The Gap 138

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Gerard — Die Rettung des Gefühls-Rap Freie Radios / Blutgletscher / Female DJs 138 Magazin für Glamour und Diskurs.

»Wie jeder vernünftige Medienwissenschaftler möchte ich im September jede freie Minuten mit GTA V verbringen.« – Lukas Traber

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MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 138, SEPTEMBER 2013

Rush. London Grammar. Kunsthalle Wien: Salon der Angst. The Congress. Erfindet Euch Neu. Haim. Chvrches. Anna Calvi. Neue Arbeitsmodelle. Social Design. Im Wortwechsel: Wird die Grazer Clubkultur abgewürgt?

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Demner, Merlicek & Bergmann

Exotisch unterwegs.

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Leitartikel von Thomas Weber.

Unser Bier   Die Black Community fühlt sich durch das Logo – einen kraushaarigen Mohrenkopf – in Verbindung mit dem Namen der Vorarlberger Mohren-Brauerei beleidigt. Ist es gerechtfertigt zu verlangen, dass ein Traditionsbetrieb sein Erscheinungsbild veränderten Moralvorstellungen anpasst?

en Anstoß gab ein Projekt von Simon Inou und Mara Niang, er Journalist, sie Künstlerin, in dem die beiden sowohl Namen als auch Logo der Brauerei überarbeitet haben. Aus dem emblematischen Wuschelkopf wurde die mächtige Krone eines afrikanischen Affenbrotbaums, der Name »Mohren« dementsprechend zu »No Mohr«. Das Überraschende: Bei gleichbleibender Typographie und Farbsprache fällt aufs Erste eigentlich kein Unterschied auf. Die Marke bleibt wiedererkennbar. Inou und Niang haben damit gezeigt, dass es absolut möglich wäre, eine Umgestaltung, gar eine Umbenennung des Produkts sanft durchzuziehen. Bleibt die Frage, ob die dem Kunstprojekt zugrunde liegende Forderung einer Umbenennung gerechtfertigt ist. Ich meine: Eher schon. Zwar ist die Brauerei zu nichts verpflichtet und kann sich problemlos auf ihre bald zweihundertjährige Geschichte und den Gründer namens Josef Mohr berufen. Es wäre allerdings ein Zeichen von Größe und Modernität, darauf zu reagieren, wenn sich Schwarze dadurch

pochen, sollten einerseits bedenken, dass das Abgefüllte unverändert bliebe. Und andererseits, wie wagemutig und »weltfremd« die Altvorderen einst waren, einen Mohren ins Familienwappen aufzunehmen. Exotismus pur! Im Ländle selbst wird die Causa selbst bislang kaum diskutiert. Doch engagierte Studierende der Fachhochschule Vorarlberg wollen das im nahenden Wintersemester zum Thema machen. Was auf den ersten Blick für die Brauerei nach einer lästigen Auseinandersetzung mit Besserwissern wirkt, könnte für diese aber auch eine Riesenchance sein. Was spräche dagegen, als Brauerei in die Offensive zu gehen und selbst einen Design-Wettbewerb auszuschreiben? Bild michael winkelmann

Demner, Merlicek & Bergmann

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beleidigt fühlen und die Insignien des Traditionsbetriebs als Referenz an eine Zeit deuten, in der ihre Vorfahren verschleppt und mit Tieren gleichgesetzt wurden. In vielerlei anderer Hinsicht agiert das Familienunternehmen, das in Dornbirn auch Coca-Cola abfüllt und im großen Stil Flaschenbier exportiert, durchaus modern; etwa, als es um PET-Flaschen ging. Laut Wikipedia war Mohren das erste Bier, das hierzulande auch in Plastikflaschen verkauft wurde. Dass es noch vor ein paar Jahren als undenkbar galt, Bier aus Kunststoffgebinden zu trinken, hat hier eine Veränderung nicht verhindert. Dabei sind die Auswirkungen auf das Getränk sicher massiver und »nachhaltiger« als der Vorschlag von Inou und Niang. Das oftmals gehörte Argument, man dürfe sich von »den politisch Korrekten« die Begrifflichkeiten nicht wegnehmen lassen, mag für den regionalen Bierabsatz nicht ganz irrelevant sein. Stichwort: Stammtischniveau. Nichtsdestotrotz: Wer sich in seiner Identität dadurch bedroht fühlt, wenn auf Speisekarten kein »Mohr im Hemd« und im Supermarkt kein »Negerbrot« mehr angeboten wird, ist eine bedauernswerte Kreatur. Zumal nicht das Bezeichnete selbst verschwinden soll, sondern stets die belastete und genau deshalb kuriose Bezeichnung. Diejenigen, die ohne böse Absicht und mit Regionalstolz auf das Beibehalten von Althergebrachtem

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

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Gerard Für unsere Coverstory haben wir dieses Mal wirklich Opfer gebracht und sind aufs Frequency gefahren, um Bennifer Rostock aka Casper zu treffen. So groß wie er ist Gerard noch nicht. Trotzdem könnte der junge Mann aus Wels den GefühlsRap retten. Wir haben uns mit Gerald Hoffmann im Weinhaus Sittl getroffen und sehr, sehr viele Kaffee-Metaphern in den Text eingebaut.

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Magazin Gerard 018 —— Gerard überspringt auf »Blausicht« gekonnt jede Pathos-Falle. Rund, elektronisch, vielseitig, ohne den Hörer zu erdrücken. So macht Gefühls-Rap Spaß. Golden Frame: Björn Segschneider 022 —— Segschneiders Arbeiten drehen sich um das Erkämpfen von Räumen. Dabei zitiert er gerne Elemente aus Sub- und Popkultur. In »Nowhere To Run« sind das Bomberjacken. Kontraste – Fennesz 024 —— Fennesz bespielt mit seinen Orgel-Samples seit Jahren große Kirchenräume. Das KontrasteFestival hat ihn im Oktober nach Krems eingeladen. Female DJs 026 —— Elektronische Musik und Sexismus – ein zeitloses Thema, das leider nicht weniger aktuell wird. Miriam Frühstück hat sich unter heimischen DJs umgehört. London Grammar 028 —— Das Trio aus Nottingham macht gerade Furore mit einer minimalistischen Mischung aus Trip Hop, Ambient und Pop. Ihr Debüt hält den Erwartungen stand. Otelo 031 —— In den Offenen Technologielaboren in Oberösterreich wird die Zukunft der Arbeit erprobt. Zum Beispiel mit einer eigentlich traditionellen Methode: der Genossenschaft.

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Freie Radios 034 —— Radio Orange wird 15. Wir haben das für eine Bestandsaufnahme der heimischen Freie-Radio-Szene genutzt. Es geht ihr mittlerweile blendend. Blutgletscher 036 —— Die Alpen-Fauna mutiert und attackiert eine Forschungsstation. Wir haben mit Regisseur Marvin Kren über seinen Horrorfilm der alten Schule gesprochen. Salon der Angst 039 —— Angst ist ein elementares Grundgefühl, Überlebensmechanismus, Massenphänomen. Eine Schau in der Wiener Kunsthalle leuchtet die Angst jetzt von vielen Seiten aus. Michel Serres – Erfindet euch neu! 040 —— Ein 83-jähriger Philosoph erklärt der vernetzten Generation, wie toll sie ist. Das ist nett, aber über weite Stecken leider ein wenig naiv, findet Christian Köllerer. Design – Max Borka 042 —— Social Design, Tools for Living – wir haben mit Vordenker Max Borka über sein Manifest gesprochen, das er im Zuge der Vienna Design Week vorstellt.

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Salon der Angst Als Nicolaus Schafhausen im Herbst 2012 Direktor der Kunsthalle Wien wurde, blieb erstmal kein Stein auf dem anderen. Ein neues Corporate Design, einen Umbau und ein neues Kuratorenkonzept später startet mit »Salon der Angst« endlich auch die erste Ausstellung, für die Schafhausen gerade stehen muss. Margit Emesz hat sie sich angesehen.

039 Rubriken Leitartikel Inhalt Editorial / Porträt / Impressum Fondue Unbezahlter Anzeiger Splitter Wortwechsel: Wird die Grazer Clubkultur abgewürgt? Workstation: Christoph Welkovits Prosa: Kommando Elefant Blow-up: Monster und Komödien Reviews Introducing: Greta Gerwig Termine

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Kolumnen Fabula Rasa Zahlen, bitte Know-Nothing-Gesellschaft

Bild der Ausgabe Der Schweizer Sprayer Puber spaltet Wien: Die einen feiern ihn als großartigen Writer, der es den ganzen Bobo-Street-Artists mal so richtig zeigt. Die anderen sind nur noch davon genervt, seine Tags an jeder Ecke zu sehen. So wie zwei unserer Autorinnen, die das auch in einem Kommentar klarstellten. Puber bewies sein gutes Verhältnis zur freien Presse und verschönerte unser Bürofenster mit seinem Namen und weiteren Nettigkeiten. So mussten wir uns zumindest kein Bild der Ausgabe mehr ausdenken. Danke dafür!

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Das Problem mit dem Feminismus — ... ist doch, dass man eigentlich alle Argumente dazu kennt, aber die Ungleichheiten einfach nicht verschwinden. Oder nur ganz langsam. Die Ideen werden erst mühsam zur Praxis. Das bedeutet, dass lange Diskussionen und neue Initiativen immer wieder notwendig sind, immer wieder neu, aus denselben Gründen wie vor zehn oder 40 Jahren, solange sich an den Verhältnissen nichts geändert hat. Das gilt leider auch für die Kultur. In Museen, hinter der Kamera, auf Festivals, in den Chefetagen der Musikindustrie, bei Comiczeichnern – in sehr vielen Bereichen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Die Diskussionen innerhalb elektronischer Musik sind insofern nur ein Nebenschauplatz eines viel größeren Problems. Aber auch dort muss es dringend gelöst werden. Über die Situation von weiblichen DJs in Österreich hat sich Miriam Frühstück auf Seite 026 Gedanken gemacht. Auch bei uns sind Frauen unterrepräsentiert, auch wenn wir immer wieder versuchen, Frauen zum Schreiben zu motivieren, einige das auch weiterhin tun, manchmal hier, meistens an anderer Stelle. Frauen sind seltener am Cover und kommen seltener in Artikeln und Reviews vor. Der Plan, in diesem Heft in den neun großen Musikrezensionen nur Frauen zu behandeln, ging allerdings nicht auf, zu viele Alben wurden verschoben, andere waren nicht rechtzeitig verfügbar. Auch in diesem Sinn möchten wir einladen, sich bei uns einzubringen, mit Themen und mit Anliegen.  Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

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Miriam Frühstück

Franziska Tschinderle

Popkultur und Feminismus — Wir sind jetzt mal arg und behaupten, dass Miriam Frühstück eine dicke soziale Ader hat. Sie hat in der Drogentherapie gearbeitet und im Hilfsdienst für Taubblinde. Sie kann Lormen, also ein Taubstummenalphabet, und studiert Lehramt. Das könnten wir jetzt länger so fortsetzen – angefangene Studien spielt sie herunter – und uns ein bisschen blöd vorkommen, dass wir schlechtere Menschen sind als sie. Noch dazu schreibt sie auch. In diesem Heft über Frauen in den männerdominierten Zirkeln elektronischer Musik. Dass ihr das ein enormes Anliegen ist, und zwar durchaus mit differenziertem Blick ohne zu sudern, merkt man spätestens, wenn sie zum Artikel noch fünf Interviews anhängt, für online halt, weil es wichtig ist. Mit Popkultur und Feminismus beschäftigt sie sich nicht nur erst, seit sie bei Fiber mitarbeitet, das ja im Untertitel ganz passend »Zeitschrift für Popkultur und Feminismus« heißt. Wenn wir sie auf einer Party treffen würden, könnten wir sie dann noch fragen, welche argen Töne man aus einer Tamburica herausholen kann und warum das Instrument in der österreichischen Popmusik fast nicht vorkommt – am liebsten auf Burgenland-Kroatisch, das kann sie nämlich auch noch. 

Angriff ist die beste Verteidigung — Es gibt Leute, die üben während ihres Praktikums bei uns Zurückhaltung. Franziska gehört zum Glück definitiv nicht dazu. Die Kärntnerin ist jung, macht das aber durch starke Meinung und eine große Klappe wieder wett. Für uns hat sie sich unter anderem mit Puber angelegt – auch jemand, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält, wie unsere Bürotür erfahren durfte. Franziska wuchs in Villach mit einer großen, elterlichen Vinyl-Sammlung zwischen Bob Dylan und Neil Young auf. Eingekippt ist sie dann auf Grunge, Indie Rock (The Hives, Beatsteaks, Arctic Monkeys) und Math-Rock, wobei sie bei Letzterem mittlerweile die guten Interpreten vermisst. Angefangen hat Franziska dann auch logischerweise bei Volume, dem Nova Rock unter den Musikzeitschriften. Eines Tages will sie in Berlin studieren. Bis dahin vertreibt sie sich die Zeit mit Reisen, analogen Fotos und Simone de Beauvoir. Apropos Feminismus: Franziska ist zweimal durch die Führerscheinprüfung gefallen, hat aber später einen Philosophiewettbewerb mit einem Essay gegen Frauenklischees gewonnen. Ja, so macht man das. 

TEXT Jonas Vogt BILD Privat

TEXT Stefan Niederwieser BILD Privat

Impressum

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Sarah Al-Hashimi, Gregor Almassy, Matthias Balgavy, Claire Benedikt, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Liliane Blaha, David Bogner, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Andreea Dosa, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Julia Gschmeidler, Benedikt Guschlbauer, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Lukas Hoffmann, Peter Hoffmann, Michael Huber, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Michael Kirchdorfer, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Ali Mahlodji, David Mochida Krispel, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Denise Helene Sumi, Asha Taruvinga, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Jonas Vogt, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Lukas Traber, Franziska Tschinderle, Luise Wolf termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Daniel Gebhart de Koekkoek ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Elisabeth Els, Erli Grünzweil Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2,— erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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H2OMV . 9. und 15 . 4 1 uns am e i S gsfest n n u e h h c c s or Besu t en er F i W hmark c s m a N bei r Wiene m e d f au

Wo nimmt die Mobilität in Zukunft nur die Energie her? Sicher auch von der OMV. Wenn bis zum Jahr 2050 der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr um 60 Prozent reduziert werden soll, sind neue Mobilitätskonzepte gefordert. Die OMV forscht daher schon heute zum Thema Wasserstoff. Denn Wasserstoff-Fahrzeuge sind nicht nur zu 60, sondern zu 100 Prozent schadstofffrei.

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Legendär!

Hier trifft sich die afri Szene. Graz Z10, Zinzendorfgasse 10, 8010 Graz Innsbruck Café Restaurant Bar Kunstpause, Museumstraße 15, 6020 Innsbruck, Project, Ing-Etzel-Straße 23, 6020 Innsbruck Salzburg Café Bazar, Europastraße 1, 5020 Salzburg Timelkam GEI Musikclub, Linzerstraße 20, 4850 Timelkam Wien Café Kafka, Capistrangasse 8, 1060 Wien, Noosh, Zieglergasse 29, 1070 Wien

afri.at facebook.com/afri.fanseite

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NDUE

Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Ein Rechtschreibfehler kann eine Tätowierung komplett ruinieren. Es sei denn, er kann es schlicht und ergreifend nicht mehr.

Verdienter Stockerlplatz in der Kategorie »Nomen est omen«.

Die Wiener Linien testen ihr neues Space Invaders-Frühwarnsystem.

Kindchenschema funktioniert auch bei Dingen! Wer das putzige Teil einfach nur Knuddeln will, sollte aber vorher sicherheitshalber auf Stufe 1 runterdrehen.

Der Name hat schon was. International würden wir allerdings LEDNECK® besser finden.

Na sicher doch. Und die Putze leert dann eh wieder alles zusammen. Tickets und Information: +43 (0) 1 587 05 04 Koproduktionshaus Wien GmbH Karlsplatz 5 • A-1010 Wien

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Fabula Rasa All Hail The Captain!

hausdermusik das klangmuseum

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hausdermusik das klangmuseum

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Gebhart Koekkoek

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Paul Heartfield

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Powered by Tom Waits, King Krule und Boy & Bear.

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Ulrich Dertschei

FRANCIS INTERNATIONAL AIRPORT

»ich habe mich so lange hinter meinem image versteckt, dass es nach einiger zeit ernsthaft in gefahr kam, zur parodie zu verkommen. selbst wenn ich ernst sein wollte, wusste man nie, ob man mich ernst nehmen konnte. das war so ein gepose und getue, dass dieses leben und das wirkliche leben total durcheinander gerieten.« (lou reed) Es wird immer schwieriger mit Marianne. Ihr Ehrgeiz, ihr »Im Leben muss man was leisten«-Ethos und ihre wikipediagecheckten Fakten zu allen Diskussionen zermürben dich langsam. Sie kann doch nicht immer Recht haben. Es kommt dir so vor, als recherchiere sie nur besser. Und deine Freunde finden auch, sie sei eine neoliberale, ellbogen- und karrierefixierte Soziopathin (wie alle Führungskräfte). Dienstag war der Höhepunkt: »Soziale Kälte in Österreich? Die Ausgaben für das Sozialsystem haben sich seit 2003 um 50 Prozent erhöht – wo geht das ganze Geld hin?« und »Es stimmt nicht, die Armen werden auch reicher, nur eben nicht so schnell, wie die Reichen.« Und schließlich: »Nicht vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als DistinktionsMarke für Armut – ich weiß nicht mal, was das heißen soll.« Als Ernst, ihr Studienkollege, antwortet, da ginge es um vollen Urlaub mit Verreisen, die Möglichkeit, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, Ausstellungen und Theater und Kino, und natürlich Kur und Thermen-Besuche dreimal im Jahr, und immer Geschenke zu Weihnachten, Ostern und Geburtstag, und so, da sagt sie: »Das hab ja ich auch nicht alles.« Du wolltest nur noch da raus, den Blicken deiner Freunde entfliehen. So kann man doch nicht reden. Das sagt man doch nicht. »setzt die lehrergewerkschaft im sommer doch bei der asfinag ein, um die autobahn-baustellen schneller zu schliessen – niemand kann sonst so gut betonieren.« (anonymes posting auf kurier.at, august 2013) Ernst erzählt, warum er Deutschlehrer wurde. Als Teenager hat er sich bei Pink Floyds »Another Brick In The Wall« immer gefragt, ob »Teacher, leave us kids alone!« imperativ gemeint war, also »Lasst uns bloß in Ruhe!«, oder situativ wie »Ihr Lehrer lasst uns Kinder allein!«. Deshalb wollte er Grammatik studieren, aber dachte sich, wenn schon die ganzen Regeln lernen, dann zumindest nicht noch Vokabeln. Heute findet er Deutschlehren gut. Wenn ihn Marianne wegen Urlaub und Halbtagsjob aufzieht, wird er jedoch aggressiv und sagt »Wenn ihr das auch wollt, dann macht das halt auch! Sonst lasst mich mit eurem Neid in Ruhe.« Seine aktuelle Freundin ist Lehrerin, brünett und unscheinbar wie ein Hamster. Abends liegt ihr Arm in Arm im Bett, im TV läuft Anne Will und du genießt die postkoitale Ruhe und denkst, ob sie auch so wäre, wenn sie nicht schon in so jungen Jahren Team-Verantwortung bekommen hätte? Und dann: »Lehrer werden?« Und schließlich: »Wenn sie ÖVP wählt, trenne ich mich von ihr!« 

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LUISE POP

Tickets: HAUS DER MUSIK, Seilerstätte 30, täglich 10 - 22 Uhr, www.hdm.at 002-017_Splitter.indd 10

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Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

Butcher Purse

Wal-Kamm

One-Single-Thing-Block

»Aaah … freash meat!« Wer alt genug ist, die Anspielung zu verstehen, hat sich bei diesem Satz damals bestimmt ebenfalls in die Hose gemacht. Jetzt kann man den Butcher endlich am Handgelenk tragen und gleichzeitig alles verstauen, was Frauen immer so in ihren Handtaschen haben – wir haben davon ja keine Ahnung. Ob der »Butcher Purse« breiter Erfolg beschieden sein wird, ist aber fraglich: Die Überschneidungen der Zielgruppen für »Diabolo« und der für Handtaschen sind vermutlich überschaubar. www.amazon.com

Du hast die Wal: Entweder einen ganz normalen Kamm benutzen, oder dieses wunderbare Exemplar, das ausschaut wie ein Bartenwal (Klugscheißer-Info!). Ein bisschen Haarpflege hat bekanntlich noch niemandem geschadet. Und die Riesen der Meere sind einfach grundsympathische Tiere, mit denen man sehr gerne den Morgen im Bad verbringt, so es denn groß genug ist. Es gibt ihn in schwarz und weiß, was insbesondere Captain Ahab freuen dürfte. Allerdings: was hätte Patrick Stewart davon? www.etsy.com

To-Do-Listen sind normalerweise entweder Beweis für ein durchgeplantes und langweiliges Leben oder reiner Selbstbetrug. Dieser Block kann aber von jedem chaotischen Prokrastinierer benutzt werden, ohne dass er gleich in der Coolness-B-Note verliert. Hier ist Platz für genau eine Aufgabe, die man sich für den Tag vornehmen kann. Manche nennen das faul, andere realistisch. Abends kann man dann einen Haken machen und sich ungerechtfertigterweise so fühlen, als hätte man etwas erreicht. www.prettybitter.com

Am Westbahnhof gibt es 7 Tage die Woche 22 verschiedene Brötchen.

Brötchen-Listen. Von Tex Rubinowitz. Heute: 5 ungeschickte Augenkomplimente Deine Augen, wie ein Bouquet Feuerlilien in der Biotonne Deine Augen, so blau und so tief wie der Indische Ozean, und voller Deine Augen, wie zwei auf Ventilatoren montierte Puddingschnecken Deine Augen, so unergründlich und geheimnisvoll wie §20 Absatz 17 der EU-Richtlinie zum Körperschaftssteuergesetz Deine Augen, wie die Hühneraugen einer Drossel namens Harald „Sack“ Ziegler

Mo - Fr: 7:00 - 23:00 Sa: 8:00 - 23:00 So und Feiertag: 8:00 - 23:00

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Frieda P. (DJ, Kommune 22)

TOP 10 SINGLES

01 The Animals – I Ain’t Got You 02 Sleep Party People – Chin 03 The Go! Team – Apollo Throwdown (Drugs Remix) 04 Etienne de Crècy – Ash Sync 05 Flat & Scruggs – Foggy Mountain Breakdown 06 Screamin’ Jay Hawkins – I Put A Spell On You 07 Totally Enormous Extinct Dinosaurs – Waulking Song 08 Bernard Herrmann – Vertigo: Scene D’Amour 09 Eliades Ochoa – No Me Preguntes Tanto 10 Who Made Who – Greyhound

Gamescom: Und jetzt alle Indie?!

TOP 5 ALBEN

01 Joy Division – Unknown Pleasure 02 The Doors – The Doors 03 Beirut – The Flying Club Cup 04 Justin Timberlake – The 20/20 Experience 05 Talking Heads – Stop Making Sense (Live)

Zumindest in den Pressekonferenzen setzten Sony und Microsoft auf Indie-Power und Ausdifferenzierung. Schön, aber von ganz allein wird dadurch wenig besser werden.

auch nicht schlecht: Hitchcock-Filme

Stefan »Stizz« Stürzer (Captain, Zirkusdirektor und President im Werk)

TOP 10

01 Julian und der Fux 02 5 1/8 in Ehrn 03 Ghost Capsules 04 Otto Lechner 05 Ken Hayakawa 06 Sir Tralala 07 Gudrun von Laxenburg 08 Propella 09 Stubenteccno 10 M185

TOP 5

WIENER LOCATIONS

01 Werk 02 Einbaumöbel 03 Fluc und Fluc Wanne 04 Rhiz 05 Tonstube

auch nicht schlecht: Meine Freundin, Freizeit und Reisen, mal betrunken sein

TEXT Martin Mühl BILD Sony Playstation

WIENER MUSIK

In den großen Hallen, wurden die Spieler noch mit den Blockbustern der nächsten Monate zugedröhnt. Diese haben kein Ablaufdatum und es wird sie wohl immer geben – etwas, das ich persönlich auch gut finde. Ein bisschen Bombast schadet nicht. Zumindest auf den Pressekonferenzen der Konsolen-Hersteller Microsoft und Sony wurden aber auch andere Akzente gesetzt. Den Krieg zwischen den Herstellern kann man dabei getrost für uninteressant halten und am Ende werden sich beide in Richtung Markt bewegen (App-Stores, User-Daten, Online- und Cloudservices, Home-Entertainment). Aber nun zu den Indie-Spielen. Microsoft lud Dienstag vormittags, vor der eigentlichen Gamescom, zu einer Neuheiten-Vorstellung für Journalisten. Die Präsentation dauerte knapp 25 Minuten, danach gab es die Möglichkeit, die Titel anzuspielen. Die eine große marktrelevante Nachricht war, dass Vorbestellungen der Xbox One »Fifa 14« quasi beigelegt wird. Und dann wurde das Gerücht bestätigt, dass Microsoft in Hinkunft seine Plattform und den Marktplatz für Indie-Studios zum Self-Publishing öffnen wird. Darüber freuten sich in einer Zuspielung bekannte Entwickler-Persönlichkeiten wie jene von Mojang (»Minecraft«). Sony ging am Nachmittag noch einen Schritt weiter. Zwar gab es auch hier das Bekenntnis, die Plattform zu öffnen und einen ähnlichen Zuspieler, es wurde aber einfach mehr vorgeführt. Gut 20 Titel flogen hier über die breite Leinwand und versprachen allein grafisch eine selten gesehene Breite an Stilen. Das war in dieser Hinsicht schon beeindruckend. Nun also alles auf Jubelstimmung? Und die Indies sollen dem nicht vorhandenen Mut der Branche entgegenwirken? Das wäre zu schnell. Noch am gleichen Tag äußerten sich einige vorsichtig, die Öffnung der Stores habe in erster Linie damit zu tun, dass die Konsolen-Hersteller die Risiken, als Publisher aufzutreten, nun an die Entwickler abgeben. Und so neu ist die Entwicklung ja auch nicht, wenn man etwa Nintendos Vorgehen bei der Wii U ansieht oder – noch wichtiger – daran denkt, wie Apple oder Android in ihren Appstores vorgehen. Aber ja, auch viele österreichische Entwickler tendieren derzeit dazu, ihre Titel selbst zu publishen. Noch ist aber nicht gewährleistet, dass in diesen Stores die Spiele dann auch sinnvoll gefunden werden können und die Entwickler haben nun die zusätzliche Aufgabe, mit Presse, Multiplikatoren und Zielgruppe zu kommunzieren und diese – wohl nicht zuletzt auf digitalem Weg – auf ihre Produkte aufmerksam zu machen. Die Öffnung der Plattformen ist grundsätzlich zu begrüßen, es wird damit aber noch lange nicht automatisch alles besser. 

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© 2008 - 2013 Rockstar Games, Inc. Rockstar Games, Grand Theft Auto, das GTA Five- und die Rockstar Games -Marken und -Logos sind Warenzeichen und/oder eingetragene Warenzeichen von Take-Two Interactive Software. „2”, „PlayStation”, „PS3”, „Ô and „À” are trademarks or registered trademarks of Sony Computer Entertainment Inc. Kinect, Xbox, Xbox 360, Xbox LIVE und die Xbox-Logos sind Marken der Microsoft-Unternehmensgruppe und werden von Microsoft lizenziert. Alle anderen Marken und Warenzeichen sind Eigentum der jeweiligen Inhaber. Alle Rechte vorbehalten.

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Julia Gschmeidler (The Message, The Gap)

TOP 10

CONSCIOUS RAPPER

01 Amewu 02 Curse 03 Grandmaster Flash & The Furious Five (The Message) 04 Advanced Chemistry 05 Mos Def 06 LMNZ & Simple One 07 Kilez More 08 Def Ill 09 Steril One 10 Doppeltes Risiko

TOP 5 GRILLGUT

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Zucchini Maiskolben Seitan Vegane Käsekrainer Folienerdäpfel

auch nicht schlecht: Die Bank für Gemeinwohl www.demba.at

www.thegap.at/gewinnen »Der Schaum der Tage« Constantin Film und Atout France bringen dich in die Stadt der Liebe! Gewinne zum Kinostart von »Der Schaum der Tage« ein Wochenende für zwei in Paris, mit freundlicher Unterstützung von Austrian, Qualys Hotel und Atout France (& Logo Austrian). In Michel Gondrys neuem Film geht es um den jungen Colin, der endlich die wahre Liebe kennenlernt – bis ein medizinisches Wunder zum Problem wird. Gewinnspielteilnahme: Sende ein Mail mit deinen Daten an info.at@rendezvousenfrance.com

Engelsharfen & Teufelsgeigen (DJ-Kollektiv)

TOP 10

MOMENTAN GERNE AUFGELEGT

01 Land Of Kush – The Light Over The Ranges 02 Hildur Gudnadóttir – Erupting Light 03 Asa Chang & Junray – Hana 04 Iannis Xenakis – Rebonds B 05 Dimitri Shostakovich – Cellokonzert No. 1 06 Alarm Will Sound – Yo Shakespeare 07 Meredith Monk – Dolmen Music 08 Add N To X – Ann’s Everyday Equestrian 09 Labranisch – Helium Chevalier 10 Telemann – Burlesque de Quixotte: Ouverture

TOP 5

MOMENTAN GERNE BESUCHT

01 Meiringer am Naschmarkt 02 Elektro Gönner 03 Zur Herknerin 04 If Dogs Run Free 05 Helenes Bauernladen

auch nicht schlecht: Franz Lehar – Meine Lippen, sie küssen so heiß

»Pikmin 3« Nintendo übergibt dem Spieler erstmals auf der Wii U die Möglichkeit, sich um die kleinen Wesen zu kümmern, sie zu organisieren und zu steuern und mit ihnen gemeinsam Aufgaben zu lösen. Das Taktik-Spiel richtet sich trotz der niedlichen Optik nach wie vor an Spieler, für die Knobelrätsel schon mal ein bisschen kniffliger ausfallen dürfen. Wir verlosen drei Exemplare von »Pikmin 3« für Wii U.

»Paradies«-Trilogie Ulrich Seidls »Paradies«-Trilogie in der praktischen Sammel-Box. »Liebe«, »Glaube« und »Hoffnung«: Dreimal schickt Seidl Frauen in schwierige Situationen und konfrontiert sie mit menschlichen Schwächen. Die drei Storys sind letztlich verknüpft und bieten konzentriertes Seidl-Kino. Wir verlosen drei DVD-Boxen.

»The Newsroom« Staffel 1 Jeff Daniels als Anchorman Will McAvoy, der sich gemeinsam mit seiner Ex-Freundin und Produzentin MacKenzie McHale für Wahrheit und journalistische Werte einsetzt. Nach »West Wing« die neue Serie von Aaron Sorkin. Echte Nachrichten und klassische Diskussionen in den Redaktionen führt »The Newsroom« gekonnt zusammen. Wir verlosen drei DVD-Boxen.

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»Killer Is Dead«-T-Shirts In »Killer Is Dead« vermengt Suda51 abermals Kampf-Action, absurde Story-Elemente, ein bisschen asiatische Erotik-Klischees und jede Menge Gewalt zu einem recht intensiven Game-Abenteuer. Und das alles bei herausragender Optik. Wir verlosen drei T-Shirts mit dem Motto »Love & Kill«.

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Kolumne: Zahlen, bitte! von Thomas Edlinger

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Dollar kostet eine Keuschheitsbrille in Jerusalem. Eine günstige Variante, um Sexismusdebatten aus dem Weg zu gehen.

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er ultraorthodoxe Mann von heute trägt eine Anstandsbrille. Diese lässt Distanzen ab fünf Metern verschwimmen. So kann man sich stressfrei durch die Stadt bewegen, ohne knapp bekleidete Frauen »unanständig« anzusehen. »Diese Lösung mag zwar widersinnig erschienen«, schreibt die Autorin Diana Pinto über dieses Sittenbild aus dem modernen Jerusalem, »aber in philosophischer Hinsicht ist sie bemerkenswert, wenn man sie mit dem Vorgehen der islamistischen Extremisten vergleicht. Anstatt die unzüchtigen Frauen zu beleidigen oder zu steinigen, blenden die jüdischen Extremisten sie ganz einfach aus ihrem Gesichtsfeld aus.« Eine tatsächlich erstaunliche Lösung, ähnlich der Scheuklappen für orthodoxe Fluggäste. Beide schaffen es, dass der in Stein gehauene moralische Fundamentalismus niemanden anderen behelligt als den, der ihn auch leben will. Im heutigen Israel geht man mit den innerkulturellen Unvereinbarkeiten offenbar entspannter um, als es der krisengeile Blick von außen wahrhaben möchte. Die Gegensätze zwischen säkularen und religiösen Stimmen und zwischen den einzelnen Einwanderergruppen stellen keine täglich spürbare Zerreißprobe für den Staat dar. Die Gesellschaft steht, allen Problemen des High-Tech-Staats am Mittelmeer zum Trotz, nicht am Rande des Bürgerkrieges, sondern ist viel cooler und nimmt den täglichen politischen Streit als »ritualisierten Lärm« (Diana Pinto). Psychologisch gesprochen könnte man sagen: Die Bearbeitung eines Konflikts durch die Abkapselung von der Welt hat etwas Autistisches. Der autistische Fundamentalist löst das Problem einer moralischen Kränkung, indem er die Ursache der Kränkung aus der eigenen Wahrnehmung verbannt: aus den Augen, aus dem Sinn. Die Konfliktinternalisierung ist auch insofern bemerkenswert, weil heute in der Regel genau das Gegenteil passiert. Der übersteigerte Ich-Bezug zur Welt bearbeitet die vorprogrammierten Konflikte meistens durch nach außen gerichtetes Handeln. Seine Methode ist laut: Aufschrei statt Stillschweigen, geballte Faust statt

gesenkter Blick. Die Anstandsbrille des extrovertierten Narzissten lässt keinen Raum für Verschwommenes, Ambivalentes, sondern stellt alles, was für (selbst-) gerechte Empörung sorgen könnte, scharf. Vielleicht zu scharf. Denn die Lösung kann nicht darin bestehen, dass man sich selbst zum Maß aller Dinge macht, aus der eigenen Kränkung ein Totschlagargument bastelt und mit dem narzisstischen Imperativ die Öffentlichkeit zu beherrschen versucht: Handle stets so, dass deine Empfindung das einzige Gesetz ist. So gesehen wäre das schrille Getrommel der Slutwalks das diametral entgegengesetzte Passstück zu den stummen Stadtspaziergängen der ultraorthodoxen Keuschheitsbrillenträger. Die einen demonstrieren für die antisexistische Freiheit eines uneingeschränkten und ungehemmten Spiels mit sexuellen Rollen, das provozieren soll. Die anderen ziehen aus der Eingeschränktheit und Gehemmtheit einer rigiden heterosexuellen Geschlechterordnung eine nach innen gerichtete Konsequenz, die niemanden provozieren will.

