The Gap 197

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Oskar Haag

Burgtheater, Fußball und Debütalbum

AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2023 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 8000 GRAZ, P.B.B. | MZ 18Z041505 M N ° 197 € 0,—

BÄUM DICH AUF!

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Editorial Cause we know we’re here to stay

So schnell kann’s gehen: Ende des Jahres noch Autor bei The Gap und jetzt hier in exponierter Position. Ganz am Anfang, sowohl von diesem Heft wie der neuen Rolle. Aber vielleicht bin ich jetzt zu schnell: Hallo miteinander, Bernhard Frena mein Name, ich bin der neue Chefredakteur von The Gap. Keine Angst! Viel geändert hat sich nicht. Unter zwei Chefredakteur*innen – Theresa Ziegler und Sandro Nicolussi – durfte ich über queere Communitys, popkulturelle Nischen und virtuelle Verquickungen schreiben. Beide haben dem Magazin sanft ihren Stempel aufgedrückt, ohne die Grundbausteine von The Gap über den Haufen zu werfen. Das wäre auch mein Plan.

Allerdings möchte ich mir hier, ganz zu Beginn, ein paar Gedanken über die Rolle von Magazinen wie The Gap in der (österreichischen) Popkulturlandschaft machen. »Print stirbt«, heißt es schon lange. Da ist was Wahres dran, gerade in der Popkultur. Im Netz geht alles schneller, einfacher und direkter. Die Qualitäten von Print wirken dagegen fast altbacken: Verlässlichkeit, Beständigkeit, Legitimität. Diese Worte riechen muffig und angestaubt. Doch sie haben ihr Gutes: Sie verleihen Gewicht. Dank ihnen können Printmagazine Nischen zur Geltung bringen und ungehörten Menschen Gehör verschaffen. Dank ihnen können Magazine unabhängig von Plattformen bestehen, die sich täglich nach Tagesgeschmack und Marktwert neu erfinden müssen. Dank ihnen können sie Szenen über Jahrzehnte begleiten und gemeinsam mit ihnen wachsen. Auch The Gap ist mit seiner Szene über die Jahre ge- und verwachsen. Und wird dies hoffentlich auch in Zukunft weiter tun.

Zum Schluss noch kurz zum aktuellen Heft: Ganz lässt uns die Debatte um KI-Generierung aus der letzten Ausgabe noch nicht los. Diesmal haben wir Chat GPT zehn essenzielle Fragen von »Should I Stay or Should I Go?« bis »Wer hat den Mann mit dem Koks bestellt?« beantworten lassen. Auf das Cover hat es aber einer geschafft, der ganz und gar nicht künstlich klingt: Oskar Haag hat unserem Autor Christoph Benkeser bei einem Spaziergang durch den Wurstelprater von Fußball, Burgtheater und Debütalbum erzählt. Weitere Themen sind die zunehmend prekäre Wohnsituation für Studierende und nachhaltige Taschenproduktion. Außerdem: Interviews zur Vienna Club Commission, zu den Illustration Ladies Vienna sowie zur neuen ORF-Plattform Topos.

Viel Spaß beim Lesen!

Chefredakteur • frena@thegap.at

Web www.thegap.at

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Herausgeber

Manuel Fronhofer, Thomas Heher

Chefredaktion

Bernhard Frena

Leitender Redakteur

Manfred Gram

Gestaltung

Markus Raffetseder

Autor*innen dieser Ausgabe

Christoph Benkeser, Barbara Fohringer, Oliver Maus, Martin Mühl, Tobias Natter, Sandro Nicolussi, Victor Cos Ortega, Dominik Oswald, Helena Peter, Felix Schmidtner, Jana Wachtmann, Thomas Weber, Sarah Wetzlmayr

Kolumnist*innen

Josef Jöchl, Christoph Prenner

Fotograf*innen dieser Ausgabe

Alexander Galler, Teresa Wagenhofer

Coverbild

Teresa Wagenhofer

Lektorat

Jana Wachtmann

Anzeigenverkauf

Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl

Distribution

Andrea Pfeiffer

Druck

Grafički Zavod Hrvatske d. o. o.

Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung

Thomas Heher

Produktion & Medieninhaberin

Comrades GmbH, Hermanngasse 18/3, 1070 Wien

Kontakt

The Gap c/o Comrades GmbH

Hermanngasse 18/3, 1070 Wien office@thegap.at — www.thegap.at

Bankverbindung

Comrades GmbH, Erste Bank,

IBAN: AT39 2011 1841 4485 6600, BIC: GIBAATWWXXX

Abonnement

6 Ausgaben; Euro 19,97 abo.thegap.at

Heftpreis Euro 0,—

Erscheinungsweise

6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 8000 Graz

Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

Die Redaktion von The Gap ist dem Ehrenkodex des Österreichischen Presserates verpflichtet.

Bernhard Frena

Magazin

010 »Messi hat mich abgezogen!«

Durch den Tag mit Oskar Haag

018 »Who the fuck is Alice?« Chat GPT beantwortet die Fragen unserer Zeit

022 »Freiraum macht Clubkultur aus« Martina Brunner im Gespräch über die Vienna Club Commission

024 »Nicht das Schmalz, aber der Kitt« ORF-Topos-Chef Gerald Heidegger im Interview

026 Ein Leben nach der Straße Freitag und die kreislauffähige Lkw-Plane

028 Wien und die Welt Illustration Ladies Vienna im Interview

032 Reise nach Jerusalem

Wie Studierende mit steigenden Wohnkosten umgehen

004
Alexander Galler, Illustration Ladies, Manuel Fronhofer, Felix Schmidtner, Theresa Wey
032

026

Kolumnen

Felix Schmidtner

Für uns hat Felix mit Studis über ihre Wohnsituation geredet. Selbst hat er da auch schon einiges durchgemacht. Von spirituellen WGs in Lissabon bis zu einer stromlosen Woche in Wien. Abseits vom Schreiben forscht er als Neurowissenschaftler zur Wirkung von Stress und Koffein aufs Hirn, macht Praktika mit Elefantenhirnen oder tauscht sich bei einem Kaffee mit Freund*innen übers Leben aus. Er ist nämlich Genussmensch – zumindest solange es das Geldbörsel hergibt.

Teresa Wagenhofer

Teresas liebste Vergnügungsparkattraktion ist das Kettenkarussell Praterturm im Wiener Wurstelprater. Ebendort hat sie auch Oskar Haag für unsere Coverstory fotografiert. Grundsätzlich bildet sie gerne außergewöhnliche Menschen an außergewöhnlichen Orten ab. Für uns seit 2021, am allerliebsten analog und bei schönem Licht. Um Licht dreht sich bei ihr überhaupt viel: Beim Filmschauen flimmert es, ihre Pflanzen brauchen es und nach langen Nächten lugt es manchmal schon wieder über den Horizont.

The Gap im Jahresabo

6 Ausgaben um nur € 19,97

Ihr mögt uns und das, was wir schreiben? Und ihr habt knapp € 20 übrig für unabhängigen Popkulturjournalismus, der seit 1997 Kulturschaffen aus und in Österreich begleitet?

Nähere Infos unter abo.thegap.at N ° 194 € 0,— Von der Musik leben Wie steht es um die Branche? The_Gap_194_001-060_Umschlag_BBA_mf.indd OKTOBER NOVEMBER ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. MZ 18Z041505 N 195 € 0,— Gegen das Humor-Patriarchat FLINTA* erobern die Kabarettbühnen The_Gap_195_001-060_Umschlag_PACK.indd person looking at smartphone by egon schiele DEZEMBER 2022 2023 THE GAP IST UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT P.B.B. MZ 18Z041505 N ° 196 € 0,— Künstliche Kunst Der ambivalente Aufstieg KI-generierter Bilder The_Gap_196_001-060_Umschlag_PACK_BBA_mf.indd

003 Editorial / Impressum 007 Charts 016 Golden Frame 038 Prosa: Markus Köhle 040 Gewinnen 041 Rezensionen 046 Termine
Screen Lights: Christoph Prenner
Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
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058
Rubriken 028
Dann haben wir für euch das The-Gap-Jahresabo im Angebot: Damit bekommt ihr uns ein ganzes Jahr, also sechs Ausgaben lang um nur € 19,97 nach Hause geliefert.

Haltungsübung Nr. 11

Filterblase verlassen.

Um Ihre Haltung zu trainieren, brauchen Sie kein atmungsaktives Outfit und keine Gewichte, nur Ihren Kopf. Üben Sie zunächst jeden Tag, ihn aus der Filterblase zu ziehen. Das funktioniert sogar im Sitzen.

derStandard.at

Der Haltung gewidmet.

Entgeltliche

Charts Nike 101 TOP 10

Deutsch-Rap-Zitate

01 »Ich hab Schabernack gemacht, doch an den Schaden nicht gedacht« (Haiyti)

02 »Sie sieht gut aus, sie ist Legende und eine sehr Intelligente« (Raf Camora)

03 »Lauf immer der Nase nach, doch leider ist sie schief« (Teuterekordz)

04 »Greta Thunberg kann mich nicht leiden, weil von meinen Tränen die Wasserspiegel steigen« (Pink Viagra)

05 »Nein, ich muss mich niemals hochficken, treffe jeden Takt, vielleicht muss ich mich bald runterficken, weil sonst heb’ ich ab, vielleicht muss ich deine Mutter ficken, weil’s sonst keiner macht« (Juju)

06 »Um Drogen zu dealen, braucht man keinen Abschluss zu haben« (Haftbefehl)

07 »Das ist jetzt das zwanzigste Dick-Pic, Bitte um Feedback« (Nico von K.I.Z)

08 »Mama tut mir leid, ich bin zu real« (Haiyti)

09 »Jeder Hater ist nur ein Klick mehr, du bist nicht mal ein Fick wert« (Schwesta Ewa)

10 »Sie fragt: ›Wann gehen wir auf ein Date?‹ Ich sag ihr, ich bin so wie ’ne Kerze, ich gehe nur aus, wenn du bläst« (Money Boy)

TOP 03

Lieblingsgerichte (oddly specific)

01 Sushi Set: 4 Lachs, 1 Thunfisch, 2 Butterfisch, 1 Tamago, 3 Avokado-Maki

02 Rucola-Salat mit Erdbeeren, Orangen, Ziegenkäse, Walnüssen, Balsamico und Kürbiskernöl

03 Der Himbeer-Mohn-Rondo mit Vanille-Pudding von der Bäckerei Der Mann

Auch nicht schlecht

Der ZIB entfolgen und gscheide Zeitung lesen

Die Wiener Rapperin Nike 101 hat gerade ihr Debütalbum »Zu viele Hobbies« herausgebracht.

Charts Thomas Fürhapter

TOP 10

Find ich gut

01 Kaffee

02 Zeichnungen

03 Intersektionalität

04 Schafe

05 Filme von Kelly Reichardt

06 Zeitlupe

07 Wiener Zeitung

08 Pausen

09 Weinhaus Pfandler

10 Listen

TOP 03

Find ich gar nicht gut

01 Privatjets

02 Essentialismus

03 Waldhäusl

Auch nicht schlecht: Vereter (Band)

Thomas Fürhapter ist seit 15 Jahren als Regisseur und Autor tätig. Sein neuester Film »Zusammenleben« startet am 10. März in den österreichischen Kinos.

MYX

www.big-art.at

Diquit
Jayredavience
Gamboa, Marika Rákóczy
Einschaltung Foto ©
von Gelatin Seidl
Manfred
Die rund fünf Meter hohe Skulptur im Innenhof des Gymnasiums Lessinggasse in Wien ist mehr als ein Maskottchen: Als eine Art identitätsstiftendes Überwesen soll es die Jugendlichen begleiten und mit ihnen den Schulalltag bewältigen. MYX steht auch für den Mut, Außergewöhnliches – über die „Norm-Maße“ hinaus – zu denken und zu schaffen.

Splitter

Musikvideos auf der Kinoleinwand

Bei Frames laufen ab 31. März wieder kuratierte Musikvideos auf dem Big Screen. ———— »In Zeiten von Social Media gehen liebevoll produzierte Musikvideos in den Timelines schnell unter«, so begründen Benjamin Keitel und Matthias Katkowski, die beiden Initiatoren, ihre Motivation, die Musikvideo-Screening-Reihe Frames wiederzubeleben. Nach vier zunehmend erfolgreichen Screenings bis 2019 war dann erst einmal pandemiebedingt Pause. Jetzt startet das Team wieder durch. Beginnend mit dem ersten neuen Screening am 31. März im Schikaneder Kino, ist pro Quartal ein Screening geplant. Dort wird das (hoffentlich) zahlreiche Publikum dann bestaunen können, was die österreichische Musikvideoszene so zu bieten hat. Die Einreichphase für die Videos ist dabei offen, alle Interessent*innen können ihre Musikvideos vorschlagen. Anschließend legt eine Jury – an der auch unsere Redaktion beteiligt sein wird – fest, welche Videos es ins Programm und auf den Silver Screen schaffen. The Gap ist überdies als Medienpartner mit dabei und wird für einen medialen Rahmen sorgen.

Bühne und Spotlight

Kino-Flatrate startet in Österreich

Ab 9. März kann man mit dem Nonstop-Kinoabo unbegrenzt Filme in 18 österreichischen Kinos ansehen. ———— In der Stadt unterwegs und spontan Lust auf einen Kinofilm? Den Nonstop-Kino-Pass gezückt und rein in eines der teilnehmenden Kinos. Sehen, was gerade gespielt wird, sich überraschen lassen, neue Filme entdecken, neue Kinos. So stellt sich Martin Kitzberger, Geschäftsführer der Nonstop GmbH, die Zukunft mit dem Kinoabo idealerweise vor. 18 Kinos österreichweit sind aktuell Teil der Aktion. In Wien sind Admiral Kino, Burg Kino, DeFrance, Filmcasino, Filmhaus am Spittelberg, Gartenbaukino, Stadtkino im Künstlerhaus, Top Kino, Schikaneder sowie Votiv Kino mit dabei. Zudem gibt es teilnehmende Kinos in Linz, Krems, Salzburg, Innsbruck, Freistadt und Graz. Eine Ausweitung ist bereits für dieses Jahr angedacht. Ablaufen wird das Ganze recht unbürokratisch. Der Pass wird online auf www.nonstopkino.at bestellt und kostet 24 Euro pro Monat (bzw. 22 Euro für U26 oder bei Abschluss eines Jahresabos). Beim Kauf der Kinokarte an der Kassa wird dann einfach der Pass anstatt eines Zahlungsmittels vorgelegt. Reservierungen werden in den meisten Kinos ganz normal möglich sein.

Die Magie des Kinos

Ziel der Reihe ist es, der österreichischen Musikvideoproduktion mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. »Wir möchten der Szene eine Plattform geben und den Macher*innen im Hintergrund eine Bühne und ein Spotlight«, so die beiden Veranstalter. Außerdem gehe es ihnen darum, die Industrie zu vernetzen und junge Filmschaffende zu fördern. Denn die Musikvideobranche in Österreich sei bunt und habe auch international einen hohen Stellenwert, aber: »Die Künstler*innen haben das Problem, mit den bestehenden Budgets ein hochwertiges Musikvideo zu drehen, ohne dass die Filmschaffenden fast ›gratis‹ arbeiten. Denn sobald eine Band erfolgreich wird, kommen die großen Labels aus Deutschland und nehmen diese unter Vertrag.« Und dann geschehe die Produktion der Musikvideos eben auch oft dort. Ein starkes Netzwerk in Österreich und eine sichtbare Szene seien Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Frames unterstützt diesen Prozess aber nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch durch Q&As mit den Filmemacher*innen sowie gemütliches Networking rund um die Screenings.

Die Frames-Screenings starten am 31. März im Schikaneder Kino. Die Details dazu findet ihr rechtzeitig auch auf www.thegap.at.

Wiktoria Pelzer, eine der Initiator*innen des Projekts, erklärt ihre Motivation so: »Das Thema Kinoabo hat mich schon seit längerer Zeit beschäftigt, und mit Covid ist klar geworden: Es muss jetzt was passieren für das Kino. Kino ist meine größte Leidenschaft: Filme sehen, vermitteln, mit und durch Filme lernen und meinen Horizont erweitern – das will ich nicht nur selbst, sondern ich will diese Magie des Kinos auch jedem und jeder niederschwellig zugänglich machen.« Das niederländische Vorbild Cineville hat hier bereits den Weg gewiesen. Das Publikum habe sich verjüngt, sei spontaner geworden und auch nach den Lockdowns schneller wieder in die Kinos gekommen. Davon weiß auch Martin Kitzberger zu berichten: »Ich kenne das Kinoabo aus meiner Studienzeit in Rotterdam. Ich habe mir dort gleich in der ersten Woche das Abo besorgt und war dann fast täglich mit meinen Studienkolleg*innen im Kino: Kino vorm Fortgehen, Kino an Katersonntagen, Kino statt der Vorlesung.« Bernhard Frena

Das Nonstop-Kinoabo startet am 9. März. Vorbestellungen für den Pass sind unter www.nonstopkino.at möglich.

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Frames Network, Minitta Kandlbauer

Wichtiger Beitrag der Bundesmuseen zum Klimaschutz: Das Belvedere in Wien erhielt 2022 das Österreichische Umweltzeichen. Seit mehr als 30 Jahren steht das staatlich geprüfte Siegel für Umweltschutz in Österreich.

Klimafitte Kulturbetriebe

Das neue Förderprogramm des Kunst- und Kulturministeriums unterstützt Kultureinrichtungen bei ökologisch nachhaltigen Investitionen. 15 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Gefördert werden Projekte zur Senkung der CO 2 -Emissionen. Jetzt können Förderanträge eingereicht werden.

Klima- und Umweltschutz sind auch im österreichischen Kunst- und Kulturbetrieb brennende Fragen unserer Zeit – in der künstlerischen Auseinandersetzung und in Fragen der Optimierung von Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft. Mit dem neuen Förderprogramm „Klimafitte Kulturbetriebe“ will das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) in Zusammenarbeit mit dem Klima- und Energiefonds Kultureinrichtungen nun auf ihrem Weg in eine ökologisch nachhaltige Zukunft besser unterstützen. Insgesamt steht ein Fördertopf von 15 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm unterstützt Investitionen zur Senkung von CO2Emissionen und Einsparung von natürlichen Ressourcen.

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer sagt zum neuen Förderprogramm:

„Was ursprünglich als Beitrag des Kultursektors zur Bewältigung des Klimawandels gedacht war, ist heute angesichts der Energiekrise ein Muss für die Absicherung unserer Kulturbetriebe. Mit dem einzigartigen Förderprogramm ‚Klimafitte Kulturbetriebe‘ machen wir ökologische Investitionen im Kulturbereich leistbar.“

Die Details zum Förderprogramm

Gefördert werden ökologische Vorhaben zur nachhaltigen Senkung von CO2-Emissionen in allen zu einem Kunst- und Kulturbetrieb zugehörigen Gebäuden in Österreich:

• Klimafreundliche Heizung, Lüftung und Kühlung

• Nutzung erneuerbarer Energieträger

• Energ ieeffiziente Innen- und Außenbeleuchtungssysteme

• Thermische Gebäudesanierung

Fördersummen

• Maximal 75% für Vorhaben mit Investitionskosten bis 75.000 Euro

• 50% für Investitionskosten über 75.000 Euro

• Maximale Fördersumme pro Projekt: 250.000 Euro

Die Maßnahmen müssen innerhalb von 2 Jahren nach dem jeweiligen Ausschreibungsende fertig umgesetzt werden. Umsetzung bis spätestens 31. Dezember 2025

Zwei Ausschreibungstranchen

1. Ausschreibung: 10. Oktober 2022 bis 15. März 2023, 24:00 Uhr

2. Ausschreibung: 16. März 2023 bis 29. September 2023, 12:00 Uhr

Informationen unter www.kulturklimafit.at www.bmkoes.gv.at

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Foto © Lukas Schaller / Belve dere, Wien
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Mal Fotoshooting-erprobtes

»Wunderkind« mal 17-jähriger Fußballfan: Oskar Haag

»Messi hat mich abgezogen!« Durch den Tag mit Oskar Haag

Er zockt »Fortnite«, redet wie ein deutscher Youtuber und hat seine Freundin vom Startbildschirm verbannt. Trotzdem bezeichnen ihn manche seit seiner Debütsingle »Stargazing« als »neues Wunderkind«. Was Oskar Haag wirklich ausmacht. ———— Unter dem Riesenrad plärrt der Donauwalzer aus kleinen Lautsprechern. Während zwei Touristinnen durch den Eingang des Wurstelpraters tänzeln, dreht sich ein Postkartenständer im Wind. »Ich hab gedacht, du gehst fix auf mich zu, weil du eh weißt, wie ich ausschau«, sagt Oskar Haag und streckt mir die rechte Hand entgegen. Oskar – Jeansanzug, grün-gelber Strickpulli und Herrenschuhe – könnte aus der Frühjahrskollektion einer angesagten Modemarke gepurzelt sein. Dabei

ist der Mann mit den Schneckerln Musiker und Schauspieler. Manche bezeichnen den 17-jährigen Klagenfurter sogar als eine der größten »Pop-Hoffnungen« der österreichischen Musikszene. Oskar weiß das. Er rückt seinen »Omas gegen Rechts«-Pin zurecht, der an der Brusttasche seiner Jacke steckt.

Wir schlendern am geschlossenen Autodrom vorbei, rechts neben uns schlängeln sich gelbe Schienen in den Praterhimmel. Oskar hat den Treffpunkt selbst vorgeschlagen, wohnt nur ein paar Minuten entfernt.

Im Sommer zupfen hier Jugendliche an Zuckerwatte, schmusen in der Geisterbahn oder verbraten ihr Taschengeld beim Tröten-Techno-Tagada. Heute, an einem sonnigen Nachmittag im Jänner, verirren sich nur verlorene Seelen in den zweitältesten Vergnügungspark der Welt. Die Achterbahnen rasten. Niemand schleudert sich in drehenden Suppentellern zur Ekstase. Statt buntem Gewirr herrscht Stille. Der Wiener Prater hält Winterschlaf. Wer mit Kleingeld kommt, hat trotzdem Glück. Einige einsame Automaten blinken, manche grunzen leise vor sich hin. »Magst du schießen?«, frage ich Oskar, als wir an einer Fußballmaschine vorbeikommen. Er dreht sich um, seine Augen werden bei ihrem Anblick groß. »Ja klar, die hat ein BarcaTrikot an.« Mein Glück: Ich weiß, dass Oskar nicht nur Burger mag und die Beatles liebt, sondern auch glühender Fan des FC Barcelona ist. All das hat er schon öfter in Interviews erwähnt. Außerdem steht für ihn ein ehemaliger Barca-Kicker über allen: Lionel Messi. Der Argentinier schnürt seine Schuhe zwar längst für einen anderen Verein. »Aber Messi hat mich Barcelona lieben gelernt«, sagt Oskar. Ich krame nach Kleingeld. »Hier«, sage ich und stecke eine Zwei-Euro-Münze in den Schlitz des Kickerautomaten. Der Kasten

Teresa Wagenhofer
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»Ich hab Glück. Wieso sollte ich darauf verzichten?«

Oskar Haag »Teenage Lullabies« (Lullaby Records)

VÖ: 3. März

grummelt. Oskar drückt auf den Startknopf. Eigentlich sollte ein Fußball ausklappen, aber es passiert – nichts. »Na, des gibt’s ned! Messi hat mich abgezogen«, schreit Oskar und hämmert ungeduldig auf den Startknopf. Ich krame nach einer weiteren Münze, der zweite Euro fällt. Wieder bewegt sich der Ball keinen Zentimeter. »Scheiße! Die Maschine nimmt uns aus!« Oskar tritt gegen den Automaten. In seinen Augen erkenne ich kurz ehrliche Enttäuschung. Er hätte wirklich gern geschossen.

