age sagt, hat recht, aber eventuell nicht verstanden, dass es dabei irgendwann einmal darum ging, Inspiration für einen anderes Leben zu tanken, weil die Gegenwart nicht gut genug ist – bevor mit New Age dann die magischen Steine, die ChakraRatgeber und all das kam. Poliça schafft eine leuchtende Andersweltlichkeit mit nur wenigen Kunstgriffen, setzt Echos, trockene Bässe und Geklöppel punktgenau ein und spickt sie mit bitteren Texten. Obwohl das nicht sehr Hype-fähig klingt, ist genau der ausgebrochen, spätestens mit einer hymnischen Erwähnung von Bon Iver, mit dem Poliça über das Kollektiv Gayngs verbunden ist. James Blake, Coco Rosie, Everything But The Girl, Zola Jesus, The XX – all das soll jetzt plötzlich in diese Platte passen. Eh. Dabei würde ein umwerfender Soundtrack für bessere Zeiten schon reichen. 08/10 stefan niederwieser

MARKTFESTIVAL FÜR KUNST UND DESIGN

9. BIS 10. JUNI 2012 120 JUNGDESIGNER 10 JUNGGASTRONOMEN 6 DJS, 5 WORKSHOPS & 1 KINO NEW: FESCH’ON BIKE OTTAKRINGER BRAUEREI ALTE TECHNIK & GOLD FASSL MAGAZIN WWW.FESCHMARKT.AT


rez

Kristofer Åström from Eagle To Sparrow (Startracks) — der schwedische schwermutkönig schaltet zwei Gänge zurück und bringt sein bestes album seit langem, wenngleich nicht sein bestes überhaupt. 07/10 RICHARD TURKOWITSCH

Burning love rotten Thing To Say (Southern Lord) — kanadischer hardcore-veteran versucht sich an schweinerock. das resultat: straighter punk ’n’ roll mit hardcoretouch! motörhead mit Jetztbezug quasi. like. like. like!

musiK

Alex Clare The lateness Of The hour (Island) — Jamiroquai, maroon 5 und skrillex. 05/10 STEfAN NIEDERWIESER

deer Tick divine Providence (Rough Trade) — wow! diese fünfköpfige band aus rhode island zeigt auf ihrem fünften album, was für eine geile sache rock immer und immer wieder sein kann. 08/10

deWalta Wander (Haunt) — dewalta liefert keinen puristischen minimal house mit technoversatz ab, sondern bringt Funk und Jazz auf seinem debüt mit. bravo. 07/10 jOHANNES PILLER

RAINER KRISPEL

07/10 WERNER SCHRÖTTNER

dirty Projectors Swing lo Magellan (Domino) — orchesterpathos, hardcore-ästethik und afrikanische trommeln mögen weltmusikalarmglocken läuten lassen – finden hier aber äußerst catchy zusammen.

dntel Aimlessness (Pampa) — dntel auf pampa ist wie oberskren und räucherlachs. eine kombination von pop und elektronik, die sich erst durch ihre synthese voll entfaltet. 07/10 jOHANNES PILLER

07/10 MICHAEL KIRCHDORfER

don Niño in The Backyard Of your Mind (Infiné) — das schlimme an drogenmusik ist, das sie in den meisten Fällen nur dann wirklich gut klingt, wenn deren Zuhörer selber auf drogen sind.

Expire Pendulum Swings (Bridge Nine) — wer hat an der uhr gedreht? hardcore aus dem us-niemandsland, der klingt, als käme er direkt aus den 90ern. turmoil, earth crisis und so. wow! 06/10 WERNER SCHRÖTTNER

06/10 MICHAEL KIRCHDORfER

fuzzman Trust Me fuckers (Lotterlabel) — mit soloalbum nummer drei setzt sich der naked-lunchbassist zwischen die stühle: charmanter lo-Fi-rock, räudiges protestliedgut, schlager- und volksmusikaneignungen – alles da. 07/10 MANUEL fRONHOfER

The hives lex hives (Columbia) — sie sind schon lange nicht mehr Gesetz und doch knallt die rückkehr der Großmäuler ungemein. die nächsten fünf tourjahre sind gesichert.

hot Chip in Our heads (Domino) — hot chip legen eine eine solide platte vor, der allerdings die wirklich großen songs fehlen. hätte schlimmer, aber auch besser sein können. 06/10 jONAS vOgT

06/10 REINER KAPELLER

i like Trains The Shallows (I Like Records) — das dritte album der rockband aus leeds analysiert die auswirkungen moderner technologien auf den menschen. aus kühler reduktion entsteht dabei eine aufwühlende unruhe.

The invisible rispah (Ninja Tune) — eine sammlung flehender songs zwischen tiefer melancholie und reduzierten house-akzenten, getragen von traumhaften drums. 07/10 KEvIN REITERER

Sam irl Slower Bavarian EP (Jazz & Milk) — Zwischen wien und münchen breitet sam irl weiche bässe und flirrende synths aus. der verspulte remix von cid rim stiehlt die ganze show. 05/10 STEfAN NIEDERWIESER

08/10 MANUEL fRONHOfER

johann Sebastian Bass Cantata Per Una Macchina, op1 (Vienna Wildstyle) — ein novelty-sound ohne Folgen – Jsbs größter pluspunkt sind die barocken perücken und kostüme. das ändert sich hoffentlich bald. 03/10 STEfAN NIEDERWIESER

Tom jones Spirit in The room (universal) — pur, bluesig und gerade stellt sich der tiger den songs von cohen, mccartney & co, ohne auf den einfachen hit zu schielen. würdiges alterswerk. 06/10 MICHAEL BELA KURz

Kilo The Wildernis (Experimentalstudio Brigittenau) — kilo machen klassisch elektronischen noise und postrock der tortoise-schule. dazu eine dvd voller videos und schon kann sich ein exquisites l’art pour l’art abspulen. 06/10 STEfAN NIEDERWIESER

062

likewise Prometheus run (Schoenwetter) — die grundsätzlich nicht unsympathische Gruppe will neoFolk/country und verendet teilweise kläglich bei chris de burgh Jr. in a schülerbandstyle. 02/10 RAINER KRISPEL

Man Without Country foe (Lost Balloon) — die waliser von man without country mögen es spannend – was zurückhaltend beginnt, gipfelt in brachialem. hie und da wirkt das einfach zu bemüht. 06/10 SANDRA BERNHOfER


Mel King Street (Hoanzl) — Das neue Album der Salzburger Sängerin ist eine schöne Sammlung von stimmigem und auffällig geerdetem Singer-SongwriterPop. Zwar kein großer Wurf, aber unaufgeregt schön.

Modeselektor Modeselektion Vol. 2 (Monkeytown) — Wer bei zwei Labels aus dem Vollen schöpfen kann, ist klar im Vorteil – diesen Joker spielen logischerweise auch die routinierten Berliner aus.

musik

Ernst Molden So a scheena dog (Monkey) — Molden diesmal ohne Band, aber mit ausgereiften neuen Songs und geschmackvollem Gitarrespiel: ein luftiges, schönes Album. 08/10 Michael Huber

07/10 kevin reiterer

06/10 Tobias Riedl

Oxia Tides Of Mind (Infiné) — Sommerlicher House für Tagträumer, deep-groovende Beats für den Afterwork-Cocktail – Oxia macht weiter das, was er am besten kann. 06/10 kevin reiterer

Scissor Sisters Magic Hours (Polydor) — Das vierte Album der New Yorker Formation wartet mit großen Produzentennamen auf und ist stark genug für die GayClubkultur, die das Werk mit all ihren Facetten befruchtet hat. 06/10 Michael Bela Kurz

Múm Early Birds (Morr) — Junge Vögel: Die Raritäten-Anthologie aus den Anfangstagen der isländischen Experimentalisten zeigt eine Band, die dabei ist, zu ihrem eigenen Sound zu finden.

Stefan Obermaier Mozart Reloaded (Universal) — Entschuldigung, aber so banal muss das Böse klingen. Das ist Musik für den Fahrstuhl ... zum Schafott. Mindestens. 01/10 stefan niederwieser

06/10 michael kirchdorfer

PIL This Is PIL (PIL Official Limited) — »12 songs of honesty« avisiert John Lydon / Johnny Rotten in einem TV-Interview für das erste PIL-Album seit 20 Jahren. Und gut sind manche auch! 07/10 Rainer Krispel

Joey Ramone … Ya Know? (BMG Rights Management) — Elf Jahre nach seinem Tod nun das zweite (!) posthume Soloalbum des ikonischen Ramones-Sängers. Keine Leichenfledderei, aber durchwachsen. 06/10 Rainer Krispel

ROM Foot Signal (Pingipung) — Spiel mir das Lied von der Langeweile: Uninspirierter Ostküsten-Postrock-Aufguss der beiläufigeren Sorte.

Sleepy Sun Spine Hits (ATP) — Kurzweiliger Stoner-Rock aus San Francisco, der erst dann abhebt, wenn es bereits zu spät ist.

Superpunk A Young Person’s Guide To Superpunk (Tapete Records) — Mit einer Sammlung ihrer besten (deutschsprachigen) Sixties/ Mod/Punk/Soul/Pop-Burner verabschiedet sich die große kleine Band im 16. Dienstjahr.

Sebastien Tellier My God Is Blue (Record Makers) — Dem verqueren Discofranzosen bereiten seine übergroßen Vorstellungen und Ideen über den blauen Gott zusehends Probleme. 05/10 kevin reiterer

04/10 michael kirchdorfer

04/10 michael kirchdorfer

09/10 Rainer Krispel

Bernhard Schnur Yol (Plag dich nicht) — Wer seine alte Band Snakkerdu Densk gemocht hat, wird auch am schrulligen Pop Bernhard Schnurs Gefallen finden: Seine Songs sind eigen, poetisch und stets leicht neben der Spur. 07/10 Thomas Weber

Tiefseetaucher Ans Meer (Trockenschwimmer) — DIY-Synthie-Rock mit melancholisch-repetitiver Grundstimmung unter deutschem Sprechgesang: Die von Nostalgie getriebene Eigenbrötlerei ist schön abgeklärt und verspielt. 07/10 Thomas Weber

Trapist The Golden Years (Staubgold) — Wie wenig kann man machen und dabei trotzdem Spannung aufbauen? Trapist knistern, schaben, stupsen, rauschen und klirren auf kleinstem Raum. 06/10 stefan niederwieser

Various Artists Airtexture Vol. 2 (Airtexture) — Endlich hat sich ein würdiger Gegenpol zu Kompakts Pop Ambient gefunden. Großartig. 07/10 johannes piller

Various Artists Fuck Your Band: 4 Jahre Problembär Records (Problembär) — Formidable Nabelschau des Wiener Problembär-Labels: Alles Gute zum vierten Geburtstag! 06/10 michael kirchdorfer

Various Artists Kitsuné America (Kitsuné) — Die Pariser StyleZentrale Kitsuné schenkt sich runden Zehner einmal Kulturexport in die USA. Der USMix hält dabei nicht den Qualitätsstandard des Maison.