Raus aus der Feedback-Hölle Beide Positionen zeigen sich auf der Straße, also in einem öffentlichen Raum, in dem sich reale Körper und nicht Tastaturkombinationen bewegen. Im Netz hingegen gibt es keine Sichtschutzblenden. Es herrscht die Freiheit des Feedbacks. Wie jede Freiheit kann auch diese in Terror umschlagen. Alles kommt zurück, aber tausendfach verstärkt und verzerrt. Jedes Facebook-Futzerl, jedes Ruckelbild, jedes Wackelvideo muss damit rechnen, dass es unkontrollierbaren digitalen Fallout generiert. Unlängst konnte man den giftigen Niederschlag anhand der viralen Storys über das sogenannte »Slanegirl« beobachten. Eine 17-Jährige hatte im Rahmen eines Open-Air-Festivals vor feixenden Kumpels einen jungen Mann oral befriedigt. Natürlich waren Handykameras im Spiel, die Bilder verbreiteten sich binnen Stunden viral im Netz. Nicht nur, dass so die Identität der jungen Frau öffentlich bekannt wurde – es braute sich blitzschnell ein Shitstorm zusammen, der das Einmaleins des vorschnell überkommen geglaubten

Sexismus der alten Schule durchexerzierte. Sie ist eine Hure, für die slutshaming noch das Beste ist, was man für sie tun kann. Er bleibt anonym und ist ein toller Hecht. Zusätzlich musste die junge Frau im Schock über die Ereignisse kurzfristig medizinisch behandelt werden und kein Mensch weiß, ob und wie sie in Zukunft mit dem Mobbing auf der Straße und im Netz wird umgehen können. Das Slanegirl wird nun hoffentlich zumindest versuchen, persönliche Konsequenzen aus der Feedbackhölle der Transparenzgesellschaft zu ziehen. Auch wenn das einen sozialen Rückzug bis zur Grenze eines unfreiwilligen Autismus bedeuten könnte. Die aggressive Erregung über sie zeigt auch: Für das Ausspionieren und Denunzieren von dir und mir braucht man gar keine geheimdienstliche Machtkomplexe wie die NSA. Es reichen schon ein paar unkontrollierbare Bilder und die asozialen Netzwerke. Denn im Alltag leben wir im Verbund mit den dunklen Machenschaften privater Interessen und Konzerne eh schon in der Totalität der Überwachung. Jeder kann jeden beobachten und jeder kann von jedem beobachtet werden – und immer mehr wollen beides. Und manchen scheint das Leben in der Feedbackschleife von Tracken und Getrackt-Werden sogar als glamouröse Versprechung: Alle (Such-)scheinwerfer auf mich! Der richtige Celebrity-Junkie ist nicht nur promisüchtig, sondern sieht nicht mehr ein, wieso er nicht selbst längst die Celebrity ist, deren mediale Spuren er trackt. Seine Looks haben es sich doch genauso verdient wie Paris Hilton. Sofia Coppola hat diesen neuen Narzissmustypus in »The Bling Ring« dargestellt. Das Ende der Celebritysucht ist dort kein Ende, sondern das Comeback. Es strahlt im Blitzlichtgewitter am Weg aus der Offline-Verbannung im Gefängnis.

Thomas Edlinger Journalist und Kurator

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Von Wien zum Balkan Mit dem Philharmonischen Ensemble – Wien, Shkëlzen Doli, Holger Groh, Sebastian Bru, Gottlieb Wallisch, Alexander Matschinegg, Hidan Mamudov und Stojan Jankulov

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Wien | MuTh | Konzertsaal der Wiener Sängerknaben | Montag, 11. November 2013 Wiener Mischung Mit Lidia Baich und Matthias Fletzberger

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Wir haben uns nicht getraut. Wir haben es groĂ&#x;artig gefunden, wollten das Bild auf das Cover geben, haben es aber blĂśderweise hergezeigt. Die Reaktionen waren, nunja, gemischt. Wir lieben das Foto trotzdem sehr, auch wenn es nur eine Seite von Gerard trifft. 018

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Gerard – »Blausicht«

Die Rettung des Gefühlsrap

Kaffee, dann raus hier

Im Weinhaus Sittl in Wien trinkt niemand Kaffee. Zumindest nicht um Acht am Abend. Gerald Hoffmann sitzt gerade an einem Ecktisch, in einem roten, ausgewaschenen Shirt und wirkt, auf die nahe Zukunft angesprochen, gelassen. »Blausicht« heißt das Album, mit dem der 26-jährige Welser nicht nur seinen Sound definiert, sondern nebenbei auch ein Genre aus der drohenden Bedeutungslosigkeit reißen wird. Im Mittelpunkt von Gerards Musik steht nämlich Gerald Hoffmann und seine Perspektive auf die Welt, seine Geschichten und seine Einsichten. Ob es für die Charts reicht, kann Gerard nicht abschätzen: »Mich nervt es eher, wenn Musiker sagen, sie schreiben nur für sich, weil es die Ambitionen bremst. Ich habe aber ehrlich gesagt keine Ahnung, wie das alles aufgenommen wird.« Selbstdarstellung ist im HipHop wahrlich kein neues Rad. Als sich aber vor ein paar Jahren Leute wie Prinz Pi oder Casper irgendwo zwischen Conscious-Rap und Storytelling ansiedelten, dies mit einer atmosphärischen Produktion kombinierten und zu allem Überdruss auch noch Platten verkauften, war die Ratlosigkeit erst einmal groß. Umso größer war dann der Jubel, als ein passendes Namenspickerl gefunden wurde: »Emo- oder Gefühlsrap«. Und die Unterschiede hätten nicht größer sein können: Der Hang zu Sprachbildern drängt den Sound gefährlich nahe hin zum Pathos, die Gitarre wird entstaubt und überhaupt wird erst einmal ganz viel über sich selbst nachgedacht und gespürt. Der Spott von der Straße ließ nicht lange auf sich warten. Aber spätestens, als sich der Erfolg einstellte und nach denselben Hörern gefischt wurde, musste auch im Plattenbau anerkannt werden, dass Rap jetzt ebenso Gefühl und Gitarre hat.

Schubladenspiele Auf dem FM4-Frequency Festival in St. Pölten gibt es viele Gitarren. Auch hier wird wenig Kaffee getrunken. Benjamin Griffey sitzt im Backstagebereich und wirkt euphorisch. Kurz danach steht er auf der Hauptbühne vor ein paar tausend Besuchern. Wenn Griffey rappt, heißt er Casper und gilt mit seinem Erfolgsalbum »XOXO« als Speerspitze und Wegbereiter eines Genres, dessen Benennung er lieber anderen überlasst: »Ich finde es immer lustig, wie alle versuchen, mich bei jeder Platte in Schubladen zu stecken. Die Panik der Genrebezeichnung bei ›XOXO‹ war eklatant. Sie haben sich dann auf EmoRap eingeschossen. Von mir aus.« Dass er von vielen als musikalischer Grenzgänger gesehen wird, stört ihn nicht. »Der, der seit Jahren mit HipHop-Konventionen bricht«, heißt es in der Juice. Eine Erwartungshaltung, die den 31-Jährigen ebenso kalt lässt wie das Kommen und Gehen in seiner Fanbasis: »Das treibt an und motiviert mich. Vor allem, wenn die eine Seite die Rap-Referenzen erwartet, die andere einen Sound, der über den Tellerrand hinausgeht und dann soll alles auch noch eine gewisse Tiefe haben.« Casper kann

Text Andreas Hagenauer Bild daniel gebhart de koekkoek

Gefühl und Deutsch-Rap waren lange nicht wie Faust und Auge. Casper hat vor zwei Jahren die Nachdenklichkeit salonfähig gemacht. Während dieser heute nur mehr Pop machen will, rettet ausgerechnet ein junger Österreicher das junge Genre: Gerard.

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aber auch ein bisschen grantiger: »Ärgerlich ist der Opportunismus der Szene. Als ich vor ein bis zwei Jahren mit Röhrenjeans aufgetreten bin, war die Ablehnung groß. Nun schau dir die Rap-Szene jetzt an. Ähnliches gilt für die Musik.« Mit seinem neuen Album »Hinterland« geht Casper wohl wieder dorthin, wo es den Rap-Puristen wehtut und scherzt mit dem Begriff »Folk-Hop«. Sich selbst steckt der Wahlberliner in eine Schublade, die seiner Größen- und Grenzordnung entspricht: »Irgendwann kam ein Bruch und ich konnte mir eingestehen, dass ich schlichtweg Pop mache. Und das ist ja eigentlich nur im deutschsprachigen Raum negativ besetzt. Natürlich dürfen mich deshalb manche Zielgruppen nicht cool finden, aber ich will in die großen Hallen und den Leuten zeigen, wie cool auch Pop sein kann.«

» ›Blausicht‹ nimmt sich ernst, ohne die Bedeutungsschwere, mit der so manches Gefühls-RapAlbum die Hörer erdrückte.«

Farbton Von den großen Hallen ist Gerard noch ein Stück entfernt, »Blausicht« aber wohl ebensoweit von der Pop-Kiste. Obwohl, nach »Rising Sun« und »Blur« schon sein drittes Album, bezeichnet Gerard »Blausicht« als sein Debüt: »Das eine habe ich mit 16 aufgenommen, das zählt nicht. Beim anderen war ich schon weiter, aber immer noch ziemlich verkopft. Das jetzt wird ein riesiger Schritt dorthin, wo ich hin will. Vor allem auch, weil die Produktionen auf einem anderen Level sind.« Wobei ein Level sicher nicht reicht. Das Album atmet, ist gleichzeitig weich und knackig, massig und präzise. Das Kürzel »MC« streifte er ab, wie ein Relikt aus anderen Tagen oder eine Erinnerung an einen vergangenen Sound. Gerard ist näher an Gerald Hoffmann als Gerard MC und »Blausicht« stellt das eindrucksvoll unter Beweis. Die Produktionen kamen aus dem nahen Umfeld: »Wir hatten immer wieder Anfragen von Produzenten, aber ich wollte so wenig Einflüsse von außen wie möglich. Mit Fid Mella, Nvie Motho, Mainloop und Clefco bin ich außerdem gut befreundet, das macht das Arbeiten leichter.« Außerdem stand DJ Stickle mit Rat zur Seite, den Gerard noch aus Oberösterreich kennt. Stickle war gemeinsam mit DJ Steedy für den Erdrutscherfolg von Caspers »XOXO« verantwortlich und produzierte auch Chakuzas Album »Magnolia«, mit dem sich der ehemalige Streetrapper von der Straße abwandte. Beide, Steedy und Stickle, gelten seither als die »Golden Boys« im Land der aufgehenden Gefühle. Auf »Blausicht« produzierte Stickle allerdings nur die zweite Single »Manchmal«. Wenn Blau klingen könnte, würde »Blausicht« wohl blau klingen. Es klingt rund, elektronisch, einmalig, ist trotzdem überaus vielseitig. Zwar schlägt es bisweilen in eine zeitgeistige Kerbe, mit schweren Worten und einer wuchtigen Atmosphäre, die Pathos-Falle wird aber immer gekonnt übersprungen. Beats, die aus Regentropfen gesampelt sind, Harmoniewechsel und kleine Ausreißer, wie das von Fid Mella produzierte »Wie neu« verleihen dem Album eine Lockerheit und halten die musikalische Spannung. »Blausicht« nimmt sich ernst, ohne dabei aber die Bedeutungsschwere zu erzeugen, mit der so manches Gefühlsrap-Album der jüngeren Vergangenheit die Hörer erdrückte. »Natürlich haben wir versucht, ein zeitgemäßes Album zu produzieren«, sagt Gerard. »Aber es war uns wichtig, dass wir uns nicht anbiedern. Eine Gitarre zum Beispiel sucht man auf dem Album vergeblich.«

Endstation Pathos Aber wie viel Gefühl verträgt Deutsch-Rap? Nach den Erfolgen von Caspers »XOXO« und Prinz Pis »Rebell ohne Grund« vor zwei Jahren begannen sich die Tracks und Themen zu ähneln und zu wiederholen. Deutsch-Rap kullerte erstmals seit Curse wieder eine dicke Träne über die von der Straße vernarbte Wange. Die Bildsprache wurde immer gewaltiger, die Beats epochaler und überhaupt dachten dann alle zu viel über sich selbst nach. Die Hörer wurden immer jünger, während der Pathos gewaltig an Glaubwürdigkeit und Relevanz kratzte. Für die verlorene Liebe, Unsicherheit und die schwere Kindheit haben fast alle eine Lösung parat, die sich ebenfalls wie ein roter Faden durch die Songs und Alben zieht: Sie müssen raus. Egal wie. Ob laufen, rennen, fliegen oder fahren. Hauptsache weg von dort, wo sie gerade sind. Gerard trinkt auf »Blausicht« zuerst einmal einen Kaffee. Raus muss er spätestens bei der ersten Single »Lissabon«, erklärt im Interview aber, dass das keine Flucht, sondern vielmehr die Sehnsucht nach einem Urlaub mit der Freundin ist. Dem Pathos schlägt Gerard jedenfalls ein Schnippchen: Er setzt seine sprachlichen Bilder gezielt ein, und selbst wenn er einmal den Regen anzündet, federt die Produktion das Bild

kühl ab. Der Zeigefinger bleibt ebenfalls in der Tasche: »Ich bemühe mich bei meinen Texten, nicht zu predigen. Ich erzähle einfach meine Geschichten und wer möchte, kann sich einklinken«, so Gerard. Die Stärke der Erzählungen ist ihre Relevanz. So schafft es »Blausicht« auch bei Spätzwanzigern, einen Nerv zu treffen. Gerards Reimstrukturen halten den Hörer bei der Stange, ohne aufdringlich zu wirken. Die Suche nach Einflüssen ist schwer, endet aber bei »Manchmal« mit einem Aha-Erlebnis: »Ich bin der größte The Streets-Fan. Man kann schon sagen, dass mich Mike Skinner und vor allem seine Art, Geschichten zu erzählen, beeinflusst hat.«

Wien, die Welt und der letzte Schluck Kaffee Das Jus-Studium, für das er Thalheim bei Wels verlassen hatte, konnte Gerald Hoffmann nicht so beeindrucken. Der Entschluss, Aktenkoffer und Gerichtssäle für Mikrofon und Studio einzutauschen, fiel ihm nicht schwer: »Ich wusste immer, dass ich dort nicht hingehöre, dass das nicht meine Welt ist. Und diese Welt ließ mich das auch spüren. Einmal musste ich kurz lachen, als mir auf einer Party ein Mädchen begeistert von ihrem Gerichtsjahr erzählte. Ich bin jetzt endlich dort angekommen, wo ich hinwollte. Das kann ich, das mag ich.« Der 26-Jährige mag auch Wien. Und wenn Wien klingen könnte, würde »Blausicht« wohl auch nach Wien klingen. Das Album ist durchgehend in der Bundeshauptstadt entstanden, aufgenommen wurde in Stickles Berliner Studio und das Mischen dann der Erfahrung von Patrick Pulsinger anvertraut. Also auch wieder Wien. Die Stadt, die Clubs, die Welt, letztendlich Glück, wie das für uns funktionieren soll, auch das sind Gerards Themen. Im Weinhaus Sittl muss bezahlt werden. Gerald Hoffmann lächelt: »Ich bin gespannt, wann und ob sich das alles rechnet. Ich musste Prioritäten setzen, beim Album wollte ich auf keinen Fall Abstriche machen. Deshalb haben wir uns auch für den Weg zu Patrick Pulsinger entschieden.« Dass er dafür mit Band und Kasterln im Auto quer durch Deutschland fahren muss, nimmt er in Kauf. Er hat sich dafür entschieden, unabhängig zu bleiben, ohne Vorschuss, obwohl es gute Angebote gab. »Wenn du einmal am Schreibtisch der Majors weiter runterrutscht, wird es schwierig. Niemand kümmert sich mehr um dich und du bist trotzdem noch auf Jahre vertraglich gebunden. Dann doch lieber Indie«, erklärt Gerard und bezahlt seine Rechnung. »Nichts« ist der letzte Titel auf »Blausicht«. Gerard hat seinen Kaffee überzuckert, verzieht das Gesicht und schüttet ihn weg. Die Geschichte von einem verstorbenen Freund lässt das Album ausklingen, Nvie Mothos Produktion hallt nach und löst die Schwere klanglich auf. Gerard zieht die Gefühls-Rap-Reißleine und könnte mit seiner blauen Sicht auf Rap ein Genre erden, in dem sich niemand mehr selbst so richtig wähnt. Es waren gute Jahre für Rap aus Österreich, mit Kamp, Skero, Raf 3.0, Nazar, den Vamus, Brenk Sinatra und Chakuza. Gerard unterstreicht die Relevanz mit einem Album, das einer der Höhepunkte der blauen Phase von Deutschrap ist. Kein Kaffee, kein Zucker, Champagner runter, dann nichts wie weg. »Blausicht« von Gerard erscheint am 20. September bei Heart Working Class. »Hinterland« von Casper erscheint auch.

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Tapeten wie diese gibt es in Wien nicht oft. Cover und das Bild oben wurden in der Blauen Bar im CafĂŠ Sacher geschossen. Eingekleidet wurde Gerard von Webandits. Herzlichen Dank an beide.

www.webandits.tictail.com 021

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»Die aus dem Taunus trugen grüne Bomberjacken, die Frankfurter hatten schwarze, die Rave Kids silberne, Turkish Power Boys rote … Es ging da ums Erkämpfen der Straße.« 022

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golden frame — Björn Segschneider – »Nowhere To Run«

BomberjackenRave-Kids Björn Segschneider baut Film-, Sound- und Diainstallationen. Seit 2005 betreibt er mit Off The Beaten Trackz quasi einen eigenen kleinen skurrilen BS Label Vinylkatalog. Das besondere daran: Das Vinyl besteht aus zwei mal vier Vierteln von älteren Platten. Er macht viel Krach und produziert gerne mal Chaos. Seine Druckgrafiken, Risografien (eine spezieller japanischer Druckvorgang), Leinwände und die mit Ruß bearbeiteten Büttenpapiere sind allerdings alles andere als chaotisch. Klare Umrisse, der genaue Umgang mit jedem noch so kleinen Farbpigment und die genaue Setzung grafischer und literarischer Elemente aus Pop- und Subkulturen verleihen den Werken eine minimale und akkurate Ästhetik. So auch in der Druckgrafik »Nowhere To Run« (2011), in der erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird, dass hier ein grafisches Muster geschaffen wurde, bestehend aus einer Collage des Fashion-Klassikers, der Bomberjacke. »Nowhere To Run« ist eine Arbeit, die eine Zeit spiegelt, die viele kennen: Gruppendynamik in Jugendkulturen, Rumhängen auf der Straße und Introjektion (Begriff aus der Psychoanalyse, eine Einverleibung von Objekten ins Innere). Wenn man also etwa dieselbe Platte immer und immer wieder hört, sich das Cover einprägt und die Codes aufnimmt. Eine Zeit, in der »... es extrem wichtig ist, was für ein T-Shirt du trägst, was für Hosen du trägst, was für Schuhe du trägst, welche Jacke du anhast, wo dann alles irgendwann zu einem Punkt führt: Die Gruppe, in der du dich bewegst, in der du irgendwie gemeinsam Raum erkämpfst. Na ja, eigentlich hat das irgendwie gar nichts mit diesem Gruppenzwang-Ding zu tun, sondern es geht darum, was du bist, von wo du kommst. Deshalb kamen dann auch die Bomberjacken mit ins Spiel.« Das Chaos aus zahlreichen, übereinander angeordneten Bomberjacken fügt sich – wie im Falle von »Nowhere To Run« – zu einem floralen, insektoiden und kristallklaren Gebilde zusammen. »In den 90ern in Frankfurt, da trugen die aus dem Taunus grüne Bomberjacken, die Frankfurter hatten schwarze an, die ganzen Rave Kids hatten silberne an, Türkisch Power Boys hatten rote an … und so weiter. Irgendwie ging es da um das Erkämpfen der Straße, oder dieses Erkämpfen von Raum, Raum im physikalischen Sinne, oder einfach um dieses PräsenzDing.« Das Erkämpfen von Raum und physischer Präsenz ist bei Björn Segschneiders Kunst zentrales Motiv und beginnt mit der Untersuchung vom urbanen Raum und den Identitäten, die ihn bewohnen. In seinen Ausstellungen verdichtet er die Mechanismen der vergangenen und gegenwärtigen urbanen (Sub-)Kulturen, den Loops, das Mash-up, den Remix, das Sample, Aufnahme- und Wiedergabeverfahren und seine eigenen Beobachtungen von Massen- und Gruppenverhalten, Rausch- und Konsumverhalten, von Geräuschkulissen und urbanen Bewegungsmustern zu einer Ausstellungschoreografie. Björn Segschneiders Ausstellungen bewegen sich zwischen verstörenden und betörenden Elementen. Die Grenzen vom Chaotischen zum Rhythmischen sind fließend. Gerade diese Choreografie von flackernden und lauten Bildern, gepaart mit ruhigeren grafischen Elementen führt dazu, dass man ohne Bedenken einfach mal reinrauschen kann. So gelingt auch eine Spiegelung auf das Phänomen der Introjektion in Subkulturen. Am 10. September wird Björn Segschneiders Einzelausstellung Pale Blue Dot in der Viertel Neun Galerie in Wien eröffnet. Neben »The Ideal Shallow Deep« werden eine neue Diainstallation sowie neue Videoarbeiten und Druckgrafiken zu sehen sein.

Text Denise Helene Sumi Bild Nowhere To Run, Inkjet auf Leinwand, 140 cm × 140 cm, Wien 2011, Courtesy Galerie Viertel Neun

Wenn man den Künstler Björn Segschneider bei einer Flasche Wein in seinem Atelier trifft, wird schnell klar, es geht nicht nur um ein Werk, sondern um eine Haltung.

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Fennesz – »Spire« — Elektronik und Orgel beim Kontraste-Festival in Krems

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Text stefan niederwieser Bild Florian Schulte, kevin westenberg

Fennesz spielt Orgel. Aber mehr wie ein DJ. Auch sonst konfrontiert er sich mühelos mit vermeintlichen Antithesen. Wie letztens mit Autre Ne Veut. Natürlich hat man Kindheitserinnerungen, Kirche schwerfälligen Töne der Orgel für Fennesz eine Hürde darstellen. Aber gehen, genervt sein – Christian Fennesz beantwortet nein. Im Lauf der Jahre hat er immer wieder bewiesen, wie flexibel er Fragen gerne indirekt. Wie die, ob eine Orgel heute ist, dass er sich in ganz unterschiedlichen Klangwelten wohlfühlt und noch sakral klingt. Das ist es auch, was diese Genera- sie beherrscht. Eben war Autre Ne Veut zwei Tage bei ihm im Studio tion avancierter Elektroniker so erfrischend gemacht – großartiger, existenzieller R’n’B also. Beide haben gemeinsam einen hat – ja, es gibt die Konzepte, aber niemand würde Song geschrieben, der demnächst erscheint. Egal ob mit Mike Patton, gleich Programmkataloge damit füllen wollen. Es bleibt immer intui- Patrick Pulsinger, Radio-Symphonieorchester oder David Sylvian, egal tiv. Es bleibt leidenschaftlich. Für Fennesz war es eine Motivation am ob als Remixer von Nine Inch Nails, den norwegischen Metallern von Projekt teilzunehmen, um mit den Klischees der Orgel aufzuräumen, Ulver oder als Komponist von Filmscores – egal also, ob mit Beats, glaubt er. Aber auch Johann Sebastian Bach hat er immer gern gehört, Noise oder eben Orgel, auch in seiner Vielseitigkeit beweist Christian unfassbar komponierte Musik, schon die Essenz, wie er sagt, bis rauf Fennesz, dass er zu den bemerkenswertesten Musikern elektronischer zu Arvo Pärt und anderen zeitgenössischen Komponisten. Gerade in Musik zählt. der Vorbereitung zu »Spire« hat sich Fennesz intensiv in die Orgel einAm neuen Album wird es ebenfalls einige Kollaborationen geben. gehört – »Spire« gibt es immerhin bereits seit neun Jahren, live tourt es Zur Inspiration ist ihm das wichtig. Gerade sucht er noch, kämpft mit in unterschiedlicher Besetzung unregelmäßig durch Europa, meistens den Aufnahmen und den Skizzen, ja sogar mit der Software. Es wird in ziemlich riesigen Kathedralen, bis hin zum gotischen Minster in eh genau so klingen wie immer, meint Fennesz, als wollte er sich York, 158 Meter lang, 31 Meter hoch. damit Druck nehmen. Mittlerweile arbeitet er wieder von Wien aus. Fennesz reagiert auf den Kirchenraum, der manchmal mit über zehn Das »Wienpop«-Buch, in dem er ausführlich vorkommt, hat er nicht Sekunden nachhallt. Er hat über die Jahre Tonnen an Samples gesam- gelesen. Es war auch gut und wichtig, von hier wegzukommen. Aber melt, alle Register, von unten nach oben, alle Spielarten, Tasten, Klop- gerade taugt es ihm wirklich in der Stadt, wohnen und arbeiten ist fen, oder auch nur den Klang des Gebläses. Live werden diese Samples angenehm, die Lebensqualität ist cool. Vielleicht ist er auch deshalb arrangiert, wie von einem DJ, werden bearbeitet und mit den für Fen- für dieses Album zu seinen Freunden bei Mego, dem Wiener Ausnahnesz typischen, magisch schimmernden Sounds angereichert. Heute melabel, zurückgekehrt. klingt eine Orgel ja eher träge und starr, der Klang steht, die Tonhöhen auch. Früher, da galt die Orgel als Königin der Instrumente. Sie war »Spire« wird am 11. Oktober in Mautern nahe Krems beim Kontrastealt, antik, teuer, irre laut und vielseitig. Spätestens mit dem Computer Festival zu hören sein. Der gemeinsame Song von Autre Ne Veut und war das vorbei. Die Möglichkeiten, Sounds zu machen, mit ihnen zu Fennesz erscheint noch im Herbst 2013. Das neue Fennesz-Album spielen, sind explodiert. Man könnte nun meinen, dass diese langen, erscheint vermutlich Anfang 2014 auf Editions Mego. 024

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in Interviews offen über ihre Erfahrungen als Frau in der Szene sprechen. Und dann gibt es auch die, wie Fauna und Marlene Engel vom Label Moun10, die Fragen dazu ablehnen und lediglich zu ihrer Arbeit Interviews geben möchten. Trotz der gewachsenen Zahl weiblicher DJs ist das Ungleichgewicht immer noch dramatisch. »Mädels können das genauso gut wie Jungs, sie trauen sich nur nicht«, so Annette O. vom Kollektiv Kommune 22. Die Antworten gleichen denen von vor 15 Jahren, als Female:Pressure gegründet wurde. Der Umgang mit Technik würde bei Frauen nicht so gefördert werden. Es fehlt nach wie vor an Vermittlungsprogrammen und Fortbildungen, auch wenn es langsam mehr Workshops gibt, so Chra.

Yes, we can

Gleichberechtigung — Gender Gap in elektronischer Musik

Hoit, do is a Spoit

Weibliche DJs sind im Vormarsch, auch wenn der Weg lang und mühsam ist. Wegbereiterinnen wie Electric Indigo und Chra berichten von »vermutlich gut gemeinten, aber eigentlich beleidigenden« Bemerkungen aus dem Publikum, wie toll sie als Frauen nicht mixen oder Bass spielen könnten. »Dabei ist es ja auch nicht toll, wenn ich als Frau einen Liter Milch kaufen gehe«, entgegnet Electric Indigo. Aber es hat sich seit den 90ern dank der Pionierinnenarbeit einiges getan. Für Frauen sei es anfangs sogar einfacher, weil man ein neues und seltenes Frauengesicht ist, meint Clara Moto. Wenn man sich jedoch professionell etablieren möchte, wird es schwieriger. Zumindest wäre es mittlerweile kein Nachteil, eine Frau zu sein, so p.K.one. Einige Veranstalter wollen weibliche DJs buchen, es gibt mehr feministische Festivals. Der mediale Aufschrei kann also durchaus helfen, dass sich etwas ändert, langsam, immer wieder, selbst wenn die Argumente über die Jahre dieselben geblieben sind. Allerdings gibt es eine Kehrseite, erzählt Ravissa: »Die Auftragslage ist gut, wenn es mal wieder in ist, Frauen aufs Line-up zu schreiben. Solche Anfragen sind dann aber oft schlecht bezahlt.«

Text Miriam Frühstück Bild Privat, Mads Perch, Mona Lusa, Lupi Spuma, Maren Michaelis

Vor dem Sommer war die Aufregung groß, zuerst Nina Kraviz, dann Grimes, dann eine De:bug-Ausgabe zum Thema – wie groß aber ist das Ungleichgewicht hinter den heimischen Reglern elektronischer Musik? Jungs haben einen Penis, Mädchen eine Vagina. Das ist allgemein bekannt. Ebenso, dass sich dadurch natürliche, aber auch sozial erzeugte Unterschiede ergeben, die in den verschiedenen Bereichen zu einem Gefälle führen. Davon bleiben auch die elektronische Musikszene sowie das DJing nicht verschont. So singt eine quasi emanzipierte Madonna »Hey Mister DJ, put a record on!« und ist aber damit nahe an der Realität, dass nach wie vor die männlichen DJs die Turntables dominieren – international wie auch in Österreich. Das liegt jedoch nicht unbedingt daran, dass weniger fähige Frauen im Bereich der elektronischen Musik umtriebig sind. Ganz im Gegenteil.

Wir sind viele – und wir sind Frauen Fragt man in die Runde weiblicher DJs in Österreich, wird schnell klar, dass das Selbstverständnis in der Szene so unterschiedlich ausfällt, wie es Mixes gibt. Einigen DJs ist es wichtig, dass sie weiblich sind, die meisten verzichten aber darauf, sich als DJane oder Female DJ zu bezeichnen und wählen einen geschlechtsneutralen Namen wie Christina Nemec aka DJ Chra, Petra Kisslinger aka p.K.one oder Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo. Die Musik soll sprechen. Andererseits sind gerade diese drei DJs bekannt für ihre bewusste Arbeit, Frauen an den Reglern zu fördern und ihnen Raum zu geben – auf Plattformen wie Ladyshave und Female:Pressure, mit dazugehörigen Festivals oder Labels mit feministischem und queerem Fokus wie Comfortzone. Auch Vina Yun, Mitbegründerin der Quote Vienna, macht – auch als Autorin – regelmäßig auf das Geschlechtergefälle rund um den Dancefloor aufmerksam. Andere setzen leisere Akzente. Wie etwa Clara Prettenhofer aka Clara Moto oder das Kollektiv Etepetete, die darauf achten, von Kolleginnen remixt zu werden, mit ihnen zu kollaborieren, oder aber auch

Bei ihr leuchtet Underground Resistance aus den Augen: die Soziologin Rosa Reitsamer.

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Im Uhrzeigersinn: Clara Moto, Kommune 22: Frieda Pe und Anette O, Electric Indigo, DJ Ravissa.

She’s Got The Look Ein hübsches Gesicht allein reicht ohnehin nicht, gerade im Profibereich, zu dieser Frage herrscht Konsens. Natürlich gibt es auch Veranstaltungen, die Frauen vor allem wegen der Optik buchen und es ist auch so, dass die Attraktivität einer talentierten DJ besprochen wird, viel wichtiger ist aber Können. Das Image muss sowohl bei Männern als auch bei Frauen gleich stark gepflegt werden, meinen Electric Indigo wie auch DJ Ravissa. Kritik an Frauen wie Nina Kraviz, die ihr gutes Aussehen nutzen, stößt auf Unverständnis. Auch Etepetete setzen Mode bewusst und gerne ein, wollen aber einer Sexualisierung des Images entgegenwirken. Insgesamt sind die Meinungen dazu relativ locker. Für manche ist es absolut in Ordnung als Frau gebucht zu werden, andere beschreiben ihr Image überhaupt mit »Sex sells«.

Gender – (k)ein Thema?! Und trotzdem zeigt eine im März diesen Jahres veröffentlichte Presseausendung von Female:Pressure, dass es nach wie vor ein enormes Ungleichgewicht in den Line-ups der Festivals und Clubs gibt. Deutlich mehr als in anderen Bereichen der Gesellschaft. Woran das liegt? Überangebot und Konkurrenz allein? Wenn es denn um Können statt Aussehen geht, wenn nach Talent und Nachfrage gebucht wird, woran liegt es, dass es meist bloß die scheinbare »Quotenfrau« ins Line-up schafft? Veranstalter, manchmal auch Freunde, sind zwar oft engagiert und bemüht, müssen aber dennoch oft genug auf talentierte und namhafte weibliche DJs aufmerksam gemacht werden. Von Bookern kommen häufig nur Verlegenheitsantworten, wenn diese auf die wenigen Frauen im Line-up angesprochen werden. Als wäre da ein blinder Fleck, einer, der gleich die Hälfte der Menschheit betrifft. So zeigt sich, dass – auch wenn es meist nicht mutwillig passiert – die nach wie vor männerdominierte Booker- und Produzentenbranche oft nicht über den Tellerrand blickt, meist mit Kollegen und nicht mit Kolleginnen befreundet ist, die wiederum eher männliche Musiker im Freundeskreis haben. Mittelfristig muss es vor allem in den Köpfen und den Eingeweiden der Clubmacher selbst ankommen, dass ein mit Männern gespicktes Line-up schlicht peinlich ist. Und bei den Labels, die anfangs oft für Kumpels gedacht sind. Auch im Journalismus sind die Dancefloors fast nur von Männern besetzt. Sie alle müssen sich, ja, emanzipieren. Hinzu kommt, dass männliche Kollegen einerseits überrascht sind, dass Frauennetzwerke in der DJ-Szene überhaupt noch notwendig sind, erzählt etwa p.K.one. Andererseits werden die-

se Netzwerke von männlichen Peers oft nicht ernst genommen, ja manchmal sogar ausgelacht, meint Rosa Reitsamer, Soziologin an der Universität für Musik und darstellende Kunst. Die Szene »… ist von einem neoliberalen Habitus durchdrungen, der einen Blick auf strukturelle Ungleichheiten verhindert.«

Alles dreht sich, alles bewegt sich Das Geschlechtergefälle ist ein Thema, das sowohl Männer als auch Frauen betrifft. Dennoch wird Männern selten die Frage gestellt, wie es eigentlich sei, gerade als Mann hinterm DJ-Pult zu stehen. Emanzipieren muss sich eine Frau gegenüber einem Mann und selten umgekehrt. Ein wichtiger Punkt ist auch, so Dr. Rosa Reitsamer, dass sich in diesen Szenen die »rhetorische Modernisierung des Geschlechterverhältnisses« abzeichnet, sowohl junge Männer als auch junge Frauen würden glauben, dass sie bereits gleichberechtigt sind und feministische Politik nicht länger benötigen würden. Das ist neu, nicht unbedingt besser als vor 15 Jahren. Andere Instrumente sind bekannt, nicht immer unumstritten, wie die Quote, Frauenevents. Was bleibt zu tun? Weitermachen, aufmerksam machen, mit allen Mitteln, durch Workshops, Vorträge, Netzwerke – vor allem aber mit Musik. Denn, wie Clara Moto meint, ist sie primär Musikerin und nicht Frau. Auch wenn man in Österreich noch weit von einer irgendwie akzeptablen Schieflage entfernt ist, geschweige denn von einer Gleichstellung, sollte es irgendwann einmal weniger darum gehen, ob Mann oder Frau hinter Turntables und Laptop stehen, sondern vor allem um die Musik. Die hat bekanntlich weder Penis noch Vagina.

