The Gap 144

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DER BURGER – DAS POP-FOOD FÜR ALLE CHRISTIAN ROSA / SIA / VIENNA VINTAGE 144

Magazin für Glamour und Diskurs MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 144, JULI 2014

Holy Oxygen. Lana Del Rey. A-Indie-Games. Jungle. Florentina Holzinger. Room 237. Parquet Courts. Kunst trifft Party. Glass Animals. Digital Self Publishing. Im Wortwechsel: Wie viel Innovation vertragen Serien in Österreich?


Die direkte Verbindung von der WG zum MQ.

www.wienerlinien.at


Leitartikel von Thomas Weber.

DIE DA OBEN Jeder hat das Recht, Drohnen vom Himmel zu holen – in Gedanken, Worten und Werken.

b der Luftraum über dem Donauinselfest auf Drohnen überwacht wird? Sehr wahrscheinlich jedenfalls, dass über dem größten Freiluftfestival Europas heuer unbemannte Flugobjekte unterwegs sind, die das niedere Treiben dokumentieren. Theoretisch bräuchten ihre Lenker dazu eine Art Pilotenschein und eine behördliche Bewilligung. Denn der Betrieb von Unbemannten Luftfahrzeugen (ULFZ), wie sie im seit 1.1.2014 gültigen Drohnengesetz heißen, bedarf gerade über Menschenansammlungen einer gesonderten Genehmigung der Austro Control. Theoretisch drohen bei Verstößen dagegen Verwaltungsstrafen von bis zu 22.000 Euro. Tatsächlich halten sich daran vielleicht professionelle Naturfilmer oder Wissenschafter. Die zahllosen Bastler und Hobbypiloten aber eher kaum. »Gespräche mit einer Handvoll Hobbypiloten, die nur unter der Bedingung der Anonymität sprechen, öffnen einem die Augen für die scheinbar unendliche Weite zwischen Theorie und Praxis«, schreibt das Magazin Datum in seiner aktuellen Ausgabe. Soll heißen: An geltendes Gesetz hält sich niemand. Auch weil es schwer zu exekutieren ist. Weitestmögliche Distanzen werden ebenso erkundet wie Nachbarn ausgekundschaftet, Daten gesammelt und Videos verbreitet. Der beste Beweis: Youtube.

Wenn aber nicht weniger auf dem Spiel steht als die letzten Winkel der Privatheit, wenn sich weder Staaten noch Private an Gesetze halten, dann bleibt derjenige dumm, der sich gut meinend daran hält. Wer haben also nicht nur genaue Gesetze und ihre Einhaltung einzufordern, sondern nötigenfalls auch selbst zur Tat zu schreiten, technisch aufzurüsten – was das Wissen um die Gesetzeslage, aber auch was die Technik der Gerätschaft betrifft. Jeder hat das Recht, sich durch Drohnen gestört und bedroht zu fühlen und sie vom Himmel zu holen. Niemand muss sich von anonymen, nicht autorisierten, kaum rückverfolgbaren Flugobjekten ausspionieren lassen. Was kann die Exekutive schon tun außer zu spät kommen und eine Anzeige gegen Unbekannt aufnehmen? Für den Hausgebrauch reichen zur Selbsthilfe zum Glück meist ein Luftgewehr oder ein starker Laserpointer. Denen da oben ist grundsätzlich zu misstrauen. Schützen werden wir uns nur selbst. BILD MICHAEL WINKELMANN

O

Noch beginnt fast jeder Text über Drohnen gleich: technikbegeistert und mit einer eindrucksvollen Schilderung eines rasanten Drohnenmanövers. Ein Irgendwaskopter fegt über Felder, fetzt eine Felswand entlang oder zischt durch Häuserschluchten. Nach Best-Practice-Beispielen (ferngesteuerte Wartungsgerätschaft in der verstrahlten Fukushima-Kernzone oder ein Überwachungsflieger, der das im hohen Gras auf seine Mama wartende Bambi vor den Messern des Traktormähwerks rettet) folgt ein vager Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen. Nicht zufällig sieht etwa der Soziologe Zygmunt Bauman durch die Erfindung der Drohne das Zeitalter der totalen Überwachung eingeleitet. So schön, so gruselig. Zumal der Begriff der Drohne untrennbar mit jenen ferngelenkten Killermaschinen verknüpft ist, die wir aus dem »Krieg gegen den Terror« kennen. Doch spätestens, wenn der erste private Anbieter die Annehmlichkeiten seines Drohnen-Services nicht nur anpreist, sondern auch in einen geschickten Markenterminus verpackt hat, werden wir wohl nicht mehr von »Drohnen« sprechen. Man wird uns eine andere Begrifflichkeit unterjubeln. Trotzdem müssen wir nicht einfach so hinnehmen, dass wir rundum datenserviciert und überwacht werden. Wir sollten uns aber, wie eine Kommentatorin in der Süddeutschen Zeitung schreibt, »auf harte Auseinandersetzungen einstellen«. Die Zivilgesellschaft werde um ihre Rechte kämpfen müssen, sonst werde man ihr diese auch nicht gewähren. »Darauf zu vertrauen, dass die Regierung für ihren Schutz eintritt, wäre ein Fehler. Das ist die bittere Erkenntnis aus der NSA-Affäre.«

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

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Christian Rosa Der Markt sagt »Kaufen«. Immerhin soll sich auch schon Leonardo Di Caprio einen Christian Rosa zugelegt haben. Der junge Maler, der in Wien studiert hat, wird gerade ziemlich gehypt – nicht zuletzt von sich selbst. Über das Zusammenspiel von Social Media, Punk-Attitüde und reichen Sammlern mit einer Schlagseite für »Eyecandy with Content«.

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Magazin BURGER 016 —— Das Pop-Food für alle: Der Burger ist alles und jeder isst Burger. Zwischen Fastfood und Foodart, analog und digital: essbare Popkultur ist gerade überall. GOLDEN FRAME: ESTHER STOCKER 020 —— Räume krümmen und an der Geraden zweifeln. Die Südtirolerin spielt im Kunstraum Dornbirn mit Geometrie. CHRISTIAN ROSA 022 —— Rotes Mützchen und ein Penis auf Twitter. Der Maler Christian Rosa badet gerade im Hype. IMPULSTANZ: FLORENTINA HOLZINGER 024 —— Das Enfant Terrible der Performance-Kunst macht die Theaterwelt ein bisschen geiler. Beim Impulstanz-Festival ringt Holzinger mit dem eigenen Körper. KUNSTVERMITTLUNG 026 —— Pepp deine Kulturinstitution doch mit einer Party auf! Macht jetzt jeder. Aber warum eigentlich? SIA 028 —— »1000 Forms of Fear« – Angst muss die schüchterne Sängerin nur vor einem bombastischen Erfolg ihres Albums haben. JUNGLE 030 —— Unglaublich gute Soft-Disco-Songs jetzt auf Albumlänge. Damit du den Groove spürst. ROOM 237 031 —— Fünf Personen erzählen von ihrer persönlichen Sicht auf »Shining«: mal intelligent, mal kurios, fast immer unterhaltsam.

warum heisst der

IT SERIEN 032 —— Fernsehen für Nerds und solche, die es werden wollen. »Silicon Valley« und »Halt And Catch Fire« füllen das Loch, das »The IT Crowd« hinterlassen hat. INDIE GAMES 034 —— Sony und Microsoft erlauben unabhängigen Spieleentwicklern auf PS4 und Xbox One zu veröffentlichen. Aber was bedeutet das für das Prädikat »Indie-Spiel«? VINTAGE VIENNA 036 —— Eine der erfolgreichsten nichtkommerziellen Facebook-Seiten Österreichs richtet den Blick in die Vergangenheit Wiens. Das muss nicht nur nostalgisch sein. SPRACHMUSEUM 038 —— Österreichisch goes Museum. Die Angst um den Verlust des Dialekts geht um. SELF PUBLISHING 040 —— DIY geht auch beim Veröffentlichen von Büchern und demokratisiert den Buchmarkt. WEB-TYPOGRAFIE 042 —— Screen ist nicht Papier. Deswegen beschäftigen sich Grafikdesigner mit speziellen Schriften fürs Internet und digitale Displays.

bloss so? bloss so.

hans.thegap.at


Sia Popalbum des Jahres – da sind wir uns sicher, obwohl es erst Sommer ist, obwohl Sia Furler eigentlich kein Star sein will. Seit Jahren versorgt die Künstlerin die Popdiven der ersten Liga mit fantastischen Songs. Dass sie sich die besten selbst behalten hat, beweist ihr Album »1000 Forms of Fear«. Ein Blockbuster zum Anhören.