Bobby Womack The Bravest Man In The Universe (XL) — Damon Albarn und Richard Russel hieven den Black Music-Veteranen ins 21. Jahrhundert. Überzeugt nur teilweise. 06/10 jonas vogt

04/10 stefan niederwieser

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01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk

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Rez Woody Allen. A Documentary (von Robert B. Weide) — Die charakteristischen Hornbrillen und der Fischerhut, die ulkige Comicfigur-Erscheinung, die jiddischen Ausdrücke, die für New Yorker typische chaotische Art: Die Zeit war reif für diese Doku. Klarinettentöne führen durch die adretten Straßen Brooklyns zu Woodys Schreibtisch und dem Klackern der deutschen 40-Dollar-Schreibmaschine, die er mit 16 erstanden hat. Die schönsten Textfragmente schneidet er aus und tackert sie aneinander. Der Film bleibt so verklärt und ungekünstelt, auch wenn alle interviewten Stimmen, sei es die der Schwester oder jene der Schauspielkollegen, nichts besonders Überraschendes zu Tage bringen. Teils könnte man meinen, sie alle würden vom selben Skript einer Biografie lesen. Das nimmt der Dokumentation die belehrende Schwere, wirkt aber teils aufgesetzt und somit widersprüchlich zu Allen selbst. Von den täglichen 50 Jokes, die er als Schüler für Zeitungen schrieb, bis hin zur letzten CannesPremiere »Midnight In Paris« reicht die Zeichnung des notorisch scheu geltenden Filmgenies. Robert Weide weckt unsere nostalgischen Erinnerungen an das breite Schaffen Woody Allens und entlockt jedem, egal ob Befürworter der melancholischen Klassiker oder Fan der frühen Komödien, einen wohligen Seufzer. 08/10 Juliane Fischer Copacabana (von Marc Fitoussi; mit Isabelle Huppert, Lolita Chammah, Aure Atika) — Isabelle Huppert scheint jeder Herausforderung gewachsen. In »Copacabana« beweist sie erneut ihre enorme Vielseitigkeit. Während Haneke einen Narren an Huppert als Tochterfigur gefressen zu haben scheint, verkörpert sie in Marc Fitoussis neuer SozialkritikDramödie die unbändige Mutter. Ihre biedere Tochter verurteilt sie für ihre Extravaganz streng und schließt sie aus ihrem Leben aus. Kurzentschlossen zieht sie also nach Ostende, um dort als Wirbelwind den winterlichen Badeort aufzumischen. Nebenbei macht sie noch Karriere, doch es ist nicht so, dass ihr das etwas bedeuten würde. So ist »Copacabana« sowohl inhaltlich als auch visuell ein Film der Kontraste, die jedoch auf beiden Ebenen ihre Fusion finden und ein recht solides Ganzes ergeben. Letztlich ist es aber Huppert, die den Film alleine trägt. Der Rest ist mehr oder minder zu vernachlässigen. 06/10 Artemis Linhart Work Hard – Play Hard (von Carmen Losmann) — Still beobachtet die Berliner Regisseurin Carmen Losmann das zeitgenössische Verständnis von Personalmanagement und lässt ihr Publikum ernüchtert zurück. Das liegt einerseits am kühlen Formalismus ihrer Dokumentation und andererseits an den rationalisierenden Machtstrukturen, die ihre Kamera so deutlich abbildet. Ideale Arbeitsverhältnisse bedeuten schauerliche Abgründe, wenn moderne Unternehmen versuchen, ihre Angestellten nach reinen Effizienzzahlen auszuloten. Ihr Dokumentarfilm zeigt in aller Ruhe wie Personal von unterschiedlichen Managementetagen entpersonalisiert wird; wie Arbeitnehmer in Leadership Trainings, Assessment Centern und künstlichen sozialen Räumen die eigene Berechenbarkeit verinnerlichen sollen. Schlagwörter wie Wachstumsmentalität, Talentprofil oder Mitarbeitertransparenz bilden die Käfigwände, an denen sich die Protagonisten abreiben (müssen oder wollen). So ist die Doku auch ein tragisch-lächerlicher Gefängnisfilm, dessen Insassen oft nur zufällig über die eigene Menschlichkeit stolpern und dabei absurde Szenen produzieren. 07/10 Klaus Buchholz 064

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Ai Weiwei: Never Sorry (von Alison Klayman; mit Ai Weiwei)

Das Private ist politisch Für ihren Film »Ai Weiwei: Never Sorry« ließ eben jener die Regisseurin Alison Klayman erstaunlich nahe an sich heran. Entstanden ist dabei eine clever aufbereitete Doku über den chinesischen Ausnahmekünstler. Ai Weiwei tut es nicht leid, was er getan hat. Im Gegensatz zu der Regierung, die er anprangert, versteckt er sich nicht hinter geheuchelten Pardons, sondern bekennt sich zu seiner Radikalität. Der Künstler erschloss 2005 den Cyberspace und machte damit sein Lebenswerk endgültig zu einer Sozialen Plastik im Beuys’schen Sinn. Mittlerweile ist er gleichsam zu einem Markenzeichen für liberales Denken und Individualismus geworden. Mit seinem Blog übte Weiwei Kritik am eigenen Land – von innen. Etwas, das in China durchaus nicht ungestraft bleibt. Weiwei aber wird dem System immer die Stirn bieten, auch buchstäblich. 2009 erlitt er durch einen polizeilichen Übergriff eine Hirnblutung und postete aus dem Krankenhaus täglich Foto-Updates voller genuinem Galgenhumor. Im selben Jahr wurde auch sein Blog endgültig geschlossen. Weiweis Ausweichmanöver auf die Mikroblogging-Plattform Twitter erwies sich jedoch als vorteilhaft. Ein Blick genügt: über 146.000 Followers können nicht irren. Ai Weiwei lässt die Welt an seinem Leben teilhaben und macht Politik der ersten Person. Eines seiner deklarierten Hauptziele ist eine höhere Transparenz innerhalb chinesischer Regierungsstrukturen. Seine uneingeschränkte Hingabe spiegelt sich auch in der Arbeit von Regisseurin Alison Klayman wider. Ihre Vita ist die eines Universaltalents und als der Aktivist im Jahr 2011 – mitten unter den Dreharbeiten – plötzlich »verschwand«, blieb sie in New York wochenlang bis in die Nacht hinein auf, um zum Sonnenaufgang in Beijing wach zu sein und jede Entwicklung zu verfolgen. Ihr überaus stimmiger Film bietet die Möglichkeit, abseits der Schlagzeilen in Weiweis kontroverse Welt einzudringen und den Künstler aus nächster Nähe kennenzulernen. Dabei ist er Dokumentation und Charakterstudie zugleich, sowie eine Ode an die Kunst und, nicht zuletzt, die Freiheit. Eindringlich und treffend zeigt er die Bemühungen Weiweis der letzten Jahre sowie dessen unaufhaltsames Weitermachen, trotz etlicher Rückschläge. Sein Motto währt auch nach dem Abspann: »Don't retreat, re-tweet!« 08/10 Artemis Linhart


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Film

Moonrise Kingdom (von Wes Anderson; mit Bruce Willis, Edward Norton, Frances McDormand, Bill Murray)

Exzentriker im Puppenhaus Wes Anderson meldet sich zurück. »Moonrise Kingdom« bietet eine farbenfrohe Palette an hinreißend verschrobenen Charakteren und chaotischen (Ersatz-)Familien. Im pittoresken Häuschen mit dem weißen Lattenzaun sitzt jedes Haar an seinem Platz. Jede Kerbe im Fußboden ist exakt zugeschnitten, jedes Staubkorn sorgfältig platziert. Eine Kamerafahrt wird uns die Etagen des Gebäudes im Querschnitt zeigen. Das Setting verbildlicht die Quintessenz dieses Films und ebenso die aller Wes Anderson-Filme: Er baut Puppenhäuser, im figurativen wie auch im wörtlichen Sinn. In »Darjeeling Limited« (2007) war es ein Zug, in »Die Tiefseetaucher« (2004) ein Schiff. In »Moon­rise Kingdom« ist es das Häuschen (letztlich aber auch die gesamte, von der Außenwelt abgeschottete Insel). Anderson füllt seine Puppenhäuser mit liebevoll gestalteten, detailliert ausgearbeiteten Figuren. Diese sind stets exzentrisch, verschroben, skurril. Selbst die Menschen, die hinter dem weißen Lattenzaun leben, entsprechen rein gar nicht dem Topos eines US-amerikanischen Familienidylls. Mutter Laura (Frances McDormand) kommuniziert per Megaphon mit ihren Kindern. Vater Walt (Bill Murray) schlendert barbäuchig durchs Wohnzimmer, bevor er betrunken Bäume fällt. Die zwölfjährige Tochter (Kara Hayward) sucht das Weite, um mit einem gleichaltrigen Pfadfinder (Jared Gilman) in der Wildnis zu leben. Es ist die Liebesgeschichte der Kinder, die im Mittelpunkt der Handlung steht. Kernthema des Films ist jedoch ein anderes: Anderson spielt mit seinen Puppen am liebsten (Ersatz-)Familie. Nach und nach fügt er die liebenswerten Versager und seelisch vernarbten Einzelgänger, die seine Filme bevölkern, in funktionale Einheiten zusammen. Er hält sich (und sein Publikum) dabei nicht mit dem Anschein eines perfekten Familienlebens auf. Stattdessen konzentriert er sich von vornherein auf das Chaos, das unter der Oberfläche brodelt. In »Moonrise Kingdom« ist dies einerseits ein alltägliches, andererseits ein fantastisches, ein aufregend abnormes Chaos. Der Film handelt von vernachlässigten Kindern und entfremdeten Ehepartnern, erzählt aber auch von Motorrädern, die in Baumwipfeln landen; von Blitzschlägen, die überlebt und reißenden Strömen, die mühelos übersprungen werden. Nüchterne Realismen treffen auf entrückte Märchen. Anderson ist Experte darin, sogar aus der langweiligsten Routine noch ein wenig Magie zu kitzeln, noch nie waren seine Charaktere derart zerrissen zwischen Wirklichkeit und Zauber. Doch die Mischung glückt. In seinem neuesten Puppenhaus führt Wes Anderson ein humorvolles, melancholisches Märchen auf. Keines, an das man glauben könnte, aber eines, das man sich gerne wieder vorlesen lässt. 08/10 Leo Dworschak


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Introducing Benedict Cumberbatch

Atmen (Thimfilm) von Karl Markovics; mit Thomas Schubert, Karin Lischka, Georg Friedrich auf DVD und Blu-ray

Die The Sun-Leser haben soeben »Sherlock«-Star Benedict Cumberbatch zum Sexiest Man Alive gewählt. Staffel 2 frisch auf DVD, Staffel 3 bald auf BBC. In einer Zeit, in der die Vorstellung von Männlichkeit zwischen vollbärtigen Softies und animalischen Triebtätern vertrocknet, kommt Sherlock Holmes, um dieser ImageWirrnis eine neue Krone aufzusetzen. Doch handelt es sich hier nicht um den Detektiv des viktorianischen Zeitalters. Die »Dr. Who«-Macher und Doyle-Verehrer Steven Moffat und Mark Gattis haben den schrulligen Ermittler in die Gegenwart übersetzt. »Sherlock« entführt uns in den hyperfunktionalen, mechanisch präzise Gedankenraum des Ermittlers. Jeder Schnitt ist eine logische Schlussfolgerung, jede Einstellung verbirgt ein Indiz. Benedict Cumberbatch kommt der Beschreibung im Doyle’schen Original sehr nahe. Das akribische Feilen an Charakterzügen und sein präzises Zeitgefühl im Spiel hat er davor bereits mehrfach bewiesen: in englischen Bühnen- und Fernsehproduktionen, aber auch in Spielfilmen wie »The Last Enemy« (2008) oder »Atonement« (2007). Ein Cumberbatch ist ein Holmes ist ein Cumberbatch. Ein internationale Medienhype um »Sherlock« ist der Dank. Dieser Sherlock ist ein Außenseiter, ein Antiheld. ein exzentrisches Enfant terrible, das jeden Anflug einer Emotion (ausgenommen Zorn) hinter kühler Berechnung versteckt. Er ist der Sherlock schlechthin: Emotional distanziert, vorlaut, unhöflich und superintelligent. Anders wollen wir ihn gar nicht. Der Charme dieses unverbesserlichen Besserwissers macht Cumberbatch nun zum erotischsten aller Männer. Dabei gäbe es romantischere Idealbilder als einen Mann, der an zwei Falten bemerkt, wo die Frau in der Nacht zuvor geschlafen hat, und ihr diese Erkenntnis unverhohlen ins Gesicht schleudert. Aber das gilt nur in der Realität – für alles andere gilt: Brain is the new sexy.  Beide »Sherlock«-Staffeln bei Polyband.