Krebs-Trauma aus Lönneberga

Mit der Geisterbahn, einer der wenigen geöffneten Attraktionen, will Oskar nicht fahren. Das eine Mal mit sechs Jahren habe gereicht. Dass er sich inzwischen einen Horrorfilm nach dem anderen reinzieht, kann daran nichts ändern. »Wirklich Angst hab ich nur vor Krebsen«, sagt Oskar und schaut mich an, als warte er auf die Frage nach dem Warum. »Früher hab ich ›Michel aus Lönneberga‹ im Fernsehen geschaut, das ist der von Astrid Lindgren. In einer Folge stellt er einen Eimer voller Flusskrebse vor das Bett seines Vaters. Der steigt rein und alle Krebse beißen ihn. Das hat mich traumatisiert!«

Oskar lacht hell auf, als wir unter dem Kettenkarussell stehenbleiben. Vor uns steht eine lebensgroße Plastikfigur, sie trägt ein lilafarbenes Kleid. »Genau wie du im Burgtheater, oder?«, sage ich mehr als Aussage denn Frage. Schließlich habe ich die Fotos gesehen: Oskar spielt aktuell in einem ShakespeareStück an der Wiener Burg. Auf der Bühne trägt er ein Kleid, bei dem sogar Timothée Chalamet zugreifen würde. Dass er mit seinen Locken so ähnlich aussieht wie der gehypte US-Schauspieler, mag Oskar schon gehört haben. Den Gesichtsausdruck hat er sich jedenfalls bei ihm abgeschaut. Jedes Mal, wenn Oskar in eine Kameralinse blickt, öffnet er leicht den Mund – irgendwie verlegen, ein bisschen rätselhaft, so wie Timothée.

Mit Glück zum »Wunderkind«

In den Hundeblickmomenten ist Oskar nicht der 17-jährige Fußballfan, der ausgelassen gluckst, wenn ihm ein Fußballautomat das Kleingeld klaut. Schnappt der Auslöser, verwandelt er sich in jenes »Wunderkind«, zu dem er seit seinem Debüthit »Stargazing« gerne erhoben wird. 2021 spielte Oskar sein erstes Konzert vor ein paar Freund*innen, sein zweites vor 500 Fremden in der Karlskirche. Danach erhielt er Standing Ovations. Expert*innen von Falter bis FM4 waren sich einig: Das wird ein Großer. Mittlerweile managt ihn Stefan Redelsteiner, der WandaWuzzi. Oskars Vater, einst Gründer der Band Naked Lunch, berät ihn aus dem Hintergrund.

Eingelullt ins Fürstentum

Mit 17 hat er gerade mal mit der Liebe angefangen, trotzdem schreibt Oskar Haag die füßelndsten Kuscheldeckensongs, seitdem sich IndieBoys aus ihren Slim-Fit-Jeans gequetscht haben. Wenn der Timothée Chalamet der Alpenrepublik ins Mikro säuselt, muss man sich in einsamen Momenten zwicken, um nicht mit sich selbst zu schmusen. Oder man lässt sich darauf ein und Oskar klemmt die Fuffis zwischen die Saiten seiner Klampfe, wenn wir abhauen – »Leaving for Monaco or Wherever the Fuck We Want to Go«. Im Fürstentum liebt Oskar dich ganz allein, wenn du ihn festhältst. Er zeigt dir die Sternderl und das Licht, den Mond und die Sonne, verspricht dir müde die Welt. Dann geht ihm die Kohle aus. Man pfändet den Bösendorfer, sammelt Beats und Streicher ein. Am Ende sitzt Oskar wieder mit der Gitarre da und flüstert in dein Ohr. Du verstehst es nicht ganz – und schläfst, eingelullt von seinen »Teenage Lullabies«, ein.

Dass er ohne seinen Papa und dessen Connections – Naked-Lunch-Kollege Herwig Zamernik kuratierte den gefeierten Debütauftritt; Fritz Ostermayer, ein Kumpel, spielte »Stargazing« erstmals im Radio – nicht dort wäre, wo er ist, weiß Oskar. »Es gibt sicher viele 17-Jährige, die mindestens so gut sind wie ich, aber kein Glück haben. Ich hab es. Wieso sollte ich darauf verzichten?« Er sagt das, als würde ein deutscher Youtuber österreichische Mundart vorlesen. Man kann ihm deswegen nicht böse sein.

Polonaise sehen«, sagt Oskar. »Und ich freu mich drauf, meinen alten Lehrern zu begegnen – vor allem denen, die mich nicht so mögen haben!«

Der Prater im Winter ist ein »gottloser Ort«, wie Oskar sagt. Es fehlen die Lichter und Leute, das gepresste Geplapper von »Links geht’s rein, rechts geht’s raus«-Ansagern und der Geruch von fettigem Langos. Vor allem aber fehlt die Lust, sich für einen halben Stundenlohn in den Wiener Nachthimmel katapultieren zu lassen. Als wir an ein paar Gnomen und Waldelfen vorbeikommen, stottert eine Stimme aus der Stille: »Play Me! Play Me!« Oskar dreht sich um. »Schau, seine Augen blinken!« Er zeigt auf einen Automaten. Der kastenförmige Mann trägt ein rot-weiß-rotes Leiberl. Unten klemmt ein Fußball.

Oskar ist in Klagenfurt aufgewachsen, der Landeshauptstadt von Kärnten. Dort patzte er bis vor ein paar Monaten noch in einem Kunstgymnasium mit Lehm herum. Inzwischen hat er die siebte Klasse abgebrochen und ist mit seiner Freundin in den zweiten Wiener Gemeindebezirk gezogen. Nach Klagenfurt fährt er noch fürs LorettoBad und zum Schulball seiner alten Klasse. »Ich will meine Kollegen unbedingt bei der

Zwei weitere Euro verschwinden im Maschinenmagen. Hinter uns plärrt plötzlich Eurodance aus den Boxen. »Hyper, Hyper!«, der Fußballer erwacht. Oskar streift seine Jeansjacke ab und legt sie auf den Boden. »985 ist der Highscore!« Er fokussiert den Ball, nimmt vier Schritte Anlauf und zieht voll durch. Kabumm! »738«, schreit Oskar auf. Wäre der Ball nicht am Automaten befestigt, er wäre bis ins Praterstadion gesegelt. »Das war nicht so schlecht«, sagt Oskar und grinst mich an. Er weiß, dass ich überrascht bin. Von einem Strich wie ihm würde man zwar filigrane Technik, aber keinen Alaba-Gedächtnishammer erwarten. Aus der Ferne weht wieder Walzermusik herüber. Oskar reibt sich die Hände. »Magst noch auf einen Kaffee gehen dort vorn?« Er

012
Teresa Wagenhofer
»Is eh logisch, dass man manches peinlich findet, was man als Junger gesagt hat, oder?«
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Die
Garderobe teilt sich Oskar Haag mit seiner Freundin. Ganz selbstverständlich.

zeigt in Richtung Praterstraße und blickt mich fragend an. In diesem Moment setzt er keinen coolen Kamerablick auf, posiert nicht lässig im Licht. Oskar ist gerade Oskar, ein 17-jähriger Mann, der mir im nächsten Atemzug erzählt, dass er sich vor Kurzem Laufschuhe zugelegt hat. »Ich hab mich die letzten drei Wochen nur von Chips und Schokolade ernährt. Deshalb hab ich mir gedacht: Gehst halt in der Früh laufen. Weil: Ich muss schon ein bissal fit sein!«

Bisher habe er die Schuhe zwar nur gekauft. Der erste Schritt sei aber getan. Schließlich ist der Druck groß. Die Gen Z geht öfter ins Fitnessstudio als in den Club. Es gibt einen Trend zum Pumpen und Posen. Das merkt auch Oskar. »In meinem Alter ist das grad voll das Ding. Ein paar Freunde sagen mir: ›Alda, du hast so eine gute Genetik, wenn du anfangen würdest, wärst du in ein paar Monaten das ärgste Biest.‹ Aber das passt nicht so zum Image eines Singer-Songwriters. Meine Idole sind alle Spargeltarzane.«

»Es muss nicht perfekt sein«

Dass Oskar seine Gefühle lieber an der Gitarre als auf der Hantelbank ausdrückt, ist keine Überraschung. Schließlich arbeitet Oskar nicht an einem Cornetto-Körper, sondern an der Anerkennung als Artist. Mit seinem ersten Album wolle er sich beweisen, durch Österreich touren, vielleicht ein paar Gigs in Deutschland spielen. Andere in seinem Alter träumen von Balenciaga-Shirts und SneakerDrops. Oskar will auf die Bühne. Am Style wird das Vorhaben nicht scheitern. Als wir den Praterstern queren, spricht ihn ein Mann an. »Dieses Outfit, ich muss Ihnen dazu gratulieren, das ist wunderschön, wirklich, wie zur Beatles-Zeit!« Oskar reagiert weder besonders überrascht noch verlegen: »Danke, das ist megalieb!«

Oskar Haag weiß, dass er Glück hat. Aber auch, was er kann.

»Ich realisier es aber gerade erst!«

Oskar setzt sich auf eine abgewetzte, grüne Couch und gießt Frucade in ein Glas mit Eiswürfeln. Mir fällt ein, dass ich ihm ein Interview mit seinem Vater mitgenommen habe. Eines, das man nicht im Internet findet, weil er es 1992 – nur ein paar Jahre älter als Oskar – über seine Band Naked Lunch geführt hatte. »Vollegeil«, sagt Oskar. »Ab und zu find ich Sachen, die sind ihm sogar bissi peinlich. Aber is eh logisch, dass man manches peinlich findet, was man als Junger gesagt hat, oder?« Ich frage ihn, ob er glaubt, dass ihm das Gespräch mit mir irgendwann peinlich sein könnte. Er antwortet mit vollem Mund: »Na, wieso?«

Er teilt den Kleiderschrank mit seiner Freundin und lackiert sich die Fingernägel – einfach so, weil er es cool finde. Als Beweis hält er mir seine linke Hand hin. Die Nägel sind blau, an ein paar Stellen ist der Lack abgesplittert. »Mein Stil«, sagt Oskar, als wir an einer roten Ampel warten. »Es muss nicht perfekt sein.« Er sagt das, als wäre es die selbstverständlichste Sache in einer Welt, in der viele vorgeben, immer noch ein wenig besser, schneller und optimierter sein zu können. Dass Oskar mit seinen 17 Jahren anders tickt und das Perfekte im Nicht-Perfekten sucht, mag am Wunsch nach Authentizität liegen. Mittlerweile hebt man sich ab, indem man keine choreografierten Videos auf Tiktok postet, sondern müde in die Kamera blickt, während man Erdäpfelpüree in sich reinschaufelt.

»Nice«, sagt Oskar und ich versteh nicht ganz. »Dort drüben, das Café! Das heißt …« Auf einem Schild steht »Neyse«. Als ich den Schmäh checke, hat Oskar schon die GoogleBewertungen gecheckt. »4,8 Sterne! Lass uns rübergehen.« Blick in beide Richtungen – kein Auto. »Komm, schnell!« Wir hetzen über die Straße. Er stößt keuchend die Tür auf. In dem kleinen Café spielt ein Song vom Wu-Tang Clan. Der Barista begrüßt uns mit einem Lächeln, das er aus der Colgate-Werbung geklaut hat. »Was kann ich euch Gutes tun?« Oskar bestellt eine Frucade und einen Caprese-Wrap. Er zieht sein Handy aus der Tasche, der Bildschirm wird hell.

»Ist das Messi auf deinem Startbildschirm?«, frage ich Oskar.

»Ja, ja, weil der Gott sei Dank die WM gewonnen hat! Meine Freundin hat sich aber volle aufgeregt.«

»Weil du sie mit Messi getauscht hast?«

»Er hat die WM gewonnen, das muss ma kurz amal respektieren!«

»Das ist doch über einen Monat her!«

»Irrelecker« und »megalieb«

Man merkt, dass Oskar nicht an sich zweifelt. Er strotzt mit 17 vor mehr Selbstbewusstsein, als andere in ihrem Leben erreichen. Zeitweise wirkt das überheblich, weil es überrascht. Sein Alter wird dabei für manche zur Projektionsfläche für die eigene verlorene Jugend. Darüber denkt Oskar aber nicht nach. Er macht halt. Manchmal auf ironisch, meistens einfach so. Vielleicht verwendet er deshalb Wörter wie »irrelecker« oder »megalieb«, zockt »Fortnite« und hatte eine »WrestlingPhase« – wie fast alle in seinem Alter. Die feinen Unterschiede zu »seiner Generation« stecken in jenen Momenten, in denen ihn sein Manager fragt, ob er sich vorstellen könnte, in einer ausverkauften Stadthalle zu spielen. »Don’t get me wrong«, sagt Oskar, wenn er merkt, dass er arrogant rüberkommen könnte. Er schiebt dann seine Unterlippe nach vorne, als müsste er kurz überlegen, wie er seinen Altersbonus neu ausspielen kann. Meistens lacht Oskar unschuldig auf. Er weiß, dass er die Leute damit für sich gewinnen kann. Schließlich holt es einen aus den Gedanken in die Gegenwart. Um die Zukunft kümmern sich ohnehin andere. Als er am letzten Schluck Frucade nippt, ruft zuerst seine Mama an. Zwei Minuten später vibriert das Handy erneut: sein Manager. »Der sollt eigentlich wissen, dass ich grad wo bin«, sagt Oskar und hebt ab. Christoph Benkeser

»Teenage Lullabies«, das Debütalbum von Oskar Haag, erscheint am 3. März. Die zugehörige Tour führt den Musiker durch ganz Österreich: 3. März, Wien, Rabenhof — 4. März, Linz, Posthof — 5. März, Klagenfurt, Kammerlichtspiele — 8. März, Salzburg, ARGE Kultur — 9. März, Graz, Dom im Berg — 10. März. Innsbruck, Treibhaus — 13. April, St. Pölten, Cinema Paradiso — 15. April, Dornbirn, Spielboden — 20. April, Baden, Cinema Paradiso.

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Teresa Wagenhofer

Life is a stage. Enjoy it at MCG!

David Hasselhoff, Pizzera & Jaus, Pentatonix, Seiler & Speer, Deep Purple und Sido – die MCG (Messe Congress Graz) holt auch 2023 wieder die großen Namen der Musikszene nach Graz. Aber nicht nur das.

Schon in der Vergangenheit brachten zahlreiche Künstler*innen der verschiedensten Genres MCG-Locations wie die Stadthalle Graz, den Congress Graz oder das Open-Air-Gelände der Messe Graz zum Kochen. Und auch fürs neue Jahr sind mittlerweile zahlreiche Liveshows der Extraklasse angesetzt. Sei es David Hasselhoff, der ja bekanntlich mit »Looking for Freedom« die Berliner Mauer zum Einsturz brachte. Zwinker-Smiley. Oder Sido, der einst das MaskenGame im Deutsch-Rap etablierte und sein neues Album namens »Paul« live vorstellen wird. Pizzera & Jaus wiederum werden sich ohne Genierer quer durch ihr aktuelles Programm »Comedian Rhapsody« singen, rappen und schrammeln. Entertainment pur!

Places big enough for your ideas

Neben den Konzert-Highlights hostet die MCG auch regelmäßig Messen und Business-Events. Die Multifunktionalität der Hallen und Räumlichkeiten bieten gemeinsam mit der Top-Lage direkt im Herzen von Graz perfekte Voraussetzungen für Umsetzungen aller Art. Auch 2023 stehen uns wieder viele informative und exklusive Messeformate in Haus, die mit spannenden Themen und interessanten Aussteller*innen locken. Außergewöhnliche Erfahrungen sind garantiert!

Erste Highlights 2023

Peter Kraus | 02.03.2023 | Congress Graz

MotionExpo | 10. bis 12.03.2023 | Messe Graz

Melissa Naschenweng | 24.03.2023 | Stadthalle Graz

Riverdance | 25.03.2023 | Stadthalle Graz

Pizzera & Jaus | 26.03.2023 | Stadthalle Graz

Plácido Domingo | 26.03.2023 | Congress Graz

Der König der Löwen | 28.03.2023 | Stadthalle Graz

David Hasselhoff | 30.03.2023 | Stadthalle Graz

Disney100 | 16.04.2023 | Stadthalle Graz

Grazer Frühjahrsmesse | 27.04. bis 01.05.2023 | Messe Graz

Pentatonix | 20.05.2023 | Stadthalle Graz

Deep Purple | 13.07.2023 | Messe Graz Open Air

Max Raabe | 18.09.2023 | Stadthalle Graz

Grazer Herbstmesse | 28.09. bis 02.10.2023 | Messe Graz

Sido | 02.11.2023 | Stadthalle Graz

Seiler & Speer | 09.12.2023 | Stadthalle Graz

Mario Barth | 16.12.2023 | Stadthalle Graz

Afrika! Afrika! | 15.12.2023 bis 14.01.2024 | Zeltpalast Messe Graz

Alle Infos zu den kommenden Shows gibt’s auf www.mcg.at

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PROMOTION
©
Krug
Foto
MCG,
Die Ärzte am Open-AirGelände der Messe Graz

Golden Frame

Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen

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Sub Gratia Katharina Mayer »Gastmahl der Freunde«

Die Aktualisierung traditionsreicher künstlerischer Topoi, wie etwa des Abendmahls, stellt Künstler*innen vor die nicht leichte Aufgabe, nicht nur eine bildliche Form dafür zu finden, sondern auch die zugrundeliegende Geisteshaltung – weiter gefasst, die implizite Weltanschauung des Stoffs – zeitgenössisch zu übertragen. Katharina Mayers »Gastmahl der Freunde« bedient sich hierzu verschiedener Bildtraditionen und Interpretationen dessen, was man Gastfreundschaft nennt. Aktuell zu sehen im Dom Museum Wien. ———— Als die christliche Religion entstand, wurde das Gebot der Caritas noch nicht als soziale Fürsorge gedacht. Für die Speisung der Armen waren der römische Staat oder Privatpersonen zuständig. Zu nah wähnten die ersten Christ*innen das Ende der Zeit und die Wiederkehr des Messias. Erst nachdem der neue Glauben zur neuen Religion geworden und nicht mehr nur eine Reformierung des Judentums war, etablierte sich auf der Basis der neugeschaffenen Institutionen ein Auftrag, der der Seelsorge auch das körperliche Wohlergehen der Menschen zur Seite stellte.

Das Gastmahl – vor allem das christliche letzte Abendmahl – ist ein so wichtiger Aufhängungspunkt der westlichen Kultur und ein so häufig auftretendes Bildmotiv, dass es nicht schwerfällt, eine Abbildung davon als solche zu lesen. Am bekanntesten ist Leonardo da Vincis »Abendmahl« im Speisesaal der Mailänder Klosterkirche Santa Maria delle Gracie, von welchem die Fotografin Katharina Mayer vor allem die symmetrische Ordnung mit einer herausstechenden Figur im Zentrum übernommen hat. Ist es bei da Vinci eine durchgängige gerade Tafel, an der sich die zwölf Figuren drängen, nimmt sie in unserem Beispiel eine Hufeisenform an, was historisch betrachtet näher liegt. Die Römer, zu deren Zeit die Szene ursprünglich stattfand, nahmen ihre Gelage im sogenannten »triclinium« ein, liegend und um eine offene Mitte platziert, in der die Speisen gereicht wurden. Im Johannesevangelium heißt es: »Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus lieb hatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu.« Alte Darstellungen aus dem sechsten Jahrhundert zeigen deshalb die zwölf Apostel halbkreisförmig oder an drei ums Eck laufenden Tischen gruppiert, wobei Jesus am linken vorderen Abschluss zu liegen kam, an dem Platz, der damals der wichtigsten Person vorbehalten war. Weil im Mittelalter dieser Brauch verloren gegangen war, man der Stelle bei Johannes aber dennoch gerecht werden wollte, entstanden Darstellungen, in denen Jesus ein schlafender Jünger an der Schulter lehnte. Vielleicht stellt sich Katharina Mayer in diese Tradition, wenn sie die geladenen Gäste in ihrem »Gastmahl« wie zum Schlafen übergebeugt zeigt?

Die vornübergebeugte Haltung von neun der dargestellten Figuren ist nicht das Einzige, was ungewöhnlich ist. Vier der Anwesenden haben weiße Spitzhüte auf dem Kopf, eigentlich nur zusammengerollte Bögen weißen Papiers, ähnlich der Kochhaube, die der Mann in der Mitte trägt. Sie verleihen der Szene zusammen mit dem schlafenden Habitus der Gäste und dem religiösen Tenor von Altar, Sakraldarstellungen und Eucharistie eine Atmosphäre des Verklärten und Surrealen. So erhält sich die übersinnliche Dimension der Szene auch in einem so drückend gegenwärtigen Setting wie dem hier besprochenen.

Katharina Mayer, geboren 1958, fotografiert Menschen einzeln oder in Gruppen. Ihre Bilder haben oft eine Spannung zwischen Inszenierung und Natürlichkeit, Momenthaftigkeit und zeitlicher Erstreckung. So werden die verschiedenen Ebenen des körperlich Greifbaren und geistig Subtilen in ihren Arbeiten wirksam. »Gastmahl der Freunde« (2006 / 2021) ist noch bis 27. August 2023 im Dom Museum Wien als Teil der Ausstellung »Mahlzeit« zu sehen.

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Katharina Mayer »Gastmahl der Freunde«, 2006/2021; Foto: Katharina Mayer

»Who the fuck is Alice?«

Chat GPT beantwortet die Fragen unserer Zeit

Wenn derzeit von Chat GPT die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit Copyright, Betrug und Schummelei. Dabei hat der KI-Text-Generator das Potenzial, die fundamentalen Fragen aus dem wichtigsten aller Felder zu beantworten: der Popkultur. Wir haben das Programm mit all den Dilemmas, Problemen und harten Nüssen gefüttert, die uns schon nächtelang wachgehalten haben. Fünf aus Österreich, fünf internationale. Um es für uns spannender und für Chat GPT herausfordernder zu machen, stellten wir eine kleine Zusatzaufgabe: jeweils eine spezielle Rolle einzunehmen.

Why can’t I be yours someday?

(aus »Never Be Yours« von My Ugly Clementine)

Chat GPT, letting me down easy:

I’m sorry, but as an AI language model, I don’t have the capability to have relationships or personal feelings. But if you’re asking about a romantic relationship, it’s important to remember that compatibility and mutual feelings are key components in any successful relationship. While it may not be possible for us to be together in that way, I hope you find someone who is a good fit for you and brings happiness into your life.

Should I stay or should I go?

(aus »Should I Stay or Should I Go« von The Clash)

Chat GPT as Shakespeare: Verily, ‘tis a question that hath plagued the hearts of many, »To stay or to depart, what shall one do in this plan?« In this matter of love, one must weigh their heart, And delve deep into their soul, a true work of art.

Reflect on the feelings that stir within thine breast, And if thou art fulfilled, or yearn for something more. For in this labyrinth of love, a path must be expressed, And decisions made, which shall forever be in store.

Converse with thy partner, share thoughts and desires, And with open hearts and minds, hear what each doth say. For in this union, two lives doth conspire, And both must find joy, if it be to last the day.