028 Rubriken Leitartikel Inhalt Editorial / Porträts / Impressum Fondue Fabula Rasa Unbezahlter Anzeiger Splitter Wortwechsel: Wie viel Innovation vertragen Serien in Österreich? Workstation: Sabine Kranzelbinder und Carl Kaulfersch Prosa: Elisabeth Klar Reviews Introducing: Ilana Glazer Termine

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Bild der Ausgabe Was kommt auf’s Cover? – ein Dauerbrenner der Diskussionen hier in Wien 1040. Vielleicht hat uns die angehende Kommunikationsdesignerin Nadine Wehking belauscht, sie schickte uns jedenfalls zwei Vorschläge in schlichtem Schwarz-Weiß. Aufgabenstellungen auf der Uni können so schön sein!

Kolumnen 010 082

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Fabula Rasa Know-Nothing-Gesellschaft


EDIT

RIAL

Pop, einmal rauf und runter — Wie jetzt? Essen? Wie sich das in The Gap ausgeht? Nun, so wie Glocks, Memes oder Nation Branding, indem es sich auf unseren Alltag auswirkt, indem es etwas über unsere Werte und Zeichensysteme aussagt. Burger sind nämlich schon längst mehr kein Industriefraß. Burger liegen nicht nur bestens im Magen, sie sind auch zu etwas geworden, mit dem man sich abhebt, zuordnet und identifiziert. Zeig mir welchen Burger du isst und ich sag dir, ob du an Herzverfettung stirbst und The XX hörst. In der bunten Popkultur ist der Burger eine feste Größe. In Österreich gibt es wohl niemand, der sich durch diese Schichten von Bedeutung durchbeißen kann wie Sebastian Hofer, der sonst vor allem für das Profil schreibt (Seite 016). Nicht in Österreich, sondern in Berlin sitzt gerade Claire Paq, die früher schon unseren Festivalsommer und dieses Mal das Cover von The Gap illustriert hat. Wir, voll verplant, voll spät angefragt – sie, schnell das gesamte Konzept verstanden und unser saftigstes Lieblingscover heuer über das Wochenende gemacht. Ihr gebürt unser großer Dank. Und ein paar Burger. Sonst scheinen wir die letzte Coverstory zu Listenjournalismus und den absichtlich billigen Überschriften im ganzen Heft noch nicht ganz verdaut zu haben. Und das war dann auch fürs Erste die letzte Essensmetapher. Storys zu Kunstvermittlung (Seite 26), Dialekte (Seite 038), Web-Typografie (Seite 042) und den vielen Möglichkeiten, im Netz Bücher selbst zu veröffentlichen (Seite 040) sind sicher nicht die lockersten, grellsten, geilsten Texte, die hier je erschienen sind. Die Grafik bringen sie ohnehin an ihre terminlichen Grenzen. Da ist es praktisch, wenn das beste Popalbum des Jahres einfach so kurz vor der Deadline vom Himmel fällt. Sia hat es gemacht. Es hat keine Füllersongs. Aber das ist noch längst nicht alles. Einmal die Popkarte rauf und runter, bitte.

Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

KONTRIBUT

REN

Magdalena Hiller

Yasmin Szaraniec

Zwei Jahre Stehplatz — Jeder braucht jemanden wie Magdalena im Freundeskreis: Wirtschaftsrecht-Studium (wenn man wen verklagen muss), Crossfit-Anhängerin (hat Muskeln und kann Menschen verdreschen), exzellente Köchin (muss man nicht erklären). Zwei Jahre lang ging sie fast jeden Tag nach der Schule in die Oper, Stehplatz Parterre. Nachdem sie irgendwann nur noch Wagner interessierte (»Wagner ist wie Techno: es wiederholt sich, bis irgendwann alle urauszucken«), widmete sie sich dem Theater. In ihrem Spitzenjahr war sie 138 mal dort. Sie bekommt Anfälle, wenn jemand den Müll nicht richtig trennt und hat bei einer Biorama-Lesersafari ein Schwein geschlachtet. Den Kollegen haben wir sie als Autorin trotzdem nicht überlassen. Jemand, der für einen Text über Matthew Barney (The Gap 143) mal eben nach München zur Ausstellung recherchieren fährt, wollten wir nämlich mit niemandem teilen. In dieser Ausgabe hat sich unsere neue Theaterexpertin mit der Performance-Künstlerin Florentina Holzinger beschäftigt, die gerne Dinge mit ihren Geschlechtsteilen macht. Wie Magdalena dafür recherchiert hat, haben wir uns übrigens nicht zu fragen getraut.

Shake dat Orchideenfach — Bakk im Wirtschaftsrecht studiert, Magistra der Filmwissenschaft, bumm. Wir fragen uns immer wieder, was wohl aus uns geworden wäre, wenn wir auch schon so überqualifiziert für unseren Job hätten sein müssen. Trotzdem macht Yasmin gerade vier Monate Praktikum hier. Wo sie gleich mal erfahren musste, dass sich die Menschen da draußen nur begrenzt für ihre Leidenschaften interessieren. Polnische Filme, Dancehall, Bollywood – alles nicht so die Renner abseits von akademischen Konferenzen. Zumindest nicht hier in Österreich, leider. Deshalb zwingen wir sie jetzt zum Pop. Yasmin erfährt erst einmal, dass Themen, die vielen Leuten nahegehen, auch sensibel sind und diese Leute dann auch kleinste Fehler nicht verzeihen. Was gut so ist und immer noch besser, als über polnische Filme zu schreiben. Ach übrigens, Kies´lowskis Filmreihe »Dekalog«, ganz große Empfehlung. Roman Polanski eh auch. Polnisch spricht Yasmin übrigens perfekt, Spanisch und Französisch nicht ganz so perfekt und Hebräisch hat sie dann doch bald wieder gelassen. Trotzdem, ja trotzdem (!) liebt sie Fisch, isst sonst aber keine Tiere. Sie liebt auch Listen, muss dann demnächst ihre Charts für uns abgeben. Wir fürchten, sie wird sich mit der Top Ten polnischer Filme revanchieren. Völlig zu Recht übrigens.

TEXT AMIRA BEN SAOUD BILD NIKO HAVRANEK

TEXT STEFAN NIEDERWIESER

IMPRESSUM

HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTION Martin Mühl, Stefan Niederwieser REDAKTION Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Matthias Balgavy, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Liliane Blaha, David Bogner, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Andreea Dosa, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Carola Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Leonie Krachler, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, Ali Mahlodji, David Mochida Krispel, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Lasse Preng, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Georg Russegger, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Richard Schwarz, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Wernr Sturmberger, Denise Helene Sumi, Asha Taruvinga, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Marco Leimer, Yasmin Szaraniec TERMINE Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko FOTOGRAFIE Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann ILLBILLY-ILLUSTRATION Jakob Kirchmayr COVER Claire Paq ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Elisabeth Els, Annemarie Sauerbier, Thomas Wieflingseder LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer WEB Super-Fi, m-otion ANZEIGEN Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) DISTRIBUTION Martin Mühl DRUCK Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien KONTAKT The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766–41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at BANKVERBINDUNG Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 ABONNEMENT 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 ERSCHEINUNGSWEISE 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Das DasLeben Leben ist istkein kein Wunschkonzert. Wunschkonzert.

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IMPULSTANZ Vienna International Dance Festival

Collage: Olaf Osten + Katharina Gattermann, Photo: Damaged Goods / Meg Stuart “Sketches/Notebook” © Iris Janke

— t y l u gus J 17 Au 4 17 201

»THERE IS ONLY THE TRYING.THE REST IS NOT OUR BUSINESS.« T.!S.!Eliot

California Dreamin’, Dervish in Progress, WORKSHOPS, more than naked training, Parkour & Freerunning, Pole Show Girl, Queer Shamanic Potential, The Body As A Mission Statement and many many more

Fijuka, The New Tower Generation, Schmieds Puls, Affine Records Summer Session, SOÇIAL, Violetta Parisini, Phanda goes Superheroes, 32 nights, ImPulsTanz festival lounge and so much more

Cheerleader & DJs live on stage, Stermann & Uhlich, enthusiastischer Grabestanz, polynesische Kriegstänze, PERFORMANCES, My body is the event, Tanzen mit Magdalena, Vienna Actionism and many more

+ Prix Jardin d’Europe, Filmscreenings, Lectures, Buchpräsentation, Parties Auf Wunsch schicken wir Ihnen gerne Informationen zu unserem Programm kostenfrei zu – muss aber nicht sein, das liegt ganz bei Ihnen.

With the support of the Culture Programme of the European Union

www.impulstanz.com +43.1.523 55 58


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NDUE

Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Romeo und Julia im Gemeindebau?

»Game of Thrones« hat sämtliche gesellschaftlichen Schichten penetriert, sagt der Hausverstand.

