PARTYS ALS KUNSTVERMITTLUNG — Mehr als Feiern
Raus aus dem Elfenbeinturm Tanzen, Feiern, Gegenwartskunst. Kulturinstitutionen durch Partys aufzupeppen wurde zum regelrechten Trend. Hat das etwas damit zu tun, dass Kunst so cool ist? Die Sonne senkt sich über den Opernring, und einige vornehm gekleidete, ältere Menschen warten darauf, dass die heutige Vorstellung beginnt. Die Menge 50 plus wird durch vereinzelte Touristen aufgemischt. So sieht ein durchschnittlicher Abend vor der Wiener Staatsoper aus. Damit haben viele klassische Kulturinstitutionen zu kämpfen: Das Publikum ist einheitlich und immer gleich, wird noch dazu immer älter. Das verstaubte Image und sinkende Besucherzahlen sind nicht nur langfristig ein Problem, sie stellen auch die Frage nach Gerechtigkeit. Die Staatsoper und die anderen Bundestheater sowie die größten Museen erhalten jährlich mehrere Millionen Euro Subventionen von Bund und Stadt Wien. Das sind Steuergelder, die vom Gehalt des Supermarkt-Kassiers ebenso abgezogen werden wie von dem des Bankdirektors. Oft profitiert davon nur eine kleine Bevölkerungsschicht, die aufgrund ihrer Bildung und Sozialisation bereits einen Bezug zur Kunst hat. Die Institutionen selbst sind sich dieses Problems durchaus bewusst, sie wollen für viele Menschen offen sein. Wenn man also junge Leute anziehen möchte, was funktioniert besser als ... Party?
TEXT TERESA HAVLICEK BILD BILDMARIA EARLY KRASA BIRDS IN DER KUNSTHALLE WIEN / MARIA KRASA
REIN IN DIE PARTY Early Birds, Albert & Tina, Pomeranze, Neni Art Collective, 21er Club, Café Publik. In den letzten Jahren konnte man immer öfters Kunst mit Beats bekommen. Auf den ersten Blick mögen solche Konzepte wie »Party mit Extra« wirken, aber im Grunde kann man sie auch Kunstvermittlung nennen. Man geht wegen des DJ-Line-ups ins Haus und kommt wegen der Installationen wieder. »So bedrohlich das auch klingen mag, finden wir es legitim und sinnvoll, die Anziehungskraft einer Party zu nutzen, um Kunst einer breiten Masse zugänglich zu machen.« Maria Krasa und Florian Scheck gründeten vor zwei Jahren Early Birds. Ob die Kunst dabei ein Ölgemälde, eine Illustration, Street Art oder eine DJ-Mix ist, ist nicht so wichtig. Bei ihren Happenings steigen sich regelmäßig cool people gegenseitig auf die Zehen, obwohl die Kunstaktionen vor Ort vielleicht weniger spektakulär sind als man vermuten könnte. Spektakulär, ja. Nur eben nicht Joseph Beuys-spektakulär. Zuerst wollten sie die Kunsthalle am Karlsplatz beleben. Der Erfolg und das sehr gemischte Publikum brachte dann die Kunsthalle selbst dazu, sie bereits dreimal zu sich in die Halle zu holen. Auch bei The Gap waren wir nicht ganz unbeteiligt an dieser Art von Events: Albert & Tina heißt die Reihe, die als gemeinsame Idee mit der Albertina entstand. Nachdem wir befangen sind, soll bitte jeder selbst entscheiden, ob sich DJs mit Sommerspritzern und Fotoausstellungen vertragen – am besten vor Ort. Ähnliche Ambitionen gab es im Kunsthaus Graz und vom Leopold Museum. Man wollte, konnte nur noch nicht. Das neue 21er Haus am Hauptbahnhof feierte vor fast drei Jahren mit Planningtorock seine Erföffnung und hat auch abends mit dem 21er Klub regelmäßig DJs im Programm. Selbst das Museumsquartier kann sich über zu wenig Junge eigentlich nicht beklagen. Es bündelt heuer einen ganzen Sommer lang seine GratisKonzerte und Auflegereien unter dem Titel »MQ Summer of Sounds«. Auch das Wiener Brut macht seit dieser Saison deutlich mehr Konzerte. Vorbei ist die Zeit, als Gegenwartskunst und Performance so cool war wie ein klassisches Konzert. Oder wie Socken mit Trekking-Sandalen. Was die Eventisierung von Kunst mit sich bringt, ist auch dabei zu sein. Adabei hätte man früher gesagt. Natürlich ist das eine Einladung 026
für Kritik. Bei Vernissagen allein geht es ohnehin selten genug um die Kunst. Natürlich wird das nicht besser, wenn jazziger House im Hintergrund läuft. Und trotzdem, der DJ hilft. »Ein ungezwungenes Setting ermöglicht neue Perspektiven und einen anderen Zugang zu Kunst. Vielleicht mehr als ein trockener Ausstellungsbesuch«, meinen zumindest Krasa und Scheck von Early Birds. Die Oberflächlichkeit ist Schwäche und Stärke zugleich. Langfristig gesehen verändern sie zwar nicht das Programm, aber das Bild der Häuser. Nun ist das nicht ganz neu, bei »Tranceport« 1992 an der Akademie der Bildenden Künste wurde früher Techno mit dem wilden Denken verbunden, das H.A.P.P.Y stellte seine Partys ebenfalls in den Dienst der Kunst. Der Charakter und die Zahl dieser Partys haben sich seither deutlich verändert.