Das »Perspectives Festival – Female Perspectives on Electronic Music and Digital Arts presented by Female:Pressure« findet von 12. bis 13. September im Berliner About:Blank statt. Am Programm stehen Live-Performances, Workshops und Diskussionen. Das Waves Vienna Festival findet von 3. bis 10. Oktober in diversen Locations in Wien statt und zeigt mit Charli XCX, CSS, Au Revoir Simone, Kate Boy oder Frida Hyvönen viele weibliche Vorbilder an den Reglern. Das Buch »Die Do-It-Yourself-Karrieren der DJs« von Rosa Reitsamer ist im Feber 2013 bei Transcript erschienen. Die Einzel-Interviews mit Clara Moto, DJ Ravissa, Rosa Reitsamer, p.K.one und Annette O. finden sich auf www.thegap.at/clubkultur 027

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London Grammar – »If You Wait« — Intensives Debüt zwischen Pop, Trip Hop und Ambient

Der Geschmack von Rost und Hoffnung

Text Jonas Vogt Bild Ministry Of Sound

Trip Hop-Elemente, Minimalismus und die Stimme einer Opernsängerin – reicht das wirklich, um eines der schönsten und intensivsten Alben des Jahres 2013 zu vollbringen? Für London Grammar ja. Es hat seine Gründe, dass Rost im Kulturbereich seit jeher ungleich beliebter war als bei den Ingenieuren. Er steht für die Endlichkeit von Eisen und Stahl – dafür, dass auch die massivsten Denkmäler letztlich ein Ablaufdatum haben. Auch Pop ist stets eine Momentaufnahme, die ihre Schönheit dadurch gewinnt, dass sie morgen Vergangenheit ist. Pop bedingt Vergänglichkeit. London Grammar singen gerne von dieser Vergänglichkeit. Davon, wie die Sicherheiten, die man sich temporär im Leben aufbaut, zu Staub zerfallen: »When your house begins to rust, it‘s just metal and dust«. Ja, natürlich erinnert »If You Wait« an vielen Ecken und Enden an The XX. Mit ihnen teilt sich das Trio aus Nottingham die Liebe zum Minimalismus. Wobei dieser meist nur zu Beginn eines Songs herrscht: Cleane, aufgelöste Gitarrenriffs, sparsames Piano, eine Melodie, die völlig vom vibratolastigen Gesang Hannah Reids getragen wird. Das Ganze baut sich dann langsam auf, bis irgendwann später der Rest der Instrumentierung einsetzt und der Sound opulent wird. Viele Songs von London Grammar ähneln klassischen Kompositionen. Die Band ist das Orchester, und Reid unbestreitbar die erste Geige. Ohne ihr kraftvolles Organ würden die Songs kaum funktionieren. Das hier ist Power, das Gegenteil von »elfenhaft« (einem absoluten No-Go-Wort, wenn es um weibliche Sängerinnen geht). Gewisse Ähnlichkeiten mit Florence Welch sind da natürlich nicht abzustreiten. Auch wenn Reid es gelegentlich tut. Auffällig sind neben der Ambient-Stimmung auch die Anleihen an Trip Hop – eine Musikrichtung, die bis auf die unvermeidlichen Tricky und Massive Attack von Produzenten nur mit spitzen Fingern angefasst wurde. Wenn überhaupt. Trip Hop war tot, doch Totgesagte leben länger: In letzter Zeit glaubte man immer öfter »Unfinished Sympathy«, den Hit des Jahres 1991 (22 Jahre ist das jetzt schon her!), zu hören. Nur um dann zu merken, dass es gar nicht der Track ist. Die

Jagd auf das Vermächtnis des Trip Hop hat begonnen, und es beteiligen sich wieder einige daran. Man muss sich nur mal die letzte ModeratPlatte anhören.

Wunderbar intensiv, kraftvoll still Auf »If You Wait« geht es um Momente. Reid schreibt ihre sehr persönlichen Songs über Menschen, die in ihr Leben kommen und es auch wieder verlassen. Um diese gemeinsame Strecke des Weges, ob sie kurz oder lang, quälend oder euphorisierend ist. Die Kombination aus Intensität, Kraft, aber auch immer wieder Momente der Stille machen das Album so wunderbar wie es ist. London Grammar können auch Kavinskys »Nightcall« so covern, dass es zu Tränen rührt. Sie tun das auf der Platte übrigens auch. Begonnen hat alles in Nottingham, wo sich die drei auf der Universität kennenlernten. Man begann in örtlichen Bars Coverversionen zum Besten zu geben. Robyn, Florence & The Machine – was man halt so spielt, wenn man eine Frau am Mikro hat. Überhaupt ist es sehr auffällig, wie heuer wieder Bands mit weiblichem Gesang durchstarten. Haim, Daughter, Chvrches, Aluna George oder eben auch London Grammar. Die fünf ersten Plätze im Sound of 2013 der BBC wurden mit Sängerinnen besetzt. Man kann darüber streiten, ob das aus feministischer Sicht erfreulich ist – die Kombination »männliche Band mit Frontfrau« steht immerhin für alles, was Grrl Riot! bekämpft hat. Auffällig ist es allemal. Die Ähnlichkeit des Albumtitels zu Daughters »If You Leave« ist sicher so zufällig wie passend. Auch bei London Grammar gabeln sich die Wege, gehen die Menschen und hinterlassen Leere. Doch es bleibt immer Hoffnung. Wenn man wartet, kommen die Dinge vielleicht wieder. Auch wenn es manchmal 22 Jahre dauert. »If You Wait« von London Grammar erscheint am 6. September via Metal and Dust Recordings.

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otelo — Offenes Technologielabor

Ein Modell für Neue Arbeit

3D-Drucker sind zum Symbol für die Möglichkeiten dezentraler Produktion und der Unabhängigkeit von großen Industriebetrieben geworden. Diese Wunderdinger fehlen natürlich auch in keinem Otelo – so das Kürzel für die offenen Technologielabore –, von denen es mittlerweile vier in Oberösterreich und eines in Deutschland gibt. Doch 3D-Drucker und selbst das breitest gefaßte Verständnis von Technologie reichen nicht aus, um die OteloPhilosophie vollständig zu beschreiben. In Otelos wird nicht nur gebastelt, geschraubt, gelötet und mit Technologie experimentiert, hier wird auch über die Zukunft der Arbeit und der Wirtschaft nachgedacht und hier werden neue Modelle auch gleich erprobt. Erst kürzlich wurde eine Genossenschaft gegründet, die Entrepreneurship auf vollkommen neue Beine stellt. Als »unselbstständig Selbstständige« haben angestellte Mitglieder alle Sicherheiten, die ein Angestelltenverhältnis mit sich bringt, und sie können dennoch wie eigenständige Unternehmer agieren.

Für Otelo-Mitbegründer Martin Hollinetz waren zwei Überlegungen ausschlaggebend für die Entwicklung des neuen Konzepts. Die erste war recht pragmatisch: In den Otelos sollen immer wieder Ideen entwickelt werden, die in Projekten und wirtschaftlicher Tätigkeit münden. Für deren Abwicklung braucht es eine professionelle Struktur, die die regionalen Trägervereine nicht bieten können. Die zweite ist viel tiefgreifender: »Viele, die in Otelos aktiv sind, setzen sich mit dem Verhältnis von Arbeit und Zeit auseinander und damit, wie eine Balance zwischen beiden hergestellt werden kann. Wir wollten uns mit der Genossenschaft ein eigenes Modell schaffen, wie wir Arbeit organisieren können«, so Hollinetz. Die herkömmlichen Modelle folgen alle einer simplen Logik: Wer heutzutage unternehmerisch tätig wird, ist Diener des Wachstumsparadigmas. »Wenn du ein Unternehmen gründest, musst du gewinnorientiert wirtschaften. Wenn du sinnvoll unternehmerisch tätig sein willst, muss dein Unternehmen wachsen.« Diese Diagnose trifft auf einzelne Unternehmen ebenso zu wie auf die Gesamtwirtschaft. Die Otelo-Genossenschaft bietet einen konkreten Ansatz für einen Paradigmenwechsel in Richtung einer nachhaltigeren Entwicklung. Die Angestellten der Genossenschaft bekommen ein vorab festgelegtes Fixgehalt, das alles abdecken soll, was sie zum Leben brauchen. Wer besser wirtschaftet – also hochgerechnet auf ein Jahr mehr verdient als erwartet – bekommt die Gewinne in Form von mehr Freizeit zurück. Um das Risiko für die einzelnen Mitglieder und die Genossenschaft selbst überschaubar zu halten, hinterlegen die Mitglieder eine Kaution. Wenn ihr Plan nicht aufgeht, beginnt ein Kündigungsprozess mit entsprechenden Fristen zu laufen.

Text und bild Werner Reiter

In Oberösterreich wird derzeit Arbeiten in der Community neu erfunden. Unternehmer organisieren sich in einer Genossenschaft, die erwirtschaftete Gewinne in Form von Freizeit ausbezahlt. Dies ist nur eine von vielen Ideen, die in Otelos, den offenen Technologielaboren entwickelt werden. Balance zwischen Arbeit und Zeit

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Neue Arbeit

Frithjof Bergmann ist so etwas wie Henry David Thoreau plus Technikaffinität. Leitgedanke seiner Philosophie der Neuen Arbeit ist, dass Menschen nur dann frei sind, wenn sie erkennen, was sie »wirklich, wirklich wollen« und das auch umsetzen können. Der in Österreich geborene und in den USA lebende Philosoph initiiert und begleitet seit vielen Jahren Projekte in aller Welt, die genau das zum Ziel haben. Technologien haben dabei einen hohen Stellenwert. Sie sind die Grundlage für ein robustes, dezentralisiertes Wirtschaftssystem, das jedem einzelnen aber auch Regionen mehr Unabhängigkeit bringt. Bergmann sieht die optimale Mischung für die Neue Arbeit in der Formel: ein Drittel »High-Tech-Eigenproduktion«, ein Drittel „»Erwerbsarbeit« und ein Drittel »wirklich, wirklich Wollen«. Mehr über »Neue Arbeit. Neue Kultur« unter www.neuearbeit-neuekultur.de

Szenarien durchspielen In der Startphase organisieren sich neun Personen mit Selbstanstellung in der Genossenschaft. Ihre Leistungen reichen von der Medienproduktion über Wissensvermittlung im Bereich Naturwissenschaft und Technik (etwa »KET – Kinder erleben Technik«) bis hin zu Projekten, die auf möglichst niederschwelligen Zugang zu 3D-Druck abzielen. Letzteres konnte mit Unterstützung des Infrastrukturministeriums in den Regelunterricht von acht Schulen der Region aufgenommen werden. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe bauen und kalibrieren die Geräte und in der Unterstufe werden eigenentwickelte Objekte damit gefertigt. Für die Entwicklung des Genossenschafts-Modells ist schon viel Zeit aufgewendet worden. Der gesamte Prozess wird von Experten aus verschiedensten Disziplinen begleitet. Eine große Anwaltskanzlei hat kostenlos bei der Formulierung der Geschäftsordnung unterstützt. In Simulationen wurden unterschiedlichste Szenarien – von der gemeinsamen Anschaffung von Gütern bis zu dem Fall, dass neue Mitglieder Gewerbeberechtigungen in die Genossenschaft einbringen – durchgespielt.

Sich der Wachstumsspirale entziehen Für Mitgründer Hollinetz sind Otelos samt Genossenschaft Beiträge zu einem neuen Verständnis von Regionalentwicklung. Sie sollen als Vorbild für weitere, ähnlich gelagerte Initiativen dienen. Sie stoßen dabei auf großes Interesse. Sogar Raiffeisen hat Gefallen am Konzept der Genossenschaft gefunden und will sie unterstützen. Hollinetz erklärt sich das so: »Wir erfüllen damit eine Art Grundauftrag, wie ihn auch Raiffeisen bei der Gründung seiner Genossenschaften formuliert hat.« Der Fokus liegt dabei nicht auf schnellem Wachstum oder der Eröffnung neuer Otelo-Standorte, sondern in der präzisen inhaltlichen Ausgestaltung: »Otelo kriegt zunehmend die Aufgabe, seine Botschaft zu vermitteln: Es geht uns darum, Menschen zu ermutigen, ähnliche Projekte und Communities zu gründen. Wir wollen eher den Modellcharakter unserer Arbeit betonen als uns der Dynamik schnellen Wachstums auszusetzen.«

Systemischer Ansatz Die Botschaft von Otelo zielt nicht auf die große Revolution ab. Hollinetz ist lange genug in der Regionalentwicklung tätig, um zu wissen, dass es sich nicht lohnt, »gegen das System anzurennen«. Es geht vielmehr um einen systemischen Zugang: »Wir wollen durch die Verknüpfung mit Bestehendem Neues schaffen. Damit entsteht viel mehr Boost als durch den Kampf gegen Strukturen.« Den empfindet er als viel zu anstrengend. Mit diesem Ansatz lassen sich die Otelos dem zurechnen, was der Philosoph Frithjof Bergmann als »Neue Arbeit« propagiert: eine Arbeit, die man wirklich machen will, und zwar in einer Wirtschaft, in der Selbstversorgung und Dezentralität eine wichtige Rolle spielen und in einer Gesellschaft, die durch Kooperation in kleineren Communities gekennzeichnet ist. Der Weg dorthin ist für Bergmann eine evolutionäre Entwicklung, die nun durch Projekte wie Otelo stimuliert wird.

Otelo-Genossenschaft

In den gemeinschaftlich organisierten Innovations- und Experimentierräumen der Otelos entstehen immer wieder wirtschaftlich verwertbare Ideen und Projekte, auch wenn es in erster Linie um den niederschwelligen, lustvollen und kreativen Umgang mit Technologie geht und »nichts Funktionierendes oder Verwertbares entstehen« muss. Die Otelo-Genossenschaft bietet die organisatorische Struktur für die Realisierung dieser Ideen sowie für die Abwicklung überregionaler Projekte und Kooperationen. Sie fungiert auch als Einkaufskooperation und Betriebsgesellschaft für gemeinschaftlich genutzte Güter und Infrastrukturen. Wer sich als Entrepreneur in die Genossenschaft einbringen will, errechnet auf Basis eines Businessplans ein fiktives Monatseinkommen inklusive aller Zusatzkosten für Versicherung, Steuern und andere Gemeinkosten. Drei dieser Monatsblöcke werden dann als Kaution in die Genossenschaft eingebracht. Die Rechtsform einer Genossenschaft ist per definitionem darauf ausgelegt, wirtschaftliche bzw. soziale Leistungen für ihre Mitglieder zu erbringen. In diesem Fall sind das Anstellung, Infrastruktur und Coachingleistungen und zum anderen ist es die »Auszahlung« der Gewinne an die Angestellten in Form von Freizeit. Mehr über Otelo unter www.otelo.or.at

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Radio Orange wird 15 — Freie Radios in Österreich

Das Erbe der Piraten

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Text Andreas Puschautz Bild radio orange illu Inspiriert von Freie-Radios.at

Den Freien Radios in Österreich geht es blendend. Das war nicht immer so. Der 15. Geburtstag von Radio Orange bietet Anlass für einen Blick auf Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Freien Radios in Österreich. Der 17. August 1998 war ein denkwürdiger Tag für die Medienfreiheit in Österreich. Als an diesem SommerMontag Radio Orange 94,0 in Wien als erstes von inzwischen 15 Freien Radios des Landes mit Volllizenz den Sendebetrieb aufnahm, endete ein jahrzehntelanger Kampf gegen die Ignoranz der heimischen Politik. Ein Kampf, der zu großen Teilen in der Illegalität geführt wurde. Richtig losgelegt wurde mit Piratenradio in Österreich Ende der 80er Jahre. Also zu einer Zeit, zu der privater und auch nicht-kommerzieller Rundfunk in den Nachbarstaaten bereits Standard war. Zwar gab es bereits 1979 in Graz und noch viel länger davor, nämlich 1924 in Wien, erste Störungen des Rundfunkmonopols, doch erst im Herbst 1987 begann eine Gruppe von Piraten konsequenter schwarz zu funken. Unter Projektnamen wie »Radio Sozialfriedhof«, »Radio ÖGB – Österreich geht’s blendend« oder »Radio Rücktritt« wurden sozial- und gesellschaftskritische Inhalte unter das Volk gebracht. Freilich ständig von der Staatsgewalt verfolgt, die auch immer wieder Sendeanlagen beschlagnahmte und Beteiligte festnahm. Erst nach sechs Jahren munteren Katz-und-Maus-Spiels fand die rege Piratenphase im Sommer 1993 ihr Ende. Einerseits wurde kurz davor die Funküberwachung noch einmal massiv verstärkt, andererseits wurde die Höchststrafe für illegales Senden von 5.000 auf 100.000 Schilling angehoben – eine Summe, die keiner der Beteiligten hätte

aufbringen können. Folglich konzentrierte man sich ab diesem Zeitpunkt darauf, das Monopol auszuhebeln, anstatt es zu brechen. Federführend dabei war zu diesem Zeitpunkt die »Pressure Group Freies Radio«, ein Zusammenschluss mehrerer Wiener Radioinitiativen. Der entscheidende Durchbruch wurde aber in Kärnten angestoßen. Bereits 1989 beantragte der Verein AGORA eine Sendelizenz für den Südkärntner Raum und erhob wegen der fehlenden Erfolgsaussichten gleichzeitig Beschwerde gegen das Rundfunkmonopol vor der Europäischen Menschenrechtskommission. Im November 1993 wurde die Republik vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Aufhebung des Monopols verurteilt. Und erst nach einem entscheidenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs wurden schließlich am 1. Mai 1997 45 Lokalradiolizenzen ausgeschrieben. Zwölf nicht-kommerzielle Projekte versuchten ihr Glück, acht davon erhielten einen positiven Bescheid. Eines davon: Orange 94,0.

15 Jahre später? »Aus Sicht der Geschäftsführung geht es uns eigentlich wirklich gut«, erzählt Sibylle Moser im Sendestudio im 20. Wiener Gemeindebezirk. »Wir sind im Aufbruch und da die Fördermittel doch noch vorhanden sind, sind wir sehr zuversichtlich.« Etwa 450 Radiomachende, die in 17 Sprachen senden, zehn Festangestellte und eine Programm- und Strukturreform, die gerade im Werden ist – das Freie Radio in Wien

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Derzeit gibt es in Österreich 15 Freie Radios in allen Bundesländern. Das älteste ist Radio Orange in Wien, als letztes ging Radio B138 in Kirchdorf 2012 mit einer Volllizenz auf Sendung. Über 2.500 Freiwillige gestalten Sendungen in 25 Sprachen, die technisch über vier Millionen Menschen erreichen. Dachverband und zentrale Interessenvertretung ist der 1993 gegründete Verband Freier Radios Österreich. Er hat auch die Charta der Freien Radios verabschiedet, in der Grundsätze und Forderungen festgehalten sind. Verband freier Radios Österreich (VFRÖ): www.freie-radios.at Radio Orange: www.o94.at Radio B 138: www.radio-b138.at FreIrad: www.freirad.at Radio Helsinki: www.helsinki.at Sendungsarchiv aller Freien Radios: cba.fro.at Infos zum nichtkommerziellen Rundfunkfonds: www.rtr.at

radio y hollabrunn radio fr 107.1

Aufdraht

orange 94.0

radio fro 105.0 campus radio 94.4 radio b138 radiofabrik 107.5

Radio OP 98.8

Freies radio salzkammergut

freequenns 100.8 proton

freirad 105.9

radio helsinki 92.6

agora 105.5

boomt. Ein entscheidender Grund dafür ist der 2009 gesetzlich verankerte »nichtkommerzielle Rundfunkfonds«. Der mit jährlich drei Millionen Euro dotierte Topf wird projektbezogen auf alle Freien Radios und die drei Community-TV-Sender des Landes aufgeteilt und sichert vor allem den Sendern, die keine oder nur geringe Förderungen auf Landes- oder Gemeindeebene erhalten, das Überleben. Auch kleineren Freien Radios, wie etwa B138 in Kirchdorf in Oberösterreich tut das gut. »Wir haben ein stabiles Set-up, das es uns auch ermöglicht, interessante Projekte anzugehen«, erzählt Michael Schedlberger, Obmann des Trägervereins von Österreichs jüngstem Freien Radio. So ist der Sender Teil des Projekts »Connecting Communities« des Europäischen Sozialfonds, das Frauen mit Migrationshintergrund – speziell im ländlichen Bereich – in den Bildungsprozess integrieren will. Das Radio ist das Werkzeug, die Frauen fungieren gleichzeitig als Gestalterinnen, Konsumentinnen und Multiplikatorinnen. Damit steht das Projekt exemplarisch für gleich mehrere Prinzipien Freier Radios: Bildung, Ermächtigung, lokale Verwurzelung und denen eine Stimme geben, die sonst nicht oder nur schwer gehört werden.

Ein bisschen Kritik am Fonds Auch in Innsbruck entwickelt sich die Situation positiv. Die Mittel aus dem nichtkommerziellen Rundfunkfonds ermöglichen dem seit 2002 sendenden »FreiRad« nicht nur mittlerweile drei Teilzeitangestellte, sondern auch eine bereits beantragte Sendeerweiterung ins Innsbrucker Umland. Trotzdem gibt es auch Kritik am bestehenden System. »Das Problem am Fonds ist, dass er eine Inhalteförderung und keine Basisförderung ist«, sagt Gebi Kugler. Das bedeutet: Die Förderungen sind an Studien, an das Programm, an Ausbildungsmaßnahmen etc. gebunden. Die Mittel für Angestellte oder die technische Infrastruktur müssen also anders aufgebracht werden. Dennoch »geht es uns finanziell bedeutend besser als früher«, sagt Kugler. Auch mit der lokalen Akzeptanz ist man in Innsbruck durchaus zufrieden. Im Kulturbereich sei man sehr bekannt, ebenso in fremdsprachigen Communities. Oder, um es in Kuglers Worten zu sagen: »Wer Türkisch spricht, kennt FreiRad.« Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Graz. »In gewissen Umfeldern sind wir bekannt und haben einen entsprechenden Status«, berichtet Wolfgang Weritsch, Geschäftsführer von Radio Helsinki. Dennoch versuche man interkulturell noch mehr zu tun. Aktiv in die Stadt hinauszugehen und Menschen anzusprechen und zu ermächtigen, die den Weg ins Radio sonst nicht finden würden. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt man auch in Wien. Aufnahmegeräte werden an unbeachtete Orte der Stadt gebracht, wo dann Menschen

vor Ort nach einem Crashkurs in Aufnahmetechnik eine Sendereihe gestalten. Es geht um Zivilgesellschaft. Denn: »Pluralität heißt auch zu schauen, wo Anliegen sind, denen wir ein Forum bieten können«, erklärt Sibylle Moser. »Da ist noch Potenzial, wo die Leute nicht zu uns kommen. Sei es, weil sie zu wenig Zeit haben oder auch, weil sie vielleicht noch nicht von uns gehört haben.« So wird derzeit eine Sendereihe im Umfeld der Flüchtlingsbewegung im Servitenkloster aufgebaut.

Die User am Mikro Die Freie Radioszene in Österreich ist also quicklebendig und das Medium an sich nach wie vor zeitgemäß, davon ist man quer durchs Land überzeugt. »Tatsache ist, dass Freie Radios immer schon das gemacht haben, was jetzt unter dem Schlagwort user generated content firmiert«, sagt Moser. Nur eben in einem organisatorischen Rahmen, der auch die Vermittlung der dazu notwendigen Fähigkeiten ermöglicht. Denn es reiche eben nicht, nur ein MP3-File mit dem Smartphone aufzunehmen und über Facebook zu verbreiten. Strukturen schaffen, um ein möglichst hohes Selbstermächtigungsniveau zu erzeugen, das sei die Stärke der Freien Radios. Was aber nicht bedeutet, dass man sich den neueren Medien verweigern kann. So wird gerade eine App entwickelt, die neben einem Livestream auch die Möglichkeit zum asynchronen Hören wie auch eine integrierte Feedbackfunktion bieten wird. Eine Richtung, die auch Wolfgang Weritsch befürwortet. »Man muss sich Gedanken machen, ob Radio als Verbreitungskanal alleine reicht«, so der Helsinki-Geschäftsführer. Weitere Angebote seien nötig. Doch ob mit App oder ohne: Die Freien Radios erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion, die mittlerweile endlich auch vom Staat anerkannt wird. Und das ist gut so. Am 7. September feiert Radio Orange mit einer großen Party in der Grellen Forelle das 15. Jahr seines Bestehens. Im September und Oktober folgen weitere Schwerpunkte zum Geburtstag on air auf 94.0. 035

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»Blutgletscher« von Marvin Kren — Horror und Mutanten in den Alpen

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Text Jan Hestmann Bild allegro film

Ein ganzer Gletscher färbt sich rot. In seinem Inneren wachsen bösartige Mutanten heran. Vor diesem Hintergrund spielt Marvin Krens neuer Film »Blutgletscher«, ein Creature Feature, wie es der österreichische Film noch nicht gesehen hat. The Gap hat den Regisseur zum Gespräch getroffen. Apokalyptische Zustände sind seine Spezialität. Erstmalig im Horrorgenre bewiesen hat sich Marvin Kren vor drei Jahren mit dem Zombie-Hit »Rammbock«. Dabei wollte er zunächst gar nicht ins Filmgeschäft geschweige denn ins Eck der Zombies und Mutanten, sondern Wirtschaft studieren, um gegen sein familiäres Künstlerumfeld zu rebellieren. Im Interview erklärt der 33-Jährige, wie er schließlich doch noch zum gegenwärtig auffälligsten HorrorExport aus Österreich wurde. the gap: Was bedeutet es für dich, einen Horrorfilm zu machen? marvin kren: Für mich ist Horrorfilme machen immer eine Möglichkeit, die Art von Geschichten zu erzählen, die mich interessieren. Das heißt, eine Art perverse Kinderfantasie mit einer Erwachsenenidee zu kombinieren und dabei beides so ernst wie möglich zu nehmen, die Monster genauso wie die Menschen und deren Umgang mit sich und ihrer Umwelt. Für mich funktioniert das wie ein trojanisches Pferd: Man erklärt den Leuten, dass sie jetzt Splatter und Spaß bekommen – und plötzlich sehen sie sich darin und werden mit Konflikten oder Gefühlen konfrontiert, mit denen sie nicht gerechnet haben. Bevor du die Hamburg Media School besucht hast, hast du Europäische Wirtschafts- und Unternehmensführung studiert. Warum eigentlich? Ich hatte schon sehr früh eine Kamera, aber niemals den Wunsch, Filmemacher zu werden. Ich komme aus einer Künstlerfamilie und

deshalb war mir dieser Lebensentwurf suspekt. Darum habe ich mich dafür entschieden, Wirtschaft zu studieren. Ich habe aber recht schnell gemerkt, dass mich das nicht sonderlich interessiert. Nebenbei habe ich auch schon meine ersten Filme gemacht. Deinen ersten Langfilm »Rammbock« verdankst du dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF. Denkst du, dass dir der ORF für diese Idee auch die Türen geöffnet hätte? Nein, auf keinen Fall. Ich finde, der ORF macht supermutige Sachen – schau dir »Braunschlag« an. Man darf ihn nicht unterschätzen. Aber es gibt so einen Schritt davor, den er nicht bedient. Und das ist dieser erste Schritt zur Talentförderung. Deswegen: God praise das Kleine Fernsehspiel, das so etwas möglich macht. Ich glaube, dass wir in Österreich auch so etwas brauchen. »Blutgletscher« wird seine internationale Premiere beim Filmfestival von Toronto feiern. War die Vorarbeit von »Rammbock« für diese Connection ausschlaggebend? Auf jeden Fall. »Rammbock« ist in der Genre-Community, die ich total zu schätzen gelernt habe – eine fantastisch vernetzte Community, die irrsinnig meinungsbildend im Netz ist – mit Kusshänden empfangen worden. Deshalb legen die gerade auch den Teppich für »Blutgletscher« hin. Die Erwartungen sind hoch, kaum jemand hat den Film bis jetzt gesehen. Mit Zombiefilmen ist es immer ein bisschen leichter als mit einem Monsterfilm. Es freut mich aber sehr, dass der Film auf einem Festival wie der Toronto Midnight Madness läuft. Das

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ist in diesen Kreisen der wichtigste Platz. Von dort aus geht es dann nach Sitges, zum Fantastic Fest in Austin und so weiter. Das ist ein schöner Start für den Film. War es das Ziel, einen Monsterfilm der alten Schule zu machen? Was uns interessiert hat, waren genau die Horror- oder Science-Fiction-Filme, die uns auch als Kinder interessiert haben. Jene, wo das Monstrum im Kopf des Betrachters entsteht. Denn das ist natürlich viel schrecklicher und abscheulicher als das Monster, das ein Grafiker an seinem Computer zeichnet. Dafür haben wir viele, meist alte Horrorfilme studiert, zum Beispiel »Tremors«, »The Blob«, »Dog Soldiers« oder die ersten drei »Alien«-Teile. Und dann seid ihr auf die Suche nach einem Puppenbauer gegangen? Ja, wir wollten Puppen. Wir wollten die Haptik. Man soll die Monster riechen und fühlen können. Es gibt ja auch ganz tolle CGI-Monster, aber selbst bei den besten habe ich das Gefühl, dass sie nicht wirklich leben, sondern eben aus Einsen und Nullen bestehen. Unser Ansatz war ein Old-School Creature Feature. Und da seid ihr bei Chris Creatures gelandet? Zuerst sind wir zu Tomak gegangen. Das ist ein bekannter Zeichner aus Wien. Er setzt sich viel mit der Anatomie von Tieren und Menschen auseinander und macht fantastische Zeichnungen. Als ich mit ihm über meine Mischwesen, meine modernen Wolpertinger sprach, wusste ich, dass er sie zu Papier bringen kann. Ich wollte eben keine Fantasy-Zeichnungen, sondern richtige anatomische Zeichnungen von diesen Viechern haben. Und damit kamen wir dann zu Chris. Auch er hat sich voll für uns reingehauen. Wenn man so eine Art von Film macht, dann bekommt man ganz viel Liebe geschenkt. Dein Protagonist war schon in »Rammbock« eher ein Antiheld. Auch Janek in »Blutgletscher« ist ja an sich eine labile Gestalt, aber auf ganz andere Weise. Zusammen mit Darsteller Gerhard Liebmann ist uns, denke ich, eine Figur gelungen, die es im österreichischen Film so noch nicht gibt. Dort sind die männlichen Helden ja zumeist raunzende Schwachmaten. Janek ist auch ein Raunzer, ein Gescheiterter. Aber er hat außerdem einen irrsinnigen Eros, eine Kraft – etwas ganz Amerikanisches, wenn man so will. Das ist, denke ich, wichtig. Filme brauchen eine gewisse Potenz, auch österreichische. Deine Mutter Brigitte Kren, die schon in »Rammbock« ein Zombie war, spielt ja auch wieder mit. Wenn auch nicht untot, so doch wieder in einer recht derben Rolle. Es gab die Überlegung, dass wir eine harte Braut brauchen. Dann kam die Idee: Deine Mutter! Ja, meine Mutter! Tatsächlich kenne ich keine andere Frau, die so mutig ist wie sie. Hast du die Rolle in »Rammbock« extra für sie geschrieben? Ja, auch die. Diese Figur zitiert ja, wie Zombie-Fans wissen, einen der besten Zombiefilme der Neuzeit, nämlich »[REC]«. Ich glaube ja sehr stark ans Klauen. Viele Leute vergleichen »Blutgletscher« in Posts im Internet ja schon mit … … »The Thing«? Ja! Du hörst die ganze Zeit »The Thing«. Natürlich! »Blutgletscher« ist eine Verneigung vor John Carpenter, John Landis und … David Cronenberg! Unbedingt auch Cronenberg. Dessen Körperhorror war ebenfalls eine ganz starke Inspiration. Ich stehle ganz bewusst. Aber nur von den besten. »Blutgletscher« hat trotzdem noch lange nichts mit »The Thing« zu tun. Es ist ein komplett eigenständiger Film mit einer eigenständigen Mythologie, die es so noch in keinem anderen Horrorfilm gab. Viel Vergleichbares gibt es ja vor allem aus Österreich nicht. Das /slash Filmfestival, das dieses Jahr mit »Blutgletscher« eröffnet, versucht immerhin seit Jahren, diese Seite des Kinos hierzulande zu kultivieren. Es bekommt aber nicht den stärksten Rückenwind, zumindest nicht seitens der Förderstellen. Was das /slash Filmfestival betrifft glaube ich, dass da gerade ein Paradigmenwechsel eingeleitet wird und sich alles ändert. Die Jugend wird siegen, das hat sie immer getan. Das Bewusstsein steigt, dass es auch andere Filme, verrückte Filme geben darf und muss. Vor allem in Österreich.