Ich schäme mich dafür, dass mein schelmischer Verstand hier immer »Klimakterium« lesen möchte.

Geldstrick einwerfen, dann kannst du nach Barcelona runtersehen, wie sie an ihren Geldstricken hängen.

Wir fahren ausschließlich glückliche Autos aus Freilandstraßenhaltung.

Kann man so sehen! Immerhin hatte er auf Golgota den Stockerlplatz in der Mitte, während die beiden Schächer mit Silber und Bronze heim mussten.


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Fabula Rasa All Hail The Captain! Die Kolumne von Georg Cracked. Perspektive wechseln. Magazin für Politik und Gesellschaft

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»    ;    ,    .« »Sagt der blöde alte Fucker, ich hätte noch nie was geleistet! Ich soll erst mal was leisten und dann mitreden! Ich hab immerhin schon einen FacebookAufruf gegen Rechts organisiert, den über 20.000 Leute gelikt haben! 20.000 Likes, ist das etwa nichts? Der zurückgebliebene Zausel! Na, dem produzier ich jetzt einen Shitstorm.« Guido ärgert sich. Und dein »Jaja, Shitstorm im Wasserglas« macht es nicht besser. Er dreht »Wien Tag & Nacht« auf und zückt sein Handy, um live zu kommentieren, oder, wie er es nennt, »die Mongos voll aufzudrehen.« So hat jeder seine Hobbys. Aber das ist ja auch vorbei. Das Zusammenleben wird dadurch aber schwieriger. Genaugenommen kaum auszuhalten. Wenn Guido wieder einen Job schmeißt und seinen Mietanteil nicht mehr zahlen will (können würde er, denn Geld hat er noch genug am Sparbuch, aber er findet, wenn seine Einnahmen sinken, sollen auch seine Fix-Ausgaben sinken und die WG-Mitbewohner, die einen Job haben, sollen solidarisch aushelfen. Sonst würden ja seine Möglichkeiten, am sozialen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sinken!), dann musst du ihn vor die Tür setzen. Oder zumindest mit ihm reden. »     ,    .« (’ ) Mit Melanie kannst du nicht reden; sie will dich wieder nur dazu bringen, bei ihr einzuziehen. Sie schwärmt vom gemeinsamen Frühstücken und Arbeitsweg-Teilen und geteilten Fixkosten. Aber das hat einmal schon nicht geklappt und keines ihrer Argumente überzeugt dich davon, das es diesmal besser geht. Niemand ändert sich einfach so. Und auch alles andere nicht einfach so. Auf einer Party freut sich ein Arbeitskollege: »1989 ist der beste Jahrgang überhaupt! So viele coole CDs sind gleich alt wie ich: The Real Thing, No Control, Margin Walker! Besser geht’s gar nicht!« Ein anderer hält dagegen: »1984: Purple Rain, Born In The USA und Ride The Lightning! Ka-Pow!« Und ein zauseliger Hippie beobachtet die Szene mit dir und raunt dir dann zu: »Das bedeutet doch nur, dass seitdem nichts Gutes mehr nachgekommen ist.« Und dreht sich weg und geht raus. Und in der Nacht ertappst du dich dabei, dass du dir eine Stunde lang Youtube-Videos von betrunkenen Russen angesehen hast. Das ist die Freiheit des WG-Lebens. Powered by Yo La Tengo (die neue), Kataklysm, Metallica, The Clash


UNBEZ

HLTER ANZEIGER

Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

EInkaufsliste diktieren

Kaffee aus dem Klo-Becher

Buchzelt aufgeschlagen

Einkauflistenschreiben ist nach Aufstehen die größte Hürde des Alltags. Daher lieber diesem »Grocery List Organizer« die Artikel diktieren. 2.500 Sachen sind bereits voreingestellt. Eine davon ist »Watermelon«, was das Ganze auf ein völlig neues Level hebt: dem Gerät einfach das Beyoncé-Album vorspielen und schauen, was es so mitschreibt. Die ultimative Illuminaten-Einkaufliste kommt sofort ausgedruckt. Inklusive Surfboard. www.amazon.com

Super in der Früh und braun – nur zwei der zahlreichen Gemeinsamkeiten von Kacke und Kaffee. Katzen haben dieses hohe MarketingPotenzial früh erkannt und wursten seither Kaffeebohnen ab, die sie als Menschen verkleidet sehr teuer verkaufen. Die zweitbeste Idee gleich danach ist übrigens dieser appetitliche »Coffee Toilet Mug«. Macht richtig Lust, auch noch Biskotten oder Kekse einzutunken und dann genüsslich runterzuspülen. www.amazon.com

Natur und Lesen – alles in einem. Für Menschen, die sowohl Bücher als auch Zelte gern aufschlagen. Mit dem Modell »Fully Booked« kann man jetzt nicht nur beim Lesen, sondern richtig im Buch drin einschlafen. Andere Menschen hassen Campen übrigens so sehr, dass sie auf eine Variante mit Google Maps-Aufdruck warten. Damit sie schnell wieder hinausfinden aus dieser Natur. www.fieldcandy.com


CH

RTS

AM RAD

R

Pandagram-Steckbrief: Kitsch Bitch Dominik Oswald

Einmal pro Ausgabe bitten wir interessante Menschen, unseren Instagram-Account für 10 Tage zu übernehmen. Das meistgelikte Foto gibt’s hier.

(The Gap)

TOP 10

KLASSISCHES LIEDGUT ZUM NACHTBUSFAHREN

01 Neigungsgruppe Sex, Gewalt & gute Laune – Das Feuerwerk ist vorbei 02 Ja, Panik – DMD KIU LIDT 03 Serge Gainsbourg – La Chanson de Prévert 04 Der Nino aus Wien – Down in Albern 05 John Cale – Dying On The Vine (spätere Version) 06 Ernst Molden – I siech wos Finstas 07 Bruce Springsteen – Downbound Train 08 The National – All The Wine 09 Pulp – Razzmatazz 10 Christiane Rösinger – Berlin

TOP 5

SCHÖNSTE PAARE ZUM ZEITPUNKT IHRES INEINANDERVERLIEBENS

01 02 03 04 05

Françoise Hardy & Jacques Dutronc Chloë Sevigny & Jarvis Cocker Winona Ryder & Johnny Depp Jane Birkin & Serge Gainsbourg Samantha Mathis & River Phoenix

AUCH NICHT SCHLECHT: Scheidungskinder, Daddy Issues und Gin Tonic.

Frischer Wind für die Stadt. »Chromotopia Heldenplatz« von der Künstlerin Victoria Coeln. Die Lichtinstallation hat sie der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner gewidmet.

Lilly Egger a.k.a Kitsch Bitch

Lilly Egger began 2012 auch offiziell »leiwand« zu sein und eroberte als Kitsch Bitch mit frischen Sprüchen die T-Shirts und Herzen der Wiener Pop-up-Szene. Mittlerweile besitzt die 22-jährige (!) Designerin einen eigenen Shop in der Mühlgasse 29.

Esi Nagiller (Play.fm)

TOP 10

    ,   :      :

URBAN DICTIONARY EINTRÄGE

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Russian Hammer Time Feeling Drake Hoprah Jersey Turnpike Ann Curry’d European Steamboat Your Mum Fuckmuppet Flo-Dri Wusting

TOP 5

KOCHSENDUNGEN

01 02 03 04 05

Masterchef USA / Australia Anthony Bourdain: No Reservations Nigella Kitchen Cake Boss Heston's Feasts

AUCH NICHT SCHLECHT: Butter

012

im Normalfall esse ich für drei.

Das im Winde wehende Toupet meines Großvaters.

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Camera+

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#liebs

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@dariadaria_com, @kyrasophie, @maitekalita

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»SHOPPING QUEEN« mit lovely Guiiiido.

’   :

Wenn ein Tattoo, dann in weiß.