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TEXT lena stölzl BILD BBC / Polyband

The Descendents (Centfox) von Alexander Payne; mit George Clooney, Shailene Woodley auf DVD und Blu-ray

The Muppets (Disney) von James Bobin; mit Jason Segel, Amy Adams, Chris Cooper auf DVD und Blu-ray

Utopia Ltd. (REM) von Sandra Trostel; mit 1000 Robota auf DVD

DVD

Speziell in der ersten Hälfte zeigt Karl Markovics viel Abwechslung: Lange Totale, in denen sich wenig langsam bewegt, Einstellungen, in denen sich die Kamera auf Fahrt begibt und sehr nahe Einstellungen. Dieser Variantenreichtum sorgt für eine innere Unruhe – obwohl eigentlich nicht viel passiert. Roman Kogler ist 19 Jahre alt. Er sitzt seit Jahren im Gefängnis, weil bei einer Auseinandersetzung einer seiner Gegner starb. Um auf Bewährung raus zu kommen, braucht er einen Job – er wählt die Wiener Bestattung. Der Umgang mit den Toten fällt ihm nicht leicht, die Kollegen sind nicht gerade hilfsbereit und Roman ist nicht unbedingt pragmatisch und lösungsorientiert. Als er eine der Toten für seine Mutter hält, beginnt er diese zu suchen. Der Kontakt ist aber ebenso schwierig, wie alles andere im Leben von Roman. Ein gelungener Cast aus Schauspielern (Georg Friedrich) und Neuligen (Thomas Schubert als Roman) agiert unter Markovics sehenswert, Kameraarbeit und Komposition erfreuen mit hoher Präzision. Ein wenig mehr an Story hätte aber nicht geschadet. 08/10 martin mühl Alexander Payne hat nach dem großartigen »Election« und dem durchaus witzigen »About Schmidt« in erster Linie Filme gedreht, die mit großen und kleinen Gefühlen viele Menschen ansprechen – »Sideways« lässt grüßen. Die wichtige Landschaft im Hintergrund und Vordergrund ist diesmal Hawaii. George Clooney spielt den superreichen Landschaftserben George King, der sich um seine Töchter kümmern muss, nachdem seine Frau unfallbedingt im Koma liegt. Und dann erfährt er auch noch, dass diese eine Affäre hatte und ihn verlassen wollte. Großes Drama also. Keine Frage, der Cast spielt groß auf und Drehbuchautor Payne hat ein paar richtig feine Szenen in das Drehbuch geschrieben. Mitunter wird man aber das Gefühl nicht los, dass dieser Film etwas zwanghaft versucht, emotional zu bewegen. 06/10 Martin Mühl Jason Segel ist in diesem Muppets-Film nicht nur menschlicher Hauptdarsteller, sondern auch Produzent und Co-Drehbuchautor. Der Film thematisiert, dass »The Muppets« nicht gerade modern sind und bei so manchen Kindern vielleicht nicht mehr all zu präsent: Gary (Jason Segel) und sein Muppet-Bruder Walter sind seit ihrer Kindheit große Fans der Muppet-Show. Gemeinsam mit Garys Freundin reisen sie nach Los Angeles und decken auf, dass ein Geschäftsmann das alte Muppet-Studio abreißen will, um nach Öl zu bohren. Die Muppets müssen deswegen wieder zusammenfinden und Shows spielen, um das Studio selbst kaufen zu können. Diese Meta-Story ist kleinen Kindern vielleicht nicht ganz verständlich, ganz im Gegensatz zur aufgelockerten Stimmung: Leicht sentimental, aber durchaus gut gelaunt spielt, singt und tanzt man sich hier durch die eher vorhersehbare Story. Gelungen ist aber nicht nur die Stimmung, sondern das Drehbuch, das den durchaus starken Charakteren ihren Raum lässt. Gesangseinlagen muss man halt mögen. 07/10 Martin Mühl 1000 Robota grenzen sich gegen das System ab, das die drei lärmenden Hamburger so lieb gewonnen hat. Die gerade mal 20-jährige Avantgarde-Punk-Band versprüht eine aufregend ungestüme und naive Energie, die Regisseurin Sandra Trostel in ihrer Doku bündelt. Dezent im Hintergrund hat sie die Band drei Jahre lang begleitet, ihre aufkeimende Karriere und den großen Hype, der bis in die Feuilletons reicht. 1000 Robota leben im unsicheren Spagat zwischen Elternhaus und Tourleben, Ausbildung und Plattenproduktion. Sie sind sehr von sich selbst überzeugt und davon, mit ihrer Musik Dinge entstehen zu lassen. Das wirkt mitunter ebenso überambitioniert wie erfrischend. Die Handkamera schaut zu, wenn dann im Streit das Label gewechselt wird, wenn sie versuchen, sich in Interviews nach allen Seiten hin abzugrenzen. Trotz und wegen all dem Quengeln der Band ist »Utopia Ltd.« ein glühendes Porträt einer Jugend, die weiß, warum sie kämpfen will. 07/10 klaus buchholz Auf www.thegap.at außerdem Reviews von»All Beauty Must Die«, »Another Earth«, »Blackthorn«, »Blutsfreundschaft«, »Contracorriente«, »Darkest Hour«, »Eine ganz heiße Nummer«, »Fear X – Im Angesicht der Angst«, »Geheimbund der Rose«, »The Guard«, »Little Murder«, »Mad Circus«, »The Middle«, »Near Dark«, »Sherlock Staffel 2« u. a.



Rez Tony Black Gelyncht 01 (Zsolnay) — Tony Black kommt aus Edinburgh. Dort regnet es ziemlich viel. Die Menschen sind meist verärgert, vor allem, wenn sie abseits des gediegenen Stadtzentrums wohnen. Das miese Wetter, das schlechte Tiefkühlessen, schummrige Pubs, Wettbüros, unangenehme Hunde und Hundehalter – ich will die Liste nicht fortsetzen, weil sonst liest vermutlich keiner mehr Tony Blacks Roman »Gelyncht«. Black hat jedoch einen ganz guten Musikgeschmack, den er auf seinen Protagonisten, den Privatdetektiv Gus Dury, überträgt. Dieser verfügt auch über einen überdurchschnittlichen Sinn für Gerechtigkeit und stolpert immer wieder über seine eigenen Beine, und – wenn es die Story so will – über einen Toten. Im zweiten Gus Drury-Roman wird ein toter Buchmacher gefunden, die Exekutive agiert nicht ganz sauber und schon steckt Gus in einem Fall, der sich im Kampfhunde-Milieu abspielt. Bald wird klar, da geht’s ums große Geld und um große Wetten, aber hier kämpfen nicht nur Hunde gegen einander. Wirklich gut geschrieben, rinnt von Seite zu Seite besser, gleich wie der Whisky, den Gus zu sich nimmt. Lokal- und Sozialfärbung halten durch, der Autor weiß eben, welchen Cider die Menschen wo trinken und wie sie dazu fluchen. Aber wie bei jedem guten Krimi sollte auch hier eine kleine Warnung ausgesprochen werden: Krimifans, die sehr tierlieb sind, sollten von diesem Roman die Finger lassen. 08/10 Martin G. Wanko

Manfred Rumpl Das weibliche Element (Luftschacht)

Die filigranste Konstruktion namens Liebe Manfred Rumpl zeigt in diesem Erzählzyklus mit eleganter Leichtigkeit, wie aus selbstkritischer Haltung und klarer Sprache große Literatur selbst aus dem größten Thema der Menschheitsgeschichte entstehen kann. Anatol Hofer – aus den Romanen »Anatol Hofers Trotz« (1995) und »Murphys Gesetz« (2003) bekanntes, halbfiktives Alter Ego des Autors – blickt mit 50 Jahren zurück auf seine Bildungs-, Arbeits- und vor allem seine wichtigsten Liebesetappen. Er beginnt mit der ersten Liebe, die den 15-jährigen Pendler vom Dorf in seiner Grazer Schule durchzuckt. Wollte sich bis dahin eine erotische Lust aus Unkenntnis, was mit ihr anzufangen ist, nur selten einstellen, erwachen nun beide aus ihrem Leben und köpfeln ins Erleben, in dem das Herz reines Sinnesorgan ist. Dieses erbebt dann im Schock, als Sonja einer Übersiedelung wegen sich trennt – und Anatol erwacht aus dem Schock anders, als er gewesen war. Und tatsächlich tritt uns in der nächsten Story ein der Wirklichkeit stärker vertrauender Anatol entgegen: Aus der gemeinsamen Wohnung mit Katharina in eine WG gezogen, erhält der Taxi fahrende 28-jährige Literat und Philosophiestudent einen Anruf von Vera. Ihr war es gelungen, seinen besten Freund Toni zu domestizieren und nach Innsbruck wegzuholen. Nun besucht sie ihn in Graz, sie lieben sich intensiv, ehe die Amour fou auffliegt. Er zieht nach Wien, studiert dort weiter und jobbt u.a. als Bühnenarbeiter, sie besucht ihn nicht mehr. Verantwortungslos sei er, wirft sie – die hedonistische Netzwerkerin – ihm vor, ehe sie ihn telefonisch terrorisiert und aus seiner Wohnung Katharinas Briefe als Erpressungsmittel stiehlt. Aus dem sinnlichen Wahnsinn der Liebe ist unsinnliche Besitzsucht geworden … Mit dieser sind es Storys aus der letzten Bohéme-Ära, als Künstler und Philosophen – gerade autodidaktische Außenseiter konnten solche sein – noch kollektiv lotterten in Lokalen wie der Grazer Likörstube oder dem Alt-Wien als Diskursknoten – also lange vor Bobostan samt Zweitheimzentrale Waldviertel. Hofer ist nicht die Personifizierung der Bohème, dazu ist er zu introvertiert und benötigt Rückzug, aber auch das absolute Sich-Fallen-Lassen in Beziehungen. Eine Affäre gefährlicher Art erlebt er mit einer 16-jährigen Nachhilfe­ schülerin, Virginie, die psychologisch präziseste dieser sechs Storys: Die Macht des weiblichen Elements trifft auf die Brüchigkeit des männlichen. Rumpl, der Anti-Larmoyante unter Österreichs Literaten, tariert das Resümee seines Alter Ego weise aus zwischen philosophierender Selbstreflexion und sinnesbetörender Beschreibung impulsiver Gefühle. Der Erfahrung aus Leben – etwa in der sexvibrierenden Geschichte »Rochenflügel mit Risotto« – und Lesen verdankt Rumpl sein über Jahrzehnte perfektioniertes Können, lebensechte Literatur zu verfassen. Eine Literatur der Hingabe an ein ganzheitliches Menschsein – einer Hingabe, die Grenzen auslotet, um Harmonie zu suchen in sich: Mensch und Literatur. 10/10 roland steiner