Der Film

»Blutgletscher« ist, nach »Rammbock«, der zweite Langspielfilm des österreichischen Regisseurs Marvin Kren, und erneut im fantastischen Genre angesiedelt: Wissenschaftler einer Klima-Forschungsstation in den Alpen entdecken eine unbekannte Flüssigkeit, die nicht nur einen nahe gelegenen Gletscher blutrot färbt, sondern auch zu drastischen genetischen Veränderungen der umliegenden Tierwelt führt. Die Apokalypse ist nicht fern, die Folge schließlich ein Ansturm unterschiedlichster Mutanten auf die Station. Techniker Janek, der bislang seine Probleme im Alkohol zu ertränken versuchte, ist nun gezwungen, seinen Überlebensinstinkt zu reaktivieren. Marvin Kren arbeitete für »Blutgletscher« zum wiederholten Mal mit Drehbuchautor Benjamin Hessler zusammen. Der von Helmut Grasser (»In drei Tagen bist du tot«) produzierte Streifen feiert seine internationale Premiere in der Midnight Madness-Sektion des Toronto International Film Festival. »Blutgletscher« (2013), Regie: Marvin Kren; mit Gerhard Liebmann, Edita Malovcic, Hille Beseler, Michael Fuith u. a. Produktion: Allegro Film

»Blutgletscher« startet am 27. September in den heimischen Kinos und ist Eröffnungsfilm des diesjährigen /slash Filmfestivals, das von 19. bis 29. September im Filmcasino Wien stattfindet. 037

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DARK AS LIGHT SUBOTRON/WKW pro games Veranstaltungsreihe zur Praxis von digitalen Spielen im MuseumsQuartier/ quartier21 / Raum D, 1070 Wien subotron.com/veranstaltungen/ pro-games/

Do. 05.09.13, 19h Marketing in der Games-Industrie Mag. Wolfgang Stindl, Business Development Director bei iVenture Capital GmbH, einer VC-Firma die sich ausschließlich dem Games-sektor widmet, gibt einen Überblick über die Möglichkeiten sich als Developer am Markt zu positionieren, die verfügbaren Distributionskanäle, die Grundvoraussetzungen im Bezug auf Skill-sets und Budgetierung, den besonderen Einfluss und die Herausforderung die das jetzt übliche Business Modell „free-2-play“ darstellt und welchen besonderen Herausforderungen und Chancen sich der österreichische Gamesentwickler oder ggf. sogar Publisher gegenübersieht. Nach dem Key-Note Vortrag diskutiert Wolfgang Stindl mit dem Publikum und steht für Fragen zur Verfügung.

Do. 19.09.13, 18h Bildungs-Tour in Wiener Game-Developer-Studios Diese Tour bricht mit der traditionellen Form des klassischen Frontalvortrags und nähert sich dem Thema Spieleentwicklung von der praktischen Seite. Den Bildungsreisenden wird die Möglichkeit geboten, Wiener Spieleentwicklern aus verschiedenen Disziplinen bei der Arbeit an ihren aktuellen Spielen über die Schulter zu schauen und so konkrete Einblicke in den Alltag und das Umfeld der Branche zu bekommen. Die Berufsfelder werden von StudiomitarbeiterInnen in kurzen Präsentationen und in informellen Gesprächen anhand der momentanen Arbeit erklärt und die tägliche Zusammenarbeit skizziert. Brancheninteressierte erhalten so einen ausgiebigen Blick hinter die Kulissen von Gameentwicklung in Wien und werden motiviert, selbst aktiv zu werden. 18:00 : Treffpunkt MuseumsQuartier / SUBOTRON shop 18:15 – 19:15 : Cliffhanger 7., Stiftgasse 19:30 – 20:30 : ovos 7., Schottenfeldgasse 20:45 – 22:00 : Socialspiel 6., Schmalzhofgasse

KONTRASTE FESTIVAL 10.–13. OKT 2013 KREMS Ein außergewöhnliches Programm aus akustischen und audiovisuellen Experimenten, Filmen, Konzerten, Installationen und Lectures im mittelalterlichen Klangraum Krems Minoritenkirche und anderen spannenden Orten der Kulturlandschaft Wachau. Aus dem Programm Spire, ein Projekt von Mike Harding, dem Gründer des legendären Labels Touch, mit Kompositionen für Orgel und elektronische Instrumente präsentiert ua von Christian Fennesz, Philip Jeck und Burkhard Stangl. Vertical Cinema – zehn neu produzierte Filme von Avantgarde-FilmemacherInnen, MusikerInnen und bildenden KünstlerInnen, die vertikal projiziert werden. Mit Werken ua von Tina Frank, Johann Lurf, Björn Kämmerer, Billy Roisz & dieb13, Makino Takashi & Telcosystems. Begleitende Lectures von Timothy Druckrey. Audiovisuelle Performances von Pionieren der elektronischen Musik wie Phill Niblock & Thomas Ankersmit, Morton Subotnick & Lillevan sowie Catherine Christer Hennix & The Chora(s)san TimeCourt Mirage (ua Hilary Jeffery, Elena Kakaliagou, Franz Hautzinger, Paul Schwingenschlögl).

Bitte um Anmeldung: anmeldung@subotron.com Unterstützt von www.creativespace.at – Die Kreativplattform der Wirtschaftskammer Wien

Medienpartner:

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Installationen von Finnbogi Petursson & Franz Pomassl.

Tickets und Infos unter www.kontraste.at

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Fear and Loathing in Kunsthalle Wien Angst vermag es, kollektiv wie individuell unser Leben schwer zu machen. Sie hat viele Gesichter. Die Kunsthalle Wien präsentiert dieses Thema als Saisonauftakt und erste Ausstellung unter dem neuen Direktor Nicolaus Schafhausen, der mit Gewohntem radikal abgeschlossen hat. Muss man sich fürchten? Evolutionstechnisch ist Angst ein überlebenswichtiger Schutzmechanismus. Sie bereitet den Körper auf eine Kampf- oder Fluchtsituation vor, versetzt ihn in einen Zustand höchster Aufmerksamkeit und Sensibilität, der aber bisweilen in Lähmung münden kann. Angst macht vor keiner sozialen Stufe halt, sie ist wandelbar und adaptiert sich an jeden Lebensumstand und Charakter. Als Massenphänomen, das ganze Nationen in einen Ausnahmezustand treiben kann, schürt sie Hass und Misstrauen und nimmt somit eine nicht unbeträchtliche Rolle im weltweiten politischen Geschehen ein. Sind es keine spezifischen Objekte oder Einflüsse von außen, die uns den kalten Schweiß auf die Stirn treiben, so tun es Existenz- oder Zukunftsängste. Der einzige Weg aus der Angstspirale führt geradewegs hinein in die gefürchteten Situationen. Vermeidung stärkt die Angst. Konfrontation macht sie bezwingbar. Möglicherweise empfindet der im Oktober 2012 als Nachfolger Gerald Matts berufene Nicolaus Schafhausen auch ein wenig Angst vor dem Bestehen in seiner neuen Rolle und setzte deshalb auf Konfrontation mit der Vergangenheit. Er vollführte einen totalen Bruch: Umbau, neues Corporate Design, ein verändertes Kuratoren- und Teamkonzept. Die Programmvorschau für die Saisonen 2013 und 2014 fiel verhältnismäßig dünn aus, karg das mediale Erscheinungsbild – ganz im Gegensatz zum bisher bekannten plakativen Image der Wiener Ausstellungshalle für internationales zeitgenössisches Kunstgeschehen. Wird der »Salon der Angst« fokussierter und genügsamer an die Ausstellungsthematiken herangehen als in werk- und bedeutungsüberladenen Vorgängerausstellungen wie »Parallelwelt Zirkus« oder »No Fashion Please«? In einem Interview erwähnte Schafhausen, er wäre

gegen eine Instrumentalisierung der Künstler durch ein Ausstellungskonzept und für ein Aufspalten einer Ausstellungsentwicklung in verschiedene Zugänge. Möglichst viele Mitwirkende sollten gemeinsam ein gehaltvolles Konzept erstellen. Wie kann man sich das in der von ihm und Cathérine Hug kuratierten Schau vorstellen?

Schreckenskabinett Tatsächlich erscheinen die unterschiedlichen Positionen und Zugänge in der Ausstellungsankündigung so vielschichtig wie die Zu- und Umstände, die Angst auslösen oder bedingen. Thomas Hirschhorn kreiert ein Horrorkabinett aus Gliedmaßen und Kunstblut, Agnès Geoffrey arbeitet mit der Kraft der Imagination, indem sie unheimliche und jedem bekannte Schrecksituationen mittels Infrarotkamera-Aufnahmen vorführt. Dem therapeutischen Ansatz des Angsterlebnisses widmet sich Jesse Jones in »The Selfish Act of Community« – es geht um die gesprächstherapeutische Aufarbeitung der sozialen und politischen Veränderungen während der 1960er Jahre. Bei Cameron Jamie ist der Tod das Angstthema. Seine Fotografien zeigen die trashige Halloweenkultur in US-amerikanischen Vorstädten. Verzweiflung, Traurigkeit und Enttäuschung spiegeln sich in den Hinterglasbildern des verstorbenen Bukarester Künstlers Florin Mitroi wider. Öffnet der »Salon der Angst« die Tür zur Selbstreflexion und -therapie durch die Konfrontation mit Angst in jeglichen Erscheinungsformen und gleichzeitig zu einem neuartigen Ausstellungserleben in der Kunsthalle Wien? »Salon der Angst« ist ab 6. September bis 12. Jänner in der Kunsthalle Wien zu sehen.

Text Margit Emesz Bild geoffray agnes

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Kunsthalle Wien – Salon der Angst — Neue Saison unter Nicolaus Schafhausen

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Michel Serres – »Erfindet euch neu!« — Generation Däumling und offene Gesellschaft

Macht Liebe blind? Michel Serres schreibt über die vernetzte Generation, ihre Däumlinge, und den radikalen Umbruch, den sie erlebt – ganz ohne Kulturpessimismus, dafür fällt er ins andere Extrem. Kann es gut gehen, wenn ein 83-Jähriger der jungen Netzgeneration seine Liebe erklärt? Der französische Philosoph Michel Serres versucht genau das in seinem neuen Buch »Erfindet euch neu!«, das eben auf Deutsch erschienen ist. Es gibt eine lange Tradition seit der Antike, in der die Alten der Jugend vorwerfen, die neue Generation sei schlechter als die alte. Stichwort: Werteverfall. Keine Moral mehr, diese Jugend! Und die Sprache: Fürchterlich! Serres unterbricht erfreulicherweise diese Litanei und fällt ins andere Extrem. Er ist in vielen Punkten exzellent über die aktuellen Lebensgewohnheiten seiner Enkel informiert. Das Buch scheitert nicht an seiner guten Absicht, sondern an seiner Argumentation: »Heute weiß jeder kleine Däumling von der Straße glänzend Bescheid über Atomphysik, Leihmütter, genmanipulierte Organismen, Chemie, Ökologie.«

Smartphones – Tragbare Kognitionsbüchsen

Text Christian Köllerer

Dieses Zitat ist typisch für Serres Pauschalierungen. Es reicht natürlich nicht aus, ein Smartphone in der Tasche zu haben, um etwas über Chemie zu wissen. Serres behauptet aber genau das: Er bezeichnet ein Smartphone sogar als »objektivierte Kognitionsbüchse.« Für einen Philosophen, der sich selbst als gelernter Epistemologe bezeichnet, ist das eine erstaunlich naive Sicht auf Erkenntnis. Zum einen reicht es nicht aus, Zugriff auf Informationen zu haben: Man muss diese auch verstehen können. Ein Blick auf die Pisa-Ergebnisse seiner »Däumlinge« hätte Serres belehrt, dass es bei vielen mit dem sinnerfassenden Lesen nicht so weit her ist. Es ist deshalb anzunehmen, dass Serres’ Thesen in erster Linie durch die Beobachtung seiner Elitelernenden in Stanford entstanden sind. Der größte Teil des modernen Daten040

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verkehrs wird aber nicht durch Videos über Chemie oder Atomphysik verursacht, sondern durch Pornografie. Dass er die neue Generation als »Däumlinge« anspricht, wirkt zumindest in der deutschen Übersetzung verkleinernd und passt nicht zu seiner Forderung einer machtfreien Kommunikation. Auf doppelt wackeligen Boden begibt sich der Philosoph, wenn er über Erkenntnis und Computertechnik schreibt: »Mein Denken ist unterschieden vom Wissen, von den Erkenntnisprozessen … die, samt Synapsen und Neuronen, in den Computer ausgelagert sind.« Die Neuroinformatik beschäftigt sich zwar intensiv mit derartigen Konzepten, ist aber noch ein paar Lichtjahre von einer Umsetzung entfernt, die der menschlichen Kognition auch nur nahe käme.

PRESENTS

EXHIBIT. BUY. SELL.

Daten-Wunderwaffen? Der Philosoph stilisiert die Informationstechnik zu einer Art Wunderwaffe. Sie sei der Schlüssel zu einer dringend notwendigen Komplexitätsreduktion des modernen Lebens. Der reale Alltag sei hoch komplex, aber »ein paar Ingenieure reichen aus, dieses Problem zu lösen, indem sie zum informatischen Paradigma übergehen, das aufgrund seiner Leistungsfähigkeit den Simplex bewahrt.« In Wahrheit bedarf es hier natürlich einer Vielzahl von Ingenieuren und diese Technik ist nicht nur selbst hoch komplex: Sie verursacht auch jede Menge neuer komplexer Probleme. Beispielsweise schaffen die westlichen Demokratien derzeit freiwillig die perfekte technische Überwachungsinfrastruktur für zukünftige Diktaturen, obwohl es eigentlich ihre Pflicht wäre, zukünftigen Diktatoren prophylaktisch die Tyrannei zu erschweren. Statt auch nur einen dieser kritischen Punkte zu erwähnen, bringt er ausgerechnet einen »virtuellen Pass« mit allen persönlichen Daten als positives Beispiel. Zwar äußert Serres die Prognose, dass die Digitalisierung der Welt zum größten gesellschaftlichen Umbruch seit der Renaissance Anlass geben wird. Man liest diese Zukunftsprognosen allerdings mit Skepsis, weil bereits seine Gegenwartsdiagnosen zwar wohltuend anders, aber immer wieder problematisch sind. Er beschreibt viele Entwicklungen und Trends in der Gesellschaft, über die es jede Menge wissenschaftlicher Untersuchungen gäbe. Mit Belegen zu seinen Behauptungen hält sich Serres jedoch nicht auf. Ein Ergebnis dieser philosophischen Formulierungsfreiheit sind Fehler. So nähert sich die Zahl der Facebook-Nutzer natürlich nur mehr ganz langsam der Weltbevölkerung an (Facebook: 1,2 Milliarden. Weltbevölkerung: 7,1 Milliarden). Aber vermutlich hat Serres die Zahl nur schnell mit seiner Kognitionsbüchse gesucht und ist auf eine fehlerhafte Webseite geraten.

Ein radikaler Umbruch Was die gesellschaftliche Entwicklung angeht, sieht der Philosoph nun zum ersten Mal die Gelegenheit gekommen, die seit Anbeginn bestehenden gesellschaftlichen Machtstrukturen zu durchbrechen. In der Vor-Internetzeit gab es »oben ohrlose Münder, unten stummes Gehör«. Heute dagegen wolle alle Welt sprechen, alle Welt kommuniziere mit aller Welt in zahllosen Netzwerken. Zweifellos findet hier ein radikaler Umbruch statt und zweifellos sieht Serres hier viele valide Punkte. Unkritischer Optimismus ist aber auch gesellschaftspolitisch zweifelhaft, ein Indiz dafür wäre etwa der Zusammenbruch des ägyptischen Frühlings, wie sich diesen Sommer zeigte. Länder wie Russland oder China scheinen die Ohren und Münder noch ohne größere Probleme in ihr System integrieren zu können. Beim Lesen des Buches drängt sich die Frage auf, wie man im 21. Jahrhundert Philosophie betreiben soll. Michel Serres und andere französische Philosophen setzen auf einen oft dunklen, assoziativen Sprachstil und scheren sich nicht um wissenschaftliche Erkenntnisse. Weitere aktuelle Philosophen, wie der an der Oxford University tätige Quantenphysiker David Deutsch, gehen da einen ganz anderen Weg. Deutsch denkt von der Wissenschaft weg statt gegen die Wissenschaft an und kommt damit zu wesentlich plausibleren Erkenntnissen als Michel Serres. Michel Serres: »Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation« erscheint am 16. September via Edition Suhrkamp. Buchpräsentation: 2. Oktober im Wiener Rhiz.

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22.09.13 ANKER EXPEdITHALLE WIEN OPEN 11.00–19.00 / TICKETS EUR 5.– / NO PRESALE WWW.SNEAKERNESS.COM

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Vienna Design Week 2013 — Design-Querdenker Max Borka im Interview

Die Gemeinschaft ist das Material 042

Text Peter Stuiber Bild Max Borka, Skateistan.org

Querdenker wie Max Borka sind im Designbusiness selten. Nun hat sich der Autor und Kurator, der heuer Gast bei der Vienna Design Week ist, ganz dem Social Design verschrieben. Von Design ohne Utopie hat er genug, von Che Guevara nicht. Wer sich für Design interessiert, der kommt an Max Borka nicht vorbei. Der belgische Architektur- und Designpublizist hat schon unzählige Ausstellungen kuratiert, Festivals und Designinitiativen gestartet und das Magazin DAMn mitbegründet. Auf Einladung des Studios Walking-Chair wird er anlässlich der Vienna Design Week in Wien eine mobile Diskussionsplattform starten und ein neues Buch präsentieren. Um Design im klassischen Sinne geht es dabei nur am Rande – mit gutem Grund, wie er im Gespräch erklärt. the gap: Wenn ein Taxifahrer Sie fragen würde, was sie beruflich machen, was würden Sie sagen? max borka: Ich würde sagen, ich beschäftige mich mit Design. Aber ich würde ergänzen, dass das etwas ganz anderes ist, als er sich vorstellt. Für mich ist die Definition von Design sehr einfach: Tools for living. Werkzeuge. Alles ist ein Werkzeug, die Dinge, die wir benutzen, einfach alles. Ich werde in Wien dazu ein kleines Büchlein präsentieren, eine Art Manifest. Seit einem Jahr beschäftige ich mit einem Projekt, das »Mapping The Design World« heißt und bei dem es genau darum geht.

Um »Tools for living«? Ja, das ist ein radikaler Ansatz, der der klassischen Designwelt den Rücken zukehrt. Denn beim Mapping geht es um Social Design und nicht um das klassische Industriedesign. Ich gehe von einem globalen Kontext aus, von Parametern wie zum Beispiel Auswirkungen auf die Umwelt und auf die nächsten Generationen: Das hat im Design normalerweise überhaupt keine Priorität. Ich habe auf Facebook eine Seite initiiert, auf der ich täglich ein Projekt vorstelle. Da geht es nicht mehr um Stühle, Tische und Schränke. Ich fasse den Begriff Design sehr breit, aber für mich ist alles Social Design – ob man das jetzt Critical Design, Eco-Design oder Recycling nennt. Bald werden wir auch mit einer Website starten, damit man die Projekte besser archivieren kann. Im vorigen Oktober habe ich ein Heft anlässlich der Social Design-Biennale in Lüttich herausgegeben, in dem 100 Projekte beschrieben werden. Die meisten Menschen haben lange gebraucht, um überhaupt zu verstehen, was ein klassischer Industriedesigner macht. Ist es für sie nicht schwierig, mit Social Design konfrontiert zu werden, das ja nahezu alles einschließt – von Städteplanung bis zum Recycling-Event? Natürlich gibt es Leute, die glauben, dass es bei Social Design um Menschen mit Behinderungen geht. Aber als ich dieses Magazin in

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Design geht weit darüber hinaus, ein paar hübsche Sachen zu gestalten. Es muss Gesellschaften ändern. Dazu gehört auch eine Skateboardschule in Afghanistan, meint Max Borka (2.v.r.), ein belgischer Design-Querdenker.

Lüttich gemacht habe, das gratis an die Besucher verteilt wurde, haben die Leute das Thema sofort verstanden. Vermittlung ist Ihnen bei allen Ihren Projekten sehr wichtig. Ja, ich habe die Gewohnheit, in den Ausstellungen, die ich kuratiere, herumzulaufen und die Besucher anzusprechen. Design ist ja nicht wie Kunst, sondern braucht ein bisschen Erklärung. Wenn man einen Stuhl auf ein Podest stellt, ist das idiotisch. Da muss man erklären. Und wie würden Sie diesem Taxifahrer Social Design erklären? Ganz einfach, ich würde ihm von »Skateistan« erzählen, einem Projekt, das 2007 in Kabul begann – also an einem Ort, der einem nie einfallen würde, wenn man über Design spricht. Zwei junge Australier, die bei einer NGO arbeiteten, hatten nach Afghanistan ihre Skateboards mitgenommen. Die Kinder dort kannten das nicht und waren total begeistert. Mit dänischem, deutschem, norwegischem und sonstigem Geld gründeten sie schließlich eine Skater-Schule – in Afghanistan! Und das Besondere daran ist: Mehr als die Hälfte der Schüler sind Mädchen. Außerdem besuchen arme Kinder die Schule ebenso wie der Sohn eines Ministers, der es so cool findet. Das war ein Riesenerfolg, heute gibt es bereits weitere Schulen in Kambodscha und in Pakistan. Was hat die klassische Designwelt damit zu tun? Es ist sehr schwierig, die zwei miteinander in Verbindung zu bringen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es sehr viele Projekte gibt, die in Richtung Social Design gehen und die auch von der Industrie unterstützt werden. Denn die großen Unternehmen ahnen zum Teil schon, dass es so nicht weitergehen kann. Und sie fragen sich, wie etwa Mobilität in Zukunft ausschauen könnte. Die klassische Designwelt hingegen ignoriert das und tut so, als ob es das nicht gäbe. Natürlich erinnert unser ganzes Wirtschaftssystem an einen Zug, den man nicht zum Stillstand bringen kann. Aber dennoch muss man es versuchen. Social Design und das klassische Design, das sind derzeit Parallelwelten. Aber es geht nicht um etwas Komplementäres, sondern um etwas komplett Neues. Social Design sollte das klassische Design ersetzen. Und welche Rolle übernimmt dann der gelernte Designer? Ich werde in Wien ein kleines Buch vorstellen, in dem ich 100 Gedanken zusammengestellt habe, das trägt den Titel »100 Images Of Things To Come«. Es handelt sich um eine Art Tactical Manual, mit meinen Visionen. Ich habe entdeckt, dass es unheimlich viele Social Design-Projekte gibt, aber sie nennen sich nicht Design, weil sie aus

einer ganz anderen Welt kommen. Die haben alle sehr viel gemeinsam. Zum Beispiel die Tatsache, dass es nicht um einen Entwurf für den Kunden geht, sondern um etwas für die Community. Die Gemeinschaft ist das wichtigste Material, nicht mehr Holz oder Plastik. Es geht um Menschen. Und der Designer fungiert wie ein Konsulent für das Ganze. Die Gemeinschaft ist es, die schließlich selbst eine Lösung findet. Das erinnert stark an den Designpionier Victor Papanek, der ähnliche Gedanken vor 40 Jahren propagiert hat. Deshalb bin ich so froh, dass ich mein Projekt in Wien machen kann. Denn Papanek ist ja hier geboren. Ich kann zu Papanek eigentlich wenig hinzufügen, seine Visionen und Ideen haben nichts an ihrer Bedeutung verloren. Aber er war zu früh. Denn erst heute gibt es auch die Bedingungen, die Medien und Materialien, die eine gemeinschaftliche Veränderung möglich machen. Ob das nun Internet oder 3D-Druck ist. Früher waren Papaneks Ideen Utopie in dem Sinn, dass sie nicht realisierbar waren. Ein Beispiel: In den 80er Jahren machte sich ein Mann namens Simon Berry Richtung Sambia auf. Dort war er schockiert darüber, dass die medizinische Versorgung nicht funktioniert. Aber überall im Lande konnte man Coca-Cola kaufen. Daher kam er auf die Idee, Medizin in Coca-Cola-Kisten mittransportieren zu lassen. Doch er kam damals nicht über die Idee hinaus. Heute hat er mit Netzwerken und Crowdfunding die Möglichkeit, seine Vision zu verwirklichen. Fehlen den Designern die Visionen? Jeder Designer ist ein Doppelwesen, man kann ihm niemals trauen. Es wird immer die Dichotomie geben zwischen Utopie und Pragmatismus. Das wichtige ist, dass man seine Utopie sehr klar formuliert und sehr hoch ansiedelt. Die meisten Designer, die wachsen, vergessen ihre Utopie. Natürlich gibt es nichts, das zu 100 Prozent eine Utopie verwirklicht. Oft bleibt nur 3 Prozent. Aber bei sehr vielen Dingen gibt es 0,0 Prozent Utopie. Zum Beispiel bei Möbelmessen? Da ist die Utopie 0,0 Prozent. Dann wird ein bisschen Content hineingesteckt und dann sind es 0,1 Prozent. Max Borka stellt bei der Vienna Design Week von 27. September bis 6. Oktober sein Manifest vor und wird jeden Tag eine revolutionäre Zelle namens »Form Follows Foco« betreiben. 043

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Lisa Stadler

der wortwechsel. vier personen zur frage:

derStandard.at

Wird die Grazer Clubkultur abgewürgt?

Graz ist für uns ein schwieriges Pflaster. Wir sind immer wieder gerne dort, haben allerdings aktuell keine regelmäßigen Schreiber, die dort an der Quelle sitzen – Bewerbungen nehmen wir gerne entgegen. Die steirische Hauptstadt kommt bei uns deshalb leider weniger vor, als sie sollte. Anfang Juli strahlten allerdings beunruhigende Nachrichten über die Stadtgrenzen hinaus: Das allseits beliebte Parkhouse musste seine DJ-Line für den gesamten Monat absagen. Grund: Eine fehlende Genehmigung für die Beschallung des Innenraums. (Absurdes Detail am Rande: Draußen vor dem Parkhouse hätten Konzerte stattfinden dürfen.) Hinter der Geschichte steckt ein ganz realer Grund – und ein vermuteter. Im Jahr 2012 gönnte sich die Steiermark ein neues Veranstaltungsgesetz, das ursprünglich auf die Ski-WM in Schladming abzielte. Die Kontroverse darum ist aus der Ferne nicht so leicht zu durchschauen. Die Hauptkritikpunkte waren erstens Sicherheitsanforderungen, die alle Veranstaltungen über einen Kamm scherten und wenig Rücksicht auf Größe, Grad der Kommerzialisierung und Veranstaltungsort nahm. Und zweitens, dass auf einmal jeder Abend mit DJ als eigene Veranstaltung galt, also angemeldet werden musste. Darüber wird immer wieder der Verdacht geäußert, es ginge eigentlich um eine Befriedung des Stadtparks – auch wegen des PfauengartenProjekts, also dem Bau von Luxusimmobilien im Stadtpark. Lärmende junge Leute würden da nur stören. Alkoholverbot in der Innenstadt, neues Veranstaltungsgesetz, die Schließung von Niese und Kombüse – ist die Clubkultur in Graz bedroht? Bleiben am Ende nur noch Springfestival und Elevate als Leuchtturm-Projekte, während das subkulturelle Nachtleben den Rest des Jahres verkümmert? Oder sind das einfach nur ganz normale Konflikte um Sperrstunden und Förderungen, wie es sie in Wien und jeder anderen Großstadt der Welt auch gibt? Wir haben vier Grazer gebeten, die Situation einzuschätzen. Am 23. Oktober wird die Grazer Clubkultur vermutlich noch nicht abgewickelt sein. Da beginnt nämlich das Elevate. Das Festival, das jährlich spannende Acts an die Mur bringt. Heuer unter anderen Jon Hopkins, Daedelus und einen L.i.e.s.-RecordsShowcase. Dorian Concept half beim Kuratieren.

dokumentation Franziska Tschinderle, Stefan Niederwieser text Jonas Vogt

Das Grazer Nachtleben steht unter Druck. Mehrere Clubs haben geschlossen, im Juli eskalierte auch noch der Konflikt um Parkhouse und Stadtpark. Kleinere Veranstalter fühlen sich von der Bürokratie gegängelt. Politik und Clubkultur – wie so oft ein Missverständnis. Jetzt auch in Graz.

»Zwei Seiten, die einander nicht verstehen« — Das alternative Grazer Nachtleben hatte es noch nie leicht. Gegen das alkopopgeschwängerte Tschimmbumm aus dem Studentenviertel anzutreten ist nämlich eine Aufgabe für sich, Grazerinnen und Grazer werden wissen, wovon ich spreche. In letzter Zeit wird aber der Unmut auf Veranstalterseite immer größer: Dem Parkhouse, der Kombüse und so manchem Verein werden anscheinend unnötig große Steine in den Weg gelegt. Schuld soll in vielen Fällen die Politik sein. Das stimmt auch – aber nur zum Teil. Startet man nämlich einen Rundruf durch die Vorzimmer der zuständigen Politiker, wie ich es für einen Artikel über das Parkhouse auf derStandard.at gemacht habe, wissen diese oft gar nicht wirklich, wovon die Rede ist. Auf entlarvende Weise wird nachgefragt, wie noch einmal das Lokal heißt, um das es geht, das Veranstaltungsgesetz kennt man selbst nicht so genau und veranlasst haben das sowieso die Vorgänger. Nun kann man natürlich vermuten, dass das eine durchdachte Strategie der Unwissenheit seitens der Politik ist, in diesem Fall glaube ich das aber nicht. Die Opposition, also jene, die sich für einen belebten Stadtpark und gegen teure Wohnungen in der Innenstadt einsetzen, will wiederum eine große Verschwörung hinter manchen Aktionen sehen. Angriffslustig wird ein »Occupy Stadtpark« gegründet und vermutete Vorwürfe wie etwa eine Verbindung zum Pfauengarten oft für bare Münze genommen. (Was nicht heißt, dass das eines Tages bestätigt werden kann.) Dass das alternative Graz gerade davor steht, noch etwas toter zu werden, liegt hauptsächlich daran, dass hier die Politik die Kulturtreibenden nicht verstehen will und umgekehrt. Wenn jene, die bereichernde Projekte und Lokale unterstützen wollen, eine gute Lobby gründen, die sich der Politik verständlich macht und Nagl und Co. wiederum kapieren, dass ebendiese Projekte mehr bringen als so manches versiffte Beisl, könnte das noch was werden. Denn abgesehen von den etablierten Events wie dem Springfestival oder dem Elevate Festival gilt es hier noch eine Lücke zu füllen.  Lisa Stadler lebte bis 2007 in Graz und ist Social Media-Managerin bei derStandard.at und Teil des DJ / VJ-Kollektivs Etepetete.

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Simon Off

Günter Brodtrager

Mario Eustacchio

IG Kultur Steiermark

Postgarage

Verkehrs-und Sicherheitsstadtrat

»Was die Politik nicht versteht« — Die Zukunft und Unterstützung der Grazer Clubkultur war schon immer im Interesse eines musikinteressierten Publikums. Mit großer Verzögerung nehmen das auch bestimmte Medien über die Stadtgrenze hinaus wahr. Aber auch international gibt es ein sehr positives Feedback zur hiesigen Clublandschaft – meiner Meinung nach beachtlich – da Graz leider viel zu lange der Stempel Provinzstadt anhaftete. Wo die enorme Relevanz einer abwechslungsreichen Subkultur definitiv nicht gesehen wird, ist in der Politik. Die Androhung, bestimmte Orte wie das Forum Stadtpark quasi zuzusperren, die Farce rund ums Parkhouse und die tatsächliche Schließung des Niesenberger oder der Papierfabrik sind ein eindeutiges Indiz dafür, dass hier ein Verständnis der Politik fehlt! Wie immer trifft es die alternativen und unkommerziellen Orte am stärksten. Während größere Club-Ereignisse wie Elevate oder Springfestival mittlerweile von einigen Stadtpolitikern positiv gewertet werden, fehlt das Bewusstsein um die unkommerziellen und kleinen Initiativen, die den Boden für punktuell auftretende Events bilden. Anstatt Rahmenbedingungen im Interesse der Veranstalter, Labels, Musiker und Studios zu schaffen, wird zurzeit eine »Zusperrpolitik« betrieben, die ihresgleichen sucht. Bestehende Gesetze – zeitweise durchaus etwas lockerer gehandhabt – werden beinhart durchgesetzt. Es wird seitens der Politik weder das Gespräch gesucht noch werden einvernehmliche Lösungen angedacht. Mitte der 90er Jahre konnte man als junger Mensch nicht schnell genug aus Graz wegkommen. Wenn die Politik so weitermacht, geht es wieder in diese Richtung und dann ist nicht nur die Grazer Clubkultur ein sinkendes Schiff. Das wird aber definitiv nicht ohne Widerstand der Szene passieren! 

»Kommerzielle Veranstaltungen sind zum Überleben da« — Ganz klar, die Clubkultur in Graz wird abgewürgt. Warum? Einerseits sind die zur Verfügung stehenden Fördermittel für Veranstalter der freien Szene zu gering, sodass sich die Veranstalter die Mieten der Clubs nicht leisten können. Andererseits sind Clubbetreiber oft nicht in der Lage, ihre Räumlichkeiten unter dem Real-Mietpreis zur Verfügung zu stellen und somit den öffentlichen Fördergeber zu ersetzen. Außerdem werden / wurden manche Veranstaltungsorte, die bereit sind / waren, der Subkultur einen Raum zu geben, abgedreht. Wir in der Postgarage versuchen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen kommerziellen Veranstaltungen und solchen der Subkultur anzubieten: Kommerzielle Veranstaltungen sind zum Überleben da, die Subkultur unterstützen wir seit zehn Jahren durch ein umfassendes Service und Mietpreise, die weit unter den tatsächlichen Kosten liegen. Eine Lösung für die Misere wäre eine angemessene Förderung – entweder für die Veranstalter oder die Clubbetreiber. Ansonsten wird Selbstausbeutung bei der (Sub-)Kulturszene – die in Graz reichhaltig ist – weiterhin an der Tagesordnung sein. Unverständlich ist, dass bestimmte Gratis-Festivals von öffentlicher Hand mit horrenden Summen gefördert werden, als würden die dort auftretenden Bands sonst kein Publikum finden. Im Jahr 2003 war, im Gegensatz zu jetzt, so etwas wie Aufbruchsstimmung zu spüren. Vieles hat sich seit damals entwickelt, aber heute habe ich das Gefühl, dass eine von Unsicherheit und Unzufriedenheit geprägte Stimmung vorherrscht. Die Grazer Kunst- und Kulturszene hat großes Potenzial und sollte angemessen gefördert und nicht verhindert werden. 