:

»We can share my Ben & Jerry’s Core Double Caramel.«

instagram.com/thegapmag


PRESENTED BY

WEDNESDAY, AUGUST 13th

MACKLEMORE & RYAN LEWIS BASTILLE · BIFFY CLYRO · CONOR OBERST · CHLÖE HOWL THURSDAY, AUGUST 14 - SATURDAY, AUGUST 16 th

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QUEENS OF THE STONE AGE · SKRILLEX

PLACEBO · BLINK 182 · IMAGINE DRAGONS PAROV STELAR BAND · JAN DELAY & DISKO NO. 1

SNOOP DOGG aka SNOOP LION · LILY ALLEN · RUDIMENTAL

THE KOOKS · BABYSHAMBLES · WOODKID · GOGOL BORDELLO

NOFX · EDITORS · TRAVIS · SKA-P · TOM ODELL · CRYSTAL FIGHTERS MARTERIA · MILKY CHANCE · BROILERS · STROMAE · JIMMY EAT WORLD MILLENCOLIN · DUB FX · THE SUBWAYS · THE KYLE GASS BAND PRINZ PI · SKINDRED · HVOB · GLORIA · FIVA · BRODY DALLE THE NEIGHBOURHOOD · WILLIAM FITZSIMMONS SATELLITE STORIES · KEVIN DREW · DRENGE AND MANY MANY MORE! LOL STAGE: HELGE SCHNEIDER · ROLAND DÜRINGER · MASCHEK

FRITZ KALKBRENNER · PENDULUM DJ SET & VERSE

MODESTEP DJ SET · BORGORE · ZOMBOY · MOONBOOTICA LIVE EXAMPLE & DJ WIRE · THE GLITCH MOB · FELIX DA HOUSECAT UVM

AUGUST

13 -16 th

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WWW.FREQUENCY.AT

GREEN PARK ST.PÖLTEN

2 FESTIVALS IN 1 · 4 DAYS · 8 STAGES · 120 ACTS Tickets sind auf www.musicticket.at, bei oeticket (www.oeticket.com; Tel: 01/96096) und in jeder Bank Austria (Ermäßigung für Ticketingkunden und MegaCard-Members) bzw. unter 01/24924 erhältlich.

11/07-13/07/2014 Das Neue Festament. 2nd District Electronic Music Festival.

TENSNAKE AKUFEN REDSHAPE THUGFUCKER DELTA FUNKTIONEN ERDBEERSCHNITZEL FRITS WENTINK MANAMANA ATEQ KONSTANTIN KETTENKARUSSELL JANEFONDAS LICHTERLOH.TV UVM.

www.facebook.com/praterunser www.pratersauna.tv


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www.thegap.at/gewinnen Fresh Island Festival Das Fresh Island ist ein noch relativ junges Mitglied im neuen europäischen FestivalMekka Kroatien, denn es findet diesen Sommer erst zum dritten Mal statt. Dennoch kann sich das Line-up, bestehend aus unverwüstlichen Rap-Legenden und solchen, die es noch werden wollen, durchaus sehen lassen: Pusha T, DMX, Methodman & Redman. Wir verlosen 2 Festivalpakete.

Marco Leimer (Praktikant und Freigeist)

TOP 10

Stuck! Festival

TRACKS DIE JEDE PARTY RETTEN

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Seit einigen Jahren bereichtert das Stuck! Festival im Salzburger Rockhouse, den heimischen Event-Kalender und versammelt eine überdurchschnittlich gute Bandauswahl. Heuer kommen unter anderem Brteon, Dorian Concept, Claire und Roosevelt von 1. bis 2. August nach Salzburg. Wir verlosen 2x2 Tickets.

Mylo vs. Miami Sound Machine – Doctor Pressure Kölsch – Basshund Inner City – Share My Love (Kenny Larkin Remix) HQNO – We Do It (H.O.S.H. Remix) Joy Orbison – Big Room Tech House Tool Tip Filthy Rich – Hustle Up Omar S – Wayne Country Hill Cops Thomas Bangalter – Spinal Scratch Martin Landsky – 1000 Miles (Laurent Garnier Remix) Ame – Rej

Österreich, wir haben ein Gender-Problem

TOP 5

FILME DIE DU ALS STERNSINGER LIEBER NICHT SEHEN SOLLTEST

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Who run the world? In Österreich nicht die "Girls". Zumindest in der Musikindustrie sind Frauen drastisch unterrepräsentiert. Das belegen eine Langzeitstudie von Fem.pop und das Musicmeter.

Francis Ford Coppola – Apocalypse Now Stanley Kubrick – Odyssee 2001 David Lynch – Lost Highway Michael Cimino – Deer Hunter Lars von Trier – Antichrist

AUCH NICHT SCHLECHT: Herbert Prohaska

Philipp Penetzdorfer (Janefondas / Precious K / Pyjamas)

TOP 10

01 Gloria Ann Taylor – Love Is A Hurting Thing 02 Harold Melvin and the Blue Notes – Don’t Leave Me This Way 03 Gladys Knight & The Pips – Taste Of Bitter Love 04 Chic – I Want Your Love 05 Tamiko Jones – Can't Live Without Your Love 06 Candi Staton – Young Hearts Run Free 07 Salsoul Orchestra ft. Loleatta Holloway – Seconds 08 Taana Gardner – Heartbeat 09 First Choice – Let No Man Put Asunder 10 Lou Rawls – You’ll Never Find Another Love Like Mine

TOP 5

SATANS CHOICE

01 02 03 04 05

Pharrell Williams – Happy Pharrell Williams – Happy Edits Pharrell Williams – Happy Remixes Videos zu Pharrell Williams – Happy Lakritze

AUCH NICHT SCHLECHT: Internationaler Piña Colada Day am 1. November (geplant)

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TEXT STEFAN NIEDERWIESER BILD EVELYN PLASCHG ; CORE

HERZSCHMERZ DISCO

Die Datenlage ist nicht rosig. Eine Studie des Skug Research Archivs zeigte vor zwei Monaten zwar drastisch auf wie wenige Frauen in Österreichs Musikindustrie arbeiten, schnell kamen auch Zweifel auf, ob denn das alles wirklich so schlimm ist. Einwand Eins: ich kenne Frauen, die hier was mit Musik machen. Einwand Zwei: es gibt doch auch Berufe wie Krankenschwestern, Kindergärtner und Volksschullehrer, in denen es viel mehr Frauen gibt und da regt sich auch niemand auf. Beides lässt sich schnell entkräften. Nicht entkräften lässt sich, dass die Datenlage löchrig ist bis zum geht nicht mehr. Ein paar grundsätzlich richtige Aussagen werden so in der Studie, die ja übrigens wirklich hübsch anzusehen ist, völlig verzerrt. Statt vier Verlagen gibt es in Österreich eher an die 600. Aus dem täglichen Umgang können wir auch sagen, dass sicher mehr als ein Drittel aller Promoter Frauen sind. So schießt man sich dann richtig derb ins Bein. Denn dass es in Österreichs Musik viel zu wenige Frauen gibt, ist ziemlich klar. Ein Blick ins Musicmeter, das wöchentliche Likes und Retweets der österreichischen Musik misst, genügt. Denn dort sieht es düster aus, selbst wenn wirklich jede Beteiligung von Frauen gezählt wird. Conchita ist auf der Eins noch ein Streitfall, hinterher kommen Christina Stürmer, Anna Netrebko, LÂme Immortelle, Mono & Nikitaman, Moonlight Breakfast, Hvob, Mona Lisa Twins, Anna F. Manchmal schafft es noch Soap&Skin unter die Top 50. Natürlich ist das nur Facebook, es verzerrt. Auch eine Straßenumfrage ist nur eine Stichprobe. Die haben wir mit Video an verschiedenen Orten in Wien gemacht. Das Ergebnis ist ähnlich ernüchternd. Letztes Jahr hatten wir noch über den Status von Frauen in elektronischer Musik diskutiert. Heute wissen wir ganz konkret, es sieht generell nicht rosig aus. Wir nehmen uns deshalb auch selbst einmal an der Nase und müssen auch im Jahr 2014 immer noch lauter fragen: Who run the world?

Soap&Skin, Anna Netrebko, Mono & Nikitaman – In Österreichs Musik eine Minderheit.


07.11. WIEN

ETER

GASOM

NEUES ALBUM AB 1. AUGUST ERHÄLTLICH LIMITED ALBUM DELUXE BOX, DIGIPACK CD, VINYL, DIGITAL

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Fat Furious Burger inszenieren den Burger als den Heiland. Das franzรถsische Designstudio stopft ihn mit Pop und Bedeutung voll, verkleidet ihn als Boombox, Godzilla oder Pinup-Girl.