Elmore Leonard Out Of Sight 03 (Suhrkamp) — Filmvorlagen, Drehbücher, Romane – der Großmeister des amerikanischen Krimis hat wirklich schon alles gemacht, wobei auch hier nicht alles Gold ist, was glänzt. Derzeit hat man als Elmore-Leser aber Glück, die Wiederveröffentlichungen sind stimmig: »Out Of Sight« (1996) diente Steven Soderbergh als Vorlage für seine gleichnamige Filmkomödie. Der Roman nimmt gleich am flotten Beginn eine sehr typische Weichenstellung vor: Der Held, Jack Foley, ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter Bankräuber, bricht aus dem Knast aus, entführt dabei Karen Sisco und findet sie attraktiv. Das Ungünstige daran: Karen ist US-Marshall und hat so gar keine große Lust, den Kriminellen ungeschoren davonkommen zu lassen. Also, was gibt’s dazu zu sagen: Mehr als flott geschrieben, vielleicht nicht so ultrarealistisch wie die Romane von Tony Black. Hat zwar den Nachteil, dass es einen nicht so stark berühren kann, aber Krimischreiben darf auch Show heißen, ein bisschen Glitzer, Gangstergetue, das muss schon drinnen sein. Schön eingebettet die »unmögliche Liebesgeschichte« zwischen einem Kriminellen und einer Polizistin, dazu schmissige Dialoge, die man eher vom Hochglanz-Pulp-Kino kennt. Ein Krimi zum Lachen also. Aber Leonard hat nie einen Hehl daraus gemacht, seinem Publikum geneigt gegenüberzustehen. 08/10 Martin Wanko Daniela Meisel Gegen einsam 04 (Picus) — Im Kampf gegen die Einsamkeit entwickelt so mancher eigenartige Marotten. Zwei solcher Außenseiter porträtiert die niederösterreichische Schriftstellerin Daniela Meisel in leichtem Ton. Er, Manuel Schmidt, ist ein Durchschnittsmensch durch und durch. Diese Tatsache ist ihm zuwider, er flüchtet sich in seine Sammlerleidenschaft, die langsam aber sicher zu einer Kaufsucht wächst. 17.000 Gegenstände besitzt der durchschnittliche Mitteleuropäer. Das jedenfalls hat Manuel Schmidt in einer Ausstellung erfahren und 068

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beschließt, 34.000 Gegenstände zu sammeln, um von einem max mustermann zu einem individualisten zu werden. es dauert nicht lange, da beobachtet manuel gleichzeitig 296 artikel in einem internet-auktionshaus, besitzt 29 clubkarten und treueheftchen, besucht jeden Flohmarkt der umgebung. die Gegenstände ordnet er alphabetisch in regalen. kurzum: seine sammlung besitzt ihn, den besessenen manuel. sie, maja ist ebenfalls unzufrieden und sammelt statt Gegenständen begegnungen. Zerstreuung findet sie bei ihrer taubstummen, lebensklugen Freundin maria und ihrem hobby, der wG-suche. Für jede suchanzeige gibt sie sich als andere person aus, eigentlich wäre sie nämlich lieber studentin anstatt fade angestellte einer steuerkanzlei. ihre erfolgsquote liegt bei knapp 70 prozent: von 157 angeschauten Zimmern hätte sie 109 bekommen können. maja will selbstbestätigung und interessante Geschichten hören. Zu einer liebesgeschichte entwickelt sich die begegnung mit manuel zum Glück nicht. sprachlich knapp, aber inhaltlich sehr detailverliebt wechselt meisel die perspektiven, behält aber leider für beide personen denselben sprachstil bei. 06/10 jUliANE fiSChEr Enno Stahl Winkler, Werber 05 (Verbrecher Verlag) — Jo winkler ist ein arrogantes, zynisches, cholerisches, sexistisches arschloch. Genau, er ist werbetexter, genauer seniortexter über dem kreativen Zenit bei der kölner agentur Gold reklamen. was er einfordert: effizienz; was ihn unter druck setzt: effizienz. er ist eine dieser Geigen, die aus heißer luft kapital zum schwingen bringen und dieses schwingen aber nach Jahren nicht mehr ertragen. mit dieser Grundstimmung hebt die suada von enno stahl – 1962 geborener performance-literat und kritiker – ab; es ist der atemlose innere monolog eines akteurs der krise am ende der nullerjahre unseres Jahrtausends. winklers chef werner verpflichtet seinen Gründungsmitarbeiter und die wesentlich jüngeren, pragmatischeren zu einem mehrtägigen betriebsausflug in die ex-ddr – vom bootsausflug mit auf suff und schlager erpichten pensionisten über den besuch einer kroatisch-kulinarischen katastrophe und kegelausflug bis zum casino-highlight all inclusive. stahl hält den detailfixierten monolog seines arbeit fetischisierenden erzählers auf Feuer, sowohl im tempo als auch im drogengehalt des romans. auch wenn die rund 300 seiten ihre dadurch bedingten längen haben: selten las man ein literarisches pendant einer getriebenen branche, das porträt der machtlosigkeit einer als mächtig verhimmelten kreativindustrie. witzig, praktisch, gut. 08/10 rOlANd STEiNEr Carsten Stroud Niceville 06 (Dumont) — mixt man »twin peaks« von david lynch, »das letzte Gefecht« von stephen king und »das haus« von mark Z. danielewski zu einem buch zusammen, kommt man zu carsten stroud. der hat einen bitterbösen, teils fantastischen und zugleich mystischen roman geschrieben. »niceville« ist der titel, nettes dorf, oder so. aber schwer geirrt, in dieser an sich idyllischen kleinstadt scheint sich das böse breitgemacht zu haben. hier verschwinden durchschnittlich fünfmal mehr menschen als in jeder anderen vergleichbaren kleinstadt, lässt uns der autor gleich eingangs wissen. es scheint hier, als hätte carsten stroud einige storys geschrieben, sie zerschnipselt, neu zusammengesetzt und wirklich sehr anständig aufgemotzt. das eigentlich Faszinierende ist, dass der roman funktioniert. der geht in all seiner pracht auf, erzählt nie alles, aber eben so viel, dass man gerne weiterliest. Jeder kennt »niceville«, jeder kennt böse Flecken, die man lieber meiden sollte und doch ziehen sie einen magisch an. so lange dieses prinzip hinhaut, das zugegebenermaßen dem leser eine gewisse naivität abverlangt, so lange haut auch ein roman wie dieser ganz gut hin. 07/10 MArTiN g. WANKO dr. Trash & r.evolver (hrsg.) Super Pulp Nr. 2 07 (Evolver Books) — der kleine verlag evolver books beschäftigt sich vorwiegend mit science-Fiction, horror und thriller. Zombies und obskure kreaturen, agenten und detektive bevölkern seine rasanten, überzeichneten und schnell zu lesenden storys. das mit großer liebe zum detail bearbeitete Genre nennt sich pulp, trash oder schund. teil des programms ist die im Groschenromanformat gestaltete reihe »super pulp«, deren zweite ausgabe jetzt erschienen ist und wieder drei kurzgeschichten und einen genrespezifischen, erläuternden aufsatz bringt. die spannendste und gelungenste story beobachtet die entwicklung der Fernsehshow »suicide now!«. weil die serie, die todeswillige beim selbstmord zeigt, an sehern verliert, wird das konzept überarbeitet und den Zusehern die entscheidung über den tod überlassen. was die Zuseher nicht wissen: das ist alles inszeniert. was die hauptdarstellerin nicht weiß: die regie hat sich einen knalleffekt einfallen lassen. witzig, billig, trashig! 07/10 MArTiN zEllhOfEr

SUBOTRON pro games

Veranstaltungsreihe zur Praxis von digitalen Spielen jeden Donnerstag im MuseumsQuartier | quartier21 | Raum D | 1070 Wien subotron.com/pro-games Diese wöchentliche Veranstaltungsreihe hat zum Ziel, durch die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Community die Weiterentwicklung und Etablierung der österreichischen GamesSzene zu unterstützen und zu begleiten. Im Raum D des quartier21 im Wiener MuseumsQuartier präsentieren SpieleentwicklerInnen die Geschäftsmodelle, Finanzierung, Projekte, Vermarktung und Vernetzung ihrer Firmen, Ausbildungsstätten geben Einblick in Voraussetzungen, Lehrpläne, Schwerpunkte und Ziele ihrer Lehrgänge, die verschiedenen Berufe in der Games-Branche werden erklärt und jeden letzten Donnerstag im Monat trifft sich die Games-Szene zum networking.

Do. 07.06.12 Spieleentwickler stellen sich vor : Cliffhanger Productions Software GmbH: Michael Paeck Do. 14.06.12 Ausbildungsstätten stellen sich vor : SAE Institute Wien / Qantm Game Design & Animation: Alexander Eibler Do. 21.06.12 Spieleentwickler stellen sich vor : Bongfish Gmbh: Michael Putz & Klaus HufnaglAbraham Do. 28.06.12 Gamers gathering – Branchenmeeting Live: Gameboy Music Club

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Medienpartner


Rez Box Brown The Survivalist 01 (Chalk Marks) — Republikanische Paranoia bestimmt das Leben von Noah Wartowsky. Zu respektierende Grundhaltungen, wie Skepsis gegenüber Pharmakonzernen, bläst er zu lebenserdrückenden Verschwörungstheorien samt nicht fundierten Anti-Argumenten auf. In seinem Ohr der hetzerische Podcast eines Dick March, über seinem Kopf ein Meteor. Die Regierung warnt vor einem Aufprall, plant und führt vorsorgliche Evakuierungen durch. Dick March spricht von profitorientierten Fehlinformationen, davon, dass der Meteor nie zum Meteorit wird und falls doch, dann harmlos in der Atmosphäre verglüht. Noah glaubt Dick und zieht sich in seinen Bunker zurück. Dann schlägt der Meteorit ein. An dieser Stelle hätte Box Brown »The Survivalist« in etliche Richtungen führen können. Die Entscheidung bei einer nüchtern-persönlichen Nabelbeschau, weder post-apokalyptisch noch gesinnungswandelnd, lässt »The Survivalist« zu etwas Besonderem werden. Nicht Validität oder Entstehung einer Weltanschauung ist es die zum roten Faden wird, sondern die hypothetische Anwendung einer solchen in einer Situation, in der sie keine Gültigkeit mehr hat. Eine kleine Teilantwort zu einer großen Frage. 06/10 Nuri Nurbachsch Hans Rickheit Folly 02 (Fantagraphics Books) — Rickheit agiert in einem Milieu, in dem Alptraum und Wunschtraum keine klaren Grenzen haben. Alles ist abstoßend körperlich sexualisiert, erzeugt darin eine unheimliche asexuelle Anziehungskraft. Die in »Folly« zusammengefassten Storys erscheinen wie luzides Träumen, allerdings in den Bildwelten fremder Menschen aus einem Paralleluniversum. Die Verwandtschaft zu Freud oder Jung ist bei Weitem nicht so ausgeprägt, wie jene zum Body Horror von David Cronenberg. Hier entsteht natürlich der rekursive Index zu den zwei Zuvorgenannten, jedoch in invertierter Hierarchie. Der einzige Halt ist Rickheits klarer, sauberer Stil, an den man sich klammern kann, wenn man Distanz zur Unaufgeräumtheit und dem Chaos der Bedeutung braucht. In Rickheits Illustrationen, mit den klaren, starken Linien und eindeutigen Perspektiven, hat alles seinen bestimmten Platz. 08/10 Nuri Nurbachsch Franz Suess 1160, Ottakring 03 (Eine Glaskrähe-Produktion) — Franz Suess begibt sich in »1160, Ottakring« auf die Spuren des Alltäglichen, die ihn durch zahlreiche Alltagsepisoden, Wiener Grätzeln und die vier Jahrszeiten führen. Es passiert nichts, was nicht auch in jedem anderen Leben ab und an passieren würde: Busse kommen zu spät, hoffnungsvolle Abende enden vor dem Fernseher, Zufriedenheit und Unzufriedenheit wechseln sich im Minutentakt ab, man will unter Menschen und hat sie dann doch wieder satt. Und genau darin besteht die subtile Magie von Suess’ Episoden – das Intime und Subjektive wird zum Allgemeinen, die launische, individuelle Meinung zum Allgemeinplatz, der innere Monolog zu einer kollektiven Verständigung über die Bewältigung des Alltags, der uns neben allerlei konstruierten und verzerrten Selbst- und Fremdbildern – wenn wir aufmerksam und offen genug sind – auch sagen kann, wer wir sind. Manchmal ist dieses Bild nicht besonders schmeichelnd, manchmal aber auch befreiend. Franz Suess zeichnet poetisch und schreibt pointiert mit viel Bild- und Wortwitz. 08/10 Alexander Kesselring 070

Comics Grant Morrison, Frank Quitely Flex Mentallo (DC Vertigo)