So stay or depart, the choice is thine to make, And weigh well thy heart, for the future it doth shape. But trust in thyself, and follow what thou feeleth true, And thou shall find love, be it to stay or to depart anew.

Heast as nit? Wia die Zeit vergeht?

(aus »Heast as nit« von Hubert von Goisern)

Chat GPT als Poet*in:

Doch, ich höre sie rauschen, wie Blätter im Wind, verwehend, unaufhaltsam, und doch von Bedeutung. Sie mahnt uns, dass wir leben, dass wir handeln müssen, bevor sie uns entflieht, in die Ewigkeit hinein.

Bernhard Frena
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Where is my mind?

(aus »Where Is My Mind?« von den Pixies)

Chat GPT as the victim in a horror movie:

It’s gone... taken over by the terror that surrounds me. I can feel it slipping away with every passing moment, consumed by the fear and madness. Oh god, what is happening to me? Where has my mind gone? I can feel my thoughts becoming muddled, my memories fading away into a dark void. The fear grips me so tight, it’s like a vice that refuses to let go. I can hear whispers, echoes of something sinister and malevolent lurking in the shadows. It’s like a part of me has been taken, leaving a hollow emptiness in its place. I can feel my grip on reality slipping away and I don’t know, if I’ll be able to get it back. The horror of it all is too much to bear. Where has my mind gone? What is happening to me?

Reproduzierst du, was begehrt ist, oder lieber nur dich?

(aus »Soldat_in oder Veteran« von Gustav)

Chat GPT als Kapitalismuskritiker*in: Reproduzieren dessen, was begehrt wird, ist ein wichtiger Teil des Problems des Kapitalismus. Es führt zu einer Überproduktion und Überkonsum, was sowohl die Umwelt als auch die Gesellschaft belastet. »Sich selbst reproduzieren« meint stattdessen das Streben nach eigener Verwirklichung und Befriedigung von Bedürfnissen, unabhängig davon, was von der Gesellschaft oder dem Kapitalismus als begehrt dargestellt wird. Es geht darum, seinen eigenen Werten und Überzeugungen treu zu bleiben und nicht lediglich dem zu folgen, was als erfolgreich oder erstrebenswert betrachtet wird. Ich möchte mich selbst und meine Überzeugungen reproduzieren, statt mich an dem zu orientieren, was von der Gesellschaft oder dem Kapitalismus als begehrt dargestellt wird. Ich möchte mich auf meine eigenen Werte und Bedürfnisse konzentrieren und nicht nur auf den Profit. Dies ist ein wichtiger Aspekt einer kritischen Haltung gegenüber dem Kapitalismus, da es darum geht, sich nicht von den Verlockungen des Kapitalismus vereinnahmen zu lassen und stattdessen ein eigenständiges, bewusstes und verantwortungsbewusstes Leben zu führen.

03/04/05 Foto © Nikolaus Ostermann MARC ALMOND 02.04. V°T//music powered by STEPHANE GINSBURGH 17.03. PETER CAT’S WIDE WORLD OF SOUND #8 PAUL WALLFISCH & SPECIAL GUESTS SOPHIE LINDINGER 05.04. DIRK VON LOWTZOW 21.04. MUSA DAGH 20.05. CARI CARI 25.06.

BIER & STREETFOOD

War es Liebe oder sweet codependency?

(aus »Schwarzes Karma« von Bilderbuch)

Chat GPT als Dialog zwischen

Psychiaterin und Patient:

psychiaterin: Hallo, wie geht es Ihnen heute?

patient: Hallo, es geht so. Ich denke immer noch viel über meine Beziehung mit meinem Freund nach.

psychiaterin: Können Sie mir erzählen, was Sie beschäftigt?

patient: Ich bin mir nicht sicher, ob es Liebe oder Codependency ist. Ich fühle mich so abhängig von ihm und kann nicht ohne ihn sein.

psychiaterin: Codependency bezieht sich auf eine ungesunde Beziehung, in der eine Person ihr eigenes Selbstwertgefühl von der Zustimmung und Befriedigung des Partners abhängig macht. Was denken Sie, was in Ihrer Beziehung vor sich geht?

patient: Ich denke, es ist Codependency. Ich verliere mich oft in der Beziehung und vergesse, wer ich bin und was ich will.

psychiaterin: Das klingt sehr schwer für Sie. Wir können zusammenarbeiten, um Ihnen zu helfen, eine gesunde Beziehung mit sich selbst und anderen aufzubauen. Möchten Sie darüber sprechen, wie wir das erreichen können?

patient: Ja, das wäre großartig. Ich bin bereit, an mir zu arbeiten.

Wer hat den Mann mit dem Koks bestellt?

(aus »Mutter der Mann mit dem Koks ist da« von Falco)

Chat GPT, möglichst dramatisch: Ein dunkles Geheimnis umgibt die Identität desjenigen, der den Mann mit dem Koks bestellt hat. Es ist jemand, dessen Absichten und Motive im Dunkeln liegen. Eine Person, die sich hinter einer Maske verbirgt und bereit ist, alles zu tun, um ihre dunklen Pläne zu verwirklichen. Wer es auch ist, sie ist gefährlich und mächtig, und niemand ist sicher in ihrer Gegenwart.

CRAFTBIERFEST.AT

Who let the dogs out?

(aus »Who Let the Dogs Out« von Baha Men)

Chat GPT as a dog catcher driving up the price: I did, and it ain’t cheap. You wanna get ‘em back, it’s gonna cost ya.

Who the fuck is Alice?

(aus »Living Next Door to Alice« von Smokie)

Chat GPT as a drunk in a bar: Uh, Alice? Yeah, she’s a chick I know from around. Nice gal, ya know? We hit the bar a few times. Can’t say I know much about her though. Just your typical friendly local. Comes in, has a few drinks, chats a bit. Don’t think I ever caught her last name. That’s about it, really.

Symposion Dürnstein

heuer zum Thema:

Spieglein an der Wand, wer ist drei Tage wach?

(aus »3 Tage wach« von Lützenkirchen)

Chat GPT in Form eines Märchens:

Es war einmal ein Jäger namens Hans, der sich auf die Jagd nach dem seltensten Wild in den Wäldern begab. Eines Tages beschloss Hans, eine besondere Herausforderung zu bestehen und drei Tage und Nächte ohne Schlaf zu bleiben.

Während seiner Wanderung durch die Wälder kam Hans an einem Spiegel vorbei, und aus Neugier fragte er: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist drei Tage wach?« Der Spiegel antwortete: »Ich kann keinen finden, der drei Tage wach war. Alle, die ich gesehen habe, haben irgendwann geschlafen.«

Trotz der Warnung des Spiegels hielt Hans weiter durch und jagte ohne Unterbrechung weiter. Am dritten Tag war er jedoch erschöpft und seine Augen fielen ihm zu. Als er aufwachte, befand er sich in einem kleinen Dorf, wo ihm die Einwohner sagten, dass er bewusstlos auf einem Pfad gefunden wurde.

Hans erkannte, dass er trotz seiner Anstrengungen doch geschlafen hatte und dass die Warnung des Spiegels wahr geworden war. Von diesem Tag an legte Hans immer Pausen für Ruhe und Schlaf ein und wurde zu einem weisen und erfolgreichen Jäger.

Von 23. bis 25. März wird beim zwölften Symposion Dürnstein zu ergründen versucht, was menschliche Intelligenz ausmacht und welche ethischen sowie politischen Implikationen mit dem Einsatz von KI einhergehen.

Dall-E 2, Chat GPT & Co – neue Tools zum Erstellen von Bildern oder Texten mithilfe künstlicher Intelligenz sind in aller Munde. So beeindruckend ihre Ergebnisse auch sein mögen, die Unsicherheiten, die damit einhergehen, sind groß: Was bedeutet die rasante Entwicklung solcher Werkzeuge für Berufsgruppen, deren Arbeit sie ersetzen könnten? Wie mit Urheberrechtsfragen umgehen? Und wie vermeiden, dass falsche Informationen oder unbewusste Vorurteile reproduziert werden? Gleichzeitig ist auch das menschliche Gehirn noch lange nicht vollständig entschlüsselt – während es die Neuroforschung bereits ermöglicht, unser Nervensystem zu beeinflussen.

Die Zukunft des menschlichen Gehirns

Im und rund um das Stift Dürnstein stehen Ende März – kuratiert von Ursula Baatz – Vorträge und Podiumsdiskussionen auf dem Programm, die sich mit Themen wie »The Female Brain«, »Psychedelische Substanzen in einem therapeutischen Setting« oder »Wie viel Zukunft hat das menschliche Gehirn?« beschäftigen. Ein weiteres Highlight: Gerfried Stocker (Foto), künstlerischer Leiter von Ars Electronica, referiert über »Das Andere Ich. Menschenbilder in der KI«.

Symposion Dürnstein

23. bis 25. März 2023

Niederösterreich, Stift Dürnstein

www.symposionduernstein.at

PROMOTION
»Das Gehirn und seine Gesellschaft«
Gerfried Stocker — Foto: Ars Electronica / Florian Voggeneder

Clubkultur aus«

Martina Brunner im Gespräch über die Vienna Club Commission

Die Vienna Club Commission (VCC) existiert seit 2020. Während der Pandemie entstand sie als Vermittlungsstelle für Akteur*innen der Wiener Clubkultur. Bis 2022 lief die VCC als Pilotprojekt, dann legte die Stadt eine fixe Finanzierung fest. In den kommenden vier Jahren stehen 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Die inhaltliche Leitung der VCC hat Martina Brunner inne. Sie war schon Teil des Pilotprojekts und hatte zuvor die Initiative Nachtbürgermeister Wien gegründet. Wie man Know-how aus der Szene holt, dass wir wieder lernen müssen zu feiern und womit Wien international hervorstechen könnte, erklärte uns Martina bei einer Melange im Wirr.

Die Stadt Wien finanziert die VCC bis 2026 mit 1,2 Mio. Euro. Das Budget kommt aus Bildung, Kultur und Wirtschaft. Wie lassen sich deren Interessen mit den Bedürfnissen der Szene vereinbaren?

martina brunner: Eine Geschäftsgruppe wie die der Wirtschaft schließt das Bedürfnis der Club-Akteur*innen nicht aus. Wenn die Sperrstunde für die kommerziellen Clubs fällt, fällt sie auch für die nicht gewinnorientierten. Als Club Commission wollen wir die Kultur nicht gegen die Wirtschaft ausspielen. Wir suchen viel mehr nach einer Bandbreite, die allen Akteur*innen im Nachtleben zugutekommt.

»Freiraum macht
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Martina Brunner ist Co-Geschäftsführerin der VCC und kümmert sich um die inhaltliche Leitung.

Das ist die diplomatische Aussage. Wen vertritt die VCC aber, wenn sich wirtschaftliche Interessen nicht mit den Bedürfnissen der Szene decken?

Die VCC ist keine Interessenvertretung, sondern eine Dialogplattform. Sie arbeitet deshalb immer im Interesse aller Beteiligten, aber nie gegen jemanden. Wenn wirtschaftsgetriebenere Clubs Forderungen haben, schauen wir uns an, für wen das Vorteile bringt – nur für die Fordernden oder für eine breitere Gruppe? Wir können z.B. nicht einfach sagen, Clubs sollen 24 Stunden geöffnet haben, um mehr Profit zu machen. Man muss gleichzeitig beachten, welche Auswirkungen das mit sich bringen würde, zum Beispiel für Anrainer*innen oder Angestellte.

Du sprichst von der Forderung wirtschaftsgetriebener Clubs. Was ist mit anderen?

Natürlich existieren nicht kommerzielle Veranstaltungsformate, aber: Die Clubkultur ist nie komplett nicht kommerziell. Selbst wenn man illegale Raves organisiert, kauft man die Getränke im Supermarkt – die Wirtschaftlichkeit begleitet die Clubkultur.

Wie profitiert Clubkultur durch euch?

Zum Beispiel beim Thema Förderungen. Die Förderung für »klimafitte Kulturbetriebe« war etwa zu Beginn nicht explizit für Clubs ausgeschrieben. Wir konnten vermitteln, dass Clubs Kultur sind. Im Förderkatalog steht nun, dass auch Clubs um eine Förderung ansuchen können.

Der Begriff Clubkultur entwickelt sich, wird schärfer.

Man muss sich nur anschauen, was sich in den letzten beiden Jahren getan hat. Inzwischen gibt es einen Code of Conduct für eine nachhaltigere Szene. Awareness-Teams sind nicht mehr aus Clubs wegzudenken. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung hat sich seit der Pandemie viel stärker entwickelt als davor.

Dadurch löst sich die Clubkultur aus dem sogenannten Underground – sie wird institutionalisiert.

Als VCC bewegen wir uns in einem Spannungsverhältnis, klar. Wir achten aber darauf, dass die Clubkultur nicht zu sehr institutionalisiert wird. Als Beispiel: Vor fünf Jahren haben Clubkultur-Akteur*innen noch gesagt, dass sie kaum Aufmerksamkeit und Wertschätzung bekommen, während die Hochkultur durchfinanziert würde. Inzwischen gibt es eine institutionalisierte Club Commission, die für Sichtbarkeit und Repräsentanz einsteht, aber: Weder die Clubkultur an sich, noch die Veranstaltungsformate und ihre Akteur*innen sollen dadurch institutionalisiert werden.

Das heißt?

Dass der Freiraum bestehen bleibt, der Clubkultur in ihrer Essenz ausmacht.

Innerhalb der VCC gibt es die VCCSessions mit drei Fokusgruppen, in denen man aktuell zu Nachhaltigkeit, zum öffentlichen Raum und zu Awareness arbeitet.

Bei den VCC-Sessions stellen wir drei Projekte im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich vor, zu denen wir über einen Zeitraum von drei Monaten arbeiten. Für jeweils einen Bereich kann man sich als Lead-Manager*in zur Wahl stellen. Wenn dich Clubkultur im öffentlichen Raum interessiert und du ein Know-how dazu hast, könntest du dich einbringen und bewerben. Wahlberechtigt sind alle, die an der VCCSession teilnehmen.

Die Position der Lead-Manager*in ist entlohnt. Wer in den Fokusgruppen arbeitet, bekommt kein Geld. Wie soll man gegen das Kulturprekariat kämpfen, wenn man mit Liebe und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft bezahlt wird?

Ich versteh den Gedanken, trotzdem gibt es den Wunsch, sich bei diesen Themen einzubringen und das Nachtleben mitzuge-

Das klingt bereits nach konkreter Umsetzung. Lass uns aber einen Schritt früher ansetzen: Ist eine Umsetzung der Ergebnisse aus den Gruppen bindend?

Es gibt keine Verbindlichkeit, weder für uns noch für die Stadt Wien. Die Selbstverantwortung des Kernteams sichert aber, dass wir nicht nur lustig herumtun und fünf Jahre verstreichen lassen, ohne am Ende mit Ergebnissen dazustehen. Das wäre fatal für eine subventionierte Institution.

Das heißt: Die Stadt Wien müsste z.B. keine Awareness-Teams fördern, selbst wenn das Ergebnis der Studie befände, dass das der Clubkultur förderlich wäre.

Jein. Es gibt Meilensteine, die wir im Konzept definiert haben – sechs Workshops und vier Podiumsdiskussionen zum Beispiel, die Neukonzeptionierung der Homepage oder monatliche Newsletter. Außerdem legen wir die Themen der Fokusgruppen fest. Was dabei rauskommt, ist aber nicht bindend. Strategische Flexibilität fasst es gut zusammen.

Das klingt sehr wirtschaftlich.

Gar nicht! Man braucht eine Strategie, die man verfolgt – darüber steht der Anspruch, die Situation für alle Clubs und Veranstaltungsakteur*innen besser zu machen. Was dafür passieren muss, passiert im Alltag, den man nur begrenzt planen kann.

Als Beispiel: Wir kommen aus der Pandemie und müssen als Gemeinschaft den respektvollen Umgang beim Feiern wieder neu lernen. Die VCC rückt daher das Thema Awareness in den Fokus. So reagieren wir auf das, was passiert, und können uns entwickeln.

stalten. Die VCC verfügt über ein begrenztes Budget von 300.000 Euro im Jahr. Damit kann man nicht alle bezahlen, die sich involvieren möchten. Wir mussten uns deshalb ein System überlegen, mit dem wir das Know-how aus der Szene einholen. Die bezahlten LeadManager*innen verpflichten sich dazu, während sich alle Interessierten weiterhin auf freiwilliger Basis einbringen können.

Die Fokusgruppen präsentieren nach drei Monaten ihr Ergebnis … Es kann auch kein Ergebnis geben.

Aber wenn es zu einem Ergebnis kommt? Konkretes Beispiel aus der Fokusgruppe Safer Party – Safer Nightlife: Die Lead-Managerin hat einen Fragebogen designt, der am Ende des Quartals gelauncht werden soll. Unsere Aufgabe als VCC ist die Umsetzung. Dafür sprechen wir mit der Verwaltung, um Synergien abzuklären, Kofinanzierung zu erfragen und Partnerschaften mit anderen Servicestellen einzugehen. In der Strategieentwicklung definieren wir mögliche Umsetzungen – basierend auf der Umfrage. Ob Workshops für Securitys oder zusätzliche Förderungen für Awareness-Teams.

Oft hört man: Es gibt zu wenig Räume, in denen man veranstalten kann.

Wien hätte Räume, die der Stadt einen speziellen clubkulturellen Charakter geben könnten. Schau dir die Semmelweisklinik oder den Zukunftshof an. Das gibt es nur in Wien! Clubkultur könnte man bei all diesen Räumen als Möglichkeit mitdenken, anstatt sie anderes zu nutzen. Ein weiteres Beispiel, das den Bund angeht: die Flaktürme. Stell dir da einen Club drin vor! Deshalb muss es darum gehen, kulturelle Räume zu schaffen und für diesen Zweck zu erhalten. Dafür setze ich mich in der VCC ein. Christoph Benkeser

Wer sich einbringen will oder einfach am Wiener Clubgeschehen interessiert ist kann zur nächsten VCC-Session kommen. Die aktuellen Termine findet ihr auf der Website der Vienna Club Commission unter www. viennaclubcommission.at.

Offenlegung: The-Gap-Mitherausgeber Thomas Heher ist in seiner Funktion als C o -Geschäftsführer der Vienna Club Commission für deren kaufmännische Leitung verantwortlich. Die VCC und The Gap teilen sich Büroräumlichkeiten.

Christoph Liebentritt / Buero Butt er
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»Die Clubkultur ist nie komplett nicht kommerziell.«
— Martina Brunner

»Nicht das Schmalz, aber der Kitt«

ORF-Topos-Chef Gerald Heidegger im Interview

Zwar nicht heimlich, aber doch recht still hat der ORF Ende November seine neue digitale Plattform Topos gestartet. Unter topos.orf.at finden sich Beiträge aus Kunst, Kultur, Religion und Wissenschaft in einem bunten Medienmix aus Text, Bild, Video und Ton. Gerald Heidegger ist Chef dieses neuen Angebots. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was uns auf der Plattform erwartet, wen er ansprechen will und welchen Platz er für Topos in der österreichischen Medienlandschaft sieht.

Magst du einen Pitch für Topos machen? Warum sollten unsere Leser*innen auf topos.orf.at schauen? Was bringt ihnen das?

gerald heidegger: Auf Topos zu schauen lohnt sich, weil man genau das dort entdeckt, womit man nicht gerechnet hat und das einen begeistert. Ich halte es für eine Plattform für

Entdeckungen, für genau das, was ich nicht auf dem Schirm hatte. Es ist manchmal fancy, manchmal ernst, manchmal abgründig.

Vielleicht ein unbequemes Wort: Zielgruppe. Für wen ist Topos?

Nein! Ein schönes Wort. Alle! Ich finde, Topos ist für alle. Dadurch, dass wir sagen, wir sind neu und anders, richten wir uns schon dezidiert an ein jüngeres Publikum, aber wir wollen ganz verschiedene Identities rund um Topos haben. Die sollen alle ihre Insel auf der Plattform finden. Vielleicht haben sie nicht mit allem etwas zu tun, aber sie entdecken immer was. Das Ziel ist es, niederschwellig gute Qualität zu schaffen und so mehr Leute zu erreichen. Wenn man heute Ö1 hört, kann man großartige Sachen niederschwellig entdecken. Ich glaube, bei uns ist die Essenz ähnlich, mit ausgestreckter Hand.

Was genau ist die Rolle von Popkultur bei Topos?

Popkultur heißt für mich einmal Öffnung, heißt einen breiteren und die Eintrittsbarrieren senkenden Zugang zu Themen. Leichtfüßiger zu sein und auch die Leute mit hereinzuholen, die wir nicht notwendigerweise haben. Popkultur heißt für mich auch, die Disziplingrenzen runterreißen. Auf Topos dürfen wir ja nichts als Kultur, Wissenschaft oder Religion kategorisieren. Aber in Wahrheit ist das gut, weil wir damit nicht mehr schubladisieren. Viele Dinge spielen sich nicht entweder in der Wissenschaft oder in der Kultur oder in der Religion ab. Für mich ist Popkultur ein Scharnier, um Vorhänge runterzureißen, anders auf unsere Umwelt zu schauen und herauszufinden, wie eine atomisierte Gesellschaft wieder zusammenfinden kann.

Wie siehst du die Rolle von Topos in der österreichischen Kulturmedien-Landschaft?

Ich möchte schon das Signal aussenden, mit Topos auch für andere Medien offen zu sein. Wir wollen Topos insgesamt als Produkt für einen österreichischen Medienstandort sehen. Als öffentlich-rechtliches Medium zahlen wir in so ein Projekt ja mehr ein, als wir rauskriegen. Einerseits ist das eine Investition in unsere eigene Veränderung und andererseits, um ein genuin österreichisches Medium zu etablieren, das nicht in einer breiteren Landschaft wie Funk und Co untergeht.

Weil du gerade Funk erwähnt hast: Wo siehst du da Unterschiede und Überschneidungen zu Topos?

Man kann sicher sehr viel lernen von Funk, gerade bei neuen Video-Erzählformaten und Serienformaten. Ich sehe den wesentlichen Unterschied darin, dass wir nicht

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Topos bietet auch Literatur einen Platz: Elias Hirschl in »Archive des Schreibens«.

so viel an Produktionsprojekten auslagern, sondern das Know-how eher im Haus halten wollen. Wir arbeiten auch mit Produktionsfirmen zusammen, halten aber von der Produktion mehr in der eigenen Hand. Die neuen Erkenntnisse aus Topos gehen dann auch direkt wieder ins Haus zurück. Funk hat als Marke den Auftrag, sich ganz woanders hineinzubewegen. Funk ist außerdem sicher noch viel mehr auf ein junges Zielpublikum zugeschnitten als Topos.

Was sind heuer die Pläne für Topos?

Der Plan ist einmal, Topos zu konsolidieren. Wir sind mit Topos rasch rausgegangen, weil wir vor allen Mediengesetz-Debatten das genehmigte Produkt in der Landschaft haben wollten. Jetzt ist die Konsolidierung, Verbesserung und Absicherung von Topos wichtig. Und dann muss man schauen, dass wir so was wie eine unverwechselbare Handschrift kriegen. Wir haben bei Topos noch nicht festgelegt, was genau wir sind, sondern wir sind noch ein bisschen kunterbunt. Und vielleicht wollen wir das auch bleiben. Dass in einem ORF-Produkt das Nutzungsverhalten ein bisschen eine Abenteuerreise ist, halte ich für keinen Nachteil.