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DER BURGER — Fleischlaibchen als Pop-Distinktionswaffen

LABERL, LABERL, LABERL

Wir wissen, was du letzten Sommer gegessen hast. Also gesetzt den Fall natürlich, dass du zumindest einmal am Wiener Donaukanal warst. Denn dann war es, selbstverständlich, Burger. Auf der Terrasse der Grellen Forelle, vor der Party, nach der Party. Oder im It’sall-about-the-Meat-Container beim Badeschiff, nach dem Baden, vor dem Trinken. Auf der Summerstage oder beim Central Garden. Mit Käse oder Speck oder ohne. Aber jedenfalls mit Fries. Sommer am Kanal, das hieß in Wien in der letzten Saison: faschiertes Rindfleisch zwischen Brot. Heuer heißt es das schon wieder, aber nicht nur am Wasser (neuerdings zum Beispiel auch sehr prominent an der Ringstraße oder in der Weinschenke goes Pratersauna), und nicht nur in Wien. Der Hamburger ist endgültig angekommen. Und zwar mitten in der Gegenwart, und im ganz großen Stil. Was insofern seltsam ist, als diese Gegenwart doch angeblich bis ins Mark tierrechtsund gesundheitsbewusst ist, also tendenziell wohl eher rindfleischlos funktionieren sollte. Dem Image des Burgers scheint das aktuell aber überhaupt nichts anzuhaben, er boomt. Und hat sich mal wieder gemausert, diesmal vom Unterschichtenfraß zum Besserverdiener-Statement. Das wiederum ist überhaupt nicht verwunderlich. Kein anderes Nahrungsmittel taugt so sehr zur Distinktion und zum Lebensstilsymbol wie das Rindfleischlaberlweckerl. Anders als das Kobe-Rind-Steak

essen ihn alle: Bobos, Yuppies, Hipster, Arbeiter, Bauern, Bohèmiens, Normcore-Leute und Oligarchen. Oder noch anders gesagt: der Burger ist die Quintessenz von Pop. Nur: Warum? Dafür lassen sich etliche Gründe finden, man muss nur suchen. Zum Beispiel in des Hamburgers mythischer, also gleichzeitig viel- und nichtssagender, Spekulationen und damit Distinktionen befeuernden Entstehungsgeschichte: heißt wie eine Stadt in Deutschland, hat mit derselben aber so viel zu tun wie Frankfurt mit Würstchen (und mit Schinken noch viel weniger). Hat viele Erfinder, von denen jeder die alleinige und allererste Urheberschaft beansprucht. Die Library of Congress hat zwar vor ein paar Jahren den Imbissstand Louis’ Lunch in New Haven, Connecticut, als ersten echten Hamburger-Dealer akademisch approved (im Jahr 1900 soll es gewesen sein, dass der Betreiber Louis Lassen – ein Däne, by the way – sich darauf verlegte, übriggebliebene Steaks zwecks Restpostenverwertung zu faschieren; das Etablissement existiert übrigens bis heute und verweigerte beharrlich jede Ketchup- oder Senfbeigabe, weil das nämlich so gar nicht originalgetreu sei); das hindert Hamburger-Historiker aber natürlich keineswegs daran, etliche weitere Erfinder ins Feld zu führen (Ronald McDonald zählt eher nicht dazu), etymologische Namensherkunftsforschung zu betreiben und kulturhistorische Einflusssphären millimetergenau zu vermessen. Und jetzt stell dir bitte eine derartige Debatte nur ganz kurz mit Gulasch oder Fish & Chips vor. Eben. 017

TEXT SEBASTIAN HOFER BILD FAT AND FURIOUS BURGER, HABERN ILLU CLAIRE PAQ

Dem Burger ist derzeit beim besten Willen nicht zu entkommen. Das ist einerseits nicht verwunderlich, andererseits aber schon. Immerhin steht fest: der Burger ist die Quintessenz von Pop. Eine Verfressung der Welt zwischen Fastfood und Foodart, Antiamerikanismus und Genre-Beschichtung.


Quarter Pounder oder Hamburger Royal? Vor 20 Jahren hat Quentin Tarantino in »Pulp Fiction« den wohl bekanntesten Burger-Dialog geschrieben. Auch heute widmet man sich noch leidenschaftlich dem Burgerdiskurs. Zum Beispiel bei »Habern« in Wien.

Die Frage, wo der Burger nun ganz genau herkommt, soll uns jetzt aber auch nicht über Gebühr den Schlaf rauben, das schaffen wir auch anders. Wichtig erstmal: Er ist, anno 2014, in der mitteleuropäischen Großstadt angekommen, unter mitteleuropäischen Großstadtmenschen, und zwar solchen, die ihr Frühstück tendenziell nicht bei McDonald’s einnehmen. Wobei: Gerade McDonald’s wäre ja inzwischen ohnehin

» Seht her, ich leiste mir das, finanziell wie gesundheitlich – weil ich es mir leisten kann. Ich hebe mich ab, auch wenn ich dabei zunehme, egal, weil YOLO. «

BURGER SIND FÜR ALLE DA, NUR IMMER ANDERS Wir lernen: Der Burger taugt zur Distinktion. Weil es ihn, anders als die Pizzaschnitte, eben in allen Preisklassen gibt. Und weil in der Burgerbraterei obendrein auch noch, ganz exemplarisch, das Verhältnis von böser, industrieller Massenabspeisung und guter, handwerklicher Genießerkultur verhandelt wird. Mainstream versus Indie, Industrie versus Alternative, Heidi Klum gegen uns. Der Burger stellt etwas dar und her: Abstand zu denen, die ihr Gewicht halten müssen, weil sie zu charakterschwach sind, um der Schlankheitsindustrie den fettigen Mittelfinger zu zeigen; Abstand aber auch zu denen, die ihr Gewicht nicht halten können, weil das Gemüse aus dem Heile-Welt-Laden viel zu teuer für sie wäre, also einen doppelten, ökonomischen und moralischen Abstand. Toll. Und dabei haben wir noch gar nicht von der Politik gesprochen.

BURGER SIND ELVIS, HASSELHOFF UND PUTIN viel lieber Starbucks, der Billigburgerumsatz lässt international gerade ziemlich zu wünschen übrig, während die Kaffeehausecken unter den goldenen Bögen zuletzt ein deutlich zweistelliges Umsatzplus verzeichneten. Aber wer mit Heidi Klum wirbt, hat ja ganz offensichtlich irgendeinen Zug verpasst, jedenfalls aber den Anschluss zur Gegenwart, und um genau die soll es hier gehen, und um Burger, die eben keine Einmaleins-Euros kosten, sondern eher das Zehn- bis Fünfzehnfache, und schon allein deshalb ein Statement sind: Seht her, ich leiste mir das, finanziell wie gesundheitlich – weil ich es mir leisten kann. Ich hebe mich ab, auch wenn ich dabei zunehme, egal, weil Yolo. 018

Weil: Burger, das ist Amerika. Das ist die Kuh, der Cowboy, das weite Land, das Lagerfeuer, das Drive-In im Nirgendwo, das Diner im Großstadtgewusel. Das ist Kennedy und Nixon, Bush und Obama. Und genau das, also Amerika und seine Ikonen, ist die Grundlage aller mitteleuropäischen Popkultur als etwas, das man sich zwar vorstellen kann, aber eben nur vorstellen, weil es schlicht zu weit weg ist, oder zumindest zu seltsam. Elvis ist zwar nicht, wie die hartnäckige Legende besagt, beim Burgeressen gestorben, aber doch vom Burgeressen ziemlich seltsam geworden (was wohl auch daran lag, dass er sich seine Buns gern mit Erdnussbutter beschmieren ließ), David Hasselhoff


» Der Burger ist ein leeres Zeichen, und als solches absolut wendig, in aller Fülle eine durchaus beliebig befüllbare Hülle, sprich: Pop in Reinform. «

in ähnlicher Pose immerhin zur tragikomischen Figur. Zwei amerikanische Helden, ein amerikanisches Gericht, tausend Geschichten. Burgeressen ist immer auch ein Stück weit politisches Statement. Und hat deshalb gerade heute einen schwer einzuschätzenden, aber nicht zu unterschätzenden Beigeschmack: Der Sommer 2014 ist wirklich eine seltsame Zeit für einen Burgerboom in good ol’ Austria, wo sich doch justament gerade eben ein offenbar tief sitzender Antiamerikanismus wieder an die Oberfläche (der üblichen Online-Foren, Leserbriefecken und Biergespräche) traut, spärlich verkleidet als Parteinahme für den russischen Machthaberer Putin, der sich seine ukrainische Nachbarschaft ja wohl bitteschön wirklich nicht vom CIA wegputschen lassen muss. Amerika, das muss man mögen. Mag man aber offenbar nicht zwangsläufig, wenn man ehrlich ist. Burger dagegen überraschenderweise schon, aber Hunger kennt nun einmal keine Schizophrenie. Argumentieren kann er auch nicht. Wenn es ums Fleischessen geht, wird alles relativ. Darum hat auch jeder seinen ganz eigenen Lieblingsburger und weiß insgeheim natürlich ganz genau, dass es sich um eine x-beliebige Ansage handelt, weil jeder bessere Burger der beste Burger sein kann. Es kommt nämlich weniger aufs Fleisch, seine Grillaromen oder Garstufe an, sondern auf den Verzehr desselben und dessen Kontext: guter Abend, fantastische Begleitung, großer Spaß – bester Burger. Mieser Tag, idiotengespickte Termine, großer Frust – detto. Der Burger ist in diesem Sinne – und dabei interessanterweise viel effektiver als zum Beispiel Erbsensuppe – ein leeres Zeichen, und als solches absolut wendig, in aller Fülle eine durchaus beliebig befüllbare Hülle, sprich: Pop in Reinform. Und dabei auch noch medienästhetisch extrem weit vorn.