»Der Stadtpark ist Erholungsort für alle Menschen« — Zunächst muss festgehalten werden, dass Graz sich nicht ausschließlich als Studentenstadt positioniert hat. Graz ist urbaner, kultureller, wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Kumulationspunkt der gesamten Steiermark. Graz ist der Wirtschafts-, Forschungs- und Tourismusstandort im Süd-Osten Österreichs, die Innenstadt sogar Weltkulturerbe – Graz ist also weit mehr als »nur« Studentenstadt. Betreffend der viel zitierten Szene im Grazer Stadtpark und rund um das Parkhouse muss weiters ganz klar festgehalten werden, dass der Stadtpark als Erholungsgebiet der Grazer Stadtbevölkerung geschaffen wurde, und auch als Ruhe- und Grünoase gewidmet ist. Der Stadtpark ist eines der ältesten Gebiete in der Steiermark, das ausdrücklich als »Naturschutzgebiet« ausgewiesen ist und daher sind jedwede Veranstaltungen im Stadtpark auch immer im Einklang mit verschiedensten Rechtsmaterien zu bringen. Der Stadtpark ist also in dem Sinne nicht als alleiniges Refugium der Studenten, einer bestimmten Szene oder einer »Subkultur« anzusehen – der Stadtpark in Graz ist Erholungsort für alle Bevölkerungsschichten und -gruppen! Den Behörden und Ämtern obliegt nun die schwierige Aufgabe, bei allfälligen Veranstaltungen immer einen Interessensausgleich aller Beteiligten zu suchen und zu finden. Verständlicherweise haben Nutzer und Anrainer des Stadtparks oft verschiedene Positionen. Nicht alles kann erlaubt werden, nicht alles soll verboten sein. Um es kurz zu machen: Die Behörde oder gar die Politik hat nicht das Bestreben, eine »Clubkultur abzuwürgen«. Bekommt ein Veranstalter im Stadtpark eine Veranstaltung genehmigt, so sind diese Rahmenbedingungen aber rechtsverbindlich. Werden die ausgehandelten Rahmenbedingen nicht eingehalten, so ist die Behörde sogar verpflichtet, einzuschreiten – schließlich geht es um verschiedenste Auflagen, von zumutbaren Lärmimmissionen bis zu feuerpolizeilichen Bestimmungen, die einzuhalten sind. 

» Die Politik will die Kulturtreibenden nicht verstehen Und umgekehrt.« (Lisa Stadler)

Simon Hafner (aka Simon / off) ist DJ und Vorsitzender der IG Kultur Steiermark.

Günter Brodtrager ist einer der Gründer und Geschäftsführer der Postgarage, einem wichtigen Club in Graz.

Mario Eustacchio (FPÖ) ist Verkehrsund Sicherheitsstadtrat von Graz.

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Eduard Kiefl, 53, Instrumentenbauer

Sein erstes Waldhorn spielte er mit 14. Eduard Kiefl wollte dann schnell wissen, wie »so etwas« gebaut wird und bemühte sich um eine Lehrstelle: »Seit 1976 bin ich fast durchgehend in diesem Beruf tätig.« Als Instrumentenbauer stellt er Blasinstrumente her, repariert sie und checkt sie durch. »Ich mache alles, was so anfällt.« Also Ausrichten, Löten, Schmieden, Drehen, Drücken, Polieren, Schleifen. Was daran reizvoll ist? »Von einer Tafel Blech ein fertiges Instrument zu fertigen, das schöne Klänge produziert.« Dabei sind sowohl Kraft als auch Künste als Feinstmechaniker gefragt. Der Mann, der laut eigenen Angaben keine Angst vor Schmutz hat, blickt allerdings in eine ungewisse Zukunft: Waren zu Beginn seiner Lehre noch satte 100 Unternehmen im Geschäft, sind es mittlerweile nur noch bescheidene 15. Nicht nur der chinesische Markt, auch der Trend hin zu Austausch statt einer Reparatur habe seinem Berufsstand sehr zugesetzt. Dennoch glaubt Kiefl weiterhin an sich und die Qualität seiner Produkte: »Nach jedem Tal kommt ein Berg.«

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bild christoph welkovits dokumentation stefan kluger

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Hermann Hombauer, 53, Trommelcoach

25 Jahre im Bank- und Projektmanagement waren genug. Schließlich hatte sich Hermann Hombauer ein sattes Burn-out eingefangen. »Ich dachte an Frühpension. Eigentlich müsste ich heute rollen statt gehen.« Stattdessen hat er sich innerhalb eines Jahres gesund getrommelt; mittlerweile arbeitet Hombauer als Trommelcoach. Den Leitgedanken seiner Power-Drums versucht er so zu erklären: »Hilf anderen auf ihrem Weg, zufriedener und fröhlicher zu werden, dann hast du selber diesen Weg beschritten.« Der Coach, der daneben auch noch Unternehmensberater und Trainer für Wirtschafts- und Sozialkompetenzen ist, will Mut zum eigenen Handeln vermitteln, dass niemand mit seinen Ängsten und Zweifeln allein sein muss. Herausfordernd sei der Umgang mit Menschen, bei denen er auf Ignoranz oder pure Ablehnung stößt. »Aber ich muss es schließlich nicht allen recht machen.« Kürzlich war er mit seinem Sohn in Moldawien. Dort haben sie kostenlose Workshops für elternlose Kinder veranstaltet. »Das war eine ganz besondere Erfahrung«, so Hombauer.

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Prosa von Kommando Elefant

das heimische pop-duo kommando elefant übt sich am weiten feld der proberaumliteratur. im surrealen exzess wird so ziemlich alles verwurstet, um zwischenzeilige kommentare zur gegenwart abzugeben. brachialhumor, ein wenig spitz, aber noch mehr bübisch.

Rüssel einfach reinstecken amadeus Wir hingen im Proberaum herum. R. feierte in seiner sabbernden Demenz ein großes Halligalli mit greisen balalaikanischen Nutten in seiner Sauerstoffzeltstadt, da hätte es – vor lauter Orgie – Tut-ench-Amun aus den Sandalen gehoben. L. baute rund um seinen dauerinkontinenten Liebes-Apparillo eine Playmobil-Burg, welche ein kleiner Chinese achtlos auf den Gehsteig vor unserem Proberaum geworfen hatte. S. bemerkte für wenige Minuten seine Alkoholsucht und stieg kurzfristig auf Leichtbier um, welches er jedoch nach wenigen Schlucken an die Wand schleuderte, um wieder beim Schnaps weiterzumachen. »Never change a winning team«, meinte S., während er sich in trostloser Heiterkeit einen Amaretto, einen Wodka-Cranberry sowie einen Old Famous Grouse Whiskey innerhalb von 20 Sekunden die Speiseröhre, welche bei S. nur noch als Trinkröhre fungierte, hinunterballerte. A. versuchte sich derweil an lyrischer Gedichtarbeit in griechischen Hexametern und übersetzte dabei gleichzeitig ein altes tschetschenisches Märchenbuch. Die Zwillinge Wurst spielten launisch mit ihren Exkrementen und pinselten Porträts von Blutwurstsalaten an die Wände. Hin und wieder gingen wir auch in den schlapp wie ein amerikanisches Fast-Food-Lokal teppichgleich am Boden gefläzten HC Strache Paintball spielen.

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Das Hineingehen in HC Strache ist kein Vergnügen. Die Paintballhalle in ihm ist aber an und für sich korrekt und entspricht den herkömmlichen Paintballhallenstandards. So weit nichts Neues aus dem Proberaum. Die Katze, welche wir »Die Zeit« genannt hatten, erfreute sich noch immer einer großen Lebendigkeit, obwohl wir sie schon so oft totgeschlagen hatten. Aber diese Katze hatte offensichtlich neun Milliarden Leben. Auf einmal klingelte der seltsame Knochenapparat, den L. wie einen Fetisch aus archaischen Zeiten um seinen Hals gekittet hatte – ja, nicht gelegt, nicht gewickelt, nicht geschwungen, nein, er hatte diesen Knochenapparat um seinen Hals gekittet. Mit Kitt. Dem Auto von David Hasselhoff. L. nahm den Knochenapparat und begann diesen an sein winzig kleines, degeneriertes Ohr, welches die Form eines albinotischen Mäusezahns hatte (also die Form eines Mäusezahns, den eine Albino-Maus hat …), zu legen. Die Freude war riesig. Es war Bortschi, unser Manager aus Deutschland, aus Chemnitz, um genau zu sein. »Hey Jungens« – er schrie wie eine abgeschlachtete Sau in tief-sächsischem Dialekt ins Telefon, »ich habe großartige Neuigkeiten! Jungens, wir könnten einen Preis bekommen! Wir sind für so einen Preis nominiert! Amadeus oder so nennt sich dieser. Ein futzikleiner Preis, ich weiß, aber damit können wir dann super Werbung machen. Das taugt dann allen

und dann spielen wir endlich fett in den Hallen, also in den fetten Hallen. Jungens …« Bortschi hatte offenbar Sprachdurchfall. Er redete und redete, erzählte uns von diesem Preis, über die Zeiten, als er, noch unter Honecker, ein hohes Tier der Stasi war, bis zu seinem letzten Trip zu seinen heißgeliebten Ladyboys nach Bangkok – eigentlich erzählte er alles, was man so erzählen kann. Der Preis, meinte er, ist wirklich sehr klein. Im Vergleich zum großen deutschen Echo ist der Amadeus wie die Bakterie (übrigens eine unserer treuesten Fans) zu diesem 800 km hohen Gebäude da in Dubai oder Abu Dhabi, oder was weiß ich, mir fällt der Name jetzt nicht ein und recherchieren freut mich auch nicht. Aber ich denke Sie wissen, was gemeint ist. Der Status dieses Preises geht in den Minus-Bereich. »Der Preis ist scheiß« war ein beliebter Spruch, wenn wir im Proberaum wieder einmal darüber diskutiert haben, warum eigentlich alle anderen Bands diesen Preis bereits bekommen hatten, nur wir nicht. Jetzt war es bisher so, dass wir gesagt haben, wir wären zu cool für diesen Preis. Wir brauchen so etwas nicht. Es geht doch um die wahre Elektro-Musik und nicht um irgendein Bumm-bumm. Und jetzt, wo wir nominiert waren, freuten wir uns den sprichwörtlichen Haxen aus – auf den sich die Zwillinge Wurst sofort stürzten, um ihn in ihr Proberaumeck zu verschleppen und dann genüsslich an ihm zu knabbern.

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Ad Personam

Seit Herbst 2007 machen Alf Peherstorfer und Bernhard Luis Pasching als Kommando Elefant Musik. Man kriegt vom Duo vor allem intelligente deutschsprachige Texte über Ausgehen, Leben, Liebe und wunderschöne Albumtitel wie: »Kommt, wir hauen Granaten rein. Das kleine bisschen Leben« oder »Scheitern als Show«. Nun entführen sie in »Das große ElefantenLesebuch« (Milena Verlag) in ihre Welt, in der Zeichnungen, Tourblogeinträge oder absurde Kochrezepte gleichberechtigt nebeneinander stehen. Clownerie trifft Philosophie und am Horizont winken Edward Lear, Helge Schneider und was man sonst halt noch so komisch finden mag am Gaga-Pfad der Erkenntnis. Manfred Gram

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»Wenn wir nominiert sind, dann könnten wir doch auch einmal in die Zeitung kommen? Dann könnten vielleicht endlich einmal ein paar Leute mehr von unserer Existenz erfahren!« Wir schwelgten kollektiv im Rauschzustand. Die Wahrheitswerdung eines Traums zeichnete sich wie die aufgehende Sonne am Horizont des Tals der Tränen ab. S. kippte sich vor lauter Freude weitere Kannen Schnaps in den Rachen, wie ein steter Sturzbach gluckerte der Schnaps in ihn hinein. R. hatte in seiner sabbernden Demenz die Tragweite der Nachricht leider nicht verstanden und feierte fröhlich mit seinen balalaikanischen Nutten weiter. Der Tag X war gekommen. Wir sprangen in unseren besten Zwirn. L. hängte sich Fischdosen (Hering in Senf-Ei-Sauce sowie in süß-saurer Ananassauce) um seinen vollkommen tätowierten Körper und setzte sich zwei Schneehühner auf die Füße sowie ein Modell des San Siro-Stadions auf den Kopf. A. gewandete sich in einen weißen Anzug aus feinster chinesischer Seide und trug dazu einen millionenschweren Zylinderhut sowie seine gesammelte Sammlung an internationalen Abzeichen der Freiwilligen Feuerwehr. Die Zwillinge Wurst bestanden darauf nackt zu gehen. S. und R. kamen aufgrund diverser persönlicher Befindlichkeitsproblematiken nicht mit. Da wir natürlich sehr nervös waren, gingen wir zuvor noch auf ein paar Mutbier in das Absturzlokal unseres Vertrauens. Aus den geplanten fünf Mutbier wurden 15, dazu kamen noch etliche Kanister Schnaps und andere Substanzen aus dem Drogenmilieu, welche teilweise noch gar nicht amtlich bekannt sind. Es breitete sich eine Fröhlichkeit aus, ähnlich muss es sein, wenn sich die Osterhasen nach getaner Arbeit am Ostersonntag einen reinbrennen oder die Mainzelmännchen sich in ausgelassener Heiterkeit mit Marihuana vollpumpen. Die Zwillinge Wurst schmierten in ihrer Nacktheit Exkremente an die Wände und versuchten sich in einer Eigenblutwursttherapie. A. und L. baggerten derweil alles an, was nicht bei Drei auf den Bäumen war, wie man so schön sagt. Es war ein illustrer Abend, bis L. bemerkte, dass wir eigentlich zu dieser Preisverleihung sollten, außerdem schrie sein Magen schon Hunger-Arien in seinen Darm hinüber. Die Preisverleihung fand in einer unterirdischen Kaschemme statt, von der wir zuvor noch nie gehört hatten: »Zum gefickten Truthahn«. Es wurde gemunkelt, dass das Buffet ganz ok sein soll, und ein okayes Buffet für eine Musik-Veranstaltung war schon einmal herausragend – wie ein gratis Springbrunnenverleih in Somalia. Wir krachten also voll Rock’n’Roll und mit den größten Erwartungen in den »Gefickten Truthahn« hinein. Wir kannten kein Schwein. Es waren auch nicht allzu viele Menschen anwesend. Einige robbten vor dem Büffet am Boden und schleckten die Reste einer spärlichen Amsel auf. Einige nuckelten gemeinsam am letzten Bierglas. Was für ein Glück, dass wir schon mächtig vorgeglüht hatten! A. kotzte gleich einem wichtigen Manager eines Major-Labels, dessen Nase

so groß war, dass er unter der Dusche eine Zigarre rauchen konnte, auf die Schuhe. Dieser fand das gar nicht so erfrischend und gar nicht so Rock’n’Roll. Schade eigentlich. Irgendwie waren wir die Einzigen, die halbwegs einen auf Helmut Berger machten, vor allem da sich A. im Laufe des Abends noch seinen weißen Anzug bis ins Genick vollschiss. L. begann aufgrund seiner permanenten Inkontinenz die Wände anzupissen, frei nach dem Spruch: »Mann, piss die Wand an«, während die Zwillinge Wurst auch hier Flächen fanden, welche sie mit ihren Exkrementen verschönern konnten. Als eine der wenigen Personen, die wir kannten, erspähten wir Andreas Gabalier und waren heilfroh. Der Volks-Rock’n’Roller, wie er sich nannte, musste doch etwas Rock’n’Roll im Blut haben! Aber leider nein, weit gefehlt, er saß mit einer älteren Dame an einem Tisch, und beide strickten eine Zigarettenfabrik. Immerhin – eine Zigarettenfabrik, sie hätten auch eine Spaghettiausrüstung für Warmduscher oder einen Mondkalender mit sinnigen Bauernsprüchen stricken können. Immerhin eine Zigarettenfabrik. Da schimmerte der letzte Hauch des Volks-Rock’n’Roll durch. Wir rannten zu ihm hin und riefen winkend schon von Weitem: »Andreas, Andreas, juhu!! Gabsi! Juhu, Juhu!« Doch er reagierte nicht. Er war vollkommen in sein Strickwerk versunken, wie die Titanic oder die Costa Concordia. Er hatte sich in Trance gestrickt. Da konnte man nichts machen. Wir zogen weiter. Ein paar Tische später entdeckten wir die Kastelruther Spatzen, die mit ihren Nasen gerade das schneebedeckte Modell des Tisch-Himalaya erforschten und dabei mit Luftdruckpistolen auf Nacktschnecken ballerten. Jetzt könnte man hier tausende Namen droppen und Geschichten erzählen, nur: Es gab sonst niemanden mehr. Ein einsamer Rainer Pariasek spielte den Schatten seiner selbst. Andreas Gabalier häkelte mittlerweile eine Atomwaffenfabrik, die Kastelruther Spatzen schossen völlig eingekokst auf Nacktschnecken, die Zwillinge Wurst bemalten den unbekannten Moderator des Abends mit Blutwurstsalat-Porträts, A. schiss sich in Helmut-Berger-Manier seinen weißen Anzug voll und L. ließ seiner Inkontinenz wieder einmal völlig freien Lauf. Das war die Verleihung des Amadeus Award, des größten österreichischen Musikpreises. Ob wir diesen eigentlich gewonnen hatten, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Wir nahmen aber alle Amadeus-Statuen, die so teilnahmslos rumlungerten, mit. Diese stehen jetzt in unserem Proberaum als Aschenbecher, Champagnergläser – oder auch völlig sinnlos – herum. Ein paar der Statuen haben wir in HC Strache deponiert. Ja, so war das. Und so kuschelten wir uns wieder in den Proberaum. »Die Zeit« – unsere Katze – war auch noch da. Und es war wieder an der Zeit, sie ein wenig totzuschlagen.

Die Buchpräsentation ist am 2. Oktober um 20 Uhr im Wiener Rhiz.

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Kolumne Blow-up: Film in Österreich von Gunnar Landsgesell

Ein Mords-SpaSS   Komödien und Monster diversifizieren die heimische Filmlandschaft. Die Box-Office-Regler sind hochgefahren.

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nfang der 1990er Jahre schlug ein österreichischer Filmproduzent, heute sehr erfolgreich unterwegs, vor, man solle eine staatliche Kinokette gründen: mit dem Auftrag, österreichische Filme abzuspielen. Eine andere Möglichkeit wäre, eine Quotenregelung für ausländische, vor allem US-amerikanische Filme, einzuführen. Die Ideen klingen heute nach obskurem Dirigismus und ein bisschen Verzweiflung. Immerhin liefen in diesem Jahr der Komödienhit »Muttertag« mit Düringer und Dorfer an, »Benny’s Video« von einem gewissen Michael Haneke, der damals freilich noch nicht so groß war, und die Doku »Running Wild«, die sich unter Jugendbanden im Migrationsmilieu mischte. Gedreht hatte sie der damalige Aufreger und heute fast vergessene Egon Humer, ein umstrittener Dokumentarist, dessen Arbeiten so polarisierten so wie später jene von Ulrich Seidl. Forderungen wie jene nach Staatskinos (hätte man diese auch freiwillig besuchen dürfen?) weisen aber tatsächlich auf ein Dilemma hin, auf eine Schere zwischen Filmförderung und Markt. Die Filmfonds als Geldgeber schreiben ja weder Stoffe noch deren ästhetische Umsetzung vor. Während Kinos und Verleihe gewinnorientiert agieren, besteht der Spagat der Förderer darin, die Stimmigkeit künstlerischer

und wirtschaftlicher Kriterien für jeden Produktionsantrag neu zu prüfen. Kunst und Ökonomie wollen erstmal in einen Hut gebracht werden. Und jeder Film, sei er noch so arty, sollte natürlich auch sein definiertes Zielpublikum finden (und idealerweise, aber im kleinen Österreich sehr unwahrscheinlich, auch noch ein bisschen Fördermittel zurückzahlen).

Attack Of The Lederhosenzombies 20 Jahre später gibt es zwar immer noch keine Quote für »Batman«, »Pain & Gain« oder »Kick-Ass 2«. Aber der langjährige Ruf nach quotenträchtigen österreichischen Produktionen, der kurioserweise ja auch von Produzenten selbst kam (sie sind es, die Filmprojekte einreichen), scheint zur Zeit von allen Beteiligten ernsthaft geprüft zu werden. Da treten AustroKomödien serienweise zum Elchtest an: Nach den Starts der Romantic Comedy »Zweisitzrakete« und der Proletarierkomödie »Die Werkstürmer« nach britischem Vorbild ist derzeit einiges in Arbeit: »Bad Fucking« von Altmeister Harald Sicheritz verbreitet die Versprechung von Trash in der Provinz; in »Die Mamba« verulkt Michael Niavarani Topterroristen wie den Schakal; mit »Die Gespensterjäger – Auf eisiger Spur« wird auf Basis der Erfolgsbücher von Cornelia Funke eine Kinderkomödie teilanimiert; die verquer klingende Produktion »Im Schatten des Spiegels« verspricht eine romantische Vampirkomödie mit freudschen Anklängen und »Attack Of The Lederhosenzombies« versöhnt Monster mit Humor, ein »Mords-Spaß« soll das laut den Machern werden. Jeder weiß,

dass der Versuch, Publikum über Komödie zu erreichen, der schwierigste aller breitenwirksamen Versuche ist. Letztes Jahr fand sich keine Komödie unter den Top-Ten heimischer Kinoproduktionen. Gegen den amerikanischen Kraken werden also auch noch selbstgebaute Monster ins Rennen geschickt. In »Blutgletscher« weinen nicht nur Berge, sie lassen die Alpenfauna zudem monströs und lethal auftreten. Im äußerst vielversprechenden ersten österreichischen Alpenwestern »Das finstere Tal« (Regie: Andreas Prochaska) und im nächsten Brenner-Krimi »Das ewige Leben« wird dann einfach auch so gemordet. Fördertechnisch lässt sich diese neue Welle (zu der auch »In 3 Tagen bist du tot« zählt) publikumswirksamer Filme als Diversifikation der Filmlandschaft verstehen. In ihr soll sich der Wunsch einlösen, Publikum ganz ohne Quote zu erreichen. Unter den acht österreichischen Produktionen, die am heimischen Box Office jemals mehr als 200.000 Besucher erreicht haben, finden sich vier Komödien, drei (Brenner-)Krimis und der Solitär Erwin Wagenhofer. Mal sehen, was die Welle bringt.

Gunnar Landsgesell landsgesell@thegap.at

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HIMMER, BUCHHEIM & PARTNER

DER STANDARD sucht die VIENNALE-Publikumsjury. Haben Sie das Zeug zum Filmkritiker, wollen Sie bei der Viennale den STANDARD-Publikumspreis vergeben, und haben Sie 12 Tage Zeit, mindestens 20 Filme zu sehen, die noch keinen Verleih in Österreich haben? Dann bewerben Sie sich bis 30. September 2013 mit einem Motivationsschreiben an publikumsjury@derStandard.at. Mehr Information gibt es unter derStandard.at/Viennale.

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Die Zeitung für Leser

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AB HIER: REZENS ONEN

Anna Calvi One Breath (Domino)

Wüste Gitarren, in Streicherbetten ersoffen Anna Calvi lädt zum Totentanz: Dystopisch-operettenhaft, schwelgend und von Pathos triefend und vor allem: Immer nahe dran an den Idolen Cave, Smith, Callas et al. Ein Album zum Ersaufen, voll zuversichtlichem Kummer. Es muss ein gewiefter PR-Wizard gewesen sein, der Anna Calvis Musik mit David Lynch in Verbindung gebracht hat. In Kaskaden zieht sich diese Analogie durch sämtliche Rezensionen mäßig inspirierter Musikjournalisten. Das wird wohl beim Neuling »One Breath« vorerst so bleiben, zu gut funktioniert der Vergleich: Dystopie, Ekstase und Verträumtheit sind Komponenten, die sowohl bei Lynch als auch bei Calvi mit Liebe zum Detail inszeniert werden. Anna Calvi ist ganz dick mit einigen Grandaddys zeitgenössischer Rockmusik: Entdeckt wurde sie von Brian Eno, Nick Caves Grinderman hat sie gemeinsam mit ihrer Miniband supportet (neben Calvi an der Fender Telecaster nur zwei weitere Musiker). Der Prince of Darkness wird sich wohl beim Hören von Anna Calvis teuflischer erster Single »Jezebel« einen Haxen ausgefreut haben. Als ob das für die Street Credibility noch nicht ausreichen würde, war Frau Calvi außerdem für den renommierten Mercury Music Prize nominiert. »One Breath« schließt nahtlos an, wo der selbstbetitelte Erstling aufgehört hat: Krude Rockmusik, getragen von einer Fender Telecaster, der sich nachdrücklich eine subtile Schlafzimmerstimme einpflanzt. Hin und wieder bricht sie ins Arienhafte aus – die stimmgewaltige Maria Callas ist eines ihrer Idole. Weitere Referenzwerte für ihr sattes Flüsterstimmchen sind sowohl die Schweizer Diplomatentochter Sophie Hunger als auch Katie Melua. Nur dass sich Anna Calvi nicht auf so ausgelatschten Pop-Trampelpfaden bewegt. Denn zwischendurch furzen Bass oder Gitarre in das Klangbett. So, als würden Death From Above 1979 im Nebenraum proben. Gleich darauf werden die wüsten Gitarren aber auch schon wieder von Streicherbetten zugedeckt. Wie eine schwache Wut, die immer wieder ausbrechen kann, aber von einem kultivierten Herzen gebändigt wird. Anna Calvi wandelt sicher an diesem Abgrund entlang. Mit »One Breath« ist ihr ein starker Nachfolger gelungen. 08/10 Martin Riedl 055

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Sky Larkin Motto (Wichita / Rough Trade)

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Ebony Bones Behold, A Pale Horse (1984)

Schwere Herzen schmerzen

Big und artsy

Zwölf schwarzbunte Lieder über die Präsenz nach dem Verlust, die innerhalb eines Atemzugs von tiefer Traurigkeit in manische Euphorie wechseln können.

Über die Kluft zwischen Avantgarde und Pop ist bloß ein dünnes Seil gespannt. Die Londonerin Ebony Bones tänzelt mal lässig, mal übermütig darüber.

Das dritte Album der britischen Indie-Kapelle Sky Larkin schickt sich an, gehört zu werden. Eine 20 Monate lange Tour durch 28 Länder – mit Gruppen wie Les Savy Fav, Best Coast oder den Cloud Nothings – hat offensichtlich Spuren beim Quartett aus Yorkshire hinterlassen. Denn mit »Motto« scheint die Band nun ihren eigenen Sound gefunden zu haben. Aufgenommen mit Girls-Produzenten John Goodmanson in Seattle, klingt »Motto« wie ein eigenwilliger und temperamentvoller Hybrid aus Alt und Neu. Die Musik will kein Schauspiel sein, ist aber stets dramaturgischer Akt. Sky Larkin spielen 45er-Singles am Wurlitzer der Erinnerung – was gut schiefgehen könnte, wäre da nicht die Stimme der Sängerin und Songschreiberin Katie Harkin. Ihr ist es zu verdanken, dass Tracks wie die grandiose Shoegaze-Single »Loom«, das im Feedback-Zuckerbäckerstil gehaltene »Treasury« oder die an Patti Smith erinnernde New WavePunk-Elegie »Frozen Summer« einen ganz eigenen, kontemporären Stil erhalten. Die Geschichten, die Harkin uns erzählt, wurden schon oft erzählt: Es geht um »the presence after loss«, um Liebe, Lust und Leiden, Vergänglichkeit und Endlichkeit. Der bipolare Fluss der Lieder wird dabei maßgeblich von ihrer Stimme geführt, die sich innerhalb eines Atemzugs von tiefer Traurigkeit in manische Euphorie wandelt. Das macht »Motto« zu einem unglaublich lebendigen Stück Musik. Zwar sind die musikalischen Vorlagen der Band – My Bloody Valentine, The Cure, Cocteau Twins und Siouxie & The Banshees – im Bauplan jedes Songs enthalten; im Unterschied zur bloßen Reminiszenz wirken sie aber so lebendig, dass man sie am liebsten zu kollektiven Aussagen erheben möchte – wohlwissend, das jede dieser Geschichten ihr Ende im Nichts findet. Nein, hier ist am Ende kein »light that never goes out«. Es ist der Sound, der tönt, wenn schwere Herzen schmerzen.

Oder sie schlägt ein paar Saltos und hat dabei in Richtung Avantgarde das indische Symphony Orchestra im Schlepptau, während auf dem Rückweg in Richtung Pop der ganze Londoner Kinderchor nachschwänzelt. Es wuselt jedenfalls arg auf »Behold, A Pale Horse«, dem zweiten Album der Londoner Ausnahmemusikerin. Während sich das vielbeachtete Debüt »Bone Of My Bones« noch hauptsächlich im humoristischen Disco-Ambiente abspielte, kann mittlerweile wirklich beinahe jedes beliebige Genre argumentiert werden. Von Post-Punk über Weltmusik bis zu Soul und ja, eh wieder jeder Menge Disco. Und alles halt voll big und artsy. Das wird auch gleich beim Titeltrack zu Anfang des Albums deutlich, Chorgesang in M.I.A.-Manier, der sich dann nach kurzer Zeit in orchestrale Großartigkeit aus Streichern und Percussion und zugleich im nächsten Song »I See I Say« auflöst. Die Kombination aus abgehackten Drum’n’Bass-Fetzen, gepaart mit sich abwechselnden Sopranund Kinderstimmen schafft ein Drama sondergleichen. Während bei anderen Künstlern ein solch pompöses Werk aus Orchester und Oper wahrscheinlich zumeist als eine Art krönender Abschluss eingesetzt wird, stellt es bei Ebony Bones quasi nur die Einleitung dar. Das ist erst der Anfang ihrer meisterlichen Exzentrik, warnt es. Das The Smiths-Cover »What Difference Does It Make«, in dem die Sängerin vom Mikrofon wegtritt und den New London Children’s Choir walten lässt, zum Staunen ein. Wahrscheinlich ist es eines der aufregendsten Smiths-Cover aller Zeiten. Auf diesem Album treffen sich fantastische Schrulligkeit mit Afrobeats und flächigen SynthieSounds, es werden sentimental-melancholische Sphären aus Piano und Vocals ausgebreitet oder ein Horrortrip in einer heimgesuchten Disco veranstaltet, der in eine nostalgische, »Thriller«-ähnliche Trance versetzt. »Behold, A Pale Horse« ist so wunderschön exzentrisch und facettenreich wie die Künstlerin Ebony Bones selbst. Und echt voll big und artsy. 08/10 Nicole Schöndorfer

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Kwes Ilp. (Warp)

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Okkervil River The Silver Gymnasium (Ato / Pias)

Pop’s Not Dead

Unblöde Feel-Good-Musik

Meisterlich. Es gibt Alben, denen hört man ihre Klasse schon in den ersten Sekunden an. Das ist frustrierend – für alle anderen.

Sehr unterhaltsames und zugängliches siebtes Album der US-Band um Songwriter und Sänger Will Sheff: Autoren-Americana that rocks.

Wie Kwes, ein 26-jähriger Londoner, mühelos Tonlagen und Stimmungen wechselt und Songs zwischen Pop und Avantgarde schreibt, ist atemberaubend. Blöderweise gehört es zum Popbusiness, dass man einer einzigartigen Erscheinung wie ihm das große Rampenlicht nicht so richtig zutraut. Er wirkt zu schüchtern, zu schlau, zu abseitig. Noch dazu sind die meisten seiner Songs fordernd, sie wollen gehört werden, nicht nebenbei, beim Browsen durch die Timelines oder unter der Dusche. Man wird ihnen sonst nicht gerecht. Schon der erste Song auf dem Album, »Purplehands«, bewegt sich wie im Krebsgang einmal quer durch das bekannte tonale Universum. Es könnte R’n’B sein, könnte Pop sein, könnte Soul sein, lässt sich von solchen Begriffen aber nur grob einkreisen. Klar aber, dass es fast immer um Liebe geht. Kwes bewegt sich sonst abseits der Konventionen. Er hat sich in seinem zweijährigen Philosophiestudium mit Arthur Schopenhauer beschäftigt, hört gern Joni Mitchell, Scott Walker und Robert Wyatt, also nicht gerade Pop der einfach gestrickten Sorte. Selbst hat er mit ein paar Großen wie Damon Albarn, Kanye West oder The XX Musik gemacht, meistens als Produzent. Er hat dabei lange nur zugehört, hat das Zuhören gelernt, den anderen, aber auch sich selbst. Auf »Ilp.« fehlt dieses Gegengewicht. Das Album ist im Studio entstanden, nicht auf der Gitarre oder am Klavier – diese Stunden, Tage und Wochen hört man den Songs an. Feilen, horchen, nachjustieren, Abstand nehmen, neu horchen, verändern, wiederholen. Manche verlieren dabei den Blick auf den Song. Er nicht. Er mag kurze Echos und Filterkurven. Beide setzt er sehr gekonnt ein, um seine Stimme zu verfremden und den Fluss der Songs zu kontrollieren, sie zu verdichten, sie wegducken oder aufgehen zu lassen. Dabei hatte er sich nach seiner ersten, beeindruckenden EP eine Schreibblockade eingetreten als cirka Dreiviertel des Albums fertig waren. Die ist jetzt vorüber. Bei Jimmy Fallon war er schon, weitere Auftritte dürfen kommen. Irgendwo muss man ja immer wieder neu anfangen, im Rampenlicht Pop-Konventionen zu brechen. 08/10 Stefan Niederwieser

Vor langer Zeit eroberte diese Band mit dem Album »Don’t Fall In Love With Everyone You See« – keine schlechte Lebensweisheit – das Herz ihrer Fans der ersten Stunde. Die über sechs Minuten von »Listening To Otis Redding At Home During Christmas« lieferten eine Erschütterung, die Musikverrückten im Moment des Hörens die absolute Gewissheit gibt, etwas Besonderes zu hören und die sichere Ahnung nähren, dass da wahrscheinlich noch sehr viel mehr Gutes kommt. Das war, bevor Bands massenhaft frenetisch in die Saiten schlugen und dauernd »Hey!« riefen. BandChef Sheff und Okkervil River spielten ihr erstes Wiener Konzert in einem nicht mehr existierenden Gürtel-Lokal vor knapp zwei Dutzend Anwesenden, aber Musik, verdammt gute Musik kam haufenweise von ihnen. Vom Geniestreich, aus Tim Hardins »Black Sheep Boy« ein ganzes Album zu machen über die Ehre, als Roky Ericksons BackingBand zu fungieren, bis zu ausgezeichneten Alben wie zuletzt »I Am Very Far« (2011). Nicht länger auf Stammlabel Jagjaguwar reiht sich »The Silver Gymnasium« in diese Errungenschaften ein. Sheff stellt seine prägnante Stimme und Songwriting-Kunst in den Dienst eines »autobiografischen« Albums, das seiner Kindheit als Lehrerkind nachspürt (»our parents were freaking / but it was our season«), er wollte ein Album schreiben, in dem es darum geht, den Leuten die Hand zu reichen und ihnen eine gute Zeit zu geben. Vom Opener »It Was My Season« bis zu »Black Nemo« als elften Song ist diese Übung mit Produzent John Agnello hervorragend gelungen. Manchmal etwas zu opulent (Tasten, Pedal-Steel, Bläser und diese Stimme …) aber überwiegend ist das eine wunderbare, unblöde Feel-Good-Musik, in der eine unbezwingbare Melancholie wohnt: So wie Sheffs Erinnerungen nie wieder lebendig werden, beschreibt er ein USA, das es so nie mehr geben wird. Also: »Stay Young«, wie auch einer der besten Songs hier heißt. 07/10 Rainer Krispel

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R ez

Chvrches The Bones Of What You Believe (Universal)

m u si k

Haim Days Are Gone (Universal)

O, Mother

Nur schmusen

Pop muss nichts mehr. Chvrches machen ein Album ohne Überraschungen, direkt in der obersten Liga von süßem, wuchtigem Electropop.