Eine etwas spekulative Frage: Falls für den ORF die Einschränkungen für Online-

Inhalte fallen sollten, wohin könnte diese Reise dann gehen?

Topos hat für uns im Moment eine passende Genehmigung. Ich fände wichtig, dass wir auch auf Drittplattformen sein können. Für uns als ORF insgesamt ist natürlich wichtig, ein Mediengesetz zu haben, das mit der Medienwirklichkeit zu tun hat. Wir hinken in allem der Realität hinterher. Aber grundsätzlich ist mein Wunsch, dass wir die guten, großen Geschichten im Land identifizieren und konstruktiv darüber berichten. Ich habe in Österreich manchmal das Gefühl, die Medien sind übel gelaunt. Es muss in der ganzen Szene ein anderer Mut her. Es braucht mehr gut gelaunte Medien.

Wie geht ihr mit den Herausforderungen einer digitalen Medienlandschaft um?

Als ORF müssen wir die Gesellschaft davon überzeugen, dass wir schon lange die Entwicklung dieses Landes begleiten. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass Leute für Abonnements oder Content zahlen. Neben den Drittplattformen brauchen wir als österreichische Gesellschaft dann aber auch offene Angebote, um die Leute in der österreichischen Medienlandschaft zu halten. Ich glaube, in der jetzigen Mediendebatte wird das viel zu wenig gesehen, weil das noch immer eine Medienüberlebensdebatte aus den 90ern ist.

Du hast in der Vergangenheit von Topos als etwas gesprochen, das Gesellschafts- und Empathiebildung bringen kann. Wie genau meinst du das?

Wenn Medien in einer Gesellschaft nicht Empathie erzeugen, dann haben sie ihre Grundfunktion aufgegeben. Auf Topos hast du die Chance, deine Insel zu finden und von dort dann auf die Nachbarinseln zu schauen. Topos sagt nicht: »Habt’s euch alle lieb.« Aber es sagt: »Live your identity und schau mal rüber zu anderen Identities und rede mit denen.« Das ist, glaube ich, der Sinn von Medien. Unser Anspruch als öffentlichrechtliche Plattform ist schon, der Kitt in einer Gesellschaft zu sein. Nicht das Schmalz, aber der Kitt. Nur Medien können es schaffen, dass diese vereinzelten Inseln wieder mehr in Kontakt kommen. Deshalb heißt es auch Topos. Ich finde mein Thema am richtigen Ort. Aber ich komme auch an Orte, mit denen ich nicht gerechnet habe.

Die Serie »Straussmania« auf Topos beleuchtet, warum das Biedermeier nicht ganz so bieder war, das Erzählformat »Die doppelte Frau« gibt einen Einblick ins Österreich der 40er und »Archive des Schreibens« präsentiert kontinuierlich neue österreichische Autor*innen. All das und mehr zu finden auf topos.orf.at.

ORF, Roman Zach-Kiesling / ORF
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»Es muss in der ganzen Szene ein anderer Mut her. Es braucht mehr gut gelaunte Medien.«
— Gerald Heidegger
Gerald Heidegger leitet Topos seit letztem Jahr. Davor war er Chefredakteur von orf.at.

Ein Leben nach der Straße Freitag und die kreislauffähige Lkw-Plane

Der Upcycling-Pionier Freitag feiert heuer sein 30-Jahr-Jubiläum. Auch in Wien prägen die Taschen aus ausgemusterten Lkw-Planen schon lange das Stadtbild. Ob beim Bobo der ersten Generation oder bei der Fridays-for-FutureAktivistin – Design und Weltbild des Schweizer Unternehmens kommen an. Mit eigens entwickelten Planen soll der Materialkreislauf nun noch weiter geschlossen werden. ———— »Endlos ist ein großes Wort«, sagt Anna Blattert, Circular Technologist bei Freitag. Sie verwendet es dennoch, weil es dem Unternehmen um eine Vision gehe: Irgendwann einmal sollen die Lkw-Planen, aus denen Freitag-Taschen

gefertigt sind, im technischen Kreislauf gehalten werden können. Idealerweise eben: endlos. Blattert bezieht sich damit auf das Konzept der Circular Economy bzw. Kreislaufwirtschaft, die entweder – im biologischen Kreislauf – die Verwendung von biologisch abbaubaren und nachwachsenden Rohstoffen vorsieht oder – im technischen Kreislauf – das verlustfreie Recycling von nicht abbaubaren Rohstoffen.

Ein zweites Leben

Schon bisher war man bei Freitag um eine möglichst lange Nutzung der Lkw-Planen bemüht. Zwischen fünf und acht Jahre verbringen sie im Durchschnitt auf der Straße. Die ausgemusterten Planen werden dann bei Logistikunternehmen aus ganz Europa angekauft und nach Zürich-Oerlikon verfrachtet. Dort, am Fabriksgelände des Taschenherstellers, beginnt die Arbeit am zweiten Leben des Materials: Die Planen von mehreren Metern Länge werden in einem ersten Schritt zerteilt, Ösen und Nähte entfernt. In riesigen Waschmaschinen im Untergeschoß werden die »Planenfilets« gewaschen, anschließend getrocknet, farblich sortiert und auf Rollen aufgewickelt.

Im Bag Design wird das Material dann mittels Schablonen zugeschnitten. Für Freitag, so Unternehmenssprecherin Lis Isenegger, ein eigener Designschritt: »Es geht darum, die schönstmöglichen Unikate zu schneiden und dabei so wenig Material wie möglich zu verschwenden.«

Partner*innenbetriebe in Bulgarien, Portugal, Tschechien, Rumänien und der Schweiz vernähen die diversen Taschen und Accessoires wie Geldbörsen oder Schlüsselanhänger schließlich. Etwa 400.000 Stück davon setzt das Unternehmen pro Jahr um, bei einem Materialverbrauch von 350 Tonnen Lkw-Planen, 106.000 Autogurten und 28.000 Fahrradschläuchen. Hinzu kommen – für neuere Modelle – 32.000 m2 recyceltes PETTextil und 9.700 m2 Airbag-B-Ware.

Damit die Produkte möglichst lange in Verwendung bleiben, bietet Freitag einen Reparaturservice an. Und am Black Friday – als Kontrapunkt zum Konsumspektakel –Tauschmöglichkeiten in zahlreichen FreitagStores in Europa und Asien, zusätzlich zu einer Online-Tauschplattform, die das ganze Jahr über genutzt werden kann. Dass FreitagTaschen auch secondhand sehr beliebt sind, finde man erfreulich, so Isenegger, weil es gut zur Idee der Kreislaufwirtschaft passe.

Dennoch: Irgendwann lande jede Tasche in der Tonne, erklärt die Unternehmenssprecherin. »Und selbst wenn wir bei Freitag mit dem Restmüll Fernwärme generieren – kreislauftechnisch ist das noch nicht das Ende der Fahnenstange. Recycling ist toll, aber das alleine reicht uns nicht mehr. Es geht darum, dass Materialien von Anfang an so gefertigt sind, dass sie wieder in den Materialkreislauf zurückgeführt werden können. So wie wir es von Glas kennen, das man x-fach einschmelzen und wieder neu verwenden kann.«

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Im Zuschnitt werden die Freitag-Taschen zu Unikaten.

Hier kommt das Projekt »Circular Tarp« ins Spiel. Anna Blattert: »Lkw-Planen sind ein Verbund aus Polyestergewebe, beschichtet mit weichem PVC. Das macht es sehr schwer, sie zu recyceln. Unser Ziel ist es, eine kreislauffähige Plane auf die Straße zu schicken, um daraus dann später Taschen zu nähen.« Gemeinsam mit Partner*innen aus der Planenherstellung und der chemischen Industrie arbeitet Freitag aktuell an neuen Materialien, zwei davon fahren bereits als Prototypen auf Lkws durch die Schweiz. Bis Haptik, Optik und Verarbeitbarkeit dem gewohnten Standard für Freitag-Taschen entsprechen, werde es aber noch dauern, so die Circular-Technology-Spezialistin. »Und auch die Bauart der Produkte wird sich ändern müssen, wenn wir voll kreislauffähig sein wollen. Sie müssen leicht zerlegbar sein, damit wir die reine Plane ins Recycling geben können und nicht Klebstoff, Nähte oder andere Materialien mit dabeihaben.«

Neue Geschäftsmodelle

Eine weitere Herausforderung: PVC sei unschlagbar günstig, so Blattert, aber ihre Projektpartner*innen hätten verstanden, dass man sich an das anpassen müsse, was in Zukunft am Markt gefragt oder gar gesetzlich gefordert sein werde. »Die Planen werden teurer werden, aber wir glauben daran, dass wir neue Geschäftsmodelle finden können, die es uns ermöglichen, ihren Preis anders zu bewerten, ihn zeitlich auf mehrere Schultern zu verteilen. Vielleicht verleasen wir die Planen ja sogar einmal an die Logistikunternehmen.«

Dass die Produkte des Unternehmens – nicht nur in ökologischer Hinsicht – gut durchdacht sind, war schon bei der Messenger-Bag F13 Top Cat der Fall, der allerersten Freitag-Tasche. Die Firmengründer Markus und Daniel Freitag, beide Grafikdesigner und passionierte Radfahrer, ließen sich dazu 1993 vom Lkw-Verkehr inspirieren, der vor ihrem WG-Küchenfenster tagtäglich über die Zürcher Hardbrücke donnerte. Seitdem wurden ihre funktionalen Designs zigfach kopiert und mit Preisen ausgezeichnet.

Mit der Kreislaufwirtschaft setzen »die Brüder«, wie es im Freitag-Jargon heißt, seit einigen Jahren auf ein sehr viel umfassenderes Konzept, als es das bloße Upcycling ihrer Anfangstage war. Erfolgreich umgesetzt wurde es etwa schon bei der Materialentwicklung für die Kleiderlinie des Taschenherstellers. Die Stoffe bestehen aus Bastfasern, sind robust sowie nachhaltig in Europa produziert – und sie können am Kompost entsorgt werden.

In Österreich sind die Produkte von Freitag bei diversen Vertriebspartner*innen sowie im Wiener Freitag Store in der Neubaugasse erhältlich. Für alle, die am Thema Kreislaufwirtschaft interessiert sind: Am 27. Februar hält Julia Schmitt von der Johannes Kepler Universität Linz auf Einladung der Beratergruppe Neuwaldegg einen Vortrag zum Thema im Magdas Hotel in Wien. Kostenpflichtige Anmeldung erforderlich.

Offenlegung: Unser Besuch bei Freitag erfolgte auf Einladung des Unternehmens.

Joël
Tettamanti, Manuel Fronhofer, Elias Bötticher Prototypen der kreislauffähigen Plane werden bereits auf der Straße getestet.
April – 12. Mai 2023 WIENER NEUSTADT Christoph ZIMPER Marlis PETERSEN Benjamin SCHMID Harriet KRIJGH Maria RADUTU Vision String QUARTET www.milchundhonig-wn.at /milchundhonig.festival
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Wien und die Welt Illustration Ladies Vienna im Interview

Zum Zeichnen in die Bar: Die Illustration Ladies vernetzen von Wien aus Illustratorinnen in mittlerweile elf Städten. Ein Gespräch mit Janina Kepczynski, einer der beiden Gründerinnen, über ehrenamtliche Fulltime-Jobs und gemeinsames Zeichnen, Einzelkämpferinnen und Mailänder Eisdielen. ———— Die Vision – »Frauen stärken, Austausch fördern, stilistische Vielfalt zeigen, Sichtbarkeit schaffen«–stammt aus Wien. Die Idee hat sich längst über die ursprüngliche Stammzelle der Illustration Ladies Vienna hinaus verbreitet. 2018 von den beiden Illustratorinnen Janina Kepczynski und Florine Glück gegründet, gibt es mittlerweile in elf Städten eigene »Chapters«, die ähnlich arbeiten: Kommerziell agierende kreative Einzelkämpferinnen organisieren sich mit ihresgleichen, schaffen auf Social Media Öffentlichkeit für ihr Tun und treffen sich auch offline zum Erfahrungsaustausch und zum gemeinsamen Illustrieren.

Die Illustration Ladies wurden 2018 in Wien als feministisches Netzwerk gegründet, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Projekte zu starten. Welche gemeinsamen Projekte gab es denn seither?

janina kepczynski: Von Anfang an treffen wir uns ungefähr einmal im Monat, um gemeinsam zu einem Thema zu zeichnen. Hier vernetzen wir uns und lernen immer wieder neue Illustratorinnen kennen. Es gibt aber auch gemeinsame Projekte, beispielsweise eine Street-Art-Ausstellung im Wien Museum, wo wir 20 Illustratorinnen waren, die für die Ausstellung »Take Over« zum Thema »Characters« illustriert haben. Das war quasi die Abrissausstellung im Wien Museum bevor der Umbau begonnen hat. Die zehn Meter lange »Characters«Illustration war dann auch im Museumsquartier bei der Designmesse Offf Vienna zu sehen. Damit haben wir also sehr viele Menschen erreicht und vor allem viele Designer*innen und Art-Direktor*innen, eine der Hauptkund*innengruppen für Illustrator*innen. Es gab aber auch immer wieder kommerzielle Auftragsarbeiten als Illustratorinnengruppe – wir nennen das »Team Illustrations«, zum Beispiel mit einer Werbeagentur gemeinsam für Roche – also einen Pharmakonzern –, für den wir das Sujet für eine Breast-Cancer-AwarenessKampagne gestaltet haben. Da wurden Brü-

ste in verschiedenen Formen illustriert, von Frauen für Frauen. Die Bilder sind im Anschluss dann auch im Lokal Sneak In ausgestellt worden, es gab eine Pressekonferenz und einen großen Kampagnenlaunch. Oder für Fritz Kola haben wir im siebten Bezirk beim Café Siebenstern einen Gastgarten als »Team Illustration« gestaltet.

Was muss man tun oder welche Voraussetzungen muss man erfüllen, wenn man sich den Illustration Ladies anschließen möchte?

Anfangs war alles relativ offen, jede konnte mitmachen. Mittlerweile ist unser Netzwerk ziemlich gewachsen und bekannt geworden, deshalb beschränken wir uns auf Illustratorinnen, die das hauptberuflich machen und denen ein Netzwerk und der Erfahrungsaustausch beruflich weiterhilft. Als Illustratorin bist du sozusagen Einzelkämpferin und musst dir dein Business selbst aufbauen. Ein Kriterium ist deshalb: Wer bei uns dabei ist, hat eine aktuelle Website mit Portfolio und auch bereits mit Kund*innen gearbeitet. Und wir raten auch allen, ein Portfolio auf Instagram anzulegen.

Katja Hasenöhrl, Illustration Ladies
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Janina Kepczynski ist eine der beiden Gründerinnen der Illustration Ladies.

Mitgliedsbeitrag gibt es aber keinen? Oder konkrete Verpflichtungen … Der Austausch ist kostenlos. Florine und ich arbeiten seit Beginn an sozusagen ehrenamtlich, weil uns Austausch und Netzwerk am Herzen liegen. Aber inzwischen erhalten wir so viele Anfragen von Agenturen und Kund*innen, die auf der Suche sind nach der passenden Illustratorin, dass wir beschlossen haben, uns hier zu professionalisieren und den Bedarf nach Vermittlung, der hier ganz augenscheinlich besteht, zu bedienen. Wir vermitteln also inzwischen Illustratorinnen und berechnen eine kleine Provision, wenn ein Job erfolgreich umgesetzt wird. Die Illustratorinnen sind bei uns allerdings nicht exklusiv, das heißt, sie können auch andere Agenturen haben oder klarerweise selbst aktiv sein. Um sowohl das lokale Netzwerk in Wien als auch das globale Netzwerk am Laufen zu halten, können alle, die unsere Arbeit gut finden, Supporter auf Patreon werden und das Netzwerk monatlich mit einem kleinen Beitrag unterstützen. Ganz nach dem Motto: »Support us to support you!« Teilweise ist unsere Organisationsarbeit ein echter Fulltime-Job. Deswegen diese Varianten. Wir sind aber ständig am Ausprobieren, was das passendste Modell für uns und für die Illustratorinnen ist.

Die Illustration-Sessions als monatlichen Stammtisch und Netzwerktreffen gibt es mittlerweile auch in Linz, Graz und Salzburg. Kommen zu euren Sessions in Wien auch Illustratorinnen aus den Bundeslän-

dern oder sind die Illustration Ladies Vienna wirklich ein reines Hauptstadtnetzwerk?

Wir mischen gerne durch. Wer in der Stadt ist, kann gern vorbeikommen. Letztens haben wir extra zu einem Österreich-Treffen geladen, da sind auch viele aus Graz und Salzburg gekommen. Wir freuen uns sehr über den Austausch zwischen den Städten. Auch für uns als Organisatorinnen ist es toll, so viele Illustratorinnen kennen zu lernen. So haben wir unterdessen einen sehr guten Überblick, welche Illustratorinnen in Österreich arbeiten, und wissen ziemlich gut, wer in welchem Arbeitsfeld unterwegs ist und wer welche Spezialisierung hat. Das Berufsbild der Illustration ist ja so vielfältig. Da kann man in Bereichen arbeiten wie Animation, Werbe-Illustration, Graphic Recording, Lettering, Packaging-Illustration, Buch- oder Editorial-Illustration, Live-Illustration, Wandgestaltung usw.

Ihr wurdet von der Stadt Wien gefördert und als »Future Community« ausgezeichnet. Was hat euch das gebracht?

Ein Ziel unseres Netzwerks ist es, Sichtbarkeit zu schaffen. Jede Auszeichnung schafft Wahrnehmbarkeit und je mehr Leute von unserem Netzwerk erfahren, desto besser sichtbar sind die einzelnen Illustratorinnen. Da haben alle was davon. Und manchmal kommen als direkte Auswirkung auch gleich Jobanfragen oder Kooperationen rein. Wir arbeiten zum Beispiel mit der monatlichen Vortragsreihe »Creative Mornings« zusammen und sorgen gerne für Abwechslung, damit die Illustration-Sessions nicht langweilig werden. Da haben wir zum Beispiel für das Magazin von »Creative Mornings« gemeinsam ein Cover gestaltet, das gerade erst mit dem Joseph Binder Award ausgezeichnet wurde, was uns wirklich sehr gefreut hat.

Das Konzept Illustration Ladies wurde bereits mehrfach exportiert. Auch in Zürich, Mailand, Köln, Amsterdam und Costa Rica sind Einzelkämpferinnen als Illustration Ladies vernetzt. Wie hat sich das ergeben? Nach den ersten Treffen in Wien kam plötzlich eine Anfrage aus Costa Rica, ob sie unser Konzept übernehmen dürften und die Illustration Ladies auch bei sich starten könnten. Wir haben denen dann Logos zur Verfügung gestellt, Tipps gegeben, wie man startet und Sessions plant. Das hat dort auch gleich gut funktioniert, seither kommen regelmäßig Anfragen aus anderen Städten. Wir haben dann ein einfach erweiterbares Corporate Design für ein expandierendes, globales Netzwerk entwickelt. Oft folgt uns jemand auf Instagram, beobachtet uns und startet ein Netzwerk in ihrer eigenen Stadt. Unterdessen sind es elf Städte weltweit, die unsere Idee mittragen und so nach unserem Konzept lokale Netzwerke aufbauen, was wir natürlich sehr begrüßen.

Ich nehme an, mittlerweile gibt es konkrete Vorgaben, wenn zum Beispiel jemand Illustration Ladies München oder Bratislava starten möchte.

Ja, die gibt es. Fünf Jahre Berufserfahrung wären gut, um dem Netzwerk bei Fragen wirklich mit brauchbaren Antworten zur Verfügung stehen zu können. Die Hosts führen dann auch den jeweiligen Instagram-Kanal des Netzwerks. Man sollte also an Austausch interessiert sein und sich gerne mit den sozialen Medien beschäftigen. Die Chapter können

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In Wien Neubau gestalteten die Illustration Ladies Vienna für Fritz Kola einen Gastgarten.
»Als Illustratorin bist du sozusagen Einzelkämpferin und musst dir dein Business selbst aufbauen.«
— Janina Kepczynski

auch gerne zwei Hosts haben, das macht mehr Spaß und ist effektiver. Wir freuen uns immer, wenn sich Interessierte bei uns melden. Wir sagen aber offen dazu, dass ein Haufen Arbeit damit verbunden ist. Aber wer uns aktiv anschreibt, ist meist sehr motiviert und outgoing, aktiv und vernetzend.

Funktioniert die gegenseitige Unterstützung auch international?

Länderübergreifende Jobanfragen, die wir vermitteln konnten, gab es bislang noch nicht. Wenn eine Eisdiele in Mailand eine Wandgestaltung braucht, leite ich das an die Host-Lady in Mailand weiter. Die kann sich die Eisdiele anschauen und kennt ihr lokales Netzwerk am besten. Aber ja, denkbar ist das – und viele Illustrationsjobs kann man ja ortsunabhängig erledigen.

Wie groß ist denn das Netzwerk der Illustration Ladies? Wie viele gibt es in Wien, wie viele international?

Es sind wie gesagt elf Städte, jedes lokale Netzwerk ist unterschiedlich groß – es ist also schwer zu sagen. In Wien haben wir Kontakt zu fast 200 Illustratorinnen. Manche sind aktiver, manche beobachten das Geschehen nur über den Newsletter oder in den sozialen Medien. Die anderen Städte sind auch sehr aktiv und konnten inzwischen selbst eine große Community bilden. Die Frage ist ja immer: Ab wann ist man dabei? Schon als Followerin? Oder erst als jemand, der zu Netzwerktreffen geht? Wir beobachten, dass sich sehr viel tut und bei jeder Illustration-Session teilen die Illustratorinnen ihre Fotos und Zeichnungen online und generieren so sehr viel Aufmerksamkeit und Reichweite. Gemeinsam mit den anderen Städtehosts und dem globalen Netzwerk erreichen wir monatlich eine Reichweite, die in die Hundertaussende geht.

Ich nehme an, eure Arbeit findet dezentral statt. Oder gibt es so etwas wie eine Zentrale?

Bei den Illustration Ladies Vienna treffen wir uns immer woanders – zum Zeichnen in verschiedenen Bars, Restaurants oder in den

Studios der Ladies. Oder wir zeichnen wie gesagt auf Events wie der Buchmesse. Das macht das Ganze auch sehr lebendig und abwechslungsreich. Wenn deine Frage ist, wie sich das globale Netzwerk organisiert: Das machen wir hier von Wien aus und versuchen, so gut wie möglich mit allen Städte-Hosts persönlichen Kontakt zu halten und uns immer wieder auszutauschen. Das ist sehr inspirierend.

Haben Illustrator*innen eigentlich auch eine offizielle Standesvertretung?

Design Austria versteht sich als Interessensvertretung von österreichischen Designer*innen unter anderem in den Be -

reichen Grafik-, Produktdesign und Illustration. Dort sind viele von uns Mitglied. Oft sind die Fragen, die uns beschäftigen, aber sehr speziell, egal ob rechtlicher oder handwerklicher Natur. Illustration ist ja von Animation über Lettering bis hin zu Street-Art und Kinderbuchillustration ein sehr, sehr breites Berufsfeld.

Viele der Illustration Ladies arbeiten sowohl künstlerisch, als auch klar kommerziell als Auftragsillustratorinnen. Lässt sich absehen wie sich AI und Dall-E auf euer Geschäft auswirken werden?