BURGER SIND POST-INTERNET Burger sind Post-Internet-Kultur in a nutshell, beziehungsweise im Brötchen. Denn auch wenn man es von außen nicht immer sieht: im Kern türmt sich da Schicht auf Schicht auf Schicht von durchaus unterschiedlicher Natur, Textur und Temperatur: Fleisch auf Sauce auf Käse auf Salat auf Tomate auf Zwiebel auf Speck, weich auf knusprig auf flüssig, heiß auf kalt auf lauwarm. Vergleiche Popkultur anno 2014, wo sich ja auch im besten Fall Schicht auch Schicht türmt, beziehungsweise, in Popbegriffen: Genre auf Genre, Meme auf Meme, historische Wurzel auf geografische Ausrichtung, Revival auf Zitat, ohne dass dabei zu viel Gedanken auf die neuen Medien verschwendet würden, die diese Vielfalt erst ermöglicht haben, weil sie eben keine neuen Medien mehr sind, sondern ganz normal und irgendwie schon fast natürlich. Deshalb ja auch: Post-Internet. Die besten

Burger schmecken nach einem Diplo-Tape oder James Bridles NewAesthetic-Tumblr. Weil ein Burger eben kein Eintopf ist, in dem alles blind durcheinanderschwimmt, und schon gar keine Pizza, auf der alles schön offensichtlich nebeneinanderliegt, sondern eben: eine Konstruktion aus Schichten, die mal getrennt liegen, mal ineinanderfließen und erst im Querschnitt wirklich sinn- beziehungsweise geschmacksstiftend sind. Der Burger ist, man muss das so deutlich sagen, eine Chiffre. Für Pop, wie wir ihn heute verstehen und konsumieren.

BURGER SIND DIE DIFFERANCE Es ist natürlich auch kein Zufall, dass der prototypische Post-GenreFilm, nämlich Quentin »Burgerfresse« Tarantinos »Pulp Fiction«, relativ zentral ums Burgerbequatschen kreist. Eine besonders berühmte Szene – Travolta und Jackson analysieren auf einer Autofahrt die differance zwischen Quarter Pounder und Hamburger Royal beziehungsweise jene zwischen Big Mac und Le Big Mac – enthält alle wesentlichen Zutaten der Burger-Chiffre: Burger definieren Kulturen und deren Grenzen und sind dabei, kulturübergreifend, Glaubenssache: Man kann ewig darüber fachsimpeln, und am Schluss weiß jeder: mein Burger ist der echte Burger, mein Gott der echte und einzige. Hauptsache, es ist genug Fleisch drin. Kein Zufall auch, dass das erste wirklich virale Video der Bewegtbildgeschichte – du darfst ruhig auch Meme dazu sagen – aus der Burgerwerbung stammt. Es handelt sich um den ausgesprochen legendären 1984er Wendy’s-Werbespot, in dem drei alte Damen einen karikierten, eher brötchenlastigen McDonald’s-Burger betrachten und die naheliegende Frage stellen: »Where’s the beef?« Na und – wo ist das Fleisch nun? Na überall. Am Donaukanal. In der Musik. In der Kunst. In den Texten von Action Bronson zum Beispiel, oder, etwas bildlicher, in den Food-Designs von Fat and Furious Burger, dem sehr empfehlenswerten Blog zweier französischer Grafikdesigner, die Burger in den schicksten Outfits und seltsamsten Kontexten inszenieren, als schwarzweißen Yin-und-Yang-Burger, als dicklippiges, blondes Burgirl, als ziemlich explosiven Boom Burger oder als streng ondulierten Thatcher Burger (»margaret duck, old granny smith, raifortme sauce, parliament rapping, big sauerkaut, spinach«, weitere Bildbeispiele unter fatandfuriousburger.com). Der aktuelle Wiener Burgerboom ist also, alles in allem, nur logisch und unvermeidlich. Denn nur der Burger ist alles und überall, weil er, seinem amorphen, organischen, digitalen, verwirrenden Wesen nach, überall alles sein kann. Auch jenseits des Kanals. Bei der Herstellung dieses Texts kamen keine Rindviecher zu Schaden. 019


Die Einkreisung des Würfels oder die Zerstörung der geraden Linie – die italienische Künstlerin Esther Stocker spielt mit Geometrie, um neue Muster in unsere Vorstellungswelt zu bringen. 020


GOLDEN FRAME — Esther Stocker – Der Zweifel an der Geraden

Den Würfel falten Drei Dimensionen, muss denn das so sein? Könnte man aus unserem Raum mit seiner strengen Geometrie nicht auch etwas Interessanteres machen, ihn falten, krümmen und zerknüllen? Esther Stocker bemalt Kuben mit rasterartigen Mustern, um diese dann zu zerknüllen, in Falten zu legen, zusammenzuklappen – und so die Gerade zu zerstören. Wir produzieren Räume, ständig, mit dem, was wir tun und was wir lassen, wie wir uns einrichten und wie wir bauen. Die Gerade ist dabei so selbstverständlich, dass sie uns nur ganz selten auffällt. Selbst die Diagonale wäre beinahe eine Anarchistin geworden, so sehr haben wir uns an die geraden Linien gewöhnt, meint die Südtirolerin. Es gilt also, neue Formen in unsere Lebensräume aufzunehmen, um unsere Art, wie wir Räume gestalten, zu erweitern, neue zu schaffen, in denen wir frei, oder freier, sein können. Laut dem französischen Philosophen und Marxisten Henri Lefebvre gibt es einen dialektischen Zusammenhang zwischen Wahrnehmung, Konzeption und Leben. Sie hängen voneinander ab und zusammen. Bei Esther Stocker erkennt man folgerichtig die Praxis wieder. Die freie Form soll sich entfalten dürfen und mit ihr die Vorstellungen des Betrachters. Da wirkt es beinahe ironisch, dass der typische Ausstellungsraum für Gegenwartskunst heutzutage, der White Cube, alles ist, was »Der Zweifel an der Geraden« eben nicht ist.

In Anlehnung an die russische Avantgarde und an den Nullpunkt der Malerei – das schwarze Quadrat, das jeden Gegenstand im Bild komplett auslöscht, von Kasimir Malewitsch vor fast genau einem Jahrhundert – schafft Esther Stocker Objekte, die sich mit der Geometrie selbst auseinandersetzen. Ihre Kunstwerke sind konsequent in schwarz/weiß oder grau gehalten. Indem sie diesen minimalistischen Zugang verfolgt und ihn wiederholt, entsteht ihre ganz eigene Ästhetik. Ihre Objekte wirken schwer und unverrückbar und zwingen die Betrachter – mehr noch als normale Plastiken – sich zu bewegen, um das Ding von allen Seiten zu betrachten und abzugehen. Esther Stocker konzipiert so eine Formsprache, die unsere Wahrnehmung erweitern soll, damit wir sie hinaustragen ins Leben, damit wir in freien Formen leben, nicht nur nach der geraden Linie. Was stattdessen kommen soll, das weiß und sagt sie auch nicht. Es geht ihr um den Zweifel, nicht um ein ganzes Gegenmodell. Deshalb baut dieses Werk auf der Geraden auf, um von dort aus eine neue Welt zu entdecken. Friedensreich Hundertwasser hatte darauf Architektur und Erlebniswelten gebaut. Esther Stocker verfolgt keine Hippie-Ideale. Bei ihr herrscht die Bewegung weg von der Tradition vor, in enger Auseinandersetzung mit ihr. Der schwarze Würfel muss also seine Ecken und Kanten ablegen, damit alte Ordnungsmuster aufgelöst werden. Denn, so Stocker: »Kontrolle ist immer etwas, was wir nicht haben.« »Der Zweifel an der Geraden« von Esther Stocker wird im Rahmen der Art Bodensee im Kunstraum Dornbirn von 11.-13. Juli zu sehen sein. 021

TEXT CAROLA FUCHS BILD H. J. KAPELLER

»EIN SCHWARZES QUADRAT«


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CHRISTIAN ROSA — Der Liebling des Marktes

»i don’t sell to cops and snitches« Bilder von Christian Rosa dürfen gerade in keiner Einkaufstasche fehlen. Warum das mit seiner Kunst am wenigsten zu tun hat.