Sie lieben uns Eine der größten, geheimsten Liebschaften der Comics erwacht erneut. Magische Sigille und verehrtes Kultcomic: »Flex Mentallo«, eine Reise durch Wirklichkeiten. Wenn er seine Muskeln anspannt, kann er Realität verändern. Wallace Sage, als er noch ein kleiner Junge war, hat ihn erschaffen, mit grünem Stift auf den Seiten seines Notizblocks. Er beschützt und rettet uns alle. Flex Mentallo ist der nobelste, der stärkste, der ehrlichste aller Helden. Der Einzige oder vielleicht der Letzte. Doch plötzlich taucht die mysteriöse Faculty X mit ihren Trickbomben auf und es scheint so, als ob eine andere Figur aus Wallys Kinderzeichnungen sich in die Welt durchschlägt. Während Flex sich auf die Suche nach Wally macht, um das Rätsel zu lösen, erliegt dieser seinem langsamen Selbstmord in der Gosse, zugleich übers Telefon an der Beschaffenheit der Wirklichkeit zweifelnd. Das ist der Plot von »Flex Mentallo«, aber nicht, worum es geht. In diesem bizarren Muskelhaufen ist eine Liebesbotschaft versteckt, die so prägnant ist, dass sie wohl nicht in Worte alleine gefasst werden kann. Sie vibriert auf den verschiedensten Ebenen. Eine davon gehört nur den Comic-Fans. Denjenigen, die alle offensichtlichen und versteckten Anspielungen verstehen und ihr kindliches Staunen nie ablegen möchten. Auf einer anderen Ebene ist die Resonanz aber am stärksten. Dort spricht »Flex Mentallo« zu uns allen. Dieser naiv wirkende Kraftprotz stellt unser Verständnis von Echtheit, Relation, Identität und Realität in Frage. Hier ist es, wo wir entdecken können, dass Superhelden uns alle retten werden. Aber nicht, weil wir haltlose, schwächliche Kreaturen sind, auf Hilfe von außen angewiesen. Auch nicht als eskapistische Fantasie, in die wir uns einhüllen und verstecken können. In diesen Bildern und Buchstaben ist der positive Aufruf zur Selbstermächtigung codiert. Jeder könnte Flex Mentallo sein, metaphorisch aber echt, hier, in dieser Welt, in all unseren Realitäten. Grant Morrison erfand Flex Mentallo 1991 für »Doom Patrol«. 1996 schrieb er eine vierteilige Serie für »the man of muscle mystery«, die von Häufig-Kollaborateur Frank Quitely in unwirklich genialen Farben und Formen manifestiert wurde. Aber erst im April 2012 erschien die gesammelte Form dieser Mini-Serie. »Flex Mentallo« steht am Anfang einer schamanischen Trilogie Morrisons, fort geführt in »The Invisibles« und beendet mit »The Filth«. Man kann vom Realitätsbegriff des exzentrischen Morrison – erklärt in seinem Buch »Supergods« – halten was man will, aber im Kern steckt keine Absurdität. Im nüchternen Herz von »Flex Mentallo« schlägt die Idee, dass wir Meister unserer eigenen Welt sind, dass Rettung und Erlösung in unseren eigenen Händen liegt. Diese fantastischen Superhelden, denen wir auf den Seiten von »Flex Mentallo« begegnen, die sich aus ihrer Realität in unsere Fiktion gerettet haben, sie lieben uns. »Flex Mentallo« fordert viel vom Leser, aber gibt unendlich viel zurück. Denn wenn Flex Mentallo uns in seine fleischigen Arme nimmt, dann lernen wir, dass wir alle Superhelden sind. 10/10 Nuri Nurbachsch 01

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Alter Mann im Blutrausch Rockstar schickt Max Payne gut zehn Jahre nach seinem letzten Auftritt ins brasilianische Sao Paulo. Intensive und nicht nur atmosphärisch dichte Action mit wenigen überraschungen. Die ersten beiden Games, damals von den »Alan Wake«-Machern Remedy Entertainment in Finnland entwickelt und vertrieben und portiert von Rockstar, schufen einen der wenigen unverwechselbaren Videospiel-Charaktere: Max Payne. Einen nicht mehr jungen und noch nicht alten Cop auf großer Rache-Mission, dessen Familie ermordet wurde und der Trost in Alkohol und Tabletten (»Painkiller«) sucht, während er selbst vergleichsweise erbarmungslos gegen Dealer und Junkies und vorgeht. Max Payne ist ein gebrochener, nicht restlos sympathischer und überhaupt nicht klischeefreier Held. Für den Spieler funktioniert dies zumindest auch wegen der gelungenen und intensiven Erzählweise und der damals ungewöhnlichen Third-PersonAction mit Bullet-Time (siehe John Woo). Zehn Jahre später – acht Jahre im Spiel – ist vieles beim Alten, aber doch rundumerneuert. Max Payne geht es als Mensch ganz sicher nicht besser, als Wrack und Bodyguard verdient er sich in Sao Paulo in den Häusern der Reichen seinen Lebensunterhalt. Wenig überraschend geht hier einiges schief und er wird nach einer Entführung in große Konflikte zwischen Wirtschaft, Politik, Geld und Macht gezogen. Wenig überraschend, dass Max am blutigen und dreckigen Ende der Geschehnisse steht. Die Inszenierung ist modernisiert, zitiert aber nicht nur in der dunklen Erzählstimme die beiden Originalspiele. Nicht nur technische Störfilter ersetzen die dunklen Schnee-Vorhänge New Yorks ansprechend und adäquat. Zur Bullet-Time gesellt sich ein modernes Deckungs-Gameplay und im Gegensatz zu anderen Rockstar-Spielen ist »Max Payne 3« grafisch auf der Höhe der Zeit und die Action ziemlich poliert. Mit Genrereferenzen wie der »Gears Of War«Reihe lässt sie sich zwar nicht vergleichen, aber es ist eine der besten Mechaniken in einem Rockstar-Spiel bisher. Weniger erneuert ist der Charakter Payne, der sich für Rockstar ungewöhnlich glatt durch die Clubs der Reichen und die Favelas der Armen ballert. Dafür gibt es als Bonus Arcade- und Online-Modi. Die in mehrfacher Bedeutung dichte Atmosphäre rettet über die Schwächen im durchaus bekannten Setting und ein Gameplay, das noch besser sein könnte, locker drüber. 08/10 MArTiN Mühl

Max Payne 3 (Rockstar); Xbox 360 getestet, PS3, PC; www.rockstargames.com 071


Rez Botanicula 01 (Daedalic Entertainment); PC, Mac; www.botanicula.de — Die Story ist schnell erzählt: Ein blühender Baum wird von Parasiten befallen, fortan liegt es an einer Gruppe von fünf Baumwesen, die letzte Saat vor den Eindringlingen zu schützen. Im Gegensatz zu anderen Point-and-Click-Adventures trifft man in »Botanicula« nur selten auf Kombinationsrätsel. Zumeist erfordert das Spiel die unmittelbare Manipulation der Umgebung durch simple Mausklicks und gibt direktes Feedback an den Spieler. Dieser Umstand sorgt nicht nur für ein flüssiges Spielerlebnis, sondern regt auch an, allerlei Dinge auszuprobieren. Die Resultate überraschen dabei immer wieder aufs Neue, sind kreativ und mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. Amanita Design lieferte bereits mit »Machinarium« ein viel beachtetes Stück Adventure-Kunst ab, »Botanicula« steht dem um nichts nach und weicht die Grenze zwischen Spiel und Kunst weiter auf. 08/10 Reiner Kapeller Dirt Showdown 02 (Codemasters); Xbox 360 getestet, PS3, PC; www. dirtgame.com — Mit »Grid«, den aktuellen »F1«Spielen oder auch der »Dirt«-Reihe nimmt Entwickler Codemasters eine gewichtige Rolle ein, wenn es um Rennspiele geht. Hier passt meist einfach alles, übertrumpft die Gameplay-Engine beinahe jede Konkurrenz und gelingt die Balance zwischen Zugänglichkeit und Spaß für Vielspieler. »Showdown« ist nun ein Spin-Off der Rallye-Reihe »Dirt« und setzt wie diese auf einen pumpenden Soundtrack und eine grelle Präsentation. Spielerisch gibt es viele klassische Modi, in denen Rennen gefahren werden oder es auch einfach nur darum geht, Punkte zu sammeln, indem man in Gegner kracht und diese zerstört. Vieles davon ist nicht gerade neu, »Dirt Showdown« aber um Welten besser als etwa das kürzlich erschienene »Twisted Metal«. Die Fahr-Engine motiviert und gibt überdurchschnittlich gutes Feedback – ein willkommenes Update bekannter Spielideen. 07/10 Martin Mühl Ghost Recon – Future Soldier 03 (Ubisoft); Xbox 360 getestet, PS3, PC; ghostrecon. de.ubi.com — Die taktische Militär-Shooter-Reihe »Ghost Recon« wurde bereits mit dem Vorgänger »Advanced Warfighter« (2006, Teil 2 2007) deutlich zugänglicher. Auch »Future Soldier« versucht sich am Spagat zwischen der Forderung nach taktischen Skills und einer Einladung an ungeübte Spieler. Allein oder gemeinsam bewegt man sich im Squad in verschiedenen Kriegsgebieten und muss Missionen verschiedener Ausmaße erledigen. Es handelt sich dabei weniger um große Schlachten als um tendenziell kleinere Zugriffe. Diese erfordern taktisches Vorgehen und das nutzen allerlei technischer Hilfsmittel wie Sensoren, Tarnkappen oder auch Dronen. Die eigentlichen Schusswechsel sind im Gegensatz zu Shootern wie »Call Of

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Duty« oder »Battlefield« eher weniger actionreich und setzen dafür mehr auf Planung und das richtige Zusammenspiel der Squad-Mitglieder. Diese Betonung ist einerseits eine angenehme Abwechslung, auf der anderen Seite gehen einem ein wenig die knackige Präsentation der genannten Spiele ab und das Spielgeschehen wirkt nicht nur präziser, sondern mitunter auch steril. Die MultiplayerMöglichkeiten sind erwartungsgemäß umfassend (Koop, …). »Future Soldier« bietet Taktik-Fans einen modernen 3rd-Person-Shooter und eine gelungene Fortführung der Serie. Die Action packt nicht ganz so zu, dafür überzeugt die komplexe aber angenehm präzise Spielmechanik. 08/10 Martin Mühl The Second Guest 04 (Head Up Games); PC; www.secondguest.com — Bei »The Second Guest« gilt es in typischer Pointand-Click-Manier den Mörder eines alten Lords im England der 20er zu finden. Dabei stolpert Hauptcharakter Jack Ice immer wieder über teils frustrierende spielerische Unzulänglichkeiten. Kann man sich für den detailarmen Zeichenstil noch erwärmen, ist spätestens bei den steifen Animationen Schluss. Die Rätsel werden eher durch Zufall (Bugs) als durch Kombinationsgabe gelöst und der Sprachwitz weckt nicht mehr als ein müdes Lächeln. Da entschädigen selbst die Synchronsprecher von Johnny Depp und Ben Stiller nur wenig. »The Second Guest« wird so zum klassischen Opfer einer verfrühten Veröffentlichung. 04/10 Reiner Kapeller The Witcher 2: Assassins of Kings – Enhanced Edition 05 (CD Projekt / Namco Bandai); Xbox 360 (getestet), PC; thewitcher.com — Die Welt von »The Witcher 2« ist ein hartes Pflaster. Ein düsterer und feindseliger Ort, bevölkert von zwielichtigen Gestalten. Geralt, Hexer von Riva, ist keine Ausnahme: er jagt und mordet für Geld. Durch eine Intrige wird er jedoch selbst zum Gejagten und hat folglich großes Interesse an der Aufklärung des ihm zur Last gelegten Verbrechens. PC-Rollenspieler können seit 2007 (»The Witcher«) bzw. 2011 (»The Witcher 2«) Geralt begleiten – den kontroversen Antihelden, ersonnen vom polnischen Fantasy-Autor Andrzej Sapkowski. Nun gibt’s endlich den optimierten zweiten Teil für Xbox 360. Neben diversen Detailverbesserungen und einer Aufwertung des finalen Aktes glänzt das Spiel erneut durch ein dynamisches, timingbasiertes Kampfsystem und liefert eine spannende und wendungsreiche Geschichte, die dem Spieler regelmäßig Entscheidungen abverlangt; und nicht selten entpuppt sich die eine oder andere als schwerwiegender als gedacht. Vergessen sind all die seichten genre-typischen Nuancen anderer Rollenspiele, die uns in der Vergangenheit als alternative Pfade und Enden verkauft wurden – die Handlungen des Hexers haben Gewicht! Dass Sex, Gier und rohe Gewalt anstelle verklärter Romantik