Das Handgemachte und Persönliche wird auch künftig gefragt sein, denke ich. Ich selbst hab mich mit der Thematik AI und Dall-E, ehrlich gesagt, noch nicht sehr beschäftigt. Aber ich weiß: Es gibt dazu viele Vorträge und Infoveranstaltungen von den Berufsverbänden und sicherlich wird es so bleiben, dass Menschen gerne mit Menschen zusammenarbeiten und die persönliche Ansprache und Beratung angenehmer und qualitativ hochwertiger bleiben wird als die schnelle, digitale Lösung.

Nähere Infos zum Kreativnetzwerk Illustration Ladies und zu seinen Aktivitäten unter www.illustrationladiesvienna.com beziehungsweise www.illustrationladies.com.

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Illustration Ladies, Lisa Langmantel Für das Magazin von Creative Mornings wurde das Frauennetzwerk mit dem renommierten Joseph Binder Award ausgezeichnet.
»Wir haben ein einfach erweiterbares Corporate Design für ein expandierendes, globales Netzwerk entwickelt.«
— Janina Kepczynski
Janina Kepczynski (links) und Florine Glück gründeten die Illustration Ladies gemeinsam.

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Reise nach Jerusalem Wie Studierende mit steigenden Wohnkosten umgehen

Der eigene Wohnraum kann Rückzugsort, Platz für Kochsessions und Partys sein, verzichten kann auf ihn jedenfalls niemand. Mit den Mieterhöhungen hat die Wohnungsfrage neue Aufmerksamkeit bekommen. Aber wie sieht die Situation für Studierende aus? ———— Eigentlich eine schöne Wohngegend. Fünfter Wiener Gemeindebezirk, in der Nähe des Einsiedlerparks. Letzten Sommer übte hier die Initiative Zwangsräumungen verhindern während eines Parkfests Kritik an der politischen Realität des »Roten Wien«. Heute sind wir hier, um Isabell zu besuchen. Isabell ist 25, studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Uni Wien. An den Wänden ihrer Wohnung hängen Falco-Plakate.

Wie bei vielen anderen lag zu Beginn des Jahres eine Mieterhöhung in ihrem Briefkasten. Für sie bedeutet dieser Brief nun den Auszug aus dieser Wohnung. Innerhalb von zweieinhalb Jahren wurde die Miete von 630 Euro auf 780 Euro erhöht – fast um ein Viertel. Zu Isabells Glück übernehmen bis zum Sommer ihre Eltern noch die Kosten. »Klar muss ich mir überlegen, wie ich mir die Wohnung nun selbst finanziere – das ist einfach schwierig bei dem Preis. Ich arbeite zwar geringfügig und demnächst in Teilzeit, aber selbst so sind fast 850 Euro für Miete, Strom und Gas heftig.«

Dabei waren für sie nicht nur die steigenden Kosten maßgeblich für ihre Entscheidung: »Eine Wohnung sollte ein Rückzugsort sein, an dem ich runterkommen kann und auch Ruhe vor anderen Menschen habe. Hier ist das nicht möglich. Gefühlt wird jeden Monat eine andere Wohnung renoviert. Ich wohne jetzt seit zweieinhalb Jahren hier und fast durchgehend war etwas los.« Dafür hat sie zwar zwischenzeitlich zwei Monate eine Mietminderung erhalten, doch das mache das Kraut auch nicht fett.

Ein paar Straßen weiter, ebenfalls im fünften Bezirk, besuchen wir eine Wohngemeinschaft im Dachgeschoß eines renovierten Altbaus. Annika, 21, Publizistikstudentin an der Uni Wien gibt uns eine kurze Führung: ein kleines Zimmer für jede, Wohnzimmer, zwei Bäder, Dachterrasse. Wenn man die Wohnung betritt, könnte man meinen, diese WG hat sich den Traum vom schönen Wohnen verwirklicht, wären da nicht die hohen Kosten. »Wir haben die Wohnung im Sommer 2020 bezogen und zahlen mittlerweile 150 Euro mehr als beim Einzug – allein für die Kaltmiete«, berichtet Annika. Anfangs hatte die WG noch einen guten Tarif für den Strom, doch ihr Anbieter ist pleite gegangen, der neue verlangt nun das Doppelte, was die Kosten für jede Bewohnerin nochmals erhöht.

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Annika, Leni, Paula und Valerie, in ihrem Wohnzimmer, bevor dieses Lenis neuem Zimmer weichen muss.

Aber sie haben eine Überbrückungsmöglichkeit gefunden: Es wird eine Wand eingebaut. Das Wohnzimmer schwindet, eine weitere Person zieht ein.

Lieber Wand statt Makler*in

»Die Miete ist ziemlich hoch, aber wir wollen die Wohnung behalten. Unsere Freundin Leni will nach Wien ziehen und da hat es sich so ergeben«, erzählt Annika. Eine Mitbewohnerin korrigiert: »Wir hatten vorher schon geplant zusammenzuziehen und nach einer neuen Wohnung gesucht. Als es hieß, dass die Makler*innenprovision doch noch nicht fällt, haben wir uns für die Wand entschieden. Wir wollen nicht noch einmal fett Provision zahlen.«

Im März 2022 hatte Justizministerin Alma Zadić voreilig verkündet, dass ab 2023 das Besteller*innenprinzip gelten solle: Wer Makler*innen beauftragt, muss sie auch bezahlen. Letztendlich wurde der Begutachtungsentwurf erst im Dezember 2022 zur Regierungsvorlage, die mit Juli 2023 in Kraft treten dürfte. Sofern nichts dazwischenkommt.

Mit Makler*innen hat auch Isabell schon schlechte Erfahrungen gemacht: »Neulich musste ich mir für eine Besichtigung sogar selbst den Schlüssel gegen Pfand abholen. Und für diesen – nicht vorhandenen –Service soll ich Provision zahlen?!« Aus Deutschland kennt sie bereits, dass zahlt, wer den Auftrag erteilt. So wie es zukünftig auch in Österreich der Fall sein soll.

Ganz andere Sorgen hat Lena, 21 Jahre alt, Studentin der Medieninformatik an der TU Wien. Sie lebt bei ihren Eltern in Tulln

und pendelt viermal die Woche zur Uni. Hinund Rückfahrt zusammen kommen auf drei Stunden täglich: »Eigentlich möchte ich schon lange nach Wien ziehen, aber es geht sich finanziell nicht aus.« Im April wird sie ihren Job aufgeben müssen, da ihr schlicht die Zeit fehlt. »Da trau ich mich nicht auszuziehen, gerade wenn ich nicht weiß, was Strom und Gas künftig ausmachen werden«, beklagt sie. Für sie heißt Studium vor allem Lernen, Lernen, Lernen. »Ich stehe in der Regel um 7 Uhr auf, fange um 8 Uhr an zu lernen und bin dann bis um 22 Uhr dabei; also mit Pausen für einen Spaziergang oder etwas zum Essen dazwischen«, erläutert Lena. Bei so einem vollen Tag bleibt zwar auch weniger Zeit, um Geld auszugeben. Mit dem Bild des unbeschwerten Studierendenlebens hat das aber kaum etwas zu tun.

Welchen Einfluss die Mieterhöhungen auf das Leben von Studierenden hat, ist die Frage, die sich durch unsere Hausbesuche zieht. Wohnkosten waren schließlich schon bei der letzten Studierendensozialerhebung 2019 vor Pande-

mie und Ukrainekrieg der größte Kostenfaktor für Studierende. Darüber hinaus sind die Wohnkosten laut IHS Preismonitor mit 29 Prozent bei Weitem der größte Inflationstreiber für Studierende, gefolgt von Freizeitausgaben mit 16 Prozent und Lebensmitteln mit 13 Prozent (Stand: 21. Jänner 2023). Mieterhöhungen haben damit direkteren Einfluss auf das Leben der Studierenden als andere Faktoren.

Neue Zimmer, teures Dürüm

Philipp, 20, Student der medizinischen Informatik, merkt auch, dass die Essenspreise steigen: »Allein schon, wenn ich mir ein Dürum hole: Ich zahle mittlerweile 8 Euro statt 6,50 Euro«, berichtet er. Philipp wohnt zusammen mit Benjamin, 21, in einer Doppeleinheit eines Wohnheims. Jeder hat einen abgetrennten kleinen Raum mit Bett, Schreibtisch, Kleiderkasten und Balkon; die Kochnische teilen sich die beiden. Für größere Kochsessions gibt es in Gemeinschaftsräumen noch Kochfelder und Backrohre. Alles wirkt modern und hochwertig. Keine Spur mehr vom alten Pfeilheim, wie es viele noch von Partys kennen, die sich durch Stockwerke und Jahrzehnte zogen. »Sicher ist es nicht mehr so eine Gemeinschaft wie im alten Pfeilheim, weil man mittlerweile alles im Zimmer hat und jeder neu eingezogen ist«, kommentiert Benjamin.

Aber generell sind die zwei Burgenländer sichtlich zufrieden in ihrer Unterkunft. »Es wird geputzt, du musst dich um nichts kümmern. Der einzige Nachteil ist der geringe Platz, aber daran kann man sich gewöhnen«, meint Philipp. Extras wie Fitnessraum, Sauna und

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»Es geht sich einfach vorne und hinten nicht aus«
Lena pendelt von ihrem Elternhaus in Tulln nach Wien zum Studieren.
»In der aktuellen Lage trau ich mich nicht, von zuhause auszuziehen.«
— Lena, 21, Studentin

ein eigener Club haben ihn in Kombination mit dem Preis überzeugt. Für Benjamin war die Gemeinschaft ein ausschlaggebender Punkt: »Ich wollte nicht einfach allein in eine Wohnung ziehen, sondern Leute kennenlernen.«

Von Mieterhöhungen blieben die beiden aber trotzdem nicht verschont: Ihre Miete wurde Anfang des Jahres von 430 Euro auf 469 Euro erhöht, was aber verkraftbar sei, so Philipp. Seine Miete übernehmen die Großeltern. Er könne dennoch nicht groß Geld ausgeben, mit seinem Budget liegt er im Durchschnitt seiner Altersgruppe.

Gemeinnützige im Dilemma

Nicht nur für Philipp und Benjamin wurden die Preise erhöht. Eine Umfrage bei den heimischen Wohnheimbetreiber*innen ergab, dass praktisch alle die Wohnkosten anpassen mussten. Dabei zeigte bereits die Studierendensozialerhebung 2019 in einem Vergleich der Haushaltsformen bei den Studierendenheimen mit 48 Prozent den größten Preisanstieg über einen Zeitraum von zehn Jahren (gefolgt von Partner*innenhaushalten mit 45 Prozent, Singlehaushalten mit 35 Prozent und

Isabells Miete hat sich um ein Viertel erhöht – trotz ständiger Bauarbeiten. SINNESRAUSCHEN - FESTIVAL 2023

WGs mit 27 Prozent). Die Studienautor*innen führen das auf den großen Boom von »for profit«-Anbieter*innen zurück. Mit ihrem Angebot richten sich Letztere nicht nur an Studierende, sondern auch an »Young Professionals« und können damit teurer und luxuriöser sein, wie etwa das Triiiple mit Preisen von bis zu 1.800 Euro. Auch wenn dort 60 Pro -

zent der Bewohner*innen Studierende seien und zumeist Appartments einfacher Kategorien im Preisbereich um 700 Euro bewohnten, wie der Anbieter erklärt.

Hinzu kommt, dass sich gemeinnützige Betreiber*innen angesichts der unerwarteten Kostensteigerungen im Dilemma sehen: »Wir bemühen uns als gemeinnütziger Wohnheim-

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Lem! Die Nöstlinger-Songs

betreiber, die Kosten für alle Bewohner*innen so niedrig wie möglich zu halten, um Studierenden leistbaren Wohnraum bieten zu können«, sagt Diethard Hochhauser von Stuwo, die in sechs Bundesländern 21 Heime betreiben. Gleichzeitig heiße Gemeinnützigkeit auch, dass die Anbieter*innen keine Rücklagen haben, mit denen sie die gestiegenen Kosten abfedern könnten, da sie »keinen Gewinn erwirtschaften können und dürfen«, womit also sämtliche Mehrkosten weitergegeben werden müssten, wie Peter Schaller von der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte erklärt. Während es vielerorts Krisenunterstützung gab, gingen die Bewohner*innen und Betreiber*innen von Wohnheimen leer aus; für diese gibt es höchstens bei der Errichtung neuer Heime eine Förderung. Ohne eigenen Stromvertrag ist es für Bewohner*innen überdies schwer, den Energiebonus zu beantragen. Gleichzeitig sind Strom- und Gastarife für Geschäftskund*innen mittlerweile teurer als für Private, selbst wenn ein gemeinnütziges Heim dahintersteht.

An der Nachfrage für die Zimmer ändert das wenig. So schildert Stefan Marchewa vom Diakoniewerk: »Nach einem Einbruch mit Beginn der Pandemie, hat sich die Situation wieder eingependelt.« Bei Home4Students soll es im Herbst sogar eine beachtliche Warteliste gegeben haben. Burak Ünver, von Smartments Österreich, Betreiber des Ari Rath Haus in Wien, ist sich zudem sicher: »Die Nachfrage wird hoch bleiben, denn es gibt auf dem studentischen Wohnungsmarkt weiterhin einen großen strukturellen Mangel an leistbaren Wohnungen.«

Und wie kommen Studierende nun durch die Krise? Unsere Gesprächspartner*innen berichten, bislang nicht wirklich kürzertreten zu müssen. Annika aus der WG im fünften Bezirk erklärt, dass sie die erhöhten Kosten dank zweier Nebenjobs gut handhaben kann. Da ihr Studium nicht so aufwendig ist, habe sie kein Problem 20 bis 30 Stunden in der Woche zu arbeiten. Ihre Mitbewohnerin Paula bekommt noch finanzielle Unterstützung und »zehrt von Erspartem, solange es geht«. Valerie erklärt: »Es ist balancierbar, aber ich find es eben krass, wenn man die Summe sieht: Das geht allein fürs Wohnen drauf.«

(Über-)Leben in der Krise

Für wie viele Studierende die derzeitigen Mieterhöhungen ein einschneidendes Problem sind oder ob es sich eher um eine verschmerzbare Übergangszeit handelt, kann auch Martin Unger vom IHS nicht beantworten. Er verweist aber darauf, dass alle Studierenden, die man befragt »Überlebende« seien: Sie kämen mit den Rahmenbedingungen noch zurecht und hätten noch nicht abgebrochen. Zudem sei es für Studierende leichter als für andere armutsgefährdete Gruppen, einen Job zu finden, dessen Stundenausmaß bei steigenden Kosten ausgeweitet werden kann. »Wenn die verfügbare Zeit mehr fürs Arbeiten als fürs Studieren verwendet wird, sprechen wir von Studienarmut statt von finanzieller Armut«, so Unger. Weniger Zeit zum Studieren heißt länger studieren. Und da wären wir wieder beim Mythos der faulen Bummelstudent*in.

Die Alltagsgeschichten von Isabell, Annika, Lena, Philipp und Benjamin sind jeden-

falls keine Extrembeispiele. Das Schicksal dieser Studierenden bewegt sich im Bereich der Durchschnittsdaten. Das verdeutlicht die Lage nur. Und sobald zu dieser durchschnittlichen Mehrbelastung noch Hürden durch Marginalisierung hinzukommen, lassen sich die genauen Effekte kaum erahnen. Was bedeutet dies etwa für migrantische, queere oder sozial schwächere Studierende? Langfristig wird dieser Trend – gekoppelt mit der Verschulung des Bildungssystems (Stichwort: Bologna und Mindeststudienleistung) – bestehende Ungleichheiten nur weiter verschärfen. Das hätte nicht nur ideelle, sondern auch demokratiepolitische Bedeutung: Bildung gilt als wichtiger Motor für soziale Mobilität und ermöglicht politische Teilhabe und Partizipation. Garantie dafür bietet sie zwar keine, aber mit der Zuspitzung von Ausschlussmechanismen werden bestehende Trennlinien garantiert verschärft.

Durch die Inflation-Mieten-Spirale sind Millionen Menschen in Österreich von steigenden Mieten betroffen: Sobald die Inflation fünf Prozent übersteigt, sind Vermieter*innen berechtigt, den Mietzins an den Verbraucherpreisindex anzupassen. Studierende, die Probleme mit ungerechtfertigt erscheinenden Mieterhöhungen haben, können sich an die Mietrechtsberatung ihrer lokalen ÖH, die Arbeiter*innenkammer, die Mieterhilfe Wien oder einen Mieter*innenschutzverein wenden. Leider gibt es immer noch keine dauerhaften Lösungen oder Auffangnetze, bei temporärer Notlage kann aber auch ein Sozialfonds von der ÖH weiterhelfen.

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»Eine Wohnung selbst zu finanzieren, ist bei den Preisen schwierig.«
— Isabell, 25, Studentin
Philipp und Benjamin teilen sich eine kleine Kochnische.

So richtig daheim Tipps für die ersten eigenen vier Wände

Ob erste eigene Wohnung, WG oder Studierendenheim – wer bei den Eltern auszieht, sollte gut ausgestattet in den neuen Lebensabschnitt starten. Vier Dinge, die du unbedingt brauchst, um die ganz speziellen Herausforderungen von Studium und neuem Zuhause easy zu meistern.

Sound in einer neuen Dimension

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INS LAND EINISCHAUN

Mit »Das Dorf ist wie das Internet, es vergisst nichts« ist Autor und Poetry-Slammer Markus Köhle ein sehr schöner Titel eingefallen. Er schickt in seinem Roman einen Werbetexter mit dem Zug quer durchs Land. Raus kommt eine böse wie treffende Analyse der österreichischen Seele.

KNUTSCH-MIX

Wir standen vor der Kirche. Wir saßen im Auto. Wir fummelten. Wir hatten jeweils eine Hand in der Hose der / des anderen. Wir waren der Meinung, dass es ein Biopic geben sollte, das »Die Hand in der Hose der anderen« heißen sollte. Uns gefiel der Plural, der in »der anderen« steckte. Wir steckten noch nicht sachgerecht an- und ineinander. Wir übten noch. Wir hatten keinen entsprechenden Übungsplatz, deshalb standen wir vor der Kirche des Nachbarortes, saßen im Auto der Eltern und fummelten auf Teufel komm raus. Der Teufel blieb vorerst in unseren Hosen, dort war es höllisch heiß. Deshalb sorgten wir mit unserer Hand in der Hose der/des anderen für Abkühlung, für Abkühlung, nicht für Entspannung. So weit waren wir noch nicht.

Wir hatten coole Hände, aber Finger, die noch nicht recht wussten, wo sie hin sollten, wo ran sie sich halten oder reiben sollten. Wir trugen immerhin keine Totenkopf- oder Sternzeichenringe. Wir hätten nur Schaden damit angerichtet. Wir wollten alles, nur keinen Schaden anrichten. Deshalb steckten unsere Hände – je eine Linke und eine Rechte – tatenlos in unseren Hosen. Sie ruhten auf primären Geschlechtsmerkmalen und fanden das für den Anfang schon mal ganz gut. Wir waren der Meinung, dass es einen Coming-of-Age-Film mit dem Titel »Für den Anfang schon mal ganz gut« geben sollte.

Wir waren nicht unzufrieden, dass nicht unzufrieden nicht das Gleiche wie befriedigt war, wussten wir noch nicht. Befriedigt klang wie beleidigt. Befriedigt war uns zu nah am Schulnotensystem und da bloß zwischen gut und genügend. Wir ahnten, dass es nicht genügte, wenn wir einfach so sitzen blieben mit der jeweils anderen Hand im Schritt. Sitzenbleiben hatte noch niemals genügt. Nächste Schritte wagten wir noch nicht.

Einzelfingeraktionen trauten wir uns noch nicht zu. Wir befriedeten uns mit einer leichten Raus-aus-der-Ho -

se-nein-doch-wieder-rein-vor-und-zurück-Bewegung der ganzen Hand und versuchten dabei, die Finger nicht zu steif und nicht zu verkrampft verharren zu lassen. Bloß nichts kaputt machen! Wir wussten, dass wir fragile Geschöpfe waren. Auf unseren Hosen hätten Schilder angebracht gehört: Handle with care! Fragole fragile. Prosím pozor! Die Sprache der Hosenaufschriften war international. Wir waren es nicht. Wir waren superregional. Wir lebten im Gurgltal.

Wir lebten ein Teenagerleben in vollen Zügen und von den Eltern geliehenen Autos. Wir standen vor der Kirche. Wir saßen in zurückgekurbelten Lada-SamaraAutositzen mit Kopfstützen. Wir hatten einen Kirchturm und einen Altar in den Hosen. Wir kamen mit den jeweils freien Händen weder ans Geläut noch an die Monstranz. Wir waren der Meinung, dass es ein Teenager-SozialDrama mit dem Titel »Die Hölle in den Hosen der anderen« geben sollte.

Den Titel »In den Hosen sind immer die anderen« wiederum hätten wir uns gut als Außenseiter-Drama vorstellen können. Wir waren ja noch eher andere als wir selbst. Fürs Selbstsein reichte es noch nicht. Noch steckten wir in unserer Entwicklung, in den Autos der Eltern, in den zu engen Hosen der anderen und im ebenfalls zu engen Gurgltal fest. Wir glaubten fest daran, dass wir das geändert kriegten. Wir wollten schon längst GeändertKrieger sein.

Wir wollten beim nächsten Treffen vielleicht nur mehr einmal versehentlich mit dem Ellbogen auf der Hupe ankommen. Wir wollten daran denken, beim nächsten einvernehmlichen Auto-Ausgreif-Freitagabend einen Polster über die Handbremse zu legen, um den Handbremsenhebel nicht dauernd in die Hüfte gerammt zu kriegen. Wir wollten auch an eine Kassette, einen Knutsch-Mix, denken, um nicht dauernd rauschende Radio-Tirol-Hits

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PROSA — MARKUS KÖHLEĆ

hören zu müssen. Wir wollten das nächste Mal auf weite Hosen setzen, um den Spielraum zu vergrößern. Wir wollten, dass das nächste Mal das erste Mal passieren würde. Wir wollten, dass das erste Mal nicht passierte, sondern dass wir es gemeinsam auf unvergessliche Art und Weise geschehen machten.

Wir wussten, wie sich die Rückbanklehnen flachlegen ließen und sich der Lada so zum praktischen Kombi mit vergrößertem Kofferraum umfunktionieren ließ. Wir wollten, dass das erste Mal etwas Besonderes würde. Wir fanden, dass sich im Kofferraum, auf dem Parkplatz vor der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, auf Bettbezügen mit rot-weißem Hahnentrittmuster als erstes Mal gut für immer merken ließ. Wir hatten den gleichen Sinn für Romantik, Komik und Drastik. Wir tickten gleich. Wir würden sicher bald ficken. Wir hatten nur noch keine Sprache dafür. Ort, Wille und uns hatten wir schon. Der Rest würde schon noch werden. Wir würden schon noch werden.

Wir konnten uns am kommenden Freitag das Familienauto leider nicht ausleihen. Wir vergaßen das Mal drauf auf Handbremsen-Abdeck-Polster und Hahnentritt-Bettbezüge. Wir hatten bisher noch nie, aber beim entscheidenden Mal, bei dem alles passte – Parkplatz, Liegekomfort, Vollmondatmosphäre – ausgerechnet auf die Kondome vergessen. Wir waren vernünftig genug, es dann doch nicht zu machen. Wir waren sogar so vernünftig, dass wir es noch wochenlang nicht machten und dann war plötzlich Winter und es zu kalt für heiße Liebe im Kofferraum.