EYECANDY WITH CONTENT Wie heutzutage Kunst verkauft wird, spielt jedenfalls eine Rolle. Auf gigantischen Kunstmessen wie der Frieze Art Fair in London, der Armory Show in New York und der von Jay Z besungenen Art Basel werden jährlich hunderte Millionen umgesetzt. Der Kunstmarkt war immer schon eine Spielwiese der Reichen, in den letzten Jahren hat er sich aber zusehends vom unauffälligen und anonymen Verschieben alter Meister in ehrwürdigen Auktionshäusern hin zum schicken und publikumswirksamen Hochglanzsport entwickelt. »Eyecandy with content«, wie es die Kunstkritiker Blake Gopnik und Christian Viveros-Fauné beschrieben haben, ist heute unter Reichen beliebt wie noch nie. Kunstwerke sind mehr denn je Prestige-, Lust- und Spekulationsobjekte. Der sammelnde Gordon Gecko im Film »Wall Street« war 1987 erst der Anfang. 2011 lag der russische Oligarch Roman Abramovic auf Einkaufstour bei der Biennale in Venedig mit seiner 117 Millionen Pfund teuren Jacht vor Anker. Gleichzeitig hat zeitgenössische Kunst, nicht zuletzt dank des bunten Treibens der Stars am Kunstmarkt, mehr Öffentlichkeit als jemals zuvor. Welche Künstler erfolgreich werden entscheiden nicht mehr Experten und Kritiker, sondern der Markt.

GROSSFORMATIGES MARKTTREIBEN Christian Rosa passt da recht gut hinein. Seine Bilder sind großformatige weiße Leinwände, auf die er mit verschiedenen Materialien abstrakte Formen malt. Flachware also, die auf eine Weise zeitgenössisch ist und sie sofort in den Penthouses dieser Welt angenehm heimisch macht. Sie lassen sich außerdem einer soliden Tradition einschreiben: Rosa wird mit Malern wie Cy Twombly und Jean Michel Basquiat verglichen. Er selbst nennt unter anderem seinen Lehrer Daniel Richter, Albert Oehlen und Dieter Roth als Inspirationsquellen – lauter etablierte Maler, die alle seine Väter oder Großväter sein könnten. Wenn es um Rosas Einflüsse, Kollegen und Vorbilder geht, wird er so ins rechte Licht rückt: Wer sich keinen Basquiat leisten kann, soll doch bitte zumindest einen Rosa kaufen.

ROTES MÜTZCHEN UND SMOKING Viele Berichte über Rosas Kunst handeln davon, wie viel Aufmerksamkeit seine Bilder dort und da auf sich gezogen haben und davon, wer sie gekauft hat. So wie dieser Bericht hier. Das ist gutes Marketing. Der eigentliche künstlerische Prozess ist natürlich auch wichtig.

Aber gute Kunst gibt es reichlich, der interessante Teil kommt danach. Ähnlich beliebt wie die Beschäftigung mit seinem Marktwert sind Geschichten über Christian Rosa als Person. Ja, da gibt es auch viel zu holen: Rosa erfüllt fast ausnahmslos alle Erwartungen, die man an Künstler stellen kann – nur eben auf seine eigene, neue Art. Er gibt sich als Outsider, als Punk und als Rabauke. Und doch grinst einem sein vierschrötig-attraktives Gesicht von Fotos so mancher fescher Vernissage entgegen. Da kann es auch schon mal sein, dass er sein rotes Mützchen zum Smoking trägt. Die Kunstwelt hat eine ungebrochene Nachfrage für Bohèmiens und jetzt sind das eben gerade Leute die surfen, deren Penis auf Twitter zu sehen ist und die sagen, dass New York tot ist. Sie machen sich gut auf schicken Partys, bringen Leben in die Bude und sind genau die Künstler, die der Markt braucht.

ERWIN WURM WANTS TO BUY A PAINTING Die Faszination für seine Person ist natürlich auch hausgemacht. Rosa hat eine fast kindlich von sich eingenommene Art, Interviews zu geben. Rotziges »Whatever« wechselt sich mit träumerisch anpackender Surfer-Attitüde ab. Der Social Media-Auftritt des Malers tut sein Übriges: Während er Twitter offenbar hauptsächlich zur Kommunikation mit Künstlerfreund Raymond Pettibon verwendet, scrollt sich sein Instagram-Feed wie ein Bilderbuch aus dem internationalen Leben der gehobenen Bohème: Gesichter, Partys, Fabrikshallen mit Kunst drinnen. Am interessantesten ist Rosa auf Facebook – bei über 3.700 Freuden sind Likes vorprogrammiert. Ungehemmt postet der Künstler da über den Kauf eines Alex Katz oder echauffiert sich über Hater – Hallo! – und undankbare Freunde neben dem Bild einer Villa in Miami. Highlight ist wohl ein Post vom 15. Mai 2014: »erwin wurm wants to buy a painting i dont sell to cops and snitches«. Diese Mischung aus living the dream und Bad Boy, untermalt von allerhand Gerüchten, er habe recht oft etwas mit Schlägereien zu tun, machen Rosa zur idealen Projektionsfläche – der Unterhaltungswert besteht nicht zuletzt darin, dass es so leicht ist, sich über ihn aufzuregen. Offiziell will dazu trotzdem niemand etwas sagen, obwohl wir es versucht haben. Bei Graffiti-Bad Boy Puber war das ähnlich. Lieber kein Kommentar, lieber kein Beef.

SICHERN ODER VERSENKEN? Sucht man in der Google-Bildersuche nach Rosas Namen, sind acht der zehn ersten Ergebnisse Fotos von ihm selbst, nicht von seiner Kunst. Bei Rosas Lehrer Daniel Richter findet man unter den ersten zehn Ergebnissen zehn Kunstwerke. Vielleicht sollte man also Christian Rosa vor sich selbst warnen. Ja, der Kunstmarkt hat erkannt, dass die Bohème-Attitüde gut in den Hype passt, schnell könnte eine Blase platzen. Vielleicht holen die Kunstkritiker den Markt ja doch irgendwann ein. Die Einschätzungen einiger Meinungsmacher können Rosa langfristig sichern – oder versenken. Vielleicht sollte sich Rosa aber auch einfach einen Rat bei seinem Freund Pettibon holen, der ja auch weit über seine Anfänge bei Black Flag Anerkennung gefunden hat. Christian Rosas Plan, jetzt ein kollaboratives Studio in L.A. aufzubauen, klingt jedenfalls spannend. Es ist gut möglich, dass Rosa genau der Richtige für so etwas ist. Zuerst muss er aber einen Weg finden, die Leute dazu zu bringen, über seine Kunst anstatt über ihn zu reden. Contemporary Fine Arts Berlin hat bis 7. Juni Christian Rosas zweite Einzelausstellung »Love’s Gonna Save The Day« gezeigt. Derzeit kann man Christian Rosa wieder in seinem Studio in der 1704 Hooper Avenue in Los Angeles besuchen. 023

TEXT GABRIEL ROLAND BILD WIRINA GAVRICH, COURTESY CONTEMPORARY FINE ARTS, BERLIN

Für so etwa 20.000 Dollar könnte man sich jetzt einen Christian Rosa kaufen. Oder vielleicht auch schon nicht mehr: Die Bilder des in Wien aufgewachsenen Malers mit brasilianischen Wurzeln stehen nämlich gerade hoch im Kurs. Kurs ist hier durchaus im ökonomischen Sinn zu verstehen. Artnet ist eine Institution des internationalen Kunstmarktes, die im Internet unter anderem Handelsempfehlungen mit den Prädikaten »kaufen«, »halten« oder »verkaufen« vergibt. Ganz wie bei Aktien. Und Christian Rosa soll man, laut Artnet, auf jeden Fall kaufen. Für 20.000 bis 30.000 Dollar kann man sich eine Leinwand des Rising Stars nach Hause nehmen, ein läppischer Einstiegspreis mit viel Raum für Wertsteigerung. Sogar Celebrities wie Leonardo Di Caprio und Orlando Bloom haben angeblich schon zugeschlagen. Dabei hatte Rosa seine erste Einzelausstellung erst letzten August. Ja, das geht alles recht schnell. Rosas Galerist Philipp Haverkampf von Contemporary Fine Arts in Berlin meinte gegenüber Artnet sogar, dass dabei Social Media vielleicht eine Rolle spielt.


FLORENTINA HOLZINGER — Enfant Terrible der Performance-Kunst

TEXT MAGDALENA HILLER BILD FLORENTINA HOLZINGER ILLU PETER STURMINGER

Provokation my ass 024 Florentina Holzinger macht Beyoncé ein bisschen dreckiger und die Theaterwelt ein bisschen geiler. Beim diesjährigen Impulstanz-Festival stellt die junge Wienerin ihr neues Solo-Projekt »Agon« vor. Der Schriftsteller Daniel Kehlmann hielt anno 2009 anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele eine Rede, die den Niedergang des Theaters besang. Er beklagte neben den durch politisches Hickhack vereitelten Karriereplänen seines Vaters vor allem die vermeintlichen Stil- und Sinnlosigkeiten auf den Bühnen unserer Zeit. Was bringt es denn, wenn immer alle Spaghetti essen? Was ist der Zweck dieser ganzen Videowände? Und wieso besudeln sich immer alle? Und ob das von öffentlicher Hand so vorgeschrieben sei?