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und dem Kampf Gut gegen Böse vorherrschen, ist ein Trend, der sich langsam aber sicher zu etablieren scheint. »The Witcher 2« steht sein blutbeschmiertes Kleid jedenfalls vorzüglich. Kaum eine Spielwelt ist spannender, Charaktere selten glaubwürdiger. Ein bemerkenswertes Spiel, das bis auf den immer noch etwas enttäuschenden Schlussakt alles richtig macht. 09/10 Stefan Kluger Trials Evolution 06 (RedLynx / Ubisoft); Xbox Live Arcade; www.redlynx.com/trials-evolution — Motorrad-Trickrennen gehören seit Jahrzehnten zur Fix-Ausstattung der Videospielgeschichte – und bringen immer noch fantastische neue Games hervor. »Trials Evolution« ist das Update von »Trials HD«, es geht darin ganz simpel darum, mittels Geschwindigkeit und Gewichtsverlagerung einen Trial-Fahrer möglichst schnell und fehlerfrei über waghalsige Parcours zu jagen. Die Steuerung ist dabei höchst präzise, die Aufgabe leicht zu verstehen, aber schwer zu meistern. Viele, viele Strecken verlängern das Vergnügen, noch mehr können selbst gebaut oder von anderen Usern heruntergeladen werden. Die Aufgaben eignen sich auch perfekt für unterhaltsame Stunden zu mehrt, in denen Rekorde gebrochen und neue Strecken bestanden werden. Die großen Stärke von »Trials Evolution« ist die Perfektionierung des Gameplays und damit zusammenhängend seine verbesserte Zugänglichkeit. Auch wenn so manch Aufgabe nicht einfach ist, so ist das Spiel doch selten frustrierend, weil immer klar ist, dass der Fehler beim Spieler liegt. Großartigst. 09/10 Martin Mühl Yakuza: Dead Souls 07 (Sega); PS3; www.sega.com — Der neueste Teil der »Yakuza«-Reihe ist mehr ein Spin-Off als eine Fortsetzung. In der Sega-Version von Tokio bricht eine Zombie-Seuche aus und anstatt sich mit verfeindeten Yakuzas zu prügeln, setzt man sich gegen die Horden Untoter hauptsächlich mit Schusswaffen zur Wehr. Einerseits bringt das eine ganze Menge Abwechslung mit sich, andererseits ist der Umstieg auf Schusswaffen nicht ganz gelungen. Man merkt der Steuerung an, dass sie eigentlich für den Nahkampf ausgelegt ist, besonders das Zielen funktioniert nicht wirklich ideal. Wie immer werden besonders Japan-Fans angesprochen. Die Sprachausgabe gibt’s nur auf Japanisch, Untertitel nur auf Englisch und wie immer allerlei typisch japanische Nebenaktivitäten wie Pachinko, Karaoke und Hostess-Clubs. Die Grafik wurde im Vergleich zum Vorgänger kaum verbessert und setzt technisch zwar keine neuen Maßstäbe, muss sich aber auch nicht verstecken. Fans der Reihe, die keine Angst vor Experimenten haben, können die Wertung noch um einen Punkt erhöhen, Neueinsteiger sollten zuerst eher den Vorgänger ausprobieren. 06/10 Niko Acherer


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TEXT Andreea Dosa BILD Künstlerhaus, LENTOS Kunstmuseum Linz, Nils Klinger, Tobias Hermeling, Gregor Titze, Tanzquartier, Archiv des Künstlers

»Megacool 4.0« bietet einen visuellen Streifzug durch die Bildlandschaften und Themenfelder von Jugendkultur: Online-Kulturen, Körper- und Geschlechtsinszenierungen und ihre Choreografien, Mode, Games, Sport und Party. Mit Arbeiten von Künstlern aus Europa, Russland, China und den USA sollen die grundlegenden Fragen jugendlicher Identitätssuche von den kreativen Köpfen einer Generation in den Mittelpunkt gerückt werden. Eröffnung: 14. Juni, 19.00 Uhr; Dauer: 15. Juni bis 7. Oktober Wien, Künstlerhaus

Megacool 4.0: Jugend und Kunst

TERMINE K U L TUR


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Sean Scully – retrospektive das lentos kunstmuseum linz zeigt in kooperation mit dem kunstmuseum bern eine personale des irisch-amerikanischen künstlers sean scully, einem der wichtigsten vertreter der abstrakten malerei. mit rund 50 Gemälden wird eine auswahl von scullys werken präsentiert, in denen sich streifenmuster mit präzisen linien und stark kontrastierenden Farben überlagern. Eröffnung: 21. juli, 19.00 Uhr; dauer: 22. juli bis 7. Oktober linz, lentos Kunstmuseum

documenta 13 im Juni startet die größte kunstausstellung der welt zum 13. mal, heuer unter der künstlerischen leitung von carolyn christov-bakargiev. anders als ihre vorgänger will christov-bakargiev die stadt stärker in die ausstellung einbinden: konflikt und trauma, Zerstörung und verlust sind die schlüsselbegriffe der 13. documenta. Eröffnung: 9. juni; dauer: 9. juni bis 16. September Kassel, fridericianum, Karlsaue, gloria Kino, Orangerie, Neue galerie, Ständehaus, Ottoneum, hauptbahnhof, documenta-halle

Tobias hermeling – 242–243: Blick aus dem Wohnzimmer die tobias hermeling werkschau zeigt einen querschnitt die arbeiten des deutschen künstlers, unter anderem auch seine künstlerische betrachtung des burgenlands. seine werke setzen sich aus unterschiedlichen medien wie werbung, nachrichten, populärkultur und der eigenen biografie zusammen. die musik spielt in der malerei von hermeling ebenfalls eine große rolle. dauer: 6. juli bis 30. August Eisenstadt, landesgalerie Burgenland

Up to Nature im rahmen des unplugged-Festivals »up to nature« wird die vogeltennwiese im wienerwald zur brut-bühne für outdoor-performances. vom 15. bis 17. Juni werden sich künstler wie French mottershead, antti laitinen, loose lips sink ships, martin nachbar oder owl & mack mit dem lebensraum wald und dem naherholungsgebiet am stadtrand als Grenzbereich zwischen urbaner kultur und kultivierter natur auseinandersetzen. Eröffnung: 15. juni, 18.00 Uhr; dauer: 15. bis 17. juni Wien, Brut

lucia glass: Sensation mode liefert die inspiration für das neue stück »sensation« von lucia Glass, das in wien im rahmen des mq-programmschwerpunkts »summer of Fashion« erstmals als outdoor-version zu sehen ist. die performance der hamburger choreografin beschäftigt sich damit, wie ein outfit die trägerin in ihrer bewegung beeinflusst. außerdem wird die mode der beteiligten designer mit elementen wie wasser, nebel und wind konfrontiert. vorstellung: 29. juni, 20.30 Uhr Wien, Tanzquartier, fürstenhof

franz zadrazil: Wien Paris New york die retrospektive wirft einen neuen blick auf das werk des 2005 verstorbenen österreichischen malers, der für seine fotorealistischen darstellungen von häuserfassaden und stadtbahnstationen bekannt ist. neben malerei werden Fotografien, ein experimenteller Film aus den 70er Jahren und werke aus seinen letzten lebensjahren präsentiert. Eröffnung: 29. Mai, 19.30 Uhr; dauer: 30. Mai bis 28. Oktober Klosterneuburg, Essl Museum 075


BILD — DANIEL SCHREIBER JACK (BY THE GAP) PRÄSENTIERT AM

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TEXT Franziska Wildförster BILD Galerie Bernd Kugler Innsbruck, Galerie Krobath Wien / Lisa Rastl

Termine

Gal e r i e n

Holger Endres, »01 / Magenta Schwarz Weiß (Hommage an Kazuo Ohno)«

Ugo Rondinone, »the moth poem and the holy forest«, Ausstellungsansicht, 2012

Holger Endres

Ugo Rondinone

»Es ist nicht wichtig zu verstehen, was ich tue. Vielleicht ist es besser, wenn die Zuschauer es nicht verstehen. Wichtig ist, dass sie etwas empfinden.« Kazuo Ohno gilt als Pionier des Bothu-Tanzes – ein freier Tanz, der ganz dem Erleben des Körpers und der eigenen Existenz gewidmet ist. Fernab choreografischer oder konzeptueller Gehirnanstrengung, Zwängen und Regeln. Holger Endres versucht, diese Ansprüche in seiner »Hommage an Kazuo Ohno« nun auf die abstrakte Malerei umzuwandeln. Auch der Österreicher wählt dafür den Rahmen der Performance und des Körper­ einsatzes, auch ihm geht es um Fragen des Körpers und Geistes in der Verbindung von Raum und Zeit, und auch seine Werke sollen den Betrachter zum Fühlen einladen. Die Wandmalerei in der Bernd Kugler Galerie wird im Verlauf von vier Tagen auf einer 2,8 Meter hohen und 36 Meter langen Fläche entstehen. Die einzelnen Arbeitsschritte kann der Betrachter miterleben – gleich einer Performance. 1. Juni bis 14. Juli Innsbruck Galerie Bernd Kugler

Ugo Rondinone ist wohl vielen durch seine Neon-Regenbögen bekannt, die in der Vergangenheit Fassaden in New York oder München schmückten. Die Arbeiten des Schweizers sind stets poetisch, leicht, naiv und doch beklemmend. So auch die neuen Werke in der Wiener Galerie Krobath. Rondinone spielt wieder mit Verweisen auf seine Künstlerahnen, sei es durch die Verwendung altbackener Bronze für seine täuschend echten Birnen und Tannenzapfen, oder die Zuspitzung der Naturnachahmung – auch dies ein längst über Bord geworfenes, klassisches Paradigma. Doch wird hier ein zentrales Moment der Kunst formuliert: Alles Geschaffene lehnt sich an bereits Geschaffenes an. Jeder Künstler, wenn er seine Sache richtig macht, fügt etwas Neues hinzu. Rondinone etwa führt so nicht nur den alten Widerspruch zwischen Vergänglichem und Ewigem, sondern in der geometrischen Anordnung seiner Täuschungen auch zwischen Natur und Konstruktion ad absurdum. bis 30. Juni Wien Galerie Krobath

Kärnten

Vorarlberg

Galerie Judith Walker 21. Juni bis 2. September Hermann Nitsch

Niederösterreich

Kunstfabrik Groß Siegharts bis 8. Juli Judith Kerndl

Oberösterreich

Galerie 422 Margund Lössl bis 31. Juli Martha Jungwirth

Salzburg

Galerie Thaddeus Ropac bis 14. Juli Wolfgang Laib

Steiermark

Galerie Eugen Lendl bis 14. Juli Siegfried Faschingbauer

Tirol

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman bis 7. Juli Gunter Damisch

Galerie Lisi Hämmerle bis 30. Juni Djinni in a Bottle – Materialisation und Medialität

William S. Burroughs, 45 Long Colt 5 Shots, 1992 © Estate of William S. Burroughs

CUT-UPS, CUT-INS, CUT-OUTS

Die Kunst des William S. Burroughs 15. Juni – 21. Oktober 2012

Die KUNSTHALLE wien präsentiert William S. Burroughs, der mit seinem Roman Naked Lunch zur Ikone der Beat Generation avancierte, als bildenden Künstler. Gezeigt werden neben Cut-ups aus Fotografie, Sound, Kunst und Literatur auch die legendären Shotgun Paintings des exzessiven Revolutionärs und Intellektuellen, der für seine Schusswaffenbegeisterung bekannt war und bei einer missglückten Willhelm-TellNummer sogar seine Ehefrau erschoss.