IN THE MIX In St. Pölten hat man es geschafft, Partizipation und Party auf einer Plattform zu verbinden. »Mit dem Café Publik wollten wir das kreative Potenzial der Stadt unkompliziert im Festspielhaus abbilden«, so Susanne Wolfram, inhaltliche Leiterin des Programms. Mit Joachim Schlömer hatte das Festspielhaus St. Pölten einen Intendanten, der das urbane Leben ins Festspielhaus bringen wollte. Andres Fränzl, Leadsänger von Bauchklang und künstlerischer Leiter vom Café Publik, buchte lokale DJs und Bands nach St. Pölten. Mindestens einmal in der Woche hatte das Café offen. Bestimmten Gruppen wurden einzelne Abende gewidmet, die das Café nach Belieben bespielen konnten: Migranten, Schüler, Studierende. »So konnten wir ganz unterschiedliche Leute mit dem künstlerischen Virus infizieren«, erzählt Wolfram. Dass das Café Publik heute nach nur vier Jahren wieder geschlossen ist, ist die Kehrseite. Die Prioritäten hatten sich verschoben, Order von oben, die Kunst hatte Vorrang, obwohl der Andrang groß war. Auch in der Ankerbrotfabrik in Wien Favoriten wollte man sich lieber nicht an eine aus dem Ruder gelaufene Party Ende 2010 erinnern. Zu viel Polizei, zu viel Dreck, zu wenig Kunst. Natürlich sind Partys nur ein ganz kleiner Teil, wie man Leute für sich begeistert. Videos, Podcasts oder Apps können interaktiv durch eine Ausstellung führen. Programme für sozial schwache Menschen wie »Hunger auf Kunst und Kultur« oder die »Brunnenpassage« am Brunnenmarkt, setzen vor allem auf Partizipation, um durch das Mitmach-Erlebnis ein tieferes Verständnis für Kunst erfahrbar zu machen. Es kommt darauf an, wen man erreichen möchte.
DA GEHT NOCH MEHR Auch Party kann man ganz unterschiedlich betreiben, die Kunst steht dabei mal mehr, mal weniger im Vordergrund. Vielleicht waren ein paar Leute da, um gesehen zu werden. Ein paar Besucher wollten vielleicht nur richtig gut abtanzen. Vielleicht konnten sich einige an die Namen der Künstler erinnern und liken ihn jetzt auf Facebook. Als Besucher für die Statistiken der Häuser gelten diese Leute zudem. Auf jeden Fall aber werden sie von Kunst berührt werden. Oder »mit dem Kunstvirus infiziert«, wie Frau Wolfram sagt. Manche Viren, die können auch ein paar Jahre brauchen, bis sie ausbrechen Early Birds findet in unregelmäßigen Abständen in der Kunsthalle Wien und anderen Locations statt, Infos unter early-birds.tumblr.com. Über den 21er Klub kann man auf www.21erhaus.at nachlesen. Die Angebote der Brunnenpassage sind unter www.brunnenpassage.at abrufbar.