Der Winter machte uns zu gefallenen Eiswürfeln, zu hilflosen Eiszapfen und Gletscherspalten in Schneehosen, die zueinander nicht fanden. Wir waren der Meinung, dass es einen Arthouse-Softporno mit dem Titel »Eiszapfen und Gletscherspalten in Schneehosen« geben

Zur Person

An dieser Stelle wird jetzt die Hose runtergelassen. Markus Köhle und The Gap haben eine gemeinsame Vergangenheit, eine Geschichte sozusagen. Etliche Ausgaben fern rezensierte der gebürtige Tiroler Romane der anderen. Aber Leben und Magazine entwickeln sich weiter. Markus war maßgeblich daran beteiligt, Poetry-Slams in Österreich zu etablieren und avancierte zum Literaturveranstalter, der nach wie vor viel schreibt, rezensiert und analysiert. Jetzt gibt’s mit »Das Dorf ist wie das Internet, es vergisst nichts« (Sonderzahl) laut Klappentext sein Romandebüt. Das ist nicht ganz richtig, nur liegt Köhles letzter Roman sehr, sehr weit zurück. So oder so, der Otto-GrünmandlPreisträger erzählt schnell, greift tief in die Neologismuskiste und erzählt mit Sprachwitz die Story von Lukas, einem Texter für die Österreich Werbung, der bei seinen stundenlangen Zugreisen intensiv mit Land und Leuten in Kontakt kommt. Und dann macht ihm auch noch seine Heimatgemeinde ein unmoralisches Angebot. Ein lustiger Blick in die Berg-und-TalAbgründe der österreichischen Seele.

sollte. Unsere Liebe kühlte ab, fror ein, erstarrte. Unsere Liebe wurde begraben von Unmengen von Schnee und war noch vor dem Frühling Schnee von gestern.

Im Frühling blühten wir erneut auf. Wir hatten immer noch Herz. Unsere Herzen aber schlugen nicht mehr füreinander, sie schlugen sich gegenseitig. Wir waren nicht mehr ein Herz und eine Hose. Wir waren einen Schritt weiter. Wir waren reif für andere Herzen, Hosen und Erfahrungen. Aber wir nahmen uns fest vor, uns bei der Aufnahmeprüfung für die Filmakademie wiederzusehen, um ein gemeinsames Romcom-Drehbuch einzureichen, mit dem Titel: »Das Herz in den Hosen der anderen«.

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Claudia Rohrauer

WHICH SIDE ARE YOU ON?

Bis 9/4 2023!

1 »Rubikon«

Mit ihrem Spielfilmdebüt »Rubikon« wusste Magdalena Lauritsch im Vorjahr zu überraschen und beeindrucken. Sie traue sich, groß zu denken, heißt es etwa in der Begründung der Jury des Wiener Filmpreises, die ihr den Spezialpreis zusprach. Auf hohem technischem Niveau erzählt ihr Science-Fiction-Film von der Besatzung einer Raumstation, die den Kontakt zur Erde verliert und sich in der Folge große moralische Fragen stellen muss. Höchst spannend! Wir verlosen drei Blu-Rays.

2 Falco »Einzelhaft (Deluxe Edition)«

Anlässlich Falcos 25. Todestages wurde sein Debütalbum »Einzelhaft« in einer Spezialausgabe neu aufgelegt – als Dreifach-Vinyl, Doppel-CD (inklusive Pop-Krone-Konzert in der Wiener Stadthalle, Falcos allererstem Auftritt mit Liveband als Solokünstler) sowie MC. Ein unkaputtbarer Klassiker der österreichischen Musikgeschichte, der mit »Der Kommissar« Falcos erste Nummer eins auf der Tracklist stehen hat. Es sollte nicht die einzige bleiben. Wir verlosen drei Doppel-CDs.

3 Daniel Kalt »Staat tragen«

Daniel Kalt, ausgewiesener Modeexperte sowie Chefredakteur des Schaufensters, der Lifestyle- und Kulturbeilage der Tageszeitung Die Presse, entschlüsselt in seinem Buch die Modecodes der Mächtigen – von der Handtasche Margaret Thatchers über die Bade-Shorts Barack Obamas bis hin zu den Slim-Fit-Anzügen von Kern, Kurz & Co. Und was, wenn die modische Message-Control einmal versagt? Aufschlussreich und sehr unterhaltsam. Wir verlosen drei Bücher.

4 »The Raw Stuff Vol. 2«

302 Artworks. 252 Seiten. 26 Künstler*innen. 1 Buch. Das ist mal eine Ansage. Für Fans von Heavy Music aller Subgenres oder einfach für Menschen, die auf coole Illustrationen stehen, versammelt »The Raw Stuff« zum zweiten Mal die Crème de la Crème der europäischen Illustrator*innen und Grafiker*innen. Von Gig-Postern über Street-Art, Merch-Designs und Vinyl-Covers bis hin zu Action-Figuren reicht die Bandbreite der abgebildeten Arbeiten. Wir verlosen zwei Bücher.

5 »Jim Jarmusch Complete Collection«

Ob »Night on Earth«, »Ghost Dog« oder »Broken Flowers« – die US-amerikanische Regielegende Jim Jarmusch erzählt in seinen Filmen gerne in lakonischem Ton von skurrilen Charakteren. Anlässlich seines 70. Geburtstags kommen zwei neue Editionen in den Handel – die »Jim Jarmusch Complete Collection« (Blu-Ray) sowie die »Jim Jarmusch Collection« (Blu-Ray und DVD). Letztere umfasst elf seiner 15 Filme. Beide sind ab 23. März im Handel erhältlich. Wir verlosen je ein Exemplar.

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Rezensionen Musik

Various Artists

Schnitzelbeat Vol. 3 – Ready for Take Off!

Kapperl statt Fedora, schwarze Scheiben aus Schellack, Vinyl oder Polystyrol-Mischung statt kristallene Schädel: Wenn es so etwas wie einen österreichischen Indiana Jones gibt, dann ist das Al Bird Dirt – seines Zeichens Plattensammler, Novelty-DJ und Kurator der auch international höchstgeachteten Reihe »Schnitzelbeat«, die einen Blick wirft auf die Geschichte des alternativen österreichischen Undergrounds in der Findungsphase moderner Popmusik. Einen Blick, der ansonsten durch mangelnde mediale Aufbereitung und wegen dubioser Messkategorien für Erfolg und Massenkompatibilität wohl für immer verstellt geblieben wäre. Nach zwei famosen Samplern – von Exotica bis Garage-Rock – steht für die dritte Ausgabe das große Thema des österreichischen Psychedelic Rock im Fokus, auch der artverwandte und hierzulande – natürlich zu – spät angekommene Space-Rock kommt nicht zu kurz.

Die Namen sind dieses Mal tatsächlich mitunter etwas klingender, wir befinden uns hier schließlich zwischen 1967 und 1973. Die Medien wissen mittlerweile, dass es heimische Musik gibt – Karl Ratzer (Charles Ryder Corporation), Jack Grunsky und The Beatniks aus Kärnten könnte man kennen, Letzteren wurde im Vorjahr sogar eine Reissue ihrer einzigen LP spendiert. Aber lass dich da mal nicht täuschen, selbst der größte Name, jener der Beat-Superstars Novaks Kapelle, zeigt den Anspruch Dirts, der tatsächlich deren bislang verschollen geglaubte erste Single ausgegraben hat. Auch alles andere als schlecht: »Brother« der Austrian Brothers, von der es nur zehn gepresste Exemplare gibt. Oder der Holy Grail österreichischer 7-Inch-Sammler: »Ready for Take Off«, der gleichsam würdige Titelsong und absolute Banger von Rocky F. Holicke, der zumindest die nächste Monatsmiete wert ist. Oder auch »War History« von The Cop Stigh, deren einziger Google-Eintrag zu »Schnitzelbeat Vol. 3« führt. Oder die Ministrantenband The Hush. Oder die CastingBand The Wallflowers. Oder dieses und jenes Stück.

Es gäbe über jedes dieser Lieder eintausend Geschichten zu erzählen, Al Bird tut dies in den LinerNotes. So viel vorab: Jede davon kann deinen Blick verändern – auf eine längst vergangene Wirklichkeit.

(VÖ: 3. März) Dominik Oswald

041
09 Trash Rock Archives

Rezensionen Musik

Bulbul

Silence! — Rock is Hell Records

»Ich bin hier – und es gibt nichts zu sagen. Wenn unter Ihnen die sind, die irgendwo hingelangen möchten, sollen sie gehen, jederzeit. Was wir brauchen, ist Stille.« Das PressRelease zu Bulbuls neuer Platte eröffnen ein paar Zitate des Stille-Meisters John Cage, der ausdrücklich nicht Inspirationsgeber für das 13. Album des österreichischen Noise-Rock-Trios ist. Eigentlich naheliegend, denn viel Stille ist in den rund 49 Minuten nicht zu finden. Vielleicht bezieht sich diese Referenz auf die Abwesenheit von Bulbuls vokalem Teil, denn bis auf ein paar mikroskopische Ausnahmen befindet sich auf dem Album kein Gesang.

1996 erschien die erste LP von Bulbul, damals noch als Soloprojekt von Manfred »Raumschiff« Engelmayr, dessen Partie mittlerweile durch Roland Rathmair (Bass) und Didi Kern (Drums) komplettiert wird. Alle drei darf – besser: muss – man guten Gewissens als »umtriebig« bezeichnen. Die wissen, was sie tun. Und das hört man. Wo Produktionen mit Prä- oder Suffix »Noise« gut und gerne zum Matschen oder Übersteuern neigen, ist »Silence!«, dessen Tracklist in kryptischer Noise-Manier aus unterschiedlich langen Strichen besteht, knackig und klar. Verantwortlich dafür ist Nik Hummer. Ebenfalls einer, der weiß, was er tut. Das Stück A2 – oder: »–––––––––––––––––––« (ja, abgezählt!) – erweckt etwa den Eindruck, als säße man zum Zuhören während der Aufnahme im Studio. Was zusätzlichen Eindruck hinterlässt, ist das Erscheinungsbild des Albums. Die 104. Katalognummer des Grazer Labels Rock Is Hell kommt wie gewohnt ausgefuchst und handgemacht daher. Für das siebgedruckte Artwork zeichnet Inga Hehn verantwortlich. Und weil auf einer 12-Inch-Vinyl bei ca. 40 Minuten Schluss ist, wurde in das Cover eine 7-Inch eingearbeitet, die man für C1 herauslösen muss. Grandios! Trotz aller Soundgewalt und DIY-Liebe ist »Silence!« allerdings doch eher eine Platte, die mehr Hintergrund-Ambience als Deep-Listening-Kandidatin ist. Soll heißen: Bulbul muss man sich live reinziehen, damit’s richtig wirkt.

(VÖ: 28. Februar) Sandro Nicolussi

Live: 17. Februar, Graz, Forum Stadtpark — 18. Februar, Wels, Alter Schlachthof — 28. Februar, Wien, WUK

Le Charmant Rouge

Winzer — Konkord

»Winzer« weckt bei seiner Wiederveröffentlichung viele Erinnerungen und funktioniert 2023 ziemlich genau so, wie bei seiner Erstveröffentlichung vor 20 Jahren. Die Musik steht heute wie damals für sich und das, obwohl – und davon zeugen nicht nur die ausführlichen Liner-Notes – es eigentlich viel drum herum zu erzählen gibt. Das Album war der konzentrierte Neubeginn einer bereits seit einigen Jahren umtriebigen Band, deren Mitglieder auch sonst äußert aktiv waren. Die noisigen, krachigen Elemente wurden für »Winzer« zurückgelassen, der durchaus dekonstruierende Zugang blieb. Er ist dem internationalen musikalischen Schaffen zwischen Kraut- und Postrock, auf das sich Le Charmant Rouge musikalisch beziehen, per se immanent und konnte hier weiter gepflegt werden. Der Rhythmus treibt unaufgeregt voran, die Melodien und die Instrumentierung sind so verspielt wie konzentriert. Zum Album wurde damals angemerkt, dass es sich vom musikalischen Kontext nicht genug emanzipiere, mit den Referenzen zu US-Bands wie Tortoise und – immer wieder – den deutschen Klassikern des 1970er-Krautrocks. Aber: »Winzer« ist ganz bewusst so, will und soll so ein.

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Entschieden haben das Thomas Pronai, heute Musiker (The New Mourning) und viel gebuchter Produzent im Burgenland, Andreas Berger, Komponist und Sound-Artist bei Liquid Loft, und Robert Pinzolits, der mit dem Label Karate Joe gut zehn Jahre lang Teilen der heimischen Musiklandschaft eine internationale Ausrichtung gab. Bandmitglied David Kleinl, später unter anderem erfolgreich mit Tanz Baby!, hat auf »Winzer« pausiert. Die Anzahl der weiteren möglichen Assoziationen und Stichwörter bleibt groß – nicht ungenannt bleiben darf die Cselley Mühle als zentraler Schaffensort von (Le) Charmant Rouge.

All dieses Wissen und die Kontexte können und sollen Freude bereiten. »Winzer« ist aber auch einfach nur die Musik. Hochpräzise geschrieben und umgesetzt. Und das ist gut so und macht 2023 so viel Spaß wie 2002. (VÖ: 3. März) Martin Mühl

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Lil Julez

Lil Julez gilt als heißer Geheimtipp: Mit seinen ersten beiden Singles stürmte er unter anderem in die Top 10 der FM4-Charts und er überzeugte dann auch als Liveact. Der Musiker selbst rechnet sich der Bedroom-Pop-Bewegung zu. Dort, an der Peripherie der Popularmusik hisst er die Flagge der Generation Z. Und diese weht stramm im Wind der jungen Emotionen, ganz so, wie die Generation des 23-jährigen Wieners lebt und empfindet. Nichts Neues, schon gar nicht in der Musik. Doch im Kontext ihrer Zeit ist der Ausdruck einer jeden Generation ein anderer. Hier ist es das DIY der Digital Natives. Selbst ist der Musiker: Pop aus dem Schlafzimmer in die Welt befördert, während sich diese Welt jedoch wieder mal am Weg ins Souterrain befindet. Dem begegnet Lil Julez, indem er auf »It Was a Hoax« popartige Kleinode auffädelt. Ganz auf der Höhe der Zeit, süffig im Abgang. Und weil’s am absteigenden Ast, zwischen Sesselklebern und Straßenpickern, immer ungemütlicher wird, drapiert das Wiener Talent sein Debüt mit ironischem Humor.

Selbstbewusst, frech, etwas britisch und die 90er reanimierend, so klingt »It Was a Hoax«. Von nachdenklich bis anregend, von glitzernd bis dunkelblau. Stimme und Melodien von Lil Julez sind indes mit hohem Wiedererkennungswert ausgestattet. Sie erzählen von Caroline, Hunden und Pinguinen. Die Basslines grooven fast unverschämt, die Drums tun, was Drums tun müssen, um Tanzbein und Seele zu stimulieren. Und während Indie-Pop backstage heimlich mit Hip-Hop schmust, treffen unter der Discokugel Beatles-Gitarren auf kreischende Synthesizer. Darüber hinaus bedient sich Lil Julez noch beim Funk und zitiert die 60er-Jahre. Eine brisante Wiener Melange ist das Resultat. Der rote Faden auf dem Debütalbum ist dabei so stramm wie dessen Beats. Lil Julez besitzt die Gabe, einer absurden Welt mit absurden Geschichten zu begegnen, Geschichten, die er musikalisch intelligent vertont und inszeniert. »Ladidada, ladidada«, schunkelt das Album seinem Ende entgegen. (VÖ: 24. März) Tobias Natter

Live: 30. März, Wien, Rhiz

Four — Assim Records

Dinge verlaufen hin und wieder abseits geordneter Bahnen. Das ist kein Geheimnis, sondern eine in eine bekannte sprachliche Wendung verpackte Tatsache. So weit, so »ja eh«. Was diesem Zustand in vielen Fällen folgt, lässt sich paradoxerweise aus der Wendung selbst herauslesen: Man verläuft oder verliert sich auf einem Weg, dessen ausgefranstes Ende kaum noch sichtbar ist. Das muss jedoch nicht unbedingt etwas Schlechtes sein, finden Giovanna und Mario Fartacek, die uns auf »Four«, dem vierten Album ihrer gemeinsamen Band Mynth, auf eine Irrfahrt mitnehmen, bei der jede Flussschlinge lieber zelebriert wird, anstatt sie als mühsame Verzögerung wahrzunehmen. Ein gemeinsames Mäandern als Möglichkeit, unabsichtlich über etwas Schönes zu stolpern und eine gute Gelegenheit, um Vorwärtskommen neu zu definieren. Vielleicht aber auch so etwas wie das sanfte Umspülen eines Hindernisses, mit dem man sich gerade einfach nicht konfrontieren möchte, weil ohnehin schon alles viel zu viel ist. Oder wie es in »Wandering«, der im Dezember erschienenen Single, heißt: »I need a night to loose myself again / Anywhere I lost my mind on site.«

Musikalisch haben sich Mynth auf »Four« nicht verloren. In Sachen Reduktion knüpft die Band an ihr 2020 veröffentlichtes Album »Shades« an, gleichzeitig werden akustische Elemente in den Vordergrund gerückt. Die bereits angesprochene Schönheit des vermeintlichen Irrweges wird musikalisch nur angedeutet, ansonsten regieren subtile Verspieltheit und klare Raffiniertheit – wobei letztere auf »Four« von elektronischen Beats über Gitarrenklänge bis hin zu Folk-Momenten (»Mystery«) reicht. Kurz: ein Album, das nicht nur dazu einlädt, einzutauchen, sondern von dem man sich für etwas mehr als 30 Minuten getrost verschlingen lassen kann. Im besten Sinne des Wortes. (VÖ: 31. März)

Live: 6. April, Wien, Fluc Wanne — 20. April, Graz, Orpheum Extra — 21. April, Salzburg, Rockhouse — 22. April, Linz, Stadtwerkstatt — 13. Mai, Klagenfurt, Kammerlichtspiele

Klaus Pichler, Konkord, Tim Cavadini, Paul Vincenth Schütz
08
Mynth
08
Was a Hoax —
Rezensionen
043
It
Fabrique Records
Musik

Rezensionen Musik

»Acting Funny« — Humming Records

Die Glitzerbadekugel von Lush zergeht langsam im heißen Badewasser. Farbschlieren bilden wobbly Muster auf der Oberfläche, bunter Schaum auf deiner Haut und ein undefinierbarer, zuckersüßer Duft breiten sich langsam aus. Sharktank vertonen mit ihrem zweiten Album »Acting Funny« den perfekten Self-Care-Abend. Nach ihrem extrem erfolgreichen Debüt »Get It Done« wartet Sharktanks zweites Album zwar nicht mit neuem, aber doch mit gefestigtem Sound auf: Dreamland-Synths, verzerrte Gitarrenriffs im Seventies-Style und der dialogische Pingpong-Gesang zwischen Katrin Paucz, die man als Gitarristin von Bilderbuch kennt, und Mile Lechner prägen auch diese LP. Die 15 Titel wirken wie auf Zuckerwatte gebettet: Paucz’ und Lechners Stimmen gleiten auf einem Meer aus blubbernden Synths, die von Marco Kleebauer (Leyya) stammen, und verspielten Gitarrenriffs dahin. Als Topping kommt hie und da ein bisserl Autotune zum Einsatz, eingängige Melodien laden zum Mitsingen, die Lyrics zum Sinnieren ein.

Rap und Rock reichen sich, wie schon auf dem Debüt, die Hand. Bei Titeln wie »Never Ever Ever« oder »Sleeping« offenbart sich aber eine neue Richtung: Es wird poppiger. Die Drums geben den Viervierteltakt vor, catchy Tunes sichern den Wiedererkennungswert und auch die Lyrics sind mit Mental-Health-Issues und Empowerment am Puls der Zeit. Es geht um Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit: »I was questioning myself lately.« Aber auch um Emanzipation: »You don’t have to take care of me / I’m doing pretty good on my own.« Mit »Acting Funny« im Ohr fällt es leicht, sich aus dem eintönigen Alltagsgrau hinein in schönere Realities zu träumen: Afterwork-Aperol im Palmenschatten. Einzig die drei Interludes, die wie persönliche Sprachmemos aus dem Alltag erzählen, reißen einen aus dem Tagtraum heraus.

(VÖ: 24. März) Helena Peter

Live: 2. Mai, Salzburg, Rockhouse — 3. Mai, Linz, Posthof — 4. Mai, Graz, PPC — 17. Mai, Wien, Flex — 18. Mai, Innsbruck, Die Bäckerei

WSophie Lindinger, die Österreichs Musiklandschaft seit Jahren mit Projekten wie Leyya (mit Marco Kleebauer) oder der Supergroup My Ugly Clementine prägt, veröffentlicht ihr selbstbetiteltes Debütalbum als Solokünstlerin. Es fällt nicht schwer, sich Sophie Lindinger mit der Gitarre auf den Knien auf der Bettkante sitzend vorzustellen, während sich diese zehn Songs ihren Weg nach draußen bahnen: Die Akkorde lösen sich von den sechs Saiten, die Töne entwischen den Stimmbändern und langsam füllt sich das Schlafzimmer mit »Sophie Lindinger«. Reduziert auf Gitarre, dezente Percussion und Lindingers unverstellten Gesang, kommt dieses Solodebüt mit ruhiger Intimität daher. Denn viel mehr braucht die Multiinstrumentalistin nicht, um eine Album mit zehn Liedern zu füllen. Hie und da mischen sich ein paar verspielte Synths, ein gezupfter Kontrabass oder eine E-Gitarre darunter, all das ist aber nur Beiwerk zu Lindingers mal kräftig-heller, dann wieder brüchiger Stimme, die das gesamte Album trägt.

Gespielt, nicht geprobt – das Album klingt fast so, als wären die Lieder anfänglich nicht für ein größeres Publikum, sondern vielmehr als Bewältigungsstrategie entstanden. So authentisch und unmittelbar, dass man sich beim Zuhören fast ein bisschen voyeuristisch vorkommt. Als würde Lindinger direkt aus ihrem Tagebuch singen, erzählen die Lieder von Herzschmerz, Depression, Liebe und Sehnsucht nach einem anderen und sich selbst. Dabei wird auf »Coffee Maker« die Tasse Kaffee in der Früh zum Sinnbild für eine vergangene Liebe, während »Familiy Tree« mit fast magisch anmutendem Pizzicato träumerisch von den Schwierigkeiten erzählt, sich selbst zu lieben: »It’s hard to give myself what I’ve been told to get from someone else.« Es sind Zeilen wie diese, die ganz nebenbei Lindingers lyrisches Feingefühl offenbaren. »These are the days that teach me who I’ll be«, singt sie mit brüchiger Stimme. Anders das Schlussstück »The Winner«, das – mit Ukulele statt Gitarre – geradezu beschwingt daherkommt. Upbeat Percussions und dezente Synths lassen so etwas wie Leichtigkeit durchblitzen.

(VÖ: 10. Februar) Helena Peter

Hanna Fasching (2), Florian Pochlatko 07 Sophie Lindinger
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Sophie Lindinger
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Sharktank

Must have!