Wien

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman bis 15. September Michael Kienzer Hilger Contemporary bis 16. Juni Vasilena Gankovska Galerie Gabriele Senn bis 16. Juni Max Schaffer Galerie Emanuel Layr bis 30. Juni Plamen Dejanoff Galerie Martin Janda bis 16. Juni Sharon Ya’ari Charim Galerie bis 16. Juni Dorothee Golz Galerie Raum und Licht bis 7. Juli Käthe Hager von Strobele / Ernst Koslitsch Galerie Lisa Ruyter bis 30. Juni Lisa Beck

Brion Gysin, William S. Burroughs, Danger, Paris 1959, The Barry Miles Archive

tägl. 10 bis 19 Uhr, Do. 10 bis 21 Uhr Museumsplatz 1, A–1070 Wien

tägl. 13 bis 24 Uhr, So. und Mo. 13 bis 19 Uhr Eintritt frei | Treitlstraße 2, A–1040 Wien www.kunsthallewien.at


TERMINE FESTI V A L S

3 Fragen an Stephan Maurer (Grelle Forelle /  Electronic Opera) Wie offen war die Staatsoper für dieses Projekt? Habt ihr euch mit einer umfassenden Präsentation vorgestellt, wie lange plant ihr das schon? Also erstmal möchten wir dieses Forum nutzen, um Dr. Georg Springer und Fritz Thom nochmals unseren Dank auszusprechen. Ohne diese beiden Herren hätte das Projekt »Electronic Opera« niemals die Wandlung von einem Konzept in die Realität vollzogen. Fritz Thom (und sein Team) war mit seiner langjährigen Erfahrung als Festivaldirektor des Jazzfests eine enorme Hilfe. Fritz ist uns auch in den Gesprächen mit der Bundestheater Holding beratend zur Seite gestanden. Selbstverständlich gab es bereits in den frühesten Gesprächen eine sehr umfassende Präsentation von unserer Seite. Die ersten Gespräche haben bereits im Herbst 2010 stattgefunden. Mal angenommen, es gibt am Tag danach Brandlöcher von Zigaretten, Bierdosen vor der Oper, Sticker am Klo oder Einschusslöcher – seid ihr da abgesichert? Wir sind uns natürlich der Besonderheit und Exklusivität des Hauses in dem wir veranstalten bewusst, jedoch ist allen Beteiligten klar, dass am 7. Juli nicht in einem sterilen Ambiente Sekt geschlürft wird. Wo Turbo drauf steht, ist auch jede Menge Turbo drin. Brandlöcher werden hoffentlich auf dieser Nichtraucher-Veranstaltung weniger ein Thema sein, genauso wenig wie Einschusslöcher. Wenn alles gut geht, werdet ihr das Projekt wiederholen, gibt es Vorvereinbarungen? Und welche Artists habt ihr noch für eine Electronic Opera im Auge? Dieses Pilot-Projekt ist absolut auf eine langfristige Entwicklung ausgelegt. Für 2012 planen wir eine völlig eigene Produktion. Diese wird von einem Komponisten und einem DJ bzw. Producer begleitet. Es wird eigene Musik komponiert und mit einem Orchester geprobt und aufgeführt. Das Team der Visual Artists wird gemeinsam mit den Musikern eine elektronische Oper inszenieren. Wir sind bereits  mit mehreren Künstlern im Gespräch. Electronic Opera Live: Car Craig, Moritz von Oswald, Francesco Tristano; Rebel Rave: Jamie Jones, Maceo Plex, Damian Lazarus, Amirali; Visuals: Neon Golden 7. Juli Wien, Staatsoper 078

Filmszenen aus »Slumming« und »Casablanca«. Bei Kino unter Sternen flimmert heuer das Böse über die Leinwand.

Kino unter Sternen Wohlfühlen, Happiness, heile Welt und Zuckerwatte stehen 2012 beim Kino unter Sternen nicht wirklich auf dem Programm, wenn sich der Platz vor der Karlskirche wieder für mehr als drei Wochen in ein Freiluftkino verwandelt. »Böse Böse« lautet das Motto diesmal und steht damit ganz in der Tradition des österreichischen Films. Dunkel, abgründig, hysterisch. Verlorenes Glück gescheiterter Existenzen. Wenn schon Humor, dann abgründig schwarz. Gezeigt werden bei freiem Eintritt unter anderem die Filme »Böse Zellen«, »Hotel« und »Slumming«. Mit der »Casablanca-Connection« widmet man sich in Rick’s Cafe auch historischen Dimensionen des Films und richtet den Scheinwerfer auf Exilanten, die vor den Nazis flüchten mussten. Die »Ganz böse Surprise-Tour« bildet einen weiteren Programmpunkt, bei dem Drehorte in Wien aufgesucht werden. 29. Juni bis 22. Juli Wien, Karlsplatz Resselpark


TERMINE FESTI V A L S Ganz oben bei den Frisurentrends 2012: »Tsunami«, getragen von Louise Lecavalier in ihrer Performance »So Blue«.

Beim ImPulsTanz Festival 2011 wurde erstmals die 100.000-Marke durchbrochen und die Veranstalter konnten sich über diese rekordhohe Besucherzahl freuen. Ob sie dieses Jahr einen ähnlichen Erfolg feiern werden, kann man ab 12. Juli verfolgen.

Sommerszene »Zugabe«, so der diesjährige Programmtitel, zeigt Produktionen von Künstlern, die das internationale Tanzgeschehen der letzten 30 Jahre und so auch die Geschichte des Salzburger Festivals maßgeblich geprägt haben. Eröffnet wird mit einer Uraufführung von Louise Lecavalier und Benoît Lachambre, dem Choreografen und Regisseur Wim Vandekeybus ist eine Retrospektive seiner Tanz- und Spielfilme gewidmet. Auf dem Domplatz zeigen Anne Teresa De Keersmaeker und die Compagnie Rosas ihre Tanzinszenierung zu »Drumming«, einer Komposition von Steve Reich für Bongos, Marimbas und Glockenspiele. Und Dave St-Pierre treibt in seinem Tanztheaterstück »New Creation« über menschlichen Utopien seine Tänzer – meist in provozierender Nacktheit – bis an die Grenze des Extremen. 5. bis 15. Juli Salzburg, diverse Locations

Glatt und Verkehrt Festival

Das Glatt und Verkehrt Festival hat sich ganz und gar der Weltmusik verschrieben. So pilgern auch dieses Jahr wieder viele internationale Stars ins beschauliche Krems. Von Kuba bis Korea ist bei dem Musikspektakel so ziemlich jeder Kontinent vertreten. 28. bis 29. Juni Krems, diverse Locations Liquid Loft und Chris Haring inszenieren »The Perfect Garden«.

TEXT Jana Lapper BILD Kino unter Sternen (2), Louise Lecavalier, Giannina Urmeneta Ottiker

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Regionale 12

Auch die Regionale in der Mur-Mürz-Furche ist ein Festival, das sich zeitgenössischer Kunst und Kultur widmet. Sie geht aber raus aus kulturellen Ballungszentren und beschäftigt sich mit den ländlichen Regionen, vor allem im Hinblick auf die Zeit der Verstädterung heute. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Thema Naturressourcen. 22. Juni bis 22. Juli Region Murau, diverse Locations

Espressofilm

Der Kurzfilm ist der Espresso des Films und schafft es im Rahmen des Espressofilm Festivals nun auf die Kinoleinwand. Unter Sternenhimmel kann man diesen Sommer das internationale und österreichische Kurzfilmprogramm genießen. 6. Juli bis 31. August Wien, Gartenpalais Schönborn

Experimente Festival

ImPulsTanz Es sprüht, springt und dreht sich wieder alles. Das größte europäische Tanzund Performance-Festival ImPulsTanz geht, beziehungsweise wirbelt, dieses Jahr zum 29. Mal über die Bühne. Der Fokus liegt mit der Choreographic Platform Austria unter anderem auf der österreichischen Tanzszene. So wird Chris Haring zusammen mit Liquid Loft »The Perfect Garden« inszenieren, ein temporäres Second Hand-Paradies mit Objekt-Installationen und Tänzern. Eröffnet und beschlossen wird das Festival von der kanadischen Tanzlegende Benoît Lachambre, der am 12. Juli zusammen mit der Performerin und Musikerin Clara Furey auftreten wird. Musikalisch gibt es unter anderem von der österreichischen Elektropop-Band The Bandaloop was auf die Ohren. 12. Juli bis 12. August Wien, diverse Locations

Zwei Tage lang dreht sich im Werk alles um die Anfänge des Films. Frühe Stummfilmraritäten werden von jungen österreichischen Künstlern musikalisch neu interpretiert und somit in einen modernen Kontext gestellt. Nostalgie trifft auf Avantgarde. 7. bis 8. Juni, Wien, Kunst- und Kulturzentrum Werk

Schrammelklang Festival

Das Schrammelklang ist vor allem für den Naturfreund ein Vergnügen. Das Musik-Natur-Theater, wie sich das Festival beschreibt, findet unter anderem auf Bühnen in der freien Natur rund um den Herrensee statt. 6. bis 8. Juli Litschau, diverse Locations 079


TERMINE MUSI K

Ai WeiWei Never Sorry »Der überaus stimmige Film bietet die Möglichkeit, abseits der Schlagzeilen in Weiweis kontroverse Welt einzudringen und den Künstler aus nächster Nähe kennenzulernen. Dabei ist er Dokumentation und Charakterstudie zugleich, sowie eine Ode an die Kunst und, nicht zuletzt, die Freiheit. Eindringlich und treffend zeigt er die Bemühungen Weiweis der letzten Jahre sowie dessen unaufhaltsames Weitermachen, trotz etlicher Rückschläge.« — Artemis Linhart (The Gap)

Die Gebrüder Schreiber haben sich ihren Namen redlich erstanden: The New Tower Generation

Jack by The Gap: The New Tower Generation Eigenlob stinkt – aber dass sich unser Jack prächtig entwickelt hat und den Morisson Club Monat für Monat rammelvoll macht, wollen wir an dieser Stelle schon einmal erwähnen. Einen Lauf haben auch unsere Gäste im Juni: The New Tower Generation, bestehend aus den Zwillingen Daniel und Fabian Schreiber. Die beiden haben ihre Wurzeln im renommierten HipHop-Kollektiv Waxolutionists, ihr neues Projekt widmet sich allerdings organisch dichtem House. Die Einflüsse sind schnell in Jersey und Chicago verortet, aber die Musiker übersetzen diese gekonnt in einen deep pumpenden zeitgenössischen Sound. Ihre Tracks »Trembolon« und »Horny Goat Weed« werden bereits jetzt von Größen wie Deep Space Orchestra, Italo Johnson oder James Johnston gechartet. 29. Juni Wien, Morisson

The Gap lädt zur Premiere und empfiehlt, ein paar Ming-Vasen zum kollektiven Smash-In einzupacken:

VotiVkino 14. JuNi eiNlaSS: 19:00 BegiNN: 19.30 Schick ein Mail an premiere@thegap.at mit dem Betreff »weiwei«, um zwei Tickets für die Premiere zu bekommen. Gilt solange der Vorrat reicht. AiWeiWeineVersorry.com