Haim haben Angst vor der eigenen Courage. Ihr tanzbares Debüt pendelt schön zwischen Folk-Rock, Soul und R’n’B, wagt aber letztlich zu wenig.

»Meine Eltern haben mich hierher geschickt, sie haben gesagt, ich soll mein Gemüse essen und Chvrches hören.« Top-Youtube-Kommentare wie dieser sind eine echte Gefahr für den Musikjournalismus. Warum Infos über eine Band recherchieren, wenn die User ohnehin schlauer und witziger sind? Wenn sie in einer einzigen Zeile die Großartigkeit und das Problem mit dieser Band zusammenfassen? Und auf Facebook, Twitter und in ihren Videos ist die Band ohnehin greifbarer. Versuchen wir es eben mit ein paar Ideen zu Chvrches: Pop ist heute an einem eigentümlichen Punkt angekommen. Pop muss nicht mehr neu sein. Pop muss auch gar nicht präzise sein, Geschichten andeuten reicht, deine Schuld, unsere Liebe, du brauchst mich nicht, man kennt das, man will das. Pop selbst muss nichts wollen, außer diesen Moment. Und Pop kann natürlich immer noch die Welt retten, meistens die eigene, nicht die da draußen. Bei Chvrches ist es eine bunte Gegenwelt voller glitzernder Synths, feuchter Augen und blutender Herzen. Es ist so simpel. Kein doppelter Boden, keine Gewalt, kein Hintergedanken. M83, MGMT, die frühen, oder Naked And Famous – Chvrches spielen da mit, ganz ohne Probleme, nur ohne dieses Gefühl, wir gehen da jetzt raus, tun etwas Magisches. Chvrches sind finsterer, erstaunlicherweise. Auf ihrem Debüt umhüllen sie Drama mit bläulicher Zuckerwatte. Chvrches sind übrigens ein Trio, wie man am Foto sehen kann. Einer von ihnen hat eine Kappe auf, die sagt, ich kenne mich auch mit anderen Beats aus. Einer hat niederschmetternden, krachenden, schottischen Pathos studiert. Und sie, Lauren Mayberry, hat vier Jahre Jus und einen Master in Journalismus am Kerbholz. Sie ist zu höflich, um dir das Schlüsselbein zu brechen, wenn du ihr sagst, sie wäre doch so irre süß, aber sie könnte es. Man möchte ihren Lidschatten haben, oder Abzüge ihrer Vampirfilmhauptdarstellerinnenlippen. Zu dritt definieren Chvrches Pop neu, weil er eben nichts mehr muss, außer einfach individuell funktionieren. Oder wie das ml0617 auf Youtube treffender sagt: »Ich habe Koks geschnupft mit Princess Bubblegum, als Chvrches lief.« 07/10 Stefan Niederwieser

Vorschusslorbeeren sind bekanntlich ein zweischneidiges Schwert. Viele Musiker sind schon an den Erwartungen zerschellt. Über zu wenig Lob konnten sich die Schwestern Danielle, Alana und Este Haim aus Los Angeles wirklich nicht beschweren. Platz 1 im Sound of 2013 der BBC, Verehrung in der Blogosphäre, Touren im Vorprogramm von Rihanna. Und das war ja alles keineswegs unberechtigt: »Forever«, »Don't Save Me« oder »The Wire« waren großartige Songs und sind es immer noch. Und bitte nicht falsch verstehen: »Days Are Gone« ist kein schlechtes Album. Eigentlich sogar ein ziemlich Gutes. Sicher, die Highlights kennt man schon. Aber wer würde Haim daraus einen Vorwurf machen wollen? Nein, die Schwestern müssen sich einen anderen Vorwurf gefallen lassen: Den der mangelnden Courage. Denn das Debütalbum ist in voller Länge leider braver geworden, als es sein müsste. Nicht so süßlich wie Chvrches, aber insgesamt fast schon zu eingängig: Die Songs wandern sofort ins Blut respektive den Hintern, scheuen weder Pop noch Handclap, noch große Geste (»Let Me Go«). Sie pendeln zwischen Folk-Rock, Soul, R’n’B, atmen viel Vintage-Luft. Haim haben ein fast altmodisches Album gemacht, auf dem sie oft an Fleetwood Mac (»Running If You Call My Name«), gelegentlich an Prince (»If I Could Change Your Mind«), manchmal sogar an TLC (»My Song 5«) erinnern. Tanzen lässt sich dazu wunderbar – lange, ausgelassen und ohne schlechtes Gewissen. Allerdings alleine. Denn letztlich bleibt der Sound relativ unschuldig und wagt zu wenig. Haim greifen auf die Herdplatte, stellen sie aber vorsorglich nur auf Stufe fünf. Das Risiko auf »Days Are Gone« bleibt überschaubar. Die Platte ist wie eine wilde Schmuserei, bei der jeder dann doch um halb fünf alleine im Bett landet. Das ist super, macht Spaß und ist völlig in Ordnung. Für 45 Minuten oder den Sound dieses Jahres ist es aber ein wenig dünn. Mit diesem Album bleiben Haim erstmal eine SingleBand, wie es der Kollege Niederwieser ausdrückt. Vielleicht meinte er auch Singles-Band. Genießen darf man das Ganze aber durchaus. »Nur schmusen« ist ja gelegentlich auch voll ok. 06/10 Jonas Vogt

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Velojet Panorama (Schönwetter)

m u si k

Earl Sweatshirt Doris (Tan Cressida / Columbia)

Dem Herzen folgen

Dreckspsyche

Nicht einmal zehn Jahre stehen Velojet nun zusammen auf der Bühne und gelten fast schon als Indie-Veteranen. Zum Glück und zu recht.

Der junge Wolf kehrt mit seinem zweiten Album ins Odd Future-Rudel zurück und bringt aus der Verbannung tiefe Einblicke in seine Seele mit.

Die Position des Quartetts aus Steyr, Oberösterreich im Austro-Zirkus ist so unbestritten wie unbestreitbar – ziemlich weit vorne. Nacheifern tun viele, nachkommen werden die meisten nicht so schnell. Warum? Weil Velojet neben viel Airplay und sympathischen Live-Konzerten auch noch ein konstant hohes Level halten, gerade wieder mit ihrem vierten Album in acht Jahren, auf dem sie sich stilistisch vollkommen treu bleiben und auch weiterhin ohne dieses superhippe, moderne Elektrozeug auskommen. Die Zeichen stehen nämlich weiterhin auf Retro. Ganz viel Gitarre, 60s-Melodien, introvertierte Synthies und extrovertierte Mehrstimmigkeit. Die Stücke sind schon wieder sehr eingängig, Kopfnicken oder Mitsummen wird hier besonders leicht gemacht. Klingt irgendwie nach alter Leier? Nicht zwingend. Ein ganz kleines bisschen vielleicht. Ihre Songs sind zweifellos großer Pop, wie die erste Single »Angeldust«, die unterschwellig an die Arctic Monkeys erinnert, oder das von marschierenden Drums und optimistischen Bläsern angetriebene »Trust Me«. »Away! Away!!« wiederum braucht gleich zwei Rufezeichen im Titel, so sehr will es Aufbruch signalisieren. Die neuen VelojetSongs passen dabei nicht immer in die gut eingefahrenen VelojetSound-Schienen. Die Sache ist nun aber die: Nach einiger Zeit fehlt es ihnen an Überraschungseffekt, Würze und Pfeffer. Velojet hat ja noch nie irre experimentelle Musik gemacht, sie waren nie würzig und gepfeffert – das werden sie nie sein und das ist gut so. Ihre Qualitäten liegen woanders – Solidität, Perfektionismus und jede Menge Herzblut. All dies kommt bei jedem der elf neuen Songs auf »Panorama« durch. Vor allem »Cold Hands« und das fast achtminütige «Leading A Life» sind potenzielle Lieblingslieder und entzücken mit ihrer retropoppigen Melancholie, während schließlich »Pop Requiem« später ein konsequentes Finale bietet. Ob die Indie-Veteranen nur müde sind, oder ob sie damit andeuten wollen, Pop zu Grabe zu tragen? Bitte nicht!

Ob Sorgenkind Earl in der Besserungsanstalt Tischmanieren gelernt hat, wissen wir nicht; der RapKnigge sitzt aber jedenfalls. Drei Jahre ist es her, dass der Wolf Gang-Spross sich mit seinem ersten Release »Earl« in die Herzen der Fans und Kritiker gebinnenreimt hat. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes wird nun auch musikalisch von einem grundsoliden und eindringlichen zweiten Album begleitet. Die heterogenen Beats von unterschiedlichsten Produzenten wie Pharrell oder Samiyam halten sich fast respektvoll hinter dem unglaublichen Textschwall, der Earl scheinbar spielerisch leicht von den Lippen kommt, zurück. Nur »Hive« vermag es, den Kopf energischer mitnicken zu lassen. Der bedrohliche Beat erobert sich einen gleichberechtigten Platz neben den Rhymes von Earl und den beiden großartigen Gästen Vince Staples und Casey Veggies. Tanzen wird man zu »Doris« aber jedenfalls nicht. Earl malt die Metaphern mit einer dunkleren Farbpalette als sein Geistesbruder Tyler, dessen Album »Wolf« im April dieses Jahres erschien. Themen wie das Verhältnis zur Familie oder der Druck im Musikbusiness, die sich auf beiden Werken finden, behandelt Earl differenzierter, ernsthafter und authentischer. Während er sich auf seinem Debüt noch den Schmutz und die Kotze von der Kleidung abwischen musste (»Get up off the pavement / wipe the dirt and vomit off«), ist es auf »Doris« nun seine Psyche, die er vom Dreck befreien muss (»Get up off the pavement / brush the dirt up off my psyche«). In die lässt er uns auf großartigen Tracks wie »Sunday« (ft. Frank Ocean) oder »Chum« schauen. »Hoarse« erreicht durch die Instrumentierung von BBNG und Earls beruhigend monotone Reime eine Art von Tiefgang, die in Trance zu versetzen vermag, während RZAs Hook »I fuck the freckles of your face, bitch« auf »Molasses« und Tylers Gastverse auf »Sasquatch« auch kurze Spaßmomente ins Album einziehen lassen. Kein Track auf »Doris« ist merklich schlechter als die anderen, durchgehend wird das hohe Niveau gehalten. Dennoch darf man sich für die Zukunft mehr Raum für die Beats und einen konzeptionelleren, homogeneren Zugang wünschen.

07/10 Nicole Schöndorfer

08/10 Amira Ben Saoud

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01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk

Rez

Musik

Au Revoir Simone Move In Spectrums (Moshi Moshi) — Auch nach vier Jahren Pause ist auf Album Nummer vier alles ein bisschen gleich: Drei Frauen orgeln sich durch einen immer einen Tick zu wunderhübschen Dream-Pop

Betty Ford Boys Leaders Of The Brew School (Melting Pot Music) — Beatbastlersupergroup – mild berauscht, aber stilsicher unterwegs auf Hip Hop-basierter, relaxter und souliger Instrumental-Exkursion.

Turin Brakes We Were Here (Cooking Vinyl) — Beseelter Folkpop, wie er selbst in den 70er Jahren selten besser zu finden war, oder in den 90ern und den 00ern, als Turin Brakes auch schon beseelten Folk-Pop gemacht haben.

Cardiochaos DDNOS (Little Night Music) — Der Wiener Klangtüftler Peter Brunner feilt weiter an seinen Stadion-Ambitionen: Mit seinem Debüt baut er ein Radiohead-Denkmal – vergisst dabei aber auf sein eigenes.

Delorean Apar (True Panther Sounds) — Dieses Album hätte mit seinen träumerischen Synthpop und euphorischen Beats den Sommersoundtrack 2013 stellen können. 2014 dann wieder, an der Costa Verde.

06/10 Philipp L’heritier

05/10 Thomas Wieser

06/10 Gerald C. Stocker

07/10 Sandra Bernhofer

06/10 Franziska Tschinderle

Marcel Dettmann Dettmann II (Ostgut Ton) — Der von Marcel Dettmann gewählte Spielraum ist begrenzt, doch er schafft es, seinen puristischen Techno ideen- und facettenreich zu präsentieren. 07/10 Kevin Reiterer

Thomas Dybdahl What’s Left Is Forever (Universal) — Die Welt da draußen ist viel schlimmer als Norwegen. 13 kunstvolle, feinstoffliche Folk-Songs wollen vom Gegenteil überzeugen.

Ebony Bones Behold, A Pale Horse (1984) — Über die tiefe Kluft zwischen elitärer Avantgarde und zugänglichem Pop ist bloß ein dünnes Seil gespannt. Die Londonerin Ebony Bones tänzelt mal lässig, mal übermütig darüber.

Glasvegas Later ... When the TV Turns To Static (BMG) — Glasvegas hatten immer etwas Großartiges an sich, was sie auch diesmal wieder durch ihre bombastischen Klanglandschaften gekonnt in Szene setzen.

Goldfrapp Tales Of Us (Mute) — Schwelgerisch und kinematografisch ist das sechste Album der Briten ausgefallen – es mit Kurzfilmen in Schwarz-Weiß auszustaffieren, ist nur logisch und konsequent.

08/10 Nicole Schöndorfer

07/10 Gerald C. Stocker

07/10 Sandra Bernhofer

M+A These Days (Monotreme) — Mal bunter, aufgedrehter Tanzbodenfüller, mal nachdenklicher Indie-Sampler mit Jazzeinlage – das zweite Werk der Italiener spielt alle Stücke.

Money The Shadow Of Heaven (Bella Union) — Als vier Engel mit einem Debütalbum aus sphärischem Sophistipop (ja, das gibt's) aus dem Himmel auf die Erde fielen, nach Manchester genau genommen. 07/10 Juliane Fischer

Múm Smilewound (Morr Music) — Zähne zusammenbeißen – Da ein kurzes verzaubertes Lächeln, ein gleichgültiges Schulterzucken dort und schließlich ein schmerzliches Auf-dieLippen-beißen. Letzteres wiederholt sich und Kylie Minogue macht auch mit.

Jessy Lanza Pull My Hair Back (Hyperdub) — Hitze, Kälte, Elektrizität – Jessy Lanza atmet und flüstert schwer, während äußerst präzise gesetzte, rhythmische und emotionale Moleküle miteinander reagieren und immer wieder Energiestöße freisetzen.

06/10 Stefan Niederwieser

Lawrence Films & Windows (Dial) — Ein musikalischer Roadtrip des Dial-Masterminds. Cineastischer Deephouse mit unverwechselbarer Handschrift. 07/10 Johannes Piller

07/10 Sandra Bernhofer

08/10 Stefan Niederwieser

San Cisco San Cisco (Albert Productions, Fat Possum) — Die geografische Einordnung von Genres ist überflüssig, weil Globalisierung und Internet und so. Man kann auch in Australien gewaltig in die Britpop-Falle tappen.

05/10 Nicole Schöndorfer

Ty Segall Sleeper (Drag City / Rough Trade) — Die manische Songfabrik Ty Segall klingt diesmal persönlicher, ruhiger, introvertierter, während im Hintergrund Psychedelic und Hard Rock nachklingt. 08/10 Martin Riedl

Splashh Comfort (Luv Luv Luv) — Splashh treffen den Zeitgeist – Gitarrenkrach, nutzlos fühlen, Melodien rauskotzen –, fügen ihm aber außer ein paar lustigen Songs wenig hinzu.

Stromae Racine Carée (Universal) — Pop, wie er sein soll. Clever und simpel. Nach »Alors On Danse« hat der Belgier Stromae wieder tanzbare Alltagspoesie zur Potenz geschrieben.

06/10 Stefan Niederwieser

07/10 Stefan Niederwieser

Troumaca The Grace (Brownswood) — Birmingham erlebt gerade einen kleinen Musikboom. Troumaca tauchen in die hässliche englische Industriestadt ein und stoßen auf erstaunliche, aquatische Songs. 07/10 Stefan Niederwieser

06/10 Franziska Tschinderle

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Rez

Drei Farben House Choice Item (Tenderpark) — Wenn House ein Haus ist, ist Drei Farben House das Zimmer im Keller, aus dem dicke Rauchschwaden kommen und ein rauschender Groove im Dauerloop läuft.

Musik

Drumcell Sleep Complex (CLR Records) — Technojünger Drumcell aus Los Angeles gibt mit einem neuen Longplayer ein kräfitges und hörenswertes Lebenszeichen von sich. 06/10 Konrad Kippe

06/10 Stefan Niederwieser

Marek Hemmann Bittersweet (Freude Am Tanzen) — Marek Hemmanns Sound tänzelt noch immer zwischen Nachmittagssonnenanbetung Hände-In-Die-Luft um drei Uhr früh. Einfach, charmant, bekannt und effektiv.

Hjaltalín Enter 4 (Sena via Cargo) — Entschleunigter Island-Pop, vorgelegt von einem bunten Kollektiv mit lustigen Instrumenten und Namen? Kennt man eh? Nicht wirklich, offenbar. Hjaltalín!

07/10 Kevin Reiterer

07/10 Nicole Schöndorfer

No Age An Object (Sub Pop) — Diese Band hat die Bezeichnung »Art Punk« verdient: Die Liebe zum ästhetischen Tonträger trifft auf Low-Fi-Krach.

Of Montreal Lousy With Sylvianbriar (Polyvinyl / Cargo Rec) — Außen pfui, innen hui: Totalitärer Flowerpower-Pop der zu keinen neuen Ufern führt, aber eine schöne Aussicht von der Potemkinschen Golden-Gate-Bridge beschert.

07/10 Franziska Tschinderle

07/10 Michael Kirchdorfer

NACHT SCHWARMER ORF-LANGE NACHT DER MUSEEN

Thees Uhlmann #2 (Grand Hotel Van Cleef) — Thees mag Mensch eben. Ex-Tomte Sympathieträger mit elf textstarken Songs, Indie-sensibilisierter Trans-Deutsch-Rock. Konsensträchtig, aber schön.

Various Artists Air Texture Vol. III (Air Texture) — Von weißem und rosa Rauschen erzählen Deadbeat und DJ Oliver eine beatlose Traditionsgeschichte des Ambient. 08/10 Johannes Piller

SA | 5. OKT 2013 AB 18.00 UHR IN GANZ ÖSTERREICH

LANGENACHT.ORF.AT

06/10 Rainer Krispel

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2 Guns (von Baltasar Kormákur; mit Denzel Washington, Mark Wahlberg, Paula Patton) — Mittendrin im ausgesucht schön dollargrün strahlenden Geldregen des Showdowns kommt dieser nicht nötigerweise komplizierte Buddy Movie dann doch kurz zu sich: Mündungsfeuer-Poesie, ausgelassenes alle gegen alle, wonnig stimmender Rabatz. Davor aber allzu ausführliches sich Abarbeiten an einem überkonstruierten Komplott-Plot, in dem CIA, Navy, DEA und Drogenkartelle allesamt verschieden falsche Spiele mit unseren beiden Helden (erstmals zusammengewürfelt: Denzel Washington und Mark Wahlberg) spielen. Diese beiden grundguten Gustave, die natürlich nur vermeintlich leichte Agenten-Opfer der diversen Interessenskonflikte im korrupten Institutionensystem sind, müssen daneben aber sowieso auch erst mal jeder für sich kräftig ihr Revier markieren, bevor sie sich kollegial in die Arme fallen können. Islands Regie-Export Baltasar Kormákur (»Contraband«), der wohl insgeheim schon gern so hochoktanigen High-End-Trash machen würde wie weiland Tony Scott selig, muss man zugute halten, dass er einen zumindest nur selten langweilt, das Tempo immer ausreichend rasant hält, dass man all die Script-Mühsamkeiten doch irgendwie ertragen kann. Am Ende bleibt dennoch wenig hängen – außer eben jener einen Szene, in der gar so herzhaft Benjamins vom Himmel flattern.

Rez

Film

Rush – Alles für den Sieg (von Ron Howard; mit Chris Hemsworth, Daniel Brühl, Olivia Wilde)

Kreisverkehr

07/10 Christoph Prenner

The Look Of Love (von Michael Winterbottom; mit Steve Coogan, Imogen Poots, Anna Friel) — Arthouse-Darling Michael Winterbottoms Œuvre strotzt vor qualitativen Ups und Downs, das Meisterwerke wie »9 Songs« oder »24 Hour Party People« hervorbrachte. Mit Letzterem verbindet »The Look Of Love« zweierlei: Es handelt sich wieder um ein Biopic und erneut schlüpfte der grandiose Steve Coogan in die Haut der Hauptfigur. Skizziert wird die Lebensgeschichte von Sleaze-Legende Paul Raymond, der mit Nacktrevuen und Erotikmagazinen ab den 50er Jahren zum König von Soho aufstieg, 1992 gar als reichster Mann Englands galt. Coogan porträtiert den gerissenen Selfmade-Millionär, der seine Zeit mit Sex, Drogen, Statussymbolen und Champagner verbrachte, durchaus mit Humor, verschweigt aber auch das Drama unter der glamourösen Fassade nicht: Raymond verschliss die für ihn wichtigsten Frauen gnadenlos – ob aus ökonomischem Kalkül oder Desinteresse. Eine Haltung, die bei seiner Tochter Debbie in eine Tragödie mündete. Detailverliebt und mit charmanter Retro-Kameraästhetik zeichnet Winterbottom die fast unschuldige Zeit der federboabehängten Nudie-Shows, die wenig später schmutziger Pornografie wichen, nach und lässt ein Sittenbild der offiziellen prüden Moral Britanniens mit der hedonistischen Swinging-Sixties-Ära kollidieren. 06/10 Sophie Kettner

White House Down (von Roland Emmerich; mit Channing Tatum, Jamie Foxx, Maggie Gyllenhaal) — Terroristen besetzen das Weiße Haus und nehmen die anwesenden Touristen als Geiseln. Unter diesen befindet sich Secret Service-Aspirant Cale (Channing Tatum), der sich unverzüglich befreit und dem US-Präsidenten (Jamie Foxx) zu Hilfe eilt. Dass er nebenbei die westliche Welt vor einem Atomkrieg retten muss, versteht sich fast schon von selbst. Außer jeder Menge Krach-Bumm verspricht der Plot von Roland Emmerichs »White House Down« wenig bis gar nichts. Leider enttäuscht der Film sogar diese äußerst bescheidenen Erwartungen. Abgestandene Pointen, vorhersehbare Plot-Twists und peinliche, pseudo-coole Einzeiler – allesamt aus den vergangenen 30 Jahren Actionkino zusammengeklaut – machen den Streifen zum absoluten Fiasko.

Need For Speed: Ron Howard deutet das Formel-1-WM-Duell 1976 zwischen Lauda und Hunt als Clash der Motorsportkulturen. Zunächst zirkulieren Zweifel – noch bevor eine einzige Runde einer Rennstrecke abgefahren wurde. Ja, hätt’s denn das 2013 wirklich noch gebraucht? Einen Formel-1-Film? Zu schlecht sind einem die seltsam vergurkte Motorsport-Sequenz in »Iron Man 2« oder, schlimmer, das Desaster, das da »Driven« hieß, noch in jüngerer Erinnerung. Der einzig richtig gute Genre-Eintrag? John Frankenheimers »Grand Prix«. Über 40 Jahre her. So seltsam es klingt, aber vielleicht brauchte es für diese Mission einfach einen wie Ron Howard, einen grundsoliden Verfertiger »wertiger« Blockbuster-Konfektionsware (»The Da Vinci Code«), einen, der eben nicht ständig selbstvergessen in Effektfeuerwerke stieren oder sich übereifrig die nächste Cutting Edge zurechtschleifen muss. Wie schon »Frost / Nixon«, seine vorangegangene Zusammenarbeit mit dem Wahl-Wiener Drehbuchautor Peter Morgan, zieht auch »Rush« seine Reize bevorzugt daraus, dass es gar nicht mehr sein muss als ein gut gearbeitetes Period Piece. Wiewohl man hier eher von einem Zeitenwendedrama sprechen müsste, in das Howard das sattsam bekannte Narrativ des dramatischen WM-Duells 1976 zwischen dem Engländer James Hunt (Chris Hemsworth) und dem Einsparer Nikolaus Lauda (Daniel Brühl) hineinzuformulieren angetreten ist. Es ist ein tollkühn auf dem Gaspedal stehend und wild in den Boxengassen gestikulierend ausgetragener Clash der Kulturen zwischen der alten Schule der Hallodri-Playboy-Fahrer à la Hunt und der sich hartnäckig breitmachenden neuen Generation hyperstrebsamer Perfektionisten à la Lauda (ein Duell, das in der Gegenwart durch Fahrroboter wie Schumacher und Vettel eh längst entschieden ist). Howards Inszenierung vermittelt dabei, auch dank der gewohnt crispen Bilder von Anthony Dod Mantle, nie den Beigeschmack allzu großer Patinaverliebtheit, weiß insbesondere in der beklemmenden Rekonstruktion von Laudas horrendem Nürburgring-Crash eine Unmittelbarkeit herzustellen, wie sie im kontemporären Action-Kino rar ist. Das wahre Trumpf-Ass von »Rush« ist aber im Akteursaufgebot zu finden: Wie sich der Deutsche Daniel Brühl da in feinst verstandener Method-Acting-Tradition, ganz Überbiss und Broken English, in die Figur Lauda reinhaut, ja, gleichsam in ihr aufgeht, gehört schon mit zum besten, was man dieses Jahr auf der Leinwand vorgespielt bekommen wird. Es ist eine, man sagt es so, furchtlose, dringliche Performance, eine, die ihm die Tore Hollywoods in bester Waltz-Manier weit aufstoßen sollte. 07/10 Christoph Prenner

01/10 Leo Dworschak

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Rez

Film

highlights Sa. 14.09. // 20:00 HipHop

20 Jahre Texta

Di. 17.09. // 20:00 Indiepop

Crocodiles / Andrew Collberg / Sheep, Dog & Wolf

Mi. 18.09. // 20:00 Musikkabarett

Rebecca Carrington & Colin Brown The Congress (von Ari Folman; mit Robin Wright, Harvey Keitel, Paul Giamatti)

Forever Young? Waltz With Robin: Ari Folman gießt eine psychedelische und dichte Zukunftsvision von Kulturindustrie und Kino in ein knallbuntes Animations-Spektakel.

Fr. 20.09. // 20:00 Kabarett

Gunkl: Die großen Kränkungen der Menschheit

Do. 26.09. // 20:00 Kabarett

Ludwig W. Müller: Dönermonarchie

Fr. 27.09. // 20:00 Pop

Lautstark! Unplugged Sessions:

»Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo«, sang André Heller 1976 und appellierte an die naive Fantasie. Jahrzehnte später zeigte er in esoterisch-kulturalistischen Erfolgsshows, dass der Welt der Fantasie und Kopfabenteuer auch etwas Bedrohliches innewohnt. Stanislaw Lem wusste das bereits 1971, als er sein Werk »Der futurologische Kongreß« vorstellte, in dem die Welt diktatorisch regiert und die Barbarei durch den Einsatz von Psychopharmaka ausgeblendet wird. Regisseur Ari Folman diente Lems dystopischer Roman als Vorlage für »The Congress«, das nach »Waltz With Bashir« der gleichfalls politische Versuch ist, sich mit den Mitteln der Animation nun dem Sci-Fi-Genre anzunähern. Im Gegensatz zur Vorlage steht nicht ein Raumfahrer, sondern eine Schauspielerin im Zentrum der Handlung. In die Jahre gekommen wird Robin Wright (als sie selbst) ein beispielloses Angebot unterbreitet: Das Hollywood-Studio Miramount will für 20 Jahre die Rechte an ihrer Person erwerben. Sie soll eingescannt und ihr digitales Image ohne ihr Mitspracherecht in unterschiedlichsten Rollen besetzt werden. Aus monetären Gründen willigt Wright ein und entledigt sich ihres Abbilds. Und zugleich ihres Egos. Folman verhandelt Lems Zukunftsszenario so aus der Perspektive der Kulturindustrie und bringt zusätzlich Fragen zur Zukunft und Rolle des Kinos aufs Tableau. Bestechend schön und sinnlich trügt der Schein, wenn sich Wright und ihr Avatar-Animator Dylan Turliner (Jon Hamm) näher kommen. Dieser hat sich in Wrights Avatar, also seine eigene Kreation, verliebt. Einer Anti-Ikone gleich sind Persönlichkeit und Medienbild hier voneinander abgespalten. Die entmenschlichten, verstandslosen, komischen Bewohner der futuristischen Animationswelt nehmen einander so nur mehr als austauschbare Etiketten wahr. Robin Wright streift als entleerter, entfremdeter, zeit- und geschichtsloser Charakterumriss über das Miramount-Gelände. Man möchte sich in sie einfühlen und weiß doch, dass auch sie nur Abbild ist. »The Congress« zeigt eine überladene und überfrachtete, psychedelisch verwirrte und verwirrende, farbenprächtige Animationswelt, von der man sich im Kinostuhl überrumpelt und beeindruckt fühlt. Auf die Erkenntnis, dass auch dieses Abenteuer im Kopf Inszenierung ist, stößt man spätestens zum Ende hin. 07/10 Peter Schernhuber

Blonder Engel / The Arlect

Sa. 28.09. // 20:00 Comedy

Jango Edwards

Sa. 28.09. // 20:00 Rock

Steve Vai & Band

Fr. 04.10. // 20:00 Tanz

Ballet Preljocaj: Annonciation / Royaume Uni

Sa. 05.10. // 20:00 Ahoi! Pop Warmup

Shout Out Louds / Magic Arm

Sa. 12.10. // 20:00 Indierock

Steaming Satellites / Hustle and Drone

Mi. 16.10. // 20:00 Literatur

Karl-Markus Gauß: Das Erste, was ich sah

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at

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American Horror Story Staffel 1 (20th Century Fox) von Ryan Murphy, Brad Falchuk; mit Connie Britton, Dylan McDermott, Taissa Farmiga; auf DVD

Introducing Greta Gerwig greta gerwig ist der darling des augenblicks. vom mumblecore, da kommt sie her – und ist seitdem zum umfassend gefragten indie-it-girl herangereift. aktuell läuft ihr schwarzweissfilm »frances ha« im kino. — Weit sind wir gekommen seit den Anfängen des Mumblecore: von »Funny Ha Ha« zu »Frances Ha« in zehn Jahren. Geblieben ist vom ursprünglichen Genre wenig, verbreitet sich doch zunehmend eine gewisse Raffinesse. Nicht zuletzt Greta Gerwig trägt die Subkultur sowohl als Schauspielerin als auch als Autorin weiter und schultert dabei neulich auch Elemente der Nouvelle Vague. Ihr tragikomödiantisches Talent speist sich aus naturbelassenem Charisma und einer sympathischen Ausgelassenheit. Nach ihrem Debüt in Joe Swanbergs »LOL« (2006) hat Gerwig auch an Alison Bagnalls neurotischer Weihnachts-Dramödie »The Dish & The Spoon«, in der sie eine ihrer nuanciertesten Performances ablieferte, mitgewirkt. Im Klassiker-Remake »Arthur« (2011) verlässt der gleichnamige Protagonist seine Verlobte für die quirlige Figur der Gerwig. Im gleichen Jahr begann ihre Beziehung mit Noah Baumbach, der, so wird gemunkelt, seine Frau Jennifer Jason Leigh verließ, nachdem er Gerwig am Set von »Greenberg« (2010) kennenlernte. Für »Frances Ha« bildeten die beiden jedenfalls gleich ein Autorenteam. Doch auch wenn Frances Halloways Name durchaus als Fingerzeig gelesen werden kann, so ist sie keine Annie Hall. Zum einen wurde die Rolle von Gerwig selbst mitgeschrieben. Zum anderen ist ihre Liebesgeschichte nicht die mit dem Objekt der Begierde, sondern jene mit der besten Freundin. Der romantischen Zweierbeziehung wird hier erfrischend wenige Bedeutung beigemessen. »Frances Ha« ist eine Ode an die Freundinnenschaft mit einem verhaltenen Happy End. Womöglich ist es Gerwigs Einfluss, der den ungewohnten Optimismus auslöste, schließlich hat sie einen ganz besonders lebhaften Charme. Und wenn sie nicht gerade neben Russell Brand auftritt, hat sie die schönsten versehentlich perfekten Locken im Raum. 

TEXT Artemis Linhart BILD Gordon Vasquez

The Newsroom Season 1 (Warner) von Aaron Sorkin; mit Jeff Daniels, Emily Mortimer, John Gallagher Jr.