Sachen, die den Alltag schöner machen

Österreichische Klassiker

Ob vegetarisch oder mit Fleisch – die suppen im glas von inzersdorfer sind schnell zubereitet und kommen ganz ohne Konservierungsund Farbstoffe, Palmöl und zusätzliche Aromen aus. Neu erhältlich: Erdäpfel-Steinpilz-Cremesuppe, Gemüse Cremesuppe und Premium Gulaschsuppe. www.inzersdorfer.at/suppen

Yukno

Alles ist Vergangenheit — Humming Records

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Sie gestalten sich nicht ganz friktionsfrei, die Interdependenzen zwischen dem, was war, dem, was ist, und dem, was sein wird. Oder, wie es auf den gestickten Wandteppichen in Hunderten oststeirischen Herrgottswinkeln geschrieben steht: »Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.« Das Brüderduo Georg und Nikolaus Nöhrer steht nicht im Verdacht, ins plüschene Exil der Nostalgie zu flüchten oder gar ranziger Patina anheimzufallen. Das Gegenteil scheint der Fall: Unter ihrem Projektnamen Yukno – du weißt eh – haben sie sich zu heimischen Opinionleadern in Sachen inhaltlichem Future-Pop gemausert. Egal, ob im »Tomorrowland« oder im »Digital Playground« oder ganz allgemein »Im Stream der Zeit«, Yukno sind Chronisten eines nicht allzu weit entfernten Morgen. Auch ihr 2022 in der EP »Mixtape Eins« veröffentlichter Track »Metaverse«, der von der Zerstörung des Selbst an diesem mittlerweile untergehenden Ort handelt, ist Beweis für topaktuelle Inhalte mit langer Halbwertszeit.

Nun also zumindest vordergründig die inhaltliche Kehrtwende: »Alles ist Vergangenheit«. Der Albumtitel sowie der gleichnamige Opener sind nur geschickte Fassade, anachronistische Ornamente für die Entbehrungen des Hier, des Jetzt und des Sehr-bald. So bietet etwa im ersten Stück gleich angewandte kontrafaktische Historie (»Nero blickt auf Rom und fragt: Wenn alles brennt, wo soll ich wohnen?«) das Setting für das textliche Leitmotiv des gesamten Albums, das ein zurecht dystopisches Zukunftsbild untermalt. Kernzeile: »Wir haben uns einen Turm gebaut, jetzt steht er ganz allein.« Ob die »Gestalten ohne Form« (aus: »Hohle Menschen«) oder das Fehlen jeglicher Gravitation, wenn die Liebe stirbt (in: »Schwerkraft«) oder das Abschalten jeglichen kritischen Denkens als Grundbedingung für vorsichtige Euphorie (in: »Goldener Tag«): Yukno sind sich den Gegebenheiten ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Umwelt bewusst, mit ihrem charakteristischen chillhousigen Indie-Wave erweisen sie sich erneut als Kritiker der emotionellen Technisierung, deren Mittel und Möglichkeiten sie dennoch spürbar schätzen. Auch das ist also nicht ganz frei von Friktion. (VÖ: 3. März) Dominik Oswald

Live: 30. März, Wien, Flex — 31. März, Graz, PPC

Helfen mit Songtexten

Die Spendenkampagne #bravehood unterstützt Kinder in der Ukraine, die unter den Folgen des Krieges besonders zu leiden haben, durch den Verkauf von t-shirts, hoodies und taschen – mit Songzitaten von Acts wie Coldplay, Garbage, Dido, R.E.M. und Nick Cave. Gute Sache! www.supportbravehood.org

Individuelle Textmarker

Die angesagte österreichische Künstlerin ju schnee macht vier der beliebten Pastellfarben des stabilo boss original zu ihrer Leinwand und designt Produkt und Verpackung. Ihr markanter Stil verleiht den Stiften einen individuellen Look – vom Designklassiker zum stylishen Kunstwerk. www.stabilo.com

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MARKT

FOOD

DESIGN

Termine Musik

Elevate Festival

Anfang März steht Graz unter dem Motto »(Unlikely) Alliances«. Zwischen Musik und Diskurs bietet das Elevate einige Highlights. Nicht zuletzt Straight-Edge-Autorin Sybille Berg und Enfant terrible der Nuschelphilosophie Slavoj Žižek. Musikalisch ist ein Showcase des afrikanischen Elektronik-Labels Nyege Nyege bemerkenswert, etwa mit energiegeladenem Afrobeat von Catu Diosis (Bild). Sonst so? Techno-Legende Luke Slater, TranceArtist Courtesy und Akkordeon-Komponist Yegor Zabelov. 1. bis 5. März Graz, diverse Locations

Sinnesrauschen

Viel zu lange – eine ganze Pandemie! – ist es her, dass das Sinnesrauschen im Haus der Musik über die Bühne gegangen ist. Schön, dass sich das bald ändert. Die 2023er-Ausgabe setzt auf eine feine Auswahl heimischer Acts, die von Indie-Gitarren über Anti-Folk bis hin zu soulful Pop reicht. Zu sehen sind: Please Madame, Good Wilson, Cousines Like Shit und Christl (Bild), deren Debütalbum übrigens für heuer angekündigt ist. Noch so ein Grund zur Vorfreude. 25. März Wien, Haus der Musik FÜR JUNGES
4.+5.3.2023
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© Markus Morianz

Termine Musik

Molly

Im Jänner erschien das zweite Album des Innsbrucker Shoegaze-Duos Molly – wie schon sein Debüt bei Sonic Cathedral Recordings, den Londoner Expert*innen für erhaben-schönen Gitarrenlärm. »Picturesque« spiegelt Sänger Lars Anderssons Faible für die Kunst der Romantik wider: Es ist überbordende, hypnotische, einnehmende Musik. 18. Februar Innsbruck, Die Bäckerei — 23. Februar Wien, Chelsea

Struma + Iodine

Zehn Jahre Struma + Iodine, wir gratulieren! Bei dem Mini-Festival gibt es wieder zeitgenössische Musik und Clubkultur zu entdecken. Dieses Jahr treffen 15 internationale und lokale Acts sowie Genres von Noise und Dark Ambient über Techno, Trance und Hardcore bis Post-Hyper-Pop aufeinander. Unter anderem mit: Buttechno, Elvin Brandhi (Bild), Battle-AX und Alpha Tracks. 24. Februar Wien, Das Werk

Affine Records Night

Der Autor dieser Zeilen kann eine Affinität zu Affine Records nicht leugnen. Zu sympathisch ist der Mix aus Innovation und Groove, aus Kollektiv und Label sowie aus den resultierenden Acts. Drei davon gibt’s bald im Rockhouse kondensiert: Dorian Concept, Kenji Araki (Bild) und Zanshin. Eine Empfehlung an alle, die elektronische Musik mit Herz und Hirn schätzen. 10. März Salzburg, Rockhouse

Dry Cleaning

Florence Shaws nüchtern vorgetragener Sprechgesang steht im Zentrum der Musik von Dry Cleaning. Drum herum sind ihre Bandkollegen mit mal quengelnden, mal jammernden Post-PunkGitarren um ein bisschen Nachdruck bemüht. Synth- und Saxofon-Schlieren bringen Farbe ins graue Bild. Nach »New Long Leg« lässt es sich auch ins vielschichtigere zweite Album »Stumpwork« gut reinkippen. 24. März Wien, Flex

Alina Pash

Beim Song Contest 2022 wurde die Ukrainerin Alina Pash quasi in letzter Sekunde von ihrem Land ersetzt. Der Grund: 2015 reiste sie auf falschem Weg, sprich nicht über die Ukraine, auf die Krim. Mittlerweile hat sich der Sturm gelegt. Die Musikerin befindet sich auf Europa-Tour und macht mit ihrem Genre-Mix aus HipHop, Pop und traditioneller Musik auch in Wien Station. 7. April Wien, Das Werk

José González

Wenn der Singer-Songwriter aus Göteborg die Finger über die Saiten seiner akustischen Gitarre wandern lässt, ist’s im Publikum für gewöhnlich mucksmäuschenstill. Grübelnde, berückende, einfach schöne Musik. Bei aller Zurückhaltung brodelt es dabei aber oft unter der Oberfläche. 7. März Wien, Konzerthaus

Marc Almond

Als eine Hälfte des Duos Soft Cell (»Tainted Love«) hat sich Marc Almond schon in den frühen 80ern einen Platz in den Musikgeschichtsbüchern gesichert. Solo versteht er sich darauf, Kitsch zu großer Kunst zu erheben – irgendwo zwischen Pop und Pomp. Greatest-Hits-Show!

2. April Wien, Volkstheater

Pomme

Unaufgeregt, unaufdringlich und doch mitunter überraschend ist der Pop der Französin Pomme. Vor allem ihre Stimme trägt die Performance. Chanson-Vergleiche kann und sollte sie nicht scheuen, vor allem nicht bezüglich Emotionalität, sie klingt jedoch sphärischer, verträumter, moderner. 8. April Wien, Theater Akzent

04.03. Oskar Haag

08.03. Silbermond

09.03. Christof Spörk

10.03. Dota

13.03. Kibbutz Contemporary Dance Company 2

15.03. Sophie Lindinger

18.03. Saxon / Rage

21.03. Jools Holland & Guests

22.03. Delinquent Habits

22.03. Sofia Nappi & Compania Komoco

23.03. Nadja Maleh

23.03. Antilopen Gang

25.03. Christian Dolezal

29.03. Thomas Maurer

30.03. Raphael Miro Holzer

01.04. Pöbel MC

07.04. Kreiml & Samurai

13.04. Chris Jagger

15.04. Catt

17.04. Science Busters

20.04. Geschwister Pfister

21.04. Rosalie Wanka

24.04. Ana Marwan & Cvetka Lipuš

27.04. Louise Lecavalier

30.04. Gravity & Other Myths

29.04. Maria Clara Groppler

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POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz

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Bernhard Frena, Manuel Fronhofer Elevate Festival, Marko Mestrovic, Niko Havranek, Sophie Garcia, David Prokop, Ben Rayner, Goodlive Artists
highlights
Bild: Michelle Rassnitzer

Termine Festivals

3 Fragen an Eva Fischer

Künstlerische Leitung

Civa Festival

Civa steht für »Contemporary Immersive Virtual Art«. Wie macht ihr dazu ein Festival?

Es ist uns über die drei Jahre hinweg darum gegangen, einen Ort zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen, um Neues zu sehen, zu hören und multi-perspektivisch Themen zu diskutieren – ob virtuell oder im physisch. Zwischen Analogem und Digitalem wollen wir immersive Räume gestalten, in die wir eintauchen können und die uns inhaltlich, emotional oder körperlich voll einnehmen. Als Medienkunstfestival beschäftigen wir uns mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen und tun das vor allem in Hinblick auf zeitgenössische Medien, wie Social Media, Internet, Extended Realities, Künstliche Intelligenz oder Blockchain.

Was erwartet uns beim diesjährigen Civa Festival? Was sind die Schwerpunkte?

Wir sind diesmal an zwei physischen Orten und natürlich auch wieder online vertreten. Die Ausstellung »Intangible Care« im Belvedere21 ist das Herzstück des Festivals, um das sich ein Programm aus Tours, Screenings, Diskursen und Live-Performances spinnt. Während der Woche zeigen unsere Ambassadors ihre persönlichen Sichtweisen auf die Civa-Ausstellung. An den beiden Wochenenden findet unser Live-Programm statt, das aus Workshops, Social Sessions, einem Filmprogramm und audiovisuellen Live-Performances besteht.

Ist dasheurige Thema »Intangible« eine Replik auf das oft harte, kantige und harsche Internet?

Wir sind ständig mit diesen harten, kantigen und harschen Themen konfrontiert – Krieg, Rassismus, Frauenhass, Hate Speech, Klassismus, um nur ein paar aufzuzählen. Unsere Gesellschaft ist überfordert, gespalten und verängstigt. Doch dem gegenüber steht eine Kraft: Care. Auf Wienerisch: »sich um etwas scheren«. Viele der Künstler*innen des Civa Festivals kümmern sich um Themen und machen durch detaillierte Recherchearbeit und tiefes Einfühlungsvermögen aktuelle gesellschaftspolitische Probleme wie Misogynie, kulturelle Aneignung/Zerstörung, Identitätsfindung oder den ambivalenten Hype um Self-Care ein wenig greifbarer.

Civa Festival 17. bis 26. Februar Wien, Belvedere 21, Aux Gazelles und online

Imagetanz

Beim »Festival für Neues aus Choreografie und Performance«, das alljährlich vom Brut veranstaltet wird, bieten heuer 17 lokale und internationale Künstler*innen bzw. Kollektive (Österreich-) Premieren und Studio Visits. Im Zentrum stehen Fragen wie: Wem gehört welcher Raum? Welche Räume sind zugänglich? Mit wem teilen wir sie oder wie können wir sie einnehmen? Und vor allem: Wie lassen sich Grenzen überwinden? Wobei die Räume, um die es hier geht, reale, metaphorische oder gesellschaftliche sein können. Im Rahmen der Eröffnung führt uns Annamaria Ajmone zur Sinnesschärfung in einen finsteren Wald. Beim Voguing-Ball von Kiki House of Dive wird das Performance-Programm auf den Dancefloor verlagert. 2. bis 25. März Wien, diverse Locations

048

Termine Festivals

Tricky Women / Tricky Realities

Mit mehr als 150 Kurzfilmen feiert das Festival Tricky Women / Tricky Realities heuer wieder das »emanzipatorische Potenzial und die gesellschaftspolitische Reflexionskraft des Animationsfilms von Frauen und / oder genderqueeren Künstler*innen«. Zu sehen ist auch der preisgekrönte Langfilm »My Love Affair with Marriage« (Bild), in dem sich die aus Lettland stammende Filmemacherin Signe Baumane mit viel Humor Themen wie Liebe, Sex und Geschlechterrollen widmet. In Ergänzung zum Filmprogramm gibt es – wie gewohnt –Künstler*innengespräche und Lectures. 8. bis 12. März Wien, diverse Locations

Diagonale

Es ist die letzte Diagonale unter der Leitung von Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber – und es dürfte wieder eine sehr spannende werden. Bei der Eröffnung ist mit Patric Chihas Spielfilm »Das Tier im Dschungel« (Bild) eine Ode an die Clubkultur zu sehen. Die Programmreihe »Zur Person« ist Goran Rebić gewidmet, der in frühester Kindheit mit seinen Eltern von Jugoslawien nach Wien kam. Und die beiden historischen Specials tragen die vielversprechenden Titel »Finale« respektive »Aktion! Action!«. Das komplette Programm gibt’s ab 10. März. 21. bis 26. März Graz, diverse Locations

Mehr als 200 Filme hat der Ausnahmeregisseur Jess Franco gedreht, immer wieder arbeitete er sich darin an denselben Obsessionen ab. Anlässlich seines zehnten Todestages widmet ihm das Filmarchiv nun ein »Wild Weekend«, an dem sich die spezielle Handschrift des »Autorenfilmers des Bahnhofkinos« zeigt. Unter anderem mit den Filmen »Der Hexentöter von Blackmoor«, »Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt« und »Sadomania – Hölle der Lust«. 23. bis 26. Februar Wien, Metro Kinokulturhaus

Vinyl & Music Festival

Anfang März steht die Ottakringer Brauerei wieder ganz im Zeichen der Musik – mit besonderem Fokus auf das »schwarze Gold«. Neben Unmengen Vinyl werden die rund 150 Aussteller*innen aus dem In- und Ausland auch wieder Hi-Fi-Equipment und Instrumente auf die Verkaufstische hieven. Eine Jukebox könnte man sich bei der Gelegenheit auch kaufen. Oder vielleicht ein Siebdruckposter des Lieblings-Artists? Konzerte, DJ-Sets und Foodtrucks runden das Angebot ab. 4. und 5. März Wien, Ottakringer Brauerei

Mit alles

Das »Kulinarikfest für moderne Gourmets und Gourmands« regt mit Schlagwörtern wie Naturwein, Delikatessen, Kaffee und Spirituosen sowie einem Fokus auf lokale Produzent*innen den Appetit an. Man sei »auf der Pirsch nach den Ursprüngen, den Exoten und den Highlights«, heißt es auf der Website der Veranstalter*innen, die man zumindest teilweise auch aus dem Feschmarkt-Team kennen könnte. Ausgabe Nummer drei der genussvollen Zusammenkunft. 31. März bis 1. April Wien, Brick-15

Craft Bier Fest

Wer das geschmacklich nivellierte Industriebier internationaler Großkonzerne langweilig findet, kann schon mal das Verkostungsglas vorspülen. Ob IPA oder Stout, Sour oder Wit – die Vielfalt handwerklich gebrauter Biere ist groß. Und dank 50 teilnehmender Brauereien aus Österreich und dem Ausland kann man am Craft Bier Fest an die 400 davon probieren. Wobei die Quantität vor allem deshalb beeindruckt, weil auch die Qualität hoch ist. 14. und 15. April Wien, Marx Halle

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Bernhard Frena, Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann Elodie Grethen, Charlie Engman, Signe Baumane, Elsa Okazaki

The New African Portraiture

Obgleich sich die Ausstellung »New African Portraiture« auf die Gattung der Malerei und das Genre des Porträts beschränkt geht dabei weder Vielfalt noch Selbstbewusstsein der ausgestellten Arbeiten verloren. »African« wird dabei über den afrikanischen Kontinent hinaus auch auf Künstler*innen in der Diaspora ausgedehnt. Gerade bei den teilnehmenden Künstler*innen jüngerer Jahrgänge bis Mitte der 80er-Jahre wird die Verstrickung von Identitäten und die Schwierigkeit, sie bildlich zu fassen, deutlich. Produktiv wird es da, wo der Komplexität Fläche und Raum gegeben und sich einiges von der diebischen Kunstgeschichte zurückgeholt wird. bis 10. April Kunsthalle, Krems

Termine Kunst

050

Valie Export

Valie Export – die schillernde, subversive, ewige Pionierin Valie Export – interveniert im Erdgeschoß des Kunsthauses Bregenz mit der Installation »Oh Lord, Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me«. Dafür greift sie auf die Kirchenorgel ihres Heimatortes Pöstlingberg bei Linz zurück und stellt ihr die Jazzklänge von Charles Mingus entgegen. Ein Kunstgriff über Raum und Zeit hinweg, der mit ganz wenig ganz viel erreichen kann – so kennt man Valie Export. Eine gute Gelegenheit, die Bekanntschaft mit ihrem Werk aufzufrischen, denn es erschöpft sich nicht und nicht. bis 10. April Kunsthaus, Bregenz

Heinrich Dunst: Sink

»Sink« von Heinrich Dunst (»der österreichische Konzeptkünstler«) zeugt von einer intensiven Lektüre Foucaults. Zweck und Voraussetzung von Kunst sind die Kernthemen der installativen Ausstellung, die Dunst spezifisch für das Haus als Gesamtwerk erarbeitet hat. Im Zentrum stehen dabei der Dialog zwischen Werken und Betrachter*innen, die Transformationen von und durch Kunst, sowie das Verhältnis von skulpturalem (Bild-)Objekt zu (poetischer) Sprache. All dies wird von Dunst gekonnt in der Schwebe und damit virulent gehalten. bis 30. April Halle für Kunst Steiermark, Graz

Falten

Jeder hat sie, die wenigsten wollen sie. Sie sind Motor einer ganzen Sparte der Kosmetikindustrie. Sie sind Alleinstellungsmerkmale, mit Emotionen verbunden und zeichnen Charaktere aus. Sie sind ewiger Begleiter der Künste und sogar eigene Kunstform. Falten! Von Fächern und Papier über Kleider bis hin zu Masken und Gesichtern zeigt die Mak-Sammlung Asien das weite Spektrum von Falten und beleuchtet es von der kulturellen und künstlerischen Seite. bis 21. Mai Mak, Wien

What the Fem?

Wie hat sich der Feminismus seit den 1950er-Jahren verändert? Und wie sehen die künstlerischen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Feminismen aus? Die bewusst offen gestaltete Ausstellung zu diesem Megathema integriert theoretisierende Ansätze genauso wie solche, die gelebte Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen – ganz nach dem Motto »under de / construction«. Besonderes Augenmerk wird auf Österreich, genauer, Linz gelegt und ein historischkünstlerischer Abriss geboten. bis 28. Mai Nordico Stadtmuseum, Linz

Mining Photography

Die Abhängigkeit von seltenen Erden sind verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Wir benötigen sie für scheinbar Notwendiges (Smartphones), Überflüssiges (Elektrosportwägen) und … Fotografie! Fotografie? Echte Klimakiller sind Fotos nicht erst, seit man auf energiefressenden Clouds speichert, sondern schon seit man für ihre Verfahren Kupfer, Kohle und Silber abbauen musste. »Mining Photography« macht das Medium zum Thema und zeigt die Auswirkungen des Knipsens auf die Umwelt. bis 29. Mai Kunst Haus, Wien

Skulpturenpark Cobenzl

Der Frühling naht! Wer seine Neujahrsvorsätze in die Tat umsetzen und mal wieder was für die Seele tun möchte, kann mit einem Ausflug zum Cobenzl am Rande Wiens gleich zwei Sachen miteinander verbinden: Kunst schauen und Waldluft schnuppern. Ein frischer Wind weht durch den Skulpturenpark der Parallel Vienna – mit Arbeiten von Erwin Wurm, Bruno Gironcoli, Eva Schlegel und weiteren. Städter*innen, raus in die Natur! bis 31. Oktober Wien, Weitsicht Cobenzl

051 Victor Cos Ortega Cornelius Annor »Barima Katakyie«, 2022; Foto: Jorit Aust / The Shariat Collections; Kunsthaus Bregenz, Markus Wörgötter, Judith Huemer / Bildre cht, Violetta Wakolbinger, Optics Division of the Metabolic Studio
Termine Kunst

Termine Filme & Serien

3 Fragen an Katharina Mückstein

Regisseurin von »Feminism WTF«

Stams – Österreichs Kaderschmiede

Ich wusste, dass meine eigene Perspektive einer weißen, europäischen cis Frau mit gewissen Privilegien eine eingeschränkte ist, daher war mir Folgendes klar: Ich werde keinen Film produzieren können, der alles abbildet, was Feminismus ist. Ich habe also viele Personen kontaktiert und sie gefragt, was ihrer Ansicht nach im Film enthalten sein muss. Das ist für mich auch eine feministische Art, Filme zu machen: Ich habe die Mittel und das Handwerk, aber ich bin auf die Perspektive anderer angewiesen. Ich wollte dem Feminismusbild der Massenmedien einen Film entgegensetzen, der mit Leichtigkeit, Freude und Stolz zeigt, wie großartig Feminismus ist.

Der Film zeichnet sich durch seine harmonische Optik aus: Wieso war dir dieser Aspekt wichtig?

Mir ist es wichtig, Filme zu drehen, die gut aussehen. Ich hatte die Idee, den Film in verlassener kapitalistischer Architektur zu drehen. Meine Vorstellung von Feminismus ist immer eine Kritik des Kapitalismus. Ich wünsche mir, dass Feminismus auf den Ruinen des Kapitalismus erblühen kann. An unserem Set mochte ich auch, dass ein Haus ein Symbol für Community ist, ein Ort, an dem alle zusammenkommen. Alle Menschen, die an »Feminism WTF« mitgewirkt haben, vereint ein feministisches Grundverständnis, und alle kamen dann in dieses Haus, um den Film zu drehen.

Du selbst kritisierst auf deinem Instagram-Profil die österreichische Filmbranche und verschaffst Betroffenen von Sexismus Gehör. Hat die Filmbranche ein besonders großes Problem damit?

In der Filmbranche geht es um viel Geld und Anerkennung. Wo Geld wartet, ist die Männerdominanz meist nicht weit. Die Arbeitshierarchie am Set führt dabei oft zu Machtmissbräuchen und Übergriffen. Betroffene können sich schlecht wehren, ohne die eigene Existenz gefährdet zu wissen. Die Frage, was eine feministische Filmsprache ist und wie ein feministisches Arbeiten – also Kooperation auf Augenhöhe – aussehen kann, das steht aktuell sehr stark im Raum.