Coco Rosie Gerade erst haben Sierra und Bianca Casady fürs Donaufestival fleißig zwischen Musik, Tanztheater und Performance-Kunst umgegraben, schon stehen sie – mit der neuen Single »We Are On Fire« im Gepäck – auf der Bühne der Wiener Arena. Begleitet werden die beiden Schwestern unter anderem von der nord­ indischen Folkgruppe Rajasthan Roots, mit der sie auch in Krems zusammengearbeitet haben, und dem französischen Beatboxer Tez. 26. Juli Wien, Arena

TEXT Stefan Niederwieser, Manuel Fronhofer BILD Daniel Schreiber, Jean Marc Ruellan, Archiv (2), Stadtsaal, Prater Unser, D. L. Anderson

the gap lädt zur premiere von


TERMINE MUSI K Stuck Festival

NACHHALTIGKEIT IM BRIEFKASTEN? BIORAMA IM ABO: WWW.BIORAMA.AT

Eines der qualitätssichersten Festivals des Landes findet alljährlich im Salzburger Rockhouse statt: Das Stuck setzt auf frische, aufregende Acts – von Gitarre bis Elektronik ist dabei vieles erlaubt. Heuer mit dabei: Boy, The Hundred In The Hands, Breton, A Thousand Fuegos, Crys­ tal Fighters (Bild), Gold Panda, Light Asylum, Darkness Falls, Wolfram, Sizarr, Mile Me Deaf u. a. 3. bis 4. August Salzburg, Rockhouse

Thurston Moore

OOK.COM/BIORAM

A

Moodymann

BIORA AR R ABONNI—ERB KOSTENLOS — ABE M 1040 WIEN P.B.B. — 11Z038861

Mit einem klingenden Namen kann der Wiener Stadtsaal im August aufwarten: Thurston Moore, seit über 30 Jahren als Gitarrist und Sänger von Sonic Youth Aushängeschild einer aus dem Underground in Richtung Mainstream ausstrahlenden, kopflastigen (ohne Sex-Appeal einzubüßen!) Rockmusik, präsentiert sein hochgelobtes Solo­album »Demolished Thoughts« live. 3. August Wien, Stadtsaal

AUSGABE 18 — MAI

/ JUNI 2012. WWW.

MA.EU — WWW.FACEB

Bis zur Seligsprechung von Moodymann dauert es nicht mehr lange. In Techno- und House-Kreisen wird Kenny Dixon Jr. verehrt wie nur wenige andere. »Black Mahagoni« gilt als Meilenstein der Clubmusik. Gigs von ihm sind eine echte Seltenheit, weil er weder gerne fliegt noch gerne seine Heimatstadt Detroit verlässt. Mittlerweile spielt er immerhin nicht mehr hinter einem Vorhang … 23. Juni Wien, Grelle Forelle

Prater Unser

Wien feiert zum dritten Mal das neue Festament. Rund um den Prater werden Attraktionen in kleine Freudentempel umgebaut, am Riesenrad wird eine Beat-Predigt gehalten, die Apostel von Techno und House werden die frohe Kunde verbreiten und Hohepriester der Basswelle werden in der Pratersauna ihre Messe abhalten – es heißt wieder: Prater Unser. 14. bis 17. Juni Wien, Prater

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Bon Iver Justin Vernons Folksongs lassen einen Winter und Frühling gleichermaßen spüren – den großen Schmerz und das kleine Glück, Verzweiflung und Hoffnung. Mit einer Kanye-West-Kollabo und mehreren Grammys in der Tasche ist Vernon nun durch Europa unterwegs. In der Wiener Arena gibt’s ihn unter freiem Himmel zu sehen. 1. August Wien, Arena

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Yeasayer

Early Birds

The Full Hit Of Summer

Der düstere Sound, der das für Mitte August angesetzte Yeasayer-Album »Fragrant World« prägen soll, lässt sich anhand des Single-Vorboten »Henrietta« bereits testhören. Atmosphäre statt Tanzbarkeit? Es wird sich weisen … Live dürfte sich das Trio aus Brooklyn etwas tiefer in die Karten blicken lassen. 2. Juli Wien, Szene

Allzu oft wird in der äußerst zentral gelegenen Kunsthalle Wien ja nicht Party gefeiert. Für Early Birds wird einmal im Monat eine Ausnahme gemacht. Das geht auch deshalb, weil es nicht nur auf die Zwölf gibt, sondern Kunst und Performance dabei ihr verdientes Platzerl bekommen. 29. Juni Wien, Kunsthalle

Zwei Tage, acht Bands – und auch heuer wieder kein einziger Fehlgriff. Zu sehen sind: Eagles Of Death Metal, Two Gallants, Phenomenal Handclap Band und M185 am Mittwoch, Beirut, M. Ward, Kurt Vile & The Violators und Sweet, Sweet Moon am Freitag. Möge der Sommer beginnen! 20. und 22. Juni Wien, Arena

Das umweltfreundliche Ja-Wort Eine Liebeserklärung in Grün Festivalsaison Klimaverträglichkeit statt Bierdosen-Berge Footprint-Analyse Nachhaltige Lebensstile am CO2 -Prüfstand Marktplatz Kosmetik Beauty-Tools für unterwegs

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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

Mit einer WeiSSwurst kann man alles machen

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illustration Jakob Kirchmayr

icht selten werde ich gebeten zu erzählen, was man denn zu beachten hat, wenn man eine Sex-Kolumne verfasst. Was braucht es für Rüstzeug, wie muss man das anstellen? Ich schweige mich dazu gerne aus. In einem Kochbuch findet man ja auch nicht die Geheimzutaten. Allerdings leide ich auch ein wenig unter dem oft zitierten »Helfersyndrom«. Ich weiß, dass es das gibt, und werde es auch gleich demonstrieren.

1. Um eine Sex-Kolumne zusammenzukleistern, braucht es einmal eine Idee zum Thema. Da müssen im Vorfeld kreative Säfte fließen, die brauchen gar nichts mit Sex zu tun zu haben. Zum Beispiel beginnt jetzt ja dann die Festivalsaison. Da tut man fest im Freien sich aufhalten und viele Bierlis zwitschern. Bekanntlich sind Frischluft und Alkohol in Form vergorener Gerste weitschichtige Verwandte, die sich bei Familientreffen durchaus ausgezeichnet verstehen und immer viel zu erzählen haben. 2. Es wäre sehr einfach, ja nahezu schon an Primitivität grenzend, mit Camping und Bier in die Sex-Kolumne einzusteigen. Deshalb braucht es ein absurdes Faktum, um eine falsche Spur zu legen. Essen, Mode, Politik oder ein bisschen Klugscheiße sind die absoluten Burner auf diesem Gebiet. Alle vier dieser »falschen Fährten« unter einen Hut zu bringen, das ist die Herausforderung. Zur Not darf man auch lügen. Zum Beispiel könnte man erwähnen, dass die erste Auflage von Jamie Olivers zweitem Kochbuch »Genial Kochen mit Jamie Oliver« eingestampft werden musste, da darin ein Rezeptfehler enthalten war. Der britische Superstarkoch empfahl nämlich für die Zubereitung von Folienkartoffeln, Alufolie über Nacht in bestem Chiliolivenöl einzulegen. Damit sollten dann tags darauf speckige Erdäpfel eingewickelt werden. Pfui! Chiliolivenölalufolie, was soll das denn bitte bringen? Und jedes Kind weiß, dass man für Folienkartoffel mehlige Erdäpfel nehmen muss. Noch einmal: Pfuipfuipfuipfuipfui! 3. Dann Pointen suchen und ein wenig auf Jamie Oliver herumreiten. Den kann und darf man dissen ohne Ende. Das ist

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zwar sehr Nullerjahre, allerdings ist der Pool an trotteligen TV-Köchen unerschöpflich, um für seinen Hass weitere Anknüpfungspunkte zu finden. Beispiele gefällig: Steffen Henssler (Teilzeitmongo), Christian Rach (Küchennazi), Alfons Schuhbeck (spritzt grünen indischen Urwaldpfeffer aus Kerala), Horst Lichter (kriegt Intimgeschmack seiner Frau nicht aus dem Schnauzer), Johann Lafer (kriegt Intimgeschmack von Horst Lichter nicht aus dem Schnauzer). Vor allem das Duo Lafer / Lichter ist immer für eine Pointe gut. 4. Bei Schritt vier ist es wichtig, nicht den Sex aus den Augen zu verlieren und die Frage zu stellen: Jetzt haben wir Essen in der Kolumne, wie kommt noch schnell Mode, Politik und Klugscheiße rein? Gute Frage. Da könnte noch mal Jamie Oliver herhalten. Der stammt aus der Grafschaft Essex, nordöstlich von London. Da ist Essen und Sex quasi schon drinnen, ein Wortspiel somit aufgelegt. 5. Da man die Grafschaft aber wie die japanische Turnschuhmarke Asics ausspricht, haben wir vielmehr unseren Link zur Mode. Jetzt könnte man also über Turnschuhmarken plaudern, oder Popbands, oder MDMA fressende Technojapaner. 6. Aber auch die Herstellungsbedingungen von Turnschuhen und wie Konzerne gerade versuchen, sich Bio-, Eco- und Nachhaltigkeitsfähnchen aufs Revers zu heften, kann erwähnt werden. Das verleiht der Sex-Kolumne eine politische Ebene. Aber Achtung: Das kann Anzeigenkunden kosten! 7. Oder aber man geht auf den Firmennamen Asics näher ein, womit ein wenig Klugscheiße ins Spiel kommt. Der Markenname soll nämlich ein Akronym fürs lateinische »Anima Sana In Corpore Sano« sein. Gesunde Seele in gesundem Körper heißt das und ist eine Variation von »Mens Sana In Corpore Sano«, ein oft aus dem Zusammenhang gerissener Satz des römischen Dichters und Satirikers Juvenal.

Wörtlich übersetzt schrieb dieser nämlich: »Aber damit du was hast, worum du betest, weshalb du vor dem Schreine die Kutteln und göttlichen Weißwürste opferst, sollst um gesunden Geist in gesundem Körper du beten.« Der Dichter beschwerte sich übrigens darüber, dass die einfältigen, dummen Sportlergemüter in gesunden Körpern stecken, die großen Denker seiner Zeit aber vom Krebs und Geschlechtskrankheiten zerfressen dahinsiechen. 8. Jetzt muss dann langsam eine Klammer überlegt werden. Camping, Bier und Festival sind noch offen. Einen derben Vergleich, explizit formuliert, der Lust auf mehr macht, braucht es. »Ich kann keinen Unterschied mehr zwischen Turnschuhen, Weißwürsten und meinem Schwanz riechen.« 9. Den Grund dafür erklären und so das Feld von hinten aufrollen. Folgendes Szenario ist denkbar: Chiliolivenölalufolienkartoffel wurden aus Platzmangel in Turnschuhen gelagert. Chiliolivenöl ist in Übermut auf Weißwurst und Penis geschmiert worden. Erstere Wurst wurde sogar gegrillt. Die andere brannte einfach so. Dass Weißwürste nicht auf den Grill gehören denkt übrigens nur Jamie Oliver, der Küchenbarbar aus Essex und Erfinder der Chiliolivenölalufolienkartoffel. »Mit einer Weißwurst kann man alles machen«, sagt Alfons Schuhbeck, ein Bayer, der weiß das. 10. Titel für die Kolumne finden. Idealerweise fasst er das Kommende knackig zusammen. Es ist aber auch okay, wenn was völlig Irrelevantes dort steht. Niemand macht sich darüber Gedanken, und alle, die interpretieren wollen, sind froh, wenn sie Raum dazu haben. »Dekonstruktion in Dur oder Moll, je nachdem«, klingt super, »Einfach Nachkochen« wäre auch okay. »Mit einer Weißwurst kann man alles machen« passt aber am besten. Ist ja eine Sex-Kolumne. 11. Dann alles zusammenstoppeln, durchschütteln, anrichten und aus.

Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly




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