Oh Boy (X-Verleih) von Jan-Ole Gerster; mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter auf DVD

Trailer Park Boys (Tellyvision) von Mike Clattenburg; mit Robb Wells, John Paul Trembley, Mike Smiths

DVD

»American Horror Story« zitiert Klassiker von »Frankenstein« bis »Rosemary’s Baby«, schlägt zugleich aber auch eine Brücke zum realitätsnahen Gräuel eines Amoklaufs. Als Schauplatz dient eine viktorianische Villa, in der eine Familie zusehends an den Rand des Wahnsinns getrieben wird. In Rückblenden wird nicht nur die Geschichte des Hauses und seiner Vorbesitzer beleuchtet, letztlich finden deren Geister auch den Weg in die Gegenwart. Ein spannender Zugang, der die Serie komplexer erscheinen lässt, als sie ist. So entstehen Situationen, die anfangs Mysterien aufgeben, aber erwartbar aufgelöst werden. Dabei ergibt nicht alles Sinn und so manches Logikloch könnte ganze Charaktere in sich verschlingen. Auch die Momente des Horrors bleiben zweifelhaft. Den Eindruck eines Soap-Charakters muss sich die Serie gefallen lassen, zumal ein sich über der Staffel aufbauender Schauer fehlt. Dennoch unterhält »American Horror Story« ziemlich gut. Neben der tollen Kameraführung dürfte auch das beträchtliche Maß an Erotik dafür verantwortlich sein. 06/10 Reiner Kapeller »The Newsroom« hätte das Zeug, eine große Serie über Amerika und das Amerikanische zu sei. Hätte, denn die Serie über den kecken Anchorman Will McAvoy, seine Producerin (und Exfreundin) MacKenzie McHale und den gemeinsamen, idealistischen Kampf für Qualität im Fernsehen gegen die quotengeilen Medienmanager schlittert wild zwischen den Klischees hin und her. Zu gestelzt die Dialoge mit ihren zahlreichen und fehlplatzierten Belehrungen, zu sehr in einem Romantizismus journalistischer Arbeitsabläufe verhaftet. Zum Vorhersehbaren gesellt sich das Konventionelle, eine holprige Liebesgeschichte. Umso interessanter ist die Entscheidung Sorkins, die Nachrichten aus der Vergangenheit zu wählen: Wenn man als Zuseher schon zuvor weiß, wie der Krieg ausgehen wird, lassen sich die Nachrichten-Entscheidungen im Newsroom entsprechend vorverurteilen. Eines jedoch macht Sorkin richtig (gut): Die Grundingredienzien beinahe jeder Redaktion werden auch im Newsroom abgebildet: Die Hauptakteure Will McAvoy und MacKenzie McHale triefen von Zynismus und Idealismus, vielfach sogar beides in einer Person vereint. 06/10 Martin Riedl Regisseur Jan-Ole Gerster folgt in »Oh Boy« mit sicherer Hand dem Streifzug seines Protagonisten Niko Fischer (Tom Schilling) und zeigt eineinhalb Tage aus dem Leben eines Endzwanzigers in Berlin. Das bedeutet in diesem Fall Orientierungslosigkeit, Leben in den Tag, Melancholie. In seinem Regiedebüt knüpft Gerster prinzipiell lose Episoden an Momentaufnahmen der deutschen Hauptstadt, taucht diese in stimmige Schwarz-Weiß-Bilder und lässt Jazzmusik als Thema wiederkehren. Es sind einfache Stilmittel und das zurückhaltende Spiel von Tom Schilling, welche die oft hektischen Situationen im Zaum zu halten vermögen. So schafft es Gerster, die recht fahrige und überhöhte Substanz seiner Dialoge zu bändigen, der erhoffte Witz stellt sich nur selten ein. Man kann »Oh Boy« als eine subtile Studie voller Herz und leichtem Witz über eine suchende Generation lesen. Letztlich verharrt der Film aber auch hinter seiner makellosen Ausführung, die sich im Rahmen der geschickten Interpretation diverser Lehrmeister bewegt und stellenweise schlicht langweilt. 07/10 Reiner Kapeller Die kanadische Sitcom (ab 2001) um die beiden White-Trash-Figuren Rick und Julian könnte die Macher von »My Name Is Earl« (ab 2005) maßgeblich beeinflusst haben. Frisch aus dem Gefängnis entlassen, kehren Rick und Julian in ihren Trailerpark zurück und müssen diesen erstmal von einem Schmalspurganoven säubern, der sich hier breit gemacht hat. Aber auch zwischen den beiden gibt es Probleme, Rick möchte dem kleinkriminellen Leben den Rücken kehren und am liebsten auch dem Streit anziehenden Julian. Umgeben sind die beiden von skurrilen Figuren: Exfreundinnen, einem Trailer-Park-Sheriff, der nicht mehr bei der Polizei arbeiten darf oder Bubbles mit den dicken Brillen. Im Gegensatz zu »My Name Is Earl« sind die Abenteuer der »Trailer Park Boys« nicht nur technisch günstiger produziert, sondern auch Drehbuch und Schauspiel-Führung nicht ganz so gekonnt auf Pointen hingearbeitet. Hier geht manches verloren. Ein durchaus sympathisches, aber trashiges Vergnügen. 06/10 Martin Mühl Auf www.thegap.at außerdem Reviews von »Hänsel & Gretel – Hexenjäger«, »Kill Me Please«, »Last Hitman«, »Movie 43«, »Odysseus«, »Parker«, »The Path – Dunkle Pfade«, »Sons Of Anarchy Season 2«, »Stand Up Guys«

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Ferdinand von Schirach Tabu (Piper)

Jennifer Egan Black Box 01 (Schöffling) — Ein Twitter-Thriller? Mit Schaudern erinnert man sich an die missglückten Versuche, Facebook-Romane zu verfassen. Nun, die USSchriftstellerin Jennifer Egan, immerhin PulitzerPreis-Gewinnerin im Jahr 2011, hat es versucht und es funktioniert. In »Black Box« wird eine namenlose Agentin in einer näheren Zukunft auf einen Terroristen angesetzt. Nebst überdurchschnittlicher Attraktivität, also den Waffen einer Frau, stehen der Spionin allerhand technische Hilfsmittel zur Verfügung. Im Ohr ist ein Aufnahmegerät eingebaut, im Auge eine Kamera, am linken Fuß, zwischen den Zehen, gibt es eine Datenschnittstelle. Die Agentin ist also eine Black Box für die Staatssicherheit. Und man erfährt auch sonst einiges von ihr. Sie ist 33, verheiratet, kinderlos, uneheliche Tochter eines Filmstars, hat ein Problem mit ihrer Mutter und hat ursprünglich in der Musikbranche ihr Geld verdient. Egans Kniff bei der Umsetzung: Die Agentin erzählt von ihrem Einsatz in inneren, unpersönlich gehaltenen Tweets, die als Instruktionen und Ratschläge formuliert sind. Dabei führt sie ihre Mission sukzessive einem Ende zu. So entsteht die abstrakte Erzählsituation – man hat eine Spionin, die sich während des Einsatzes selbst beobachtet und den Leser daran teilnehmen lässt. Eine – trotz vordergründig seichtem Plot, reizvolle Highspeed-Erzählung, die ohne Retweets, Hashtags und @-ierungen auskommt. Dass die 50-jährige Egan diese Spionage-Novelle ganz klassisch zuerst per Hand in ein Notizbuch kritzelte und im Vorjahr von einem Online-Redakteur vom New Yorker an zehn Abenden als Fortsetzungsroman über Twitter jagen ließ, ist Treppenwitz und Verneigung vor dem Prinzip des Seriellen gleichermaßen. 07/10 Manfred Gram Mareile Kurtz Mausmakis Blaue Pumas 02 (Schwarzkopf & Schwarzkopf) — Am Montag, den 21. Mai 2012 um 13.16 Uhr, schreibt Emma bereits seit drei Tagen fast ohne Schlaf. Die AmphetaminReste der letzten Nächte halten sie und die Mitbewohner ihrer Party-WG noch wach. Aus Melancholie, Erschöpfung und Anflügen erwachsener Vernunft heraus schreibt sie sich durch ihre Geschichte bis dato, ihre Kindheit und Jugend und die vibrierenden Ereignisse der letzten Nächte. Und sie schreibt gegen die Angst, das nächste Jahr nicht zu überleben. »Mausmakis Blaue Pumas« von Mareile Kurtz ist Emmas Tagebuch. Emma ist 27 Jahre alt, 1,63 Meter groß und 50,3 Kilogramm schwer – so vermerkt sie es vor jedem neuen Kapitel. Sie sucht nach Antworten auf ein Problem, für das sie nie die richtigen Fragen findet: Bulimie, Drogensucht, die Sucht nach Sex und Liebe. Mareile Kurtz beschreibt die kunterbunte Extasy-Welt beeindruckend gut und entführt in ein großstädtisches Rauschen. In Emmas Auseinandersetzungen wird treffend eine Generation skizziert, die intellektuell, doch ohne Ausdauer ist; mutig, doch haltlos; visionär, aber völlig ziellos im Leben. Doch wie schafft Emma all das? Kurtz überfrachtet ihr Konzept des fiktiven Tagebuchs mit zu vielen inhaltlichen Aspekten und Tempi und ihre Protagonistin wird dabei immer unrealistischer. Emma als heilloser Drogenjunkie, als unstillbare Sinnsuchende und Bücherwurm ist zu viel der Konstruktion. 05/10 Luise Wolf

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Farbenfroh abgründig In seinem neuen Roman erkundet Ferdinand von Schirach die Abgründe eines gefeierten Künstlers. Spannung, puristisch im Stakkato serviert. Nichts ist so brutal wie die Normalität, wenn ihr Betrachter Ferdinand von Schirach heißt. Schnörkellos und präzise seziert der Autor Alltagsszenen und gibt auch in seinem vierten Buch »Tabu« den Blick auf das frei, vor dem man gerne die Augen verschließt. Schirach beschreibt keine Kunstfiguren – überhöht und deshalb angenehm fern. Die Menschen aus seinem neuen Roman leben in unserer Nachbarschaft, stehen hinter uns an der Supermarktkasse und waschen ihre Wägen sonntags Seite an Seite mit uns an der Tankstelle. Und es scheint, man hat es nur dem Tempo des Alltags zu verdanken, dass es einem nähere Einblicke in ihr Innenleben bisher erspart hat. In seinem neuen Roman erzählt Schirach in gewohnt sachlichem, stakkatohaften Stil die Geschichte von Sebastian von Eschburg und geht dabei bis an die Grenzen des Erträglichen. Sebastian wächst als Spross eines alten Adelsgeschlechts am Familiensitz inmitten einer idyllischen Landschaft auf. Er bekommt die beste Schulbildung in einem Schweizer Internat. Die Pater fördern ihn, zu Hause betreut ihn eine liebevolle Köchin. Der Junge hat alle Freiheiten, die das Landleben zu bieten hat. Aber irgendetwas läuft furchtbar schief. Sebastian ist anders. Er denkt in Farben, nicht in Worten. Der verschlossene Junge kann sich nicht mitteilen. Sein Innenleben bleibt der Welt um ihn verborgen. Sie interessiert sich auch nicht dafür. Der Vater nimmt sich das Leben als der Junge noch zur Schule geht. Die Beziehung zur Mutter bleibt kalt. Sebastian entdeckt seine Liebe zur Fotografie und wird ein gefeierter Künstler. Doch die Stimmen in seinem Inneren überlagern mehr und mehr die Geräusche der Außenwelt. Als eine junge Frau verschwindet, nimmt das Unglück seinen Lauf. Ferdinand von Schirach gilt als einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Autoren. Er verliert sich nicht in selbstverliebten Sprachspielen oder hält sich mit der Beschreibung von Nebenschauplätzen auf. Er konzentriert sich nur auf das, was in all seiner Abgründigkeit erzählt werden muss. Mit »Tabu« ist dem Schriftsteller ein packendes Leseerlebnis gelungen. Ein Buch, das man so schnell nicht vergisst. 08/10 Barbara Kaufmann

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Sven Regener Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt 03 (Galiani) — Was wurde eigentlich aus Karl Schmidt, dem besten Freund von Herrn Lehmann? Das mag man sich zwar noch nicht gefragt haben, aber man 068

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sollte es definitiv langsam mal tun und die Antwort darauf lesen. Sven Regener ist ein hervorragender Figurenzeichner. Er staffiert liebevoll seine Charaktere aus und deshalb trifft es sich gut, dass er auch gerne Figuren von früher wieder aufgreift. Nun hat Charly Schmidt seinen Soloauftritt und weil Magical Mystery so etwas wie ein Mini-Entwicklungsroman ist, wird er zum Karl Schmidt und irgendwie auch wieder zum alten Charly, nur ohne Drogen. Nach einer kurzen Auszeit in der Psychiatrie wohnt er in einer Altonaer Drogen-WG ein beschütztes geregeltes Glashausleben. Das betreute Wohnen bringt Regelmäßigkeit ins Leben; er ist abgestumpft gegen jegliche Vergnügungen und deshalb auch nicht konfrontiert mit Genuss und Gelüsten aus dem lottrigen Leben davor. Fünf Jahre ist das circa her. Charly Schmidt war damals in Berlin, am neon-grell tätowierten Nabel der Rave-Szene. Die Mauer ist mittlerweile gefallen, doch die alten Techno-Kumpels stehen noch unverwüstlich. Aus ihrem Bürokabuff von BummBummRecords ist ein großes Büroloft gewachsen und sie wollen auf Tour gehen mit dem Spirit der 60er und dem Ziel, das BummBumm und den fröhlichen Gemeinschaftssinn in das geeinte Land hinauszutragen. Die Welt vor Karl Schmidts Nervenzusammenbruch ist Schwarz-Weiß in seiner Erinnerung, jetzt sieht er die Szene bunt und klar und doch gilt es gelegentlich, dem Sperrfeuer der alkoholischen und kokainistischen Verlockungen zu trotzen. Der Road-Trip führt zur Konfrontation mit dem Problem-Charly und zu einem Buch mit Auftrieb und Neuanfang. 09/10 Juliane Fischer

Donald Ray Pollock Knockemstiff 04 (Liebeskind) — Letztes Jahr erschien Donald Ray Pollocks viel beachteter Roman »Das Handwerk des Teufels«. Jetzt wird das eigentliche Debüt des Autors nachgereicht: »Knockemstiff«. Übersetzt heißt das so viel wie »Haut sie alle zusammen«. Der Titel deutet schon stark auf die Inhalte der Kurzgeschichtensammlung hin, aber in Ohio gibt es wirklich einen Ort, der diesen Namen trägt. Absurd: Knockemstiff liegt heute als Geisterstadt brach. Im Buch ist Knockemstiff ein kleiner Ort im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, der nicht einmal ein anständiges Restaurant besitzt und dessen Bewohner ein tristes Leben führen. Der schüchterne Bobby muss seinem Vater beweisen, dass er ebenso ein Schläger ist; ein anderer Bobby kämpft bei einem Familienbesuch gegen einen Rückfall in den Alkoholismus an; Hank kann der hübschen Tina nicht das Wasser reichen und hofft schlussendlich auf die Zusendung eines Bildes, das eine Reisefotografin von ihnen macht. Hier sind viele kleine Geschichten zu einem lockeren Konvolut vereint. Es scheint so, als hätte der Autor die Literatur zu alten, traurigen Tom Waits-Songs verfasst. Er schreibt im Jargon seiner Protagonisten und vermeidet es tunlichst, sich über sie lustig zu machen, dosiert jedoch auch sein Mitgefühl. Donald Ray Pollock ist ein Naturtalent, der seine Kunst nicht über Bord geworfen hat wie seine Protagonisten ihr Leben. Auf der Suche nach modernen, griffigen Kurzgeschichten führt kein Weg an ihm vorbei. 09/10 Martin G. Wanko Unterwegs Gerd Ruge 05 (Hanser) — Seit über 60 Jahren ist Gerd Ruge als Berichterstatter unterwegs in der Weltgeschichte. Vor Kurzem hat er seinen 85er gefeiert und seine politischen Erinnerungen gesammelt aufgeschrieben. Jahrzehntelang war er – so wird es überliefert – ein profilierter Journalist im deutschen Fernsehen, ein Gesicht, das man kannte, ebenso wie sein charakteristisches Nuscheln beim Sprechen. Er plaudert nicht aus dem Nähkästchen, sondern beschreibt sachlich aus dem Korrespondentenleben. Allzu spannend ist das erzähltechnisch nicht, aber zumindest eine Bildungsreise durch den Kalten Krieg, ohne zu belehrend zu wirken. Gerd Ruge hatte ein Gespür für politische Entwicklungen. Sein Buch ist besprenkelt mit der Neugierde, die guten Journalismus möglich macht, mit den Zufällen, die es braucht und mit dem gesponnenen Netzwerk an Bekanntschaften. Es brachte oft keine tief schürfenden Analysen mit sich, aber dafür erste Augenzeugenberichte aus einer Zeit, die wir zu Recht oder Unrecht noch immer als Nachkriegszeit empfinden. Man liest dann vom verbissenen Streit zwischen Adenauer und Chruschtschow, über die Hintergründe eines russischen Literaturpreisträgers Paternak, aus dessen Feder »Doktor Schiwago« stammt und von der Ermordung Kennedys. Hier begann für Ruge auch eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage der politischen Gefangenen, der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit. Er war nicht zuletzt deshalb Gründungsmitglied von Amnesty International, deren Anfänge auch geschildert werden. Er wirkt wie einer der Übermutigen, der immer dorthin wollte, wo es gerade brenzlig wurde und es scheint, als seien dabei Übermut und Mut, Gehorsam und Ungehorsam bedacht angeordnet worden. Das ergibt eine Mischung aus weltpolitischen Schachzügen, subjektiven Eindrücken und Alltagsbegegnungen. 06/10 Juliane Fischer

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comics Gilbert Hernandez Julio's Day (Fantagraphics Books)

Paul Hornschemeier Life With Mr. Dangerous 01 (Villard) — Amy ist nicht ungewöhnlich. Sie führt eine leicht angespannte aber gute Beziehung zu ihrer Mutter. Sie hat Schwierigkeiten mit ihrem Selbstbild. Oft findet sie sich unattraktiv, noch öfter hadert sie an ihrem scheinbaren Unvermögen. Sie ist unzufrieden mit ihrem Privatleben, vor allem ihren intimen Beziehungen. Sie verabscheut ihre Arbeit. Ihr bester Freund ist weit entfernt, das Telefon die einzige Verbindung. Oberflächlich betrachtet hat sie keine großen Probleme, aber Amy gleitet ihr Leben davon. Kaum jemand versteht es so gut wie Paul Hornschemeier, aus den kleinen Fallen des Alltags eine Tragikomödie mit Stil zu erschaffen, wie er es in »Life With Mr. Dangerous« vollbracht hat. Nichts ist ungewöhnlich an Amy, genau daher verstehen wir nur zu gut, wie es ihr geht und was sie durchmacht. Elegant dirigiert von Hornschemeier folgen wir den komischen und traurigen Momenten bis zum leider überstürzten Ende. 06/10 Nuri Nurbachsch

100 Jahre an einem Tag Gilbert Hernandez fasst 100 Jahre und ein Leben in einen Tag zusammen. Eine perfekte, zutiefst berührende und begeisternde Kunst. Die Begabung der Brüder Hernandez erweckt Demut. In ihren Werken Tiefen und Höhen feststellen zu wollen, fällt allein der Eitelkeit des Kritikers zu. Trotzdem ist »Julio's Day«, ein Solowerk von Gilbert Hernandez, von einer besonderen Aura umgeben. Julio kommt 1900 auf die Welt und 100 Jahre später verlässt er sie wieder. In dieser Zeit verbringt er die meiste Zeit seines Lebens in dem Städtchen, in dem er geboren wurde. Um ihn herum nimmt das Leben seiner Geschwister und ihrer Kinder seinen Lauf. Manche enden, manche beginnen. Dramatische Ereignisse werden von Kuriositäten abgelöst. Und während das alles geschieht, bleibt der Rest der Welt auch nicht stehen. Zwei Weltkriege kommen und gehen, dazwischen übersteht Julio eine Weltwirtschaftskrise. Noch ein Krieg in Korea, dann ein weiterer in Kuwait. Segregation und die Bürgerrechtsbewegung der 60er berühren seinen Alltag ebenso wie die Beatniks und Hippies. Und so wie er in den Armen seiner Mutter seine ersten Momente erlebte, so haucht er die letzten auch wieder in ihren Armen aus. Gilbert inszeniert ein ganzes Jahrhundert, als ob nur ein Tag vergangen wäre. An diesem einen Tag, der ein Leben und mehrere Generationen umfasst, bildet Julio einen Anker. Wir erfahren nichts über ihn, zumindest nicht direkt von Julio selbst. In den Berührungen mit den anderen Menschen dürfen wir aber jemanden entdecken, der uns so packen kann, dass sein Tod uns Trauer verspüren lässt. Ein zerrissener Mensch, Sinnbild einer Zeit von Umwälzungen und sozialen Verschiebungen. Julio ist kein Katalyst. Er ist derjenige, der zurückbleibt, der versucht seinen Platz zu finden, aber weder weiß wo dieser sein soll, noch wie er ihn einnehmen kann. Umso mehr symbolisiert Hernandez durch Julio die Nähte, Übergänge und Flickwerke einer Kultur, die wir unbedacht als homogen wahrnehmen. Vielleicht steckt in »Julio's Day« auch eine Abrechnung mit Sentimentalität und Reue. Die Summe der vergebenen Chancen und verlorenen Lieben ist bedrückend. Bedrückend auf Hernandez'sche Weise, also mit schrägem, melancholischem Optimismus beseelt. Gelitten wird bei Gilbert Hernandez nicht um des Leidens willen, dafür sorgt der gesunde Grundpragmatismus seiner Charaktere und Geschichten. Damit rückt »Julio's Day« näher zum Adjektiv »lebensbejahend«. Es ist absolut unmöglich, die Magie eines Hernandez-Comic-Romans in Worte zu fassen. Jedes Panel könnte hier einzeln bis ins letzte Detail beschrieben werden und doch weder die Lektüre noch deren Effekt verderben. Und, ja, man kann davon sprechen, dass »Julio's Day« im Gesamtwerk von Gilbert Hernandez eine Sonderstellung verdient hat – Subjektivität hin oder her. 10/10 Nuri Nurbachsch

Rutu Modan The Property 02 (Drawn & Quarterly) — Rutu Modan ist die talentierte Biografin eines jüdischen Generationenwechsels. In ihren Comics beobachtet sie mit kritischem Blick was es bedeutet, eine junge Jüdin der Jetztzeit zu sein. In »The Property« begleitet die Protagonistin ihre Großmutter nach Polen, angeblich um ehemaligen Familienbesitz wieder zurückzugewinnen. Die junge Mica versucht ihrer Großmutter dabei zu helfen und erkennt schon bald, dass ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt wurde. Zwischen Regina Segal und ihrer Nichte Mica spannt Modan geschickt das Konfliktpotenzial unterschiedlicher Generationen – genauso reflektiert sie unterschiedlichste Auffassungen des »Juden« und der »Jüdin«. Als minimalistische Kulisse dient ihr historischer Umstand, aber die Handlung befasst sich mit den Konsequenzen dieser Vergangenheit auf die Beziehungen der Menschen im Jetzt. 07/10 Nuri Nurbachsch Frederik Peeters, Pierre Oscar Lévy Sand Castle 03 (Selfmade Hero) — Beschleunigt man unser Dasein, was bleibt über? Was ist in der kurzen Spanne zwischen Geburt und Tod relevant? Ist es was wir schaffen oder hinterlassen? Sind es unsere Beziehungen und Kinder? Reicht eine minimal-materialistische Zusammenfassung wie »ficken, fressen, scheißen, schlafen«? Frederik Peeters, der bereits in »Blue Pills« (»Pilules Bleues«) – dem autobiografischen Werk, in dem er die Beziehungen zu seiner HIV-positiv diagnostizierten Partnerin schildert – brutale Ehrlichkeit und intelligente Feinfühligkeit bewiesen hat, setzt das Skript von Lévy in atemberaubende Bilder. Nicht mal so sehr wegen der technischen Finesse, dem fließenden Wortbild und den anmutigen Details. Es ist das Verständnis, das »Sand Castle« in den Bildern kolportiert. Die Existenzen einer Gruppe zufälliger Menschen rasen im Zeitraffer auf einem Strand ihrem Ende entgegen. Trotzdem bedürfen Peeters und Lévy nur weniger Worte, denn in »Sand Castle« spricht aus den Panels, wie schon gesagt, ein geheimes Wissen vom Sinn des Lebens. Wundervolle Comic-Book-Poesie.

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Dubstep statt Dildos »Saints Row IV« lässt die zweifelhafte Seite pubertierenden Humors hinter sich und wächst zu einem absurden Spielplatz für Videospiel-Fans. Bisher war die »Saints Row«-Reihe tatsächlich nicht viel mehr als ein bemüht humorvoller, aber etwas dreister »GTA«-Abklatsch. Wie im Genre-Vorreiter ging es darum, als Verbrecher Karriere zu machen. Doch während etwa in »GTA IV« Hauptdarsteller Niko Bellic ein illegaler Einwanderer vom Balkan ist und auch böser Humor hier immer geerdet wird, fand es »Saints Row III« lustig, eine Dildo-Gun zur Verfügung zu stellen und illegale Einwanderinnen als Prostituierte für die Hauptfigur arbeiten zu lassen. Humor ist ein schmaler Grad – »Saints Row« haute bisher tendenziell daneben. Mit dem vierten Teil macht die Serie nun manches anders, rettet sich in ein virtuelles Parallel-Universum und entdeckt eine neue Leidenschaft für Videospiele an sich. Dabei kann die hohe Schlagzahl der ersten Stunden nicht gehalten werden, aber es reicht locker aus, um die Vorgänger vergessen zu machen. Zur Story: Nach dem dritten Teil sind die Saints die Verbrecher-Könige der Stadt. Bei einem Einsatz gegen Terroristen gilt es im »Armageddon«-Style eine Rakete umzulenken – und beim Absturz im Oval Office zu landen. Fünf Jahre später ist die Hauptfigur Präsident der USA und es regiert der Spaß – zumindest solange, bis Aliens angreifen und ihn in eine erste virtuelle Umgebung im »Pleasantville«-Stil entführen. Aus dieser entkommt man, indem Chaos gestiftet wird und Polizisten erschossen werden. Schließlich landet der Spieler in einer großen virtuellen Umgebung, programmiert von den Aliens, dem eigentlichen Spielplatz von »Saints Row IV«. Und hier gibt es eine Menge zu tun: Aufträge, Minigames, kleinere Tasks – an praktisch jeder Ecke warten Aufgaben. Außerdem verbessert der Spieler durch das Ausführen bestimmter Tätigkeiten seine Fähigkeiten: Wer viel fährt, verbessert etwa seine Fahr-Skills. Nachdem man wie in »Crackdown« aber sehr schnell läuft und sehr weit und sehr hoch springt, wird das Fahren im weiteren Spiel immer weniger wichtig. Dies sind nur einige der Vorteile der auch im Spiel virtuellen Umgebung: Ein anderer ist der, dass es inhaltlich die Freiheit gibt, Chaos zu verbreiten und getötete Passanten oder Cops eben als Programme zu behandeln. »Saints Row IV« ist dementsprechend bunt und erinnert im Design zuweilen an 80er-Design wie kürzlich »Far Cry 3: Blood Dragon«. Viele Spiel-Elemente kommen einem darüber hinaus aus anderen Spielen bekannt vor – sie wirken aber nicht wie ein billiger Abklatsch, sondern eine Hommage an das Genre und Videospiele an sich – so macht »Saints Row IV« richtig Freude! Und am Ende ist dann die neue »Dubstep«-Gun (Gegner beginnen unkontrolliert zu tanzen) tatsächlich mindestens so lustig wie die Dildos. 08/10 Martin Mühl

Saints Row IV (Volition/Deep Silver); Xbox 360 (getestet), PS3; www.saintsrow.com 071

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Rez Brothers: A Tale Of Two Sons 01 (Starbreeze / 505); XBLA; de.brothersthegame.com — »Brothers« erzählt die im Untertitel erwähnte Geschichte zweier Brüder. Nach dem Tod der Mutter wird auch der Vater krank und die beiden brechen auf, um Inhaltsstoffe für die richtige Medizin zu finden. Dabei steuert der Spieler die beiden praktisch immer gleichzeitig. Je ein Stick für einen Bruder und ein Schulter-Trigger als Aktions-Taste. Das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern erfordert auch ein gehöriges Maß an Konzentration. Um nicht zu überfordern, sind Rätsel und Aufgaben ziemlich einfach ausgefallen und so gut wie nie Grund, länger zu überlegen. Auch ist der Weg der Brüder überraschend linear und es zahlt sich sehr selten aus, die Gegend zu erkunden. Umso ansprechender sind Grafik und Atmosphäre ausgefallen, die in ihrer sonnigen Leichtigkeit irgendwie an die ersten Stunden von »Fable« erinnern. »Brothers« dauert nur ein paar Stunden und überrascht beinahe mit seiner Schlichtheit. Trotzdem begeistert das Spiel mit der frischen Steuerung und der stilvollen Umsetzung der Geschichte des Brüderpaares. 08/10 Martin Mühl

The Bureau: XCOM Declassified 02 (2K Games); PS3, Xbox 360 (getestet), PC — Der Flair der 1960er erfüllt diesen technisch mageren, aber stimmungsvoll und recht solide aufgebauten Taktik-Shooter im »XCOM«-Universum. 06/10 Harald Koberg

Divinity: Dragon Commander 03 (Daedalic); PC; www.divinitydragoncommander. com — Der ambitionierte Strategie-Mix hat offensichtliche Schwächen, überzeugt dafür jedoch mit Stil und einigen frischen Ideen. Und ganz ohne Rollenspiel-Elemente kommt auch dieser »Divinity«Teil nicht aus, der noch dazu der bislang beste ist. 07/10 Stefan Kluger

Killer Is Dead 04 (Deepsilver); Xbox 360 getestet, PS3; www.loveandkill.at — Suda51 ist zurück! Der kreative Kopf von »No More Heroes« und »Killer 7« präsentiert mit »Killer Is Dead« den inoffiziellen Nachfolger von Letzterem und gewohnt skurril-stylische Action. Mondo Zapper, Auftragskiller und Frauenheld, muss die Welt retten. Genauer gesagt den Mond, dessen dunkle Seite unaufhörlich Dämonen ausspuckt. Rechts sein Katana, sein linker Arm als eine bionische Waffe, metzelt und schießt sich Mondo durch zwölf Kapitel, die jeweils eine eigene Kurzgeschichte erzählen. Obgleich das Kampfsystem recht simpel geraten ist, birgt es genügend Feinheiten, um Button-Mashing zu verhindern. Es gilt nicht nur, eine probate Strategie für die verschiedenen Feinde zu entwickeln, auch das Konter- und Finishing-System will gelernt sein. Das Deckungssystem gegen schießwütige Gegner ist dann aber nicht ganz so gelungen: Mondo verharrt dabei in der Hocke – ein gefundenes Fressen für in der Nähe stehende Feinde. Auch die Kamera hat ihre Schwächen: in engen Räumen oder wenn Kämpfe nah in einer Wand stattfinden, leidet die Übersicht. Der normale Schwierigkeitsgrad ist gewohnt hoch; wem es zu heftig ist, spielt eben auf easy. Wer stirbt, startet vom letzten 01

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Checkpoint oder lässt sich eine Herzmassage von seiner Freundin verpassen – natürlich in gewohnt abgefahrener Art und Weise. Waffen-Upgrades und die Erweiterung von Mondos Fähigkeiten gehen genretypisch vonstatten, Nebenmission nicht. Als Teilzeit-Gigolo werden Frauen aufgerissen, die bestenfalls nicht nur mit Mondo nach Hause gehen, sondern auch neue Waffen herausrücken. Das Ganze läuft in der von Suda51 gewohnt dreisten und stark überzeichneten Gangart ab. Grafisch ist »Killer Is Dead« über jeden Zweifel erhaben. Der Style sucht seinesgleichen und die Zwischensequenzen könnten aus einem wunderschönen Zeichentrickfilm stammen. Auch wenn das Gameplay nicht ganz mit der gelungenen Präsentation mithalten kann, ist der Titel japanophilen Spielern wärmstens zu empfehlen. 08/10 Stefan Kluger Pikmin 3 05 (Nintendo); Wii U, pikmin.nintendo.com — Im Zusammenhang mit der Wii U von einem Pflichtspiel zu sprechen ist müßig. Immerhin ist das Angebot an lohnenden Titeln für Nintendos neueste Konsolengeneration selbst bei penetranter Kurzsichtigkeit gut überschaubar. Aber die Pikmin haben schon auf der Wii bezaubert und nun feiern sie im Glanz der neuen grafischen Möglichkeiten ihren Konsoleneinstand. Mit Erfolg. Wieder sind es außerirdische Minimenschen, die, diesmal auf der galaktischen Suche nach Nahrung, auf die Pikmin treffen. Pikmin, das sind Pflanzenwesen die voller Freude nach der Pfeife der Spieler tanzen um sich zwecks Arbeitsaufträgen auf diverse Gegner und Hindernisse werfen zu lassen. Und damit alles nicht zu simpel ist, gibt es verschiedene Arten dieser Wesen, jede mit ihren ureigenen Vorzügen und Fertigkeiten. Und dann gibt es da noch die unablässig notwendige Nahrungssuche und den Zeitdruck, das Tagwerk zu beenden, bevor die Sonne verschwindet. Denn einsame Pikmin werden in der Nacht zur Beute der jagenden Tierwelt. So gibt es während den Erkundungen des Forscherteams keinen Zeit zum durchatmen, denn neben der (anfänglichen) Nahrungsknappheit und der Pikmin-Aufzucht müssen die Kollegen gefunden und das Raumschiff repariert werden. Große Neuerungen zu den Vorgängern leistet sich Nintendo dabei nicht. Gerade einmal ein paar neue Sorten von Pikmin und die Möglichkeit, die bunte Schar auf bis zu drei Crew-Mitglieder aufzuteilen; sonst bleibt fast alles beim Alten und das ist gut so. Lediglich den so naheliegenden Koop-Modus während des Hauptabenteuers hätten die Entwickler noch einfügen sollen, um das Spiel um eine weitere Erfreulichkeit zu bereichern. Dafür gibt es aber zwei durchaus amüsante Mehrspielervarianten abseits der Handlung. Von der etwas gewöhnungsbedürftigen Steuerung höflich abgesehen, ist hier ein durchwegs solider Titel entstanden, der über viele Stunden immer mehr ins Spiel hineinzieht und mit einigen gut aufgebauten Rätseln überzeugt. Einzig die herzige Optik könnte für Uninformierte irreführend sein: Kinder werden hier zweifelsfrei überfordert. 08/10 Harald Koberg

Project X Zone 06 (Namco Bandai); 3DS; www.namcobandai.de — So charmant sich »Project X Zone« präsentiert, so dünn 05

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ist letztlich seine Substanz. Capcom-Fans greifen natürlich trotzdem zu, schließlich gibt’s nirgendwo sonst so viele verschiedene Helden auf einmal. 06/10 Stefan Kluger

Rayman Legends 07 (Ubisoft); Xbox 360 gestetet, PS3, Wii U, Vita, PC; www.raymanlegends.com — »Rayman Legends« zeigt, wie Plattformer aktuell aussehen können: Das Level-Design ist großartig und vielseitig, an schönen Details wurde nicht gespart und darüber hinaus gibt es jede Menge zu tun. In sechs Welten gilt es jeweils an die zehn Level zu meistern und darin nicht nur zum Ausgang zu kommen, sondern auch jeweilse zehn Teenies zu befreien – zwei davon in teilweise versteckten Extra-Welten. Dazu kommen dann noch Time-Challenges, Mini-Games und einige Multiplayer-Aufgaben. Denn nicht nur auf Nintendos Wii U, sondern auf allen Plattformen gibt es spezielle Level, die extra für Mehrspieler gemacht wurden. Während die Grundprinzipien klassischer Jump’n’Run-Games beibehalten wurde und es in erster Linie darum geht, zu hüpfen, Gegenstände einzusammeln und zwischendurch Kämpfe zu überstehen, überzeugt »Rayman Legends« mit viel Liebe zum Detail und ein paar feinen Ideen. Im Gegenzug wird von den Spielern an mancher Stelle auch einiges verlangt und es ist nicht per se gegeben, dass alle Level auf Anhieb gemeistert werden. 09/10 Martin Mühl