»Feminism WTF« Start: 31. März

Regie: Bernhard Braunstein Ein Jahr begleitete Regisseur Bernhard Braunstein seine Protagonist*innen in Stams, Österreichs erfolgreichstem Eliteinternat für Wintersport. Das Training ist hart – physisch wie psychisch. Nicht alle sind dem Druck gewachsen. Kraft und Durchhaltevermögen sind gefragt, Hoffnungen und Rückschläge stehen an der Tagesordnung. Wer das berühmte Schigymnasium besucht, will hoch hinaus, doch nur ein bis zwei Prozent aller Schüler*innen schaffen es, sich im Spitzensport durchzusetzen. Seine Weltpremiere feierte der Film auf der Berlinale. »Ich wollte keinen klassischen Sportfilm machen, nicht das klassische Held*innen-Narrativ bedienen, sondern mit einem genauen und empathischen Blick den Alltag der heranwachsenden Jugendlichen beschreiben«, so Braunstein im Regie-Statement. Er begegnet seinen Protagonist*innen voller Respekt und zeigt Licht- und Schattenseiten ihres Alltags. Start: 3. März

Sisi & ich

Regie: Frauke Finsterwalder Nach »Corsage« und »Sisi« widmet sich ein weiteres Projekt der Figur Elisabeth von Österreich-Ungarn. In »Sisi & ich« wird die Geschichte aus der Sicht der Gräfin Irma (Sandra Hüller) erzählt. Sie ist fasziniert von Sisi (Susanne Wolff); die Kaiserin zieht Irma in ihren Bann. Irma verliebt sich schließlich in Sisi – und unterstützt sie bei einer folgenschweren Entscheidung. Frauke Finsterwalder hat für ihren zweiten Spielfilm das Drehbuch gemeinsam mit Christian Kracht verfasst. Die bisherigen Darstellungen von Sisi empfindet die Regisseurin als unfair: »Sie war eine Frau, die im späteren Alter sagte, was sie dachte, und tat, was sie wollte. Ihr wurde immer angekreidet, dass sie schwierig und auch psychisch krank sei. Unter dem heutigen Aspekt würde man eine starke Frau wie sie gar nicht mehr so verurteilen«, so die Regisseurin gegenüber dem Österreichischen Filminstitut. Start: 31. März

Barbara Fohringer 052
Elsa Okazaki, Panama Film, DCM / Bernd Spauk e, Sky Studios, Amazon Prime In deinem neuen Dokumentarfilm »Feminism WTF« sprichst du mit unterschiedlichen Expert*innen und Aktivist*innen. Was war dir bei der Auswahl deiner Gesprächspartner*innen wichtig?

Wo ist Anne Frank?

Regie: Ari Folman ———— Anne Franks Tagebuch ist Zeitgeschichte und Weltliteratur zugleich. Zwei Jahre lang versteckte sie sich mit ihrer Familie vor den Nazis, sie wurde schließlich aber doch ermordet. Dieser Animationsfilm geht einen etwas anderen Weg als frühere Verfilmungen: Während des Kriegs schreibt Anne hier an ihre imaginäre Freundin Kitty, die 75 Jahre später auf magische Weise zum Leben erwacht und sich auf die Suche nach Anne macht. Start: 24. Februar

Sterne unter der Stadt

Regie: Chris Raiber ———— Alexander (Thomas Prenn) hat in seiner Kindheit versprochen, sich niemals zu verlieben, da er nicht das Schicksal seines Vaters teilen möchte. Er kümmert sich um diesen und arbeitet zudem im Fundbüro der Wiener U-Bahn. Als er dort auf Caro (Verena Altenberger) trifft, wird es jedoch immer schwieriger, sein Versprechen zu halten. Gedreht wurde unter anderem im Netz der Wiener U-Bahn. Start: 3. März

Zusammenleben

Regie: Thomas Fürhapter ———— Thomas Fürhapter wirft nach »Die dritte Option« (2017) nun in seiner neuen Doku einen Blick auf die Vielfalt, die sich in der Bundeshauptstadt Österreichs auftut: Mit seiner Kamerafrau Judith Benedikt besuchte er das Core Zentrum im 15. Bezirk, in dem es Integrationsangebote für Menschen mit Fluchterfahrung gibt. So entsteht nicht nur ein Bild dieser Menschen, sondern auch eines der Wiener*innen. Start: 10. März

Lass mich fliegen

Regie: Evelyne Faye ———— In ihrem Debütfilm präsentiert Evelyne Faye vier Menschen mit Down-Syndrom. Sie alle kämpfen um Inklusion und um ein selbstbestimmtes Leben. Raphael und Johanna etwa sind beide Teil der Tanzgruppe »Ich bin o. k.«. Sie wollen heiraten und später auch Kinder bekommen. Andrea wiederum sucht eine Stelle als Altenpflegerin und Magdalena ist künstlerisch sowie politisch aktiv. Eine Begegnung auf Augenhöhe. Start: 17. März

The Ordinaries

Regie: Sophie Linnenbaum ———— Ein Film über die Welt des Films. In dieser gibt es Hauptund Nebenrollen – für die 16-jährige Paula (Fine Sendel) steht fest: Sie will eine Hauptfigur sein. Daher besucht sie eine Schule für Hauptfiguren und muss bei der Abschlussprüfung beweisen, dass sie das nötige Potenzial hat. Die Kritik zeigt sich angetan von diesem Mix aus Science-Fiction und Satire und beschreibt ihn als ungewöhnlich sowie experimentierfreudig. Start: 14. April

SO LÖFFELT ÖSTERREICH!

Funny Woman

Idee: Morwenna Banks Basierend auf Nick Hornbys Roman »Funny Girl« erzählt diese Serie die Geschichte von Barbara Parker (Gemma Arterton), die 1964 den »Miss Blackpool«-Schönheitswettbewerb gewinnt. Sie verlässt daraufhin ihren Ehemann und startet eine Karriere im Showgeschäft. Eigentlich war die Schauspielerei ihr erstes Ziel, doch schnell stellt sich ihr Talent für die Komik heraus. Fans von »The Marvelous Mrs. Maisel« dürften bei dieser Produktion auf ihre Kosten kommen. Start: 9. Februar Sky

The Consultant

Idee: Tony Basgallop Christoph Walz zeigt wieder sein Können: In der düsteren Serie »The Consultant« spielt er einen Berater, der nach der gescheiterten Fusion die Firma Compware übernimmt. Seine Methoden sind unorthodox und zwischen ihm und den Angestellten entwickelt sich eine finstere Beziehung. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autors Bentley Little und vereint Comedy- mit Thriller-Elementen. Der zweifache Oscar-Preisträger Waltz produzierte die Serie auch. Start: 24. Februar Amazon Prime

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Screen Lights Takt mit dem Teufel?

Jetzt ist es mir also tatsächlich passiert. Es geschah ohne Vorsatz, sogar unbewusst, war letztlich aber nicht zu vermeiden. Dies hier ist also, wenn man denn so will, die erste Kolumne, die unmittelbar an die letzte anknüpft, die den seinerzeit ausgelegten Faden sozusagen geradeswegs aufnimmt, um ihn direkt weiterzuspinnen. »Ein Film, der es nicht bloß anregt, sondern nachgerade einfordert: das retrospektive Reflektieren, Räsonieren, Diskutieren«, war in der vergangenen Ausgabe am Ende der Betrachtungen zu »The Banshees of Inisherin«, einem »der größten Filme der Spielzeit 2022«, zu lesen. Berühmte letzte Worte? Von wegen.

Denn in der Zwischenzeit hat sich nicht nur ein Werk gefunden, das der besagten Glanztat von/mit dem Trio McDonagh / Farrell / Gleeson auf Augenhöhe zu begegnen versteht, nein, selbiges ist auch mindestens genauso gut geeignet, im Nachklang für hitzige Debatten zu sorgen. Wobei das noch eine Untertreibung ist: So wie »Tár« (Kinostart: 2. März) angelegt und umgesetzt ist, zielt er nachgerade darauf ab, es sich im Minenfeld kontemporärer Diskurse ungemütlich zu machen.

Fixstern Cate Blanchett

Mit nicht geringer Lust an Konfrontation und Irritation pirscht sich Regisseur Todd Field an heikle Themen des Kulturbetriebs heran, die längst auch weit über dessen innere Kreise hinaus mächtig Wellen schlagen: Geniekult, Hybris und Missbrauch, Bubble-Betriebsblindheit und Konsequenzen-Kultur. »Tár« betreibt jenes Pirschen jedoch mit Konsequenz und Eleganz beharrlich aus Richtungen, aus denen man es nicht vermutet hätte, und führt uns dabei, volle Aufmerksamkeit abverlangend, zu häufig ebenso unerwarteten, unter Garantie lohnenden Reflexionen.

Er ist damit gleichwohl ein Film, wie er kaum besser in unsere Zeit passen könnte. Aber auch ein Film, der einen stets von Neuem herausfordert, der verunsichert und dazu geeignet ist, allfällige blinde Flecken in der eigenen Weltwahrnehmung anzuzeigen. Ein Film, pickepackevoll

mit Szenen, die zunächst vollkommen eindeutig und erklärbar erscheinen, deren komplette Bedeutung aber zunächst oft nur schwer zu greifen ist. Ein Film, der sich dabei dennoch so real anfühlt, dass man sich nach dem Abspann kaum noch eine Welt vorstellen kann, in der Lydia Tár, also jene Person, die dieser schattenhaften Story als Fixstern und unmoralisches Zentrum dient, nicht auch tatsächlich existiert.

Eine bemerkenswerte Leistung, die ihren Ursprung freilich nicht allein in Fields nüchterner wie elektrisierender Inszenierung hat. Denn nicht nur ob ihrer Präsenz in so gut wie jeder einzelnen Einstellung des Films ist »Tár« mehr oder minder ein einziger großer Schauspiel-Showcase für Cate Blanchett und ihre Fertigkeiten. Diese vermochten noch selten so gleißend hell zu strahlen wie in dieser Verkörperung einer bahnbrechenden, charismatischen, lesbischen Dirigentin, die eine der einflussreichsten Positionen einzunehmen verstand, die ihre Profession zu bieten hat.

Mit großen Dosen von Talent, Intelligenz und Selbstbewusstsein brachte es Lydia Tár zu Rang und Namen. Die Rollenmodelle ihrer Helden (nach -innen sucht man lang und vergeblich) zu diesem Behufe zum Vorbild nehmend, beschreitet sie kühl und kontrolliert den vorgezeichneten Weg eines Genies in die Geschichtsbücher – leider auch mit all den gängigen, unerfreulichen Nebeneffekten. Bemisst Tár doch, wie so viele ungute Typen vor ihr, alles Zwischenmenschliche rein nach dem transaktionalen Mehrwert – und macht dabei vor reichlich unangemessenen Beziehungen zu weit weniger mächtigen Menschen noch lange nicht Halt. Wo ein solches Vorgehen in der Vergangenheit ihrer Vorbilder meist noch stillschweigend geduldet wurde, kann es in einer hyperalerten Gegenwart jedoch nur im Untergang kulminieren. Selbst oder gerade dann, wenn man sich für unantastbar hält.

Die schwelende Panik der Protagonistin davor, dass Details jener Übertretungen publik werden, durchzieht diesen polymorphen Film, der zwischen Thriller, Hochkultursatire,

Charakterstudie, mitunter Horror die unterschiedlichsten Klänge und Rhythmen anzuwenden vermag, ohne es sich je in einem e i nzigen durchgängigen Modus Operandi behaglich einzurichten. Und behaglich will es sich Field entsprechend auch bei den Antworten auf die brennenden Fragen nicht machen: So kompliziert, vielschichtig und faszinierend undurchdringbar wie die Kunst, die Lydia mit allen Kollateralschäden mehr als alles andere liebt, präsentiert sich auch dieses nahezu Kubrick’sche Epos, das den alleraufgelegtesten Impulsen widerstehend seine Protagonistin weder als Monster noch als Opfer zeichnen will.

Kunst als Selbstauslöschung?

Die nuanciert trügerische Manier, mit der Field und Blanchett uns das immer noch ein wenig übler entgleisende Geschehen durch den hochgradig subjektiven Tunnelblick der Protagonistin erleben und erfühlen lassen, legt stark nahe, dass sie Substanzielleres im Sinne hatten, als zu allzu wohlfeilen Schlussfolgerungen zu gelangen. Vielmehr stellt »Tár« lieber die Mechaniken der Macht und ihrer Missbrauchsmöglichkeiten infrage – ohne Sympathien einzufordern: Was macht Macht mit einem, mit der eigenen Psyche? Und was ihr Verschwinden? Was, wenn die Reaktion auf den angekündigten Verlust von Kontrolle und Privileg in der radikalen Variation des Paradigmas von der Trennung von Kunst und Künstlerin läge – in der Trennung der kreativen Persona vom Rest-Ich, in der Selbstauslöschung im Sinne der Kunst?

Eine Zuspitzung, eine Zumutung. Es sind genau diese seltsamen, irritierenden, faszinierenden Töne, die »Tár« zu einem Erlebnis machen, das man noch lange über die nächste akute Empörung hinaus mit sich herumtragen wird.

prenner@thegap.at • @prennero

bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
054 Luca
Senoner, Focus Features
Christoph Prenner plaudert mit Lillian Moschen im Podcast »Screen Lights« zweimal monatlich über das aktuelle Film- und Seriengeschehen. Cate Blanchett füllt »Tár« und ihre Rolle vollends aus.

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Termine Bühne

Bones and Stones

Oür die neue Performancearbeit von Künstlerin und Choreografin Claudia Bosse wird die Halle G zu einer begehbaren Landschaft, in der sich das Publikum frei durch den Raum bewegt. Sechs Tänzerinnen verschiedenen Alters graben hier durch die vielen Schichten der Zeit. Auf der Suche nach Erinnerungen in Steinen und Knochen wird ein Raum geöffnet, in dem Material, Leiber in ihren Prozessen, Transformationen und Zerfall verflochten werden. Im Anschluss an die Performance am 24. Februar findet ein Artist-Talk zwischen Kulturhistorikerin Felicitas Thun-Hohenstein und der Choreografin Claudia Bosse statt. Die Bewegung hinein in die Körper und in die Erde soll sich zudem im Sommer 2023 aus dem Bühnenraum in die Landschaft verlagern. 23. bis 25. Februar Wien, Tanzquartier, Halle G

GI3F (Gott ist drei Frauen)

Die drei Göttinnen in »GI3F« sind sich angesichts des Zustandes der Welt unsicher: Was ist zu tun und sollte das Zeitalter der Menschheit vielleicht besser zu Ende gehen? Zu Seite gestellt wird den drei Akteurinnen ein Mann, Jens, der als Vertreter des Patriarchats bei der Frage danach, was eigentlich los ist, hoffentlich nachhelfen kann. Autorin Miru Miroslava Svolikova entwirft mit »GI3F« ein modernes Mysterienspiel, in dem drei Darstellerinnen humorvoll und kritisch das allgemeine Weltgeschehen verhandeln. 6. März bis 1. April Wien, Theater Drachengasse

Sons of Sissy

Der österreichische Choreograf Simon Mayer lässt in der Arbeit »Sons of Sissy« ritualistische Gruppentänze – in ihrer Geschichte verwoben mit Konservativismus und Konventionen – auf zeitgenössischem Tanz prallen. Mehr als acht Jahre nach der Uraufführung wird das Tanzstück in Wien wiederaufgeführt. Alpine Livemusik trifft hier auf verspielte Tanzkombinationen und -formationen, die traditionelle, männliche Rollenbilder im Brauchtum mit Humor unterlaufen. 16. bis 18. März Wien, Odeon

Absence

»Was geschieht, wenn sich dein eigener Körper plötzlich gegen dich wendet?« In »Absence« werden die psychischen und körperlichen Folgen einer Gehirnverletzung thematisiert. Es werden Situationen aus dem Alltag vor und nach einer Gehirnoperation durchgespielt und es wird gefragt, was die Fähigkeit des Erinnerns für die eigene Identität bedeutet. Der Theaterabend verhandelt die veränderte Wahrnehmung der Innen- und Außenwelt von Betroffenen sowie den Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper und ist eine Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit. 28. März bis 7. April Wien, Kosmos Theater

Herstory. No More Excuses …

… No More Abuses.« Es gehört zur traurigen österreichischen Realität, dass im Jänner dieses jungen Jahres 2023 bereits drei Femizide zu vermelden waren. Das Doku-Theaterstück von Sophie Benedikte Stocker nimmt verschiedene Frauenbiografien in den Fokus. Sechs Darstellerinnen verhandeln auf der Bühne patriarchale Rollenbilder und männliches Besitzdenken, basierend auf Interviews mit Frauen verschiedener Generationen und unterschiedlicher Backgrounds, mit Expertinnen aus den Bereichen Politik und Recht sowie aus psychologischen Betreuungseinrichtungen und mit Aktivist*innen, die auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. So entsteht ein feministisch-empowernder Theaterabend, musikalisch unterstützt von Aggrepo-Punk-Sounds der Livemusikerin Jana Schulz. 16. bis 25. März Wien, Werk X-Petersplatz

Café Populaire

Im Zentrum von »Café Populaire« steht Svenja, eine Kulturschaffende, die eigentlich alles richtig machen will. Mit ihrer Erfindung des »Humornismus«, einer Mischung aus Humor und Humanismus, landet sie auf der großen Internetbühne – den sozialen Medien – jedoch keinen großen Coup. Don, ein böses neoliberales Alter Ego, ist da schon erfolgreicher und scheint über ihren Körper immer mehr Kontrolle zu gewinnen. In dem satirischen Stück geht es um alltäglichen Klassismus, um Vorurteile und Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft. 6. April bis 28. Mai Linz, Landestheater

056 Oliver
Maus Markus Gradwohl, Dušana Baltić

ATMOSPHERE

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Sex and the Lugner City Un-frack my brain

Ein Typ mit stechend blauen Augen und sonorer Stimme bat mich, mir eine Tür vorzustellen. Durch die sollte jeden Moment eine Person treten, die mich liebt, und mir sagen, dass ich gut wäre, so wie ich bin. Nichts leichter als das. Danach schaute ich noch ein paar amerikanische Rezeptvideos für Handfetischist*innen, bevor ich mein Handy endgültig weglegte und versuchte einzuschlafen. Wahrscheinlich war es kontraproduktiv, ausgerechnet auf Tiktok nach Entspannungstechniken zu suchen. Tiktok ist schließlich wie Fracking für den präfrontalen Cortex. Es wird einfach so tief gegrindet, bis weite Areale deines Gehirns komplett vergiftet sind. Dennoch verwies mich der Hashtag »Mindfulness« auf ein paar alltagstaugliche Tipps für tiefere Entspannung. Ich begann, auf meinen Atem zu fokussieren, meine Sinne zu schärfen, beendete das permanente Multitasking und zündete immer mal wieder eine Kerze an. Letzteres hatte ich, im übertragenen Sinn, schon länger nicht mehr gemacht. Die vergangenen Monate hatte ich eine sexuelle Trockenperiode durchlaufen. Drei volle Monate hatte ich keine Action gehabt, was sich zwar nicht besonders lange anhört. In Hetero-Monaten sprechen wir hier aber immerhin von 21. Ich war mir sicher: Wollte ich meinen dry spell lüften, musste ich mein Achtsamkeitsgame steigern.

Take my breath away

In Sachen Dating hatte ich zuletzt in der Vergangenheit gelebt und dabei das Hier und Jetzt aus den Augen verloren. Auch mein Alltag fühlte sich zunehmend stressig an: morgens aufstehen, zwei Liter Kaffee saufen, dann mehrere Stunden auf verschiedene Endgeräte starren, dazwischen in schwuler Geschwindigkeit durch die Stadt hirschen. Es war einfach kein Platz für magische Momente. Für eine Atemübung setzte ich mich im Schneidersitz auf den Boden. Ich atmete vier Sekunden durch die Nase ein, hielt

den Atem für weitere sieben Sekunden und ließ die Luft dann durch die Lippenbremse langsam entweichen, bevor ich das Ganze fünfmal wiederholte. Dann lud ich mir Tinder runter. Ein ReDownload von Tinder fühlt sich immer an wie der Besuch in einer Kneipe, in der man länger nicht mehr war. Man kennt sich ganz gut aus und entdeckt vielleicht ein paar vertraute Gesichter. Allerdings fällt einem auch sofort wieder ein, warum man nicht öfter hingeht. Daran konnten ein paar Atemübungen nichts ändern.

Free

your mind and the rest will follow

Viel zu oft versteift man sich beim Dating ja auf eine App, einen gewissen Typ oder eine gewisse Person. Dabei bedeutet Achtsamkeit eigentlich, auf Weitwinkel zu stellen. Am nächsten Abend wollte ich deshalb eine echte Kneipe besuchen, um dort meine Wahrnehmung zu öffnen. Als ich am Tresen saß, fiel mein Blick immer wieder auf die kleinen Dinge des Lebens: winzige Cocktailschirmchen, liebevoll aufgeschnittene Zitronenscheiben, die Verschlüsse von Jägermeister-Fläschchen, die man sich nach dem Saufen auf die Nase steckt, und Typen unter 170 Zentimeter, die unaufhörlich von ihren Kunstprojekten sprachen. Achtsamkeit ist eben immer auch ein bisschen anstrengend. Ich verließ die Bar und schwor mir, künftig nicht mehr in der Nähe von Kunstuniversitäten achtsam zu sein. Außerdem war ich wenige Tage später auf eine größere Homeparty eingeladen. Eine gute Gelegenheit, alle Register der Mindfulness zu ziehen.

Relax, when you want to come Dort angekommen, entledigte ich mich meiner Schuhe und begann sofort, die Gegenwart als Geschenk und Möglichkeit zu betrachten. Jedes Stück Knabbergebäck leckte ich von beiden Seiten, während ich mit »Was machst du

so?«-Dialogen auf eine kleine Klangreise ging. Irgendwann sorgte die Kohlensäure der sieben Biere, die ich ausgetrunken hatte, für kleine Sensationen in meinem Mundinnenraum, bis meine Entspannungstechniken endlich die volle Wirkung entfalteten. Maximal relaxed begann ich, mit irgendeinem Typen zu schmusen. Noch vor Mitternacht sollten wir vor allen anderen Gästen auf der Couch dryhumpen, bevor wir zu ihm nach Hause gingen. Der Bann war gebrochen! Am nächsten Morgen rieben wir uns die vorangegangene Nacht aus den Augen und taten kurz so, als würden wir wir uns wiedersehen wollen. Normalerweise deprimieren mich One-Night-Stands, diesmal aber war ich ganz gechillt. Es gibt Menschen, die sprechen das Wort »Achtsamkeit« immer mit einem gewissen Unterton, als wäre es besonders witzig. Genauso machen sie es mit »Self Care« oder »Body Positivity«. Meistens tun das Leute, die von alledem noch nie zu wenig hatten. Zu denen gehöre ich nicht. Ich hatte mir vorgenommen, mich auch zukünftig weniger zu stressen und zumindest zu versuchen, achtsamer zu leben. Vielleicht steht ja irgendwann tatsächlich jemand in der Tür, der mir sagt, dass ich gut wäre, so wie ich bin.

joechl@thegap.at • @knosef4lyfe

Josef Jöchl ist Comedian. Sein Soloprogramm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Aktuelle Termine findest du auf www.knosef.at.

Josef Jöchl artikuliert hier ziemlich viele Feels
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