The Wonderful 101 08 (Platinum / Nintendo); Wii U; www.thewonderful101. nintendo.com — Ursprünglich sollten die Superhelden bereits zum Launch für Recht und Ordnung sorgen. Mit gehöriger Verspätung erscheint nun »The Wonderful 101« endlich für Wii U. Das Abenteuer beginnt, als der Schulbus Ziel eines Luftangriffs wird. Was die verängstigten Schüler bis zu jenem Zeitpunkt nicht wussten: ihr Lehrer ist Wonder Red, Superheld der Sentinels, Beschützer der Erde. Gekämpft wird gegen feindliche Roboter, die von klein bis haushoch in allen Größen vorhanden sind. Gegen die besonders großen Brocken helfen sogenannte Unity Morphs: Mehrere Superhelden verschmelzen temporär zu besonders mächtigen Waffen. Das Touchpad der Wii U kommt dabei oftmals zum Einsatz, sowohl in Kämpfen als auch bei diversen Rätseln müssen geometrische Figuren darauf gezeichnet werden. Die Geschichte rund um die Superhelden ist charmant erzählt und gut in Dialogszenen eingebettet. Kurzweilige Geheimlevel und ein Mehrspielermodus, der bis zu fünf Gamer unterstützt, erweitern das Abenteuer ordentlich. Die knallbunte, liebevolle Welt erstrahlt in HD, die (nicht frei justierbare) Kamera hinkt dem Spektakel manchmal etwas hinterher. Treibende, zum Setting sehr stimmige Musik und die charmanten Akzente der verschiedenen Superhelden verstärken die ohnehin schon feine Atmosphäre. Auch wenn der Einsatz des Touchpads zeitweise die Nerven strapaziert, präsentiert sich »The Wonderful 101« als ein rundes Spielvergnügen und weckt wohlige Kindheitserinnerungen an jene Tage, als so manches Wochenende mit Zeichentrickserien im Kabelfernsehen begann. 08/10 Stefan Kluger 08

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BILD barbara kruger, sammlung essl privatstiftung (franz schachinger, wien), eva engelbert, eigensinnig schauraum für mode und fotografie, vbk wien 2013, olivia mihaltianu 2013, romuald hazoumé

Eine der bedeutendsten Gegenwartskünstlerinnen der USA, Barbara Kruger, die 2005 auf der Biennale in Venedig den »Goldenen Löwen« für ihr Lebenswerk erhielt, kommt nach Bregenz. In ihrer Einzelausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt Kruger eine breite Palette von Arbeiten aus ihrer Medienvielfalt, sowie eine eigens für die Ausstellung angefertigte Installation, passend zur besonderen Architektur von Peter Zumthor. Vernissage: 18. Oktober, 19.00 Uhr; Ausstellung: 19. Oktober 2013 bis 12. Januar 2014 Bregenz, Kunsthaus Bregenz

Barbara Kruger

TERMINE KULTUR

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TERMINE

KULTUR

Sehnsucht Ich

BILD barbara kruger, sammlung essl privatstiftung (franz schachinger, wien), eva engelbert, eigensinnig schauraum für mode und fotografie, vbk wien 2013, olivia mihaltianu 2013, romuald hazoumé

Die Ausstellung verhandelt anhand von zeitgenössischen Kunstwerken aus der Sammlung Essl die vielfältigen Strategien künstlerischen Ausdrucks. Gezeigt werden Malereien österreichischer und internationaler Künstler, ergänzt durch ausgewählte Skulpturen. Zum ersten Mal der Öffentlichkeit werden die großformatigen Gobelins des amerikanischen Fotorealisten Chuck Close präsentiert. Ausstellung: 27. September 2013 bis 12. Januar 2014 Klosterneuburg, Essl Museum

Vienna Art Week Bereits zum neunten Mal findet die Vienna Art Week statt, ein Kunstfestival, das längst wichtiger Bestandteil des künstlerischen Geschehens in Wien ist. Unter dem Titel »Projecting Worlds« werden heuer Themen und Positionen aufgegriffen, die sich mit der identitätsstiftenden Funktion des künstlerischen Ausdrucks beschäftigen. 2013 steht im Mittelpunkt der Vienna Art Week der Künstler als Schöpfer von Werken und als Erzähler seines eigenen Kosmos. Ausstellung: 18. bis 24. November Wien, verschiedene Locations

Dominik Debert In der ersten Einzelausstellung von Dominik Debert werden die Auswirkungen von staatlicher Regulierung der Arbeits- und Öffnungszeiten auf Stadtlandschaften in und um Wien gezeigt. Fotografisch dokumentiert sind jene Knotenpunkte der Wirtschaft, an denen Informationen, Waren und Dienstleistungen erbracht und getauscht werden und wo normalerweise Trubel und Chaos herrscht. Vernissage: 10. September, 19.00 Uhr; Ausstellung: 11. September bis 5. Oktober 2013 Wien, Eigensinnig – Schauraum für Mode und Fotografie

Schwanzer – West – Zobernig Ursprünglich Skulpturenhof, aktuell Skulpturengarten, zeigt Arbeiten von Franz West auf von Heimo Zobernig eigens dafür geschaffenen Betonplatten. Durch einen einfachen Eingriff mittels flacher Podeste, die Zobernig auf der gleichen Höhe mit dem Bassin bringt, bezieht er die starke Architektur von Karl Schwanzer als musealen Raum in die Präsentation der Skulpturen von Franz West ein. Ausstellung: bis 10. November Wien, 21er Haus

Olivia Mihaltianu In der Factory der Kunsthalle Krems stellt die rumänische Künstlerin Olivia Mihaltianu frühe wie auch neue Werke aus, die als Artist In Residence in Krems entstanden sind. »Winyan Kipanpi Win / The Woman Who Was Waited For«, die zentrale Arbeit, versteht sich als vielschichtige Selbstinszenierung Mihaltianus vor und hinter der Kamera. Geprägt von ihrer Herkunft, des postsozialistischen Rumänien, beschäftigt sie sich mit Fragen der Identität sowie der Entwicklung des Frauenbildes. Ausstellung: bis 29. September Krems, Kunsthalle

Romuald Hazoumé Mit der in Afrika gegründeten NGO »Beninese Solidarity with Endangered Westerners«, hat sich der afrikanische Künstler Romuald Hazoumè als Ziel gesetzt, armen Menschen in Europa zu helfen. Somit dreht er plötzlich die gewohnten Verhältnisse einfach um und eröffnet völlig neue Perspektiven auf die Dynamik der postkolonialen Beziehungen. Vernissage: 21. September, 15.00 Uhr; Ausstellung: 21. September 2013 bis 12. Januar 2014 Graz, Kunsthaus / Space01 075

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Nach fünf Jahren Pause geht es mit »Verve Remixed: The First Ladies« endlich weiter. Grandes Dames wie Ella Fitzgerald, Nina Simone, Billie Holiday oder Astrud Gilberto im musikalischen Têteà-tête mit Kaskade, RAC, Bassnectar, Toro Y Moi, Pretty Lights u.v.a.

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T ermine

Christoph Schirmer, 2013

Kamen Stoyanov, Future Idea, 2013

Bike your dream

Unexpected Encounters

Nachdem Wien im Juni 2013 zur Hauptstadt der neuen Trendsportart »Cycling« ernannt wurde, lud Viktor Bucher die Männerrunde Wolfgang Burtscher, Rainer Ganahl, Michael Gumhold, David Moises, Daniel Kraut, Peter Sandbichler, Christoph Schirmer und Klaus Dieter Zimmer ein, um in seinem Projektraum eine Ausstellung zu diesem Thema abzuhalten. Die Zugänge erstrecken sich von Referenzen zu Alfred Jarry über Neuinterpretationen von Duchamps »Roue de Bicyclette« bis hin zu geografischen Geländeuntersuchungen. Eröffnung: 3. September, Ausstellung: bis 28. September Wien, Galerie Viktor Bucher

In Zusammenarbeit mit einem Themenschwerpunkt des Steirischen Herbst, den »Liaisons Dangereuses«, bei denen es um die Ungewissheit unseres »Age of Disaster« und um Strategien, sich daraus zu retten geht, beschäftigt man sich bei Camera Austria mit unerwarteten Begegnungen. Was passiert, wenn sich die Gesellschaft nach tiefgreifenden Umbrüchen neu ordnet? Wie re-normalisiert man sich nach dem Zustand des Aufruhrs – und wie funktioniert Normalisierung einer Gesellschaft überhaupt? Die Ausstellung sieht sich in Fortsetzung von »Art is Concrete« aus dem Jahr 2012. Eröffnung 21. September, Ausstellung: bis 17. November Graz, Camera Austria

Oberösterreich

Tirol

Supervision Atelierhaus Salzamt Linz Eröffnung 25. September, bis 31. Oktober Foto Andraschek und Töchter Kunstraum Goethestrasse, Linz bis 31. Oktober

Salzburg

TEXT Margit Emesz BILD christoph schirmer 2013, kamen stoyanov – future idea 2013

G a lerien

Peter Kogler – Hans Kuppelwieser Galerie Lössl, Gmunden Eröffnung 27. September, bis 17. November Barbara Huber. Erst als der Käfig Farbe bekannte Galerie Eboran, Salzburg Eröffnung 25. September, bis 25. Oktober Koos Breukel Galerie Fotohof, Salzburg Eröffnung 12. September, bis 11. November Henrik Eiben Galerie Ruzicska, Salzburg Eröffnung 28. September, bis 9. November Schmiede / Schnittstelle. ArtLab für neue Medien Kunstraum Pro Arte, Hallein Eröffnung 18. September, bis 5. Oktober Mara Mattuschka Galerie im Traklhaus, Salzburg bis 28. September

Steiermark

Erich Lessing. Magnum Photos Atelier Jungwirth, Graz bis 31. Oktober We are living in a beautiful world Akademie Graz Eröffnung 17. September, bis 11. Oktober

Oswald Oberhuber Galerie der Stadt Schwaz Eröffnung 21. September, bis 31. Oktober Fisslthaler, Holzer, Jourdan, Koger, Lux, Neumann, Westphalie Kunstpavillion, Innsbruck bis 19. Oktober

Wien

Max Peintner. Zuschlag Mürz. Georg Kargl Box Eröffnung 3. September, bis 5. Oktober Anja Hirtzberger. Chinese Fast Food Galerie Reinthaler / Photoatelier Setzer-Tschiedel Eröffnung 11. September, bis 19. Oktober Mobilität II – Grenzen Fotogalerie Wien bis 28. September Anna Jermolaewa Galerie Engholm Wien bis 3. Oktober Clemens Wolf Galerie Steineck bis 4. Oktober Heimo Zobernig Galerie Meyer Kainer bis 4. Oktober Svenja Deininger. Pendant Galerie Martin Janda bis 5. Oktober Petar Mirkovic. Charcoal Drawings Galerie Feichtner Eröffnung 10. Oktober, bis 9. November

Kunsthalle Wien

Museumsquartier/ Karlsplatz Salon der Angst Ausstellung 6/9 13 – 12/1 2014 #ANGST Angst kennt jeder. Jeder weiß wie sie sich anfühlt. In Worte fassen lässt sich das Gefühl hingegen schwer. Die Künstler/innen der Ausstellung Salon der Angst finden einen intuitiven Zugang zu einem Thema, das sich als Reaktion auf jene Aspekte der Gegenwart präsentiert, mit denen wir nicht umzugehen wissen. Diese Form von Angst – befördert von Anlässen wie 9/11, der Finanzkrise und den sozialen und politischen Verschiebungen im Zuge der Globalisierung – bildet das Zentrum der Ausstellung. Alle Infos zu Ausstellung und Programm unter: www.kunsthallewien.at

Kunsthalle Wien Museumsplatz 1 1070 Wien, Austria www.kunsthallewien.at www.facebook.com/ KunsthalleWien www.twitter.com/ KunsthalleWien

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TERMINE

FESTIVALS

4 Fragen an Bernhard Steirer (Elevate Festival) Das Thema des Elevate ist heuer »Elevate Open everything?« Wie ist diese Frage gemeint? »Open« an sich ist ja kein Wert, vor allem nicht im Guten. Es geht also um die allseits auftretende Ambivalenz: Transparenz und Offenheit vs. Datenschutz und Menschenrecht auf Privatsphäre. Das gilt nicht nur für Digitales, sondern auch für die Hardware. Open Culture ist heuer ein viel behandeltes Thema. Wie geht ihr es an? Unser Unterscheidungsmerkmal besteht in dem konkret politischen Anspruch, für den das Elevate Festival seit jeher steht. Diskursiv beleuchten wir vor allem gesellschaftspolitisch relevante Fragestellungen und Themen. Auch der öffentliche Raum in Graz und das freie Kartensystem OpenStreetMap spielen eine wichtige Rolle. Ihr nutzt verstärkt offene Finanzierungsmodelle. Geht es heute überhaupt noch ohne diese? Unser Publikum stärker und direkter in die Finanzierung des Festivals mit einzubeziehen bedeutet für uns, diesem einerseits einen Mehrwert zu bieten – was im Fall der Awards-Schokolade mit dem Genuss einer einzigartigen und fair produzierten Schokolade zu tun hat und bei der »Elevate Supporter!«-Initiative mit einem gesteigerten Serviceangebot beim Festival. Aus diesem Grund sehen wir die genannten Modelle auch nicht als notwendiges Übel, sondern als Bereicherung. Wie wirkte sich das neue Veranstaltungsgesetz auf das Elevate aus? Bis jetzt hat es noch keine Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir das Festival durchführen wollen. Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass wir fast ausschließlich genehmigte, offizielle Locations bespielen und von dem her natürlich alle erforderlichen Auflagen erfüllen. 23. bis 27. Oktober Graz, verschiedene Locations

TEXT LUISE WOLF BILD BERNHARD STEIRER

Stefanie Wuschitz »Eine andere Stadt ist möglich« (Gaswerke Leopoldau) und ein Readymade-Visual des kolumbianischen Designers Jose Duartes.

Vienna Open Wieder alles offen, alles rund um die Makers, das Sharing und die Culture der Creatives, beim Vienna Open. Dabei dreht sich das Festival um ein paar sehr interessante Entwicklungen, für die man sich auch bei all dem lässig-penetranten English Speak interessieren sollte. »Open Design, Shared Economies und Dritte Industrielle Revolution« – so lautet das Leitthema des Festivals. Also quasi eh das, was wir in unserer letzten Coverstory zu 3D-Druck behandelt haben. Nur breiter, schöner, bunter und mit viel Anschauungsmaterial. Einen Wettbewerb gibt es auch, dessen Gewinner in den vier Kategorien Form, Food, Fashion und Fusion bekanntgegeben werden. Offen ist und geteilt wird alles, finden sich doch hier auch Remakes und Gemeinschaftsprojekte, alle Designs werden zudem unter Creative Commons-Lizenzen veröffentlicht. Bitte bedienen. 17. bis 31. Oktober Wien, Westbahnstraße 22 / Zieglergasse und Neubau (Pop-up Store)

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TERMINE

FESTIVALS »Democracy (work in progress)« ist ein musikalisch-szenischer Aufstand gegen die Mächtigen.

15 ... so viele Minuten sollen die Theaterstücke nicht überschreiten, welche Mimamusch im Wettbewerb ausschreibt und für das Festival für Kurztheater in Graz 2014 auswählt. Das Thema ist: »Heute alles, morgen nichts«. Einreichungsfrist ist der 15. September 2013.

Wien Modern Unter dem Motto »Tanz – Wien Modern bewegt« widmet sich das vor 35 Jahren von Claudio Abbado initiierte Festival heuer nicht nur bewegten Noten. Zu komplexer, moderner Musik soll es körperlich rege zugehen. Deshalb soll und darf hier auch der Club nicht fehlen – im großartigen, vielleicht abgewohntesten Wiener Kaffeehaus, dem Café Heumarkt, sollen die notorischen DJ-Kollektive Tingel Tangel und Zirkus Maximus für Beats sorgen. Aber auch in den klassischen Clubs Fluc und Grelle Forelle wird ein- und ausgekehrt. 24. Oktober bis 15. November Wien, verschiedene Spielorte

Szene Bunte Wähne

TEXT Luise wolf BILD Volker Schmidt, Konstantin Lipatov

Asgar / Gabriel, »Dionysus or Schizophrenia«, 2013. Öl auf Leinwand, 170 cm � 290 cm. (Galerie Hilger_curated by Lucie Drdová)

Das 23. Theaterfestival der Szene Bunte Wähne wird sich heuer seine eigene »Stadt der Träume« bauen. Für das Thema interessierte sich das Theater durch einen Druck des Niederösterreichers Leopold Paur anno 1784, darauf zu sehen: eine utopische Metropole in der Ebene zwischen Horn und Altenburg. Wie gestaltet sich unsere Traumstadt heute? 20. bis 29. September Niederösterreich, verschiedene Spielstätten

Mimamusch

Das »skurrile Strategietheater« – auch als Festival für Kurztheater bekannt – kommt nach Wien, um heuer seine Schauspieler ans Publikum zu versteigern, welches von diesen dann entführt wird. Ja, ganz recht gehört. Das Publikum wird Teil des skurrilen Spiels. Außerdem gibt es Showeinlagen, Lesungen und eine Konzertreihe. Lassen Sie sich entführen. 27. September bis 26. Oktober Wien, Ragnarhof

Kontraste

Curated by »Why painting now?« – Der Kuratoren-Parcours in den Galerien Wiens beschäftigt sich in diesem Jahr mit aktuellen Fragen der Malerei und Fragen über Malerei. Ziel ist es, neuartige Wege der Kooperation zwischen hiesigen Galeristen und der internationalen Kunstszene zu fördern, heuer in 20 Wiener Galerien. Unterstützt wird das Ganze von der Wiener Kreativagentur departure. Ah ja, Kunst gibt es ja auch zu sehen. Meistens Malerei. Weil die übrigens leichter zu transportieren und an die Wand zu hängen ist als etwa ein überfettes Haus von Erwin Wurm. 11. Oktober bis 14. November Wien, verschiedene Galerien

»Dark As Light« – so der schwergewichtige Titel des zehnten Kontraste Festival in Krems, das sich mit Avantgarde-Filmen, Konzerten, Installationen und Performances hoch hinaus bewegt. Vertikales Kino, Klangraumexperimente oder neues Licht für die Königin der Instrumente, der Orgel, sind heuer die kontrastreichsten Themen. 10. bis 13. Oktober Krems, diverse Locations

Blickfang

Die internationale Designmesse für Möbel, Mode und Schmuck kommt heuer mit 130 Ausstellern ins MAK. Besonderes Augenmerk fällt auf Lokalkolorit und sehr individuelle Stücke – Vielfalt statt Massenproduktion. Zum Zehnjährigen hat man heuer zudem erstmals den Vienna Design Herbst ausgerufen. 18. bis 20. Oktober Wien, MAK 079

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Porgy & Bess Riemergasse 11 | 1010 Wien

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TERMINE

MUSIK

Nice price! < 26 Jahre EUR 10,– Vollpreis EUR 18,–

13.10. So | 20:30 | All that Jazz Polychrome Sophie Hassfurther Saxophon Oguz Büyükberber Bassklarinette Thomas Stempkowski Kontrabass Wolfgang Reisinger Perkussion 19:15 | Meet the artists: Ute Pinter im Gespräch mit den Künstlern

17.10. Do | 20:30 | Fast Forward ensemble interface »Zwischenzone Ost« Bettina Danielle Berger Flöte Christophe Mathias Violoncello Anna D’Errico Klavier Agnieszka Koprowska-Born Perkussion

29.10. Di | 20:30 | Jazz & beyond The Recyclers Rustie ist eines der Aushängeschiilder der Musikszene Glasgows. Wir hosten den Floor.

E-Bass, Ngoni,

Harfe, Moog Traveler

Suburbia Festival

Schlagzeug, Perkussion © Ulrich Dertschei

Steve Argüelles

Suburbia ist Subkultur im urbanen Raum getarnt als Festival. Über 50 verschiedene Acts kommen in nur zwei Tagen für ein äußerst abwechslungsreiches Programm zwischen internationalen Krachern und heimischen Clubverstärkern in die Ottakringer Brauerei. Der Fokus bleibt bei all der Bandbreite an unterschiedlichen Styles immer am Dancefloor. Erstaunlich, was man in eine Location quetschen kann und trotzdem nicht beliebig rüberkommt: Man kann sich zwischen Rustie, Peter Kruder, Onra, Schlachthof Bronx, Pow Wow, Tube & Berger, Rodney Hunter und gleichzeitig immer auf der Butterseite bewegen. 11. bis 12. Oktober Wien, Ottakringer Brauerei

Luise Pop Mi | 20:30 | GARAGE X

23.10.

20:00 Einlass EUR 12,– | 14,– (VVK | AK)

Petersplatz 1, 1010 Wien

Jeunesse – musik.erleben

Schauen aus wie aus einem Woodkid-Video, machen aber Americana-Alternative-Rock.

Deerhunter saison 2013|14 klassik jazz world neue musik kinderkonzerte

www.jeunesse.at Jeunesse Kartenbüro . Bösendorferstraße 12, 1010 Wien im Musikvereinsgebäude . Tel: (01) 505 63 56 E-Mail: tickets@jeunesse.at . Mo – Fr, 9:00 – 19:30 Uhr 074-081_Termine.indd 80

Aufs Erste riecht es nach Urin, nach feuchter Kälte und billigen Teppichen, in denen schon unzählige Male Bier und Whisky aufgetrocknet ist. Nächtlicher Garagenrock nennt Chef-Songschreiber Bradford Cox diese neue Note in Deerhunters Sound. Das jüngste Album »Monomania« verbindet rüdes Chaos mit fein aussortierten Melodien. Da rumsen einerseits die Gitarren wie bei den Pixies, Pavement oder Sonic Youth. Deerhunter sind zu einem der ergiebigsten Trümmerhaufen der US-Rockmusik geworden. Ein lebendes Beispiel dafür, welche Beständigkeit der amerikanische Alternative-Rock nach wie vor hat. 27. Oktober Wien, WUK

TEXT FRANZISKA TSCHINDERLE BILD mads perch, Robert Semmer, www.thomasdegen.de, Christoph Pöll, Robert Henke, Anders Nydam

Benoît Delbecq E-Piano Christophe »Disco« Minck

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TEXT FRANZISKA TSCHINDERLE BILD mads perch, Robert Semmer, www.thomasdegen.de, Christoph Pöll, Robert Henke, Anders Nydam

TERMINE

MUSIK

Gustav Ab September startet im Brut eine neue monatliche Konzertreihe: »Brutto« holt Kaliber wie Die Goldenen Zitronen, Hercules & Love Affair oder Die Vögel in den einzigartigen Raum des Brut, soll aber auch das Format Konzert für performative, interdisziplinäre Ansätze öffnen. Eröffnet wird mit Gustav aka Eva Jantschitsch, zuletzt zu sehen beim Gewinn eines österreichischen Filmpreises für beste Musik oder in der Doku »Oh Yeah, She Performs«. 25. September Wien, Brut

Bilderbuch Bilderbuch drücken dem österreichischen Indie-Rock einen eigenen Charme auf: Album Nummer Eins zappelte himmelhochjauchzend mit Aufforderungen wie »Schwing deine Beine, Baby!« dem Gitarrenpop entgegen, »Pest im Piemont« verebbt in klaustrophobischen HorrorSzenarien und die neue Single »Plansch« hat ein geniales Slow-MotionVideo bekommen und wurde von der ZiB-Redaktion zum »Sommerhit« erkoren. Ach, ORF. Wie wir. 16. September Wien, WUK

Moozak Festival Zum dritten Mal in Folge präsentiert das Wiener Label Moozak sein gleichnamiges Festival: Heuer erstmals in einer zentraleren Location, im Fluc, wo es räudigerweise ja sehr gut hinpasst. Es werden wohl wieder Synths aufgebohrt, Laptops verschweißt oder anderweitig grandioser Lärm erzeugt. Vorträge und ein Ausstellungsbereich runden das Festival der Klangkunst ab. 18. bis 19. September Wien, Fluc

Anna von Hausswolff Sie ist 26, Schwedin, hat einen berühmten Vater und trägt gerne BurzumT-Shirts. Ihre Musik ist verträumt-melancholischer Piano-Folk zwischen Harfen, Mundharmonika, Orgel und Trommelklängen. Wenn Anna von Hausswolff dazu singt, klingt das ein bisschen wie Kate Bush, vorrangig aber einfach nur schön. 9. Oktober Arena Wien — 12. Oktober Graz, Explosiv

Geneva Jacuzzi

Geneva Jacuzzi klingt irgendwie aus der Zeit gefallen. Krachige Italo-Disco, minimale Synth und krautige Rhythmen: Der Sound dieser Avantgarde-Künstlerin bedient sich an den Trümmern der 80er Jahre, ähnlich wie das auch John Maus oder Ariel Pink machen. Mit Letzterem läuft angeblich was. Nächtelange Gespräche über extravagante Mode, Tanz und jede Menge verwirrender Lo-Fi-Pop vermutlich. 17. Oktober Wien, Das Werk

MATZE KNOP 19. September 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

KVELERTAK 09. Oktober 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

STERMANN 18. Oktober 2013

Theater am Kornmarkt, Bregenz

SEPALOT live 18. Oktober 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

HOFFMAESTRO 19. Oktober 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

JOSEPH ARTHUR 24. Oktober 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

MOTHER’S CAKE 25. Oktober 2013

Washed Out Ernest Greene vertont geballte Emotionen zu waberndem Chillwave und Dream-Pop Klängen. Sein kürzlich erschienenes zweites Album »Paracosm« klingt wie ein Tagtraum in Zeitlupe: Auch wenn einem die Realität wieder einholt, ein süßer Nachgeschmack von Glückseligkeit bleibt. 16. Oktober Wien, Flex

Die Flittchenbar ist ein Überbleibsel aus den Berliner 90ern und seit 2010 wieder eine offizielle Veranstaltung. Jetzt wird diese Showidee erstmals nach Wien exportiert: Nach LivePerformances von Gustav, Andreas Spechtl und Nino aus Wien darf beim Quiz »Erkennen Sie die Melodie« mitgeraten werden. 26. September Wien, Fluc

& Milk+

Carinisaal, Lustenau

GINGA

26. Oktober 2013

Carinisaal, Lustenau

WEEKEND

+ Persteasy & Fist

02. November 2013

Carinisaal, Lustenau

CRYSTAL FIGHTERS 07. November 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

SKINDRED

Flittchen Bar in Wien

& GRISSEMANN

+ Crossfaith & Viza

08. November 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

MGMT MGMT haben Hymen wie »Time to Pretend« oder »Kids« geschrieben, Songs die aus der internationalen Indie-Szene nicht mehr wegzudenken sind. Das ging der Band bekanntlich auch am Arsch. Im Oktober wird das brandneue dritte, sicher herrlich verschrobene Album im Gasometer präsentiert. 4. Oktober Wien, Gasometer

THE ANSWER 10. November 2013

+ Tracer

Conrad Sohm, Dornbirn

MACEO PARKER 12. November 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

Puder

illustration Jakob Kirchmayr

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nlängst näherte man sich mir mit dem Vorschlag, der perfider Weise aber ein als Vorschlag getarnter Befehl war, etwas über die Pubertät zu schreiben. Dem komme ich ungern nach. Ungern deswegen, weil ich Auftragsarbeiten hasse. Ich mache es dann trotzdem immer, da ich leider nicht »Nein« sagen kann. Das hab ich nie gelernt. Zwar entwickelte ich über die Jahre einige griffige Strategien, um unerwünschte Arbeit und blöde Fremdideen von mir fern zu halten. Ich verlange, wenn jemand etwas an mich heran trägt, was ich nicht machen will, einfach eine Unsumme Geld. Ein Abschreckungshonorar. Allein, es nützt nicht immer, weil sich immer irgendwer einbildet, ich sei super. Dabei bin ich doch nur ein von Selbstzweifeln zernagter Suppenkaspar, der dann sein eigenes Geld eintreiben gehen kann und noch mehr unnötige Arbeit hat. Da fällt mir gerade etwas ein. Wenn dieser Text erschienen sein wird, ist man mir erstmals ein erkleckliches Sümmchen im vierstelligen Eurobereich schuldig. Meine Zahlungserinnerungen sind wohl zu höflich formuliert. Da wird es Zeit, eine unmissverständlichere Mahnung zu formulieren. Da braucht es jemand dem Anschein nach auf die ganz, ganz harte Tour. An dieser Stelle kann man sich jetzt bitte eine kleine Überblendung oder einen Bühnenumbau hinterm Vorhang oder Ähnliches denken. Es geht gleich weiter. Dann wird erzählt, was ich wieder Dummes gemacht habe. Aber mir fehlen im Moment die sprachlichen Mittel, einen ordentlichen Übergang zu fabrizieren, weil ich fürchterliches Darmgrimmen habe. Der gurrende Blubberbuh, den ich gerade in die Freiheit gelassen habe, hatte ein bisschen Land im Schlepptau. Und obgleich ich meist für alle Eventualitäten gerüstet bin, die leicht angegackte Unterhose hat mich dann doch überrascht. Den säumigen Herren Verlagsmenschen habe ich jedenfalls ein herzliches »Fuck off« auf die Bürotür gesprüht. Natürlich ist das kindisch, aber sie wollten ja eine Pubertätskolumne und da muss man halt auch einmal zu drastischen Mitteln greifen dürfen und schauen, was passiert. Ein Fäkalwitzchen an unpassender Stelle einfach reingepresst ist da zu wenig. Um die Spuren zu verwischen, habe ich das übrigens mit der linken Hand auf die Tür gesprüht und mich gegen das semantisch logischere »Fuck you« entschieden. Und was noch viel härter war – ich habe den kleinen Spleen, beim Schimpfen und

Drohen und Fluchen Anglizismen zu vermeiden. Da meine malediktologischen Vorlieben durchaus bekannt sind, wäre es ein Leichtes gewesen, mich als Urheber ausfindig zu machen, wenn ich mich nicht des Englischen dabei bemächtigt hätte. Die Herren Verlagsmenschen haben übrigens bis jetzt keine Ahnung, dass ich der Schmierfink bin. Sicher, Sinn ergibt das keinen tieferen und mein Ziel wird auch nicht erreicht. Aber man kann mir ruhig glauben, dass ich viel lieber ein herzhaftes »Pudert euch – überweist endlich mal meine Kohle, bitte!« auf die Tür gesprüht hätte. Nur, die Gesellschaft ist noch nicht so weit, dass man jemanden mit derartigen Methoden abmahnen kann. Selbst wenn es noch sehr höflich formuliert ist. Aber so bin ich eben. Auch in emotionalen Ausnahmezuständen vergesse ich das kleine Einmaleins der zwischenmenschlichen Gepflogenheiten nicht. Vielleicht ist ja dies das Problem. Jetzt wäre wieder Zeit für einen Übergang. Das Pubertätsthema liegt zum Beispiel noch immer am Tisch. Ich hole mir jetzt einfach mal einen runter, vielleicht kommt was. Zwischenwichsen bringt Inspiration, denn dieser Kolumne fehlen noch Brüste und Muschis, Popschis und Schwänze und natürlich ein bisschen paranoide Weltverschwörung. Gibt es eigentlich eine App, die erfasst, wie viel man wichst? Diese Selbstoptimierungsdeppen messen ja sonst auch alles vom Pulsschlag über die Arbeitseffizienz bis zur REM-Phase mit ihren Smart Phones. Aber eine ordentliche Wichs-App, die Zeit, Kalorienverbrauch, Rubbelfrequenz, Erektionshärte, Ständerwinkel und abgegebene Samenmenge ermittelt, ist mir jetzt noch nirgends untergekommen. Gut, gesucht habe ich auch nicht, vielleicht gibt es da schon was auf diesem Sektor. Ich hab ein eigenes Notizbuch, in dem Derartiges penibel vermerkt ist. Dennoch würde ich jedenfalls gerne ganz offiziell die Hosen runter lassen und meine intimen Selbstliebedaten wie »hat heute um 22.23 Uhr 4.33 Minuten onaniert, einen durchschnittlichen Härtegrad von 8,9 erreicht, viermal Video und einmal Online-Plattform gewechselt, 373 Anschläge gemacht, 7 ml abgespritzt, 250 Kalorien verbrannt« mit der Welt teilen.

Ein digitaler Schwanzvergleich abseits von Längenangaben also. Ihr könnt meine Wichsdaten haben. Und ich sag es gleich, bei mir zählt Quantität mehr als Qualität. Ich mein, wem will man mit einer langen, ausgedehnten Wichserei was vormachen? Es gibt doch viel elegantere Wege des Selbstbetrugs als Orgasmusverzögerung bei der Eigenliebe. Bezüglich Schwanzlänge hatte ich unlängst übrigens eine äußerst merkwürdige Eingabe. Coca-Cola, das ist ein ziemlich großer Konzern aus den USA, der meines Wissens sogar global operiert und nicht wie Fritz-Cola oder Afri-Cola hauptsächlich in deutschen, österreichischen und schweizerischen Kleinlokalen, hat sein Dosenformat geändert. Die 0,33 l-Getränke sind nicht mehr in mickrigen, kurzen und fetten Alugebinden abgefüllt, sondern die Verpackung ist nun etwas länger geworden und erschlankt. Ich bin mir sicher, sie wurden an den globalen Schwanzlängendurchschnitt angepasst. Ich stütze diese Theorie, indem ich mich auf eine rezente Studie beziehe, die ermittelt hat, dass im Kongo Männer einen steifen Dödel von prallen 17,93 cm haben, die ich gerne auf 18 aufrunde, weil ich ein großzügiger Mensch bin. Die Südkoreaner bringen es im Schnitt erregiert auf 9,66 cm, die ich gerne abrunde, weil irgendwo hat auch meine Großzügigkeit ihr Ende. Das zähle ich zusammen, dividiere es durch zwei, und voila, 13,5 cm kommt raus. Misst man jetzt die neue Coladose nach, erhält man welchen Wert? Genau 13,5 cm. Sicher, mathematisch ist das nicht ganz einwandfrei, so einen Mittelwert zu errechnen, man müsst alle Länder dieser Welt berücksichtigen, oder zumindest alle, die von der Studie erfasst wurden. Tut man dies, kriegt man einen Weltenlümmel von 12,93 cm. Das ist jetzt nicht gerade ein saftiges Paket, reichte aber problemlos aus, um die neue, leere Cola-Dose zu pudern. Coke schafft Vertrauen und Selbstbewusstsein. Die sind nicht umsonst vorne dabei in Sachen Weltherrschaft. Die wissen, wie man spielt. Nächstes Mal schreib ich übrigens über Muschis. Da hab ich auch was Pubertäres im Talon.

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