SEKRETE-PARTY Man möchte Herrn Kehlmann dieser Tage an der Hand nehmen, mit ihm eine Aufführung der zwei jungen Performer Florentina Holzinger und Vincent Riebeek besuchen und ihm wenigstens den Teil mit dem Besudeln erklären: Warum sie das machen? Weil es geil ist. Weil sie es können. Weil sie auf der Bühne eine Party feiern, auf die du einfach nie eingeladen sein wirst. Aber wie kann es denn überhaupt sein, dass 024

das noch immer Thema ist? Körperflüssigkeiten auf der Bühne haben in unseren Gefilden schließlich eine lange Tradition. Die jüngere österreichische Geschichte ohne die Uni-Ferkeleien des Wiener Aktionismus? Unvorstellbar. Wenn in der Performance-Kunst der Körper das Medium ist, so sind seine Ausscheidungen die wichtigsten Botschafter. Und keiner hat das besser verstanden als die Österreicherin Holzinger und der Niederländer Riebeek.

ALLES HALB SO WILD Die beiden Performer, die sich im Laufe ihres Studiums an der School for New Dance Development in Amsterdam kennengelernt haben, landeten schon mit ihrer ersten gemeinsamen Arbeit »Kein Applaus für Scheiße« einen Hit. In der 2011 entstandenen Bühnenarbeit lassen sie nicht nur so einiges fließen, sondern legen auch noch einen Höllenritt durch die Geschichte der Body Art hin. In der ersten Szene etwa sitzt Holzinger breitbeinig und von der Hüfte abwärts unbekleidet auf einem Stuhl und kaut an einer roten Schnur, während Bühnenpartner Riebeek vor ihr kniend einen Strang gleicher Machart


mit kurzen, ruckartig-kontrollierten Bewegungen mit seinem Mund aus ihrer Muschi herauszieht. Dem jüngeren Teil des Publikums stockt hier kurz der Atem, verschämte Blicke zum Sitznachbarn – Ist das Kunst oder kann das weg? – während die Älteren sofort das Spiel mit den Referenzen durchschauen. Alles halb so wild, alles schon mal gesehen: 2000, »Confort et Complaisance« von Benoît Lachambre – ein Performer lässt sich eine lange Schnur aus dem Hintern ziehen. Die Linzer Industrialband Fuckhead spannt seit Jahren eine Schnur zwischen zwei Popos, wenn sie live spielt. 2010, »Magical« – Anne Juren verleibt sich ein Seidentuch gleichzeitig ein- und aus. Unverkennbar: Das junge Paar hat seine theaterwissenschaftlichen Hausaufgaben auf jeden Fall gemacht. Doch trocken wird es nie. Jeder theaterhistorische Bezugspunkt wird durch ein popkulturelles Gegengewicht gebrochen: Es wird getwerkt, gevoguet, gebreakdanct und Rihanna, Beyoncé, Miley und Lana liefern den Soundtrack zur großen Körpererfahrungssause. Es wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Zirkusund Varieté-Elemente einzubauen, die in anderen Tanzkreisen schwer verpönt sind. In der zweiten Arbeit des Duos namens »Spirit« etwa spielt Trapezkunst à la Cirque du Soleil eine große Rolle. Auch ist Holzinger eine große Virtuosin im Aerial Silk, der Vertikaltuchakrobatik an zwei Seidenbahnen. Ziel ist es schließlich, dem zahlenden Publikum die große Show zu bieten – kein Applaus für Scheiße eben. Scheinbar grenzenloses Vertrauen zueinander macht jeden Budgetmangel wett und kreiert gleichzeitig eine seltsame Art von Romantik. Kein Geld für einen Brunnen? Dem anderen rücklings in hohem Bogen in den Mund zu pinkeln macht doch genauso viel her. Vom Effekt glitzrig-blauer »Einhorn«-Kotze ganz zu schweigen.

beeindruckte Holzinger sehr und so beschloss sie, sich ebenfalls zum Warrior ausbilden zu lassen. Im Zentrum ihres Interesses steht hierbei vor allem das Verhältnis von der Auszubildenden zur Meisterin und die Übertragung dieser speziellen Frauenbeziehung auf die Bühne. Und auch die nächste Referenz lässt nicht lange auf sich warten: Wichtige Inspirationsquelle ist der ebenfalls »Agon« betitelte BallettKlassiker von George Balanchine und Igor Strawinski aus dem Jahre 1953. Auch ein »Kill Bill«-Vergleich drängt sich dabei auf – Holzinger vs. Thurman, das wäre doch was. Die Uraufführung von »Agon« findet am 9. August im Kasino am Schwarzenbergplatz statt. Ende Oktober wird eine weiterentwickelte Fassung im Brut zu sehen sein.

AUF DER SUCHE NACH DEM NÄCHSTEN KICK Bei alledem geht es den beiden immer darum, sich neu auszuprobieren und herauszufordern, Was-wäre-wenn-Szenarien zu erproben. Was wäre, wenn das unser letzter gemeinsamer Auftritt ist? Wenn wir heiraten? Wenn wir ein Kind bekommen? Oder wenn der Körper nicht mehr mitmacht? In ihrem ersten Solo »Silk« widmet sich Florentina Holzinger letzterer Frage. Nach einem fingierten Sturz robbt sie zu einem Rollstuhl und hievt sich von diesem in die Seidenstränge und legt einen letzten dramatischen Lufttanz hin. Was passiert, wenn eine dieser fiktiven Annahmen plötzlich bittere Realität wird, musste die gebürtige Wienerin schließlich letzten Sommer am eigenen Leib erleben: Bei einer Vorstellung in Norwegen löste sich ein Karabiner und Holzinger stürzte mehrere Meter kopfüber in die Tiefe. Diese Erfahrung konnte das tiefe Vertrauen in den Theaterraum allerdings nicht infrage stellen. Dauerhafte körperliche Schäden blieben keine, eine Erkenntnis aber setzte sich durch: Die Bühne ist ein Orakel. Und als Safe Space unantastbar. Schon sieben Wochen später ging es zurück auf Tour und die Suche nach neuen Challenges in die nächste Runde. In »Wellness«, ihrer dritten und bisher letzten gemeinsamen Arbeit, die Anfang dieses Jahres im Brut zu sehen war, beschäftigten sich Holzinger und Riebeek konsequenterweise mit der Optimierung von Körper und Geist. Was ist der Schlüssel zum ultimativen Wohlbefinden? Yoga, Laufen, Crossfit oder doch endloses Getanze zu Lana del Reys »Brite Lites«? Erstmals mit drei weiteren Tänzern auf der Bühne, ging die Message irgendwo zwischen Unmengen an Gleitmittel und einem leuchtenden Riesen-Strap-On-Dildo verloren. Trotz gewohnt kompromisslosem Ganzkörpereinsatz war eine gewisse Müdigkeit zu spüren. Drei Jahre on the road mit dem Stempel »provokanteste Nachwuchskünstler Europas« auf der Stirn hinterlassen eben Spuren.

MIXED-MARTIAL-ARTS UND EIN BISSCHEN BALLETT Kommenden August wird nun Florentina Holzingers neues SoloProjekt »Agon« im Rahmen des Impulstanz-Festivals zur Uraufführung kommen. Einen Sommer verbrachte sie schon als Stipendiatin beim Impulstanz-Festival und 2012 wurde sie hier für »Silk« mit dem Prix Jardin d‘Europe ausgezeichnet. Ein doppeltes Heimspiel also für die gebürtige Wienerin. »Agon« – altgriechisch für Wettstreit – steht hierbei für das Ringen mit dem eigenen Körper um Unversehrtheit und Heilung und für den Kampf um neue Bilder »jenseits knechtender Zuschreibungen«. Anstoß für die Beschäftigung mit diesem Thema war die Begegnung mit einer Mixed-Martial-Arts-Sportlerin auf einem Flug nach Brasilien. Die vom letzten Wettkampf grün und blau geschlagene junge Frau 025


PARTYS ALS KUNSTVERMITTLUNG — Mehr als Feiern

Raus aus dem Elfenbeinturm Tanzen, Feiern, Gegenwartskunst. Kulturinstitutionen durch Partys aufzupeppen wurde zum regelrechten Trend. Hat das etwas damit zu tun, dass Kunst so cool ist? Die Sonne senkt sich über den Opernring, und einige vornehm gekleidete, ältere Menschen warten darauf, dass die heutige Vorstellung beginnt. Die Menge 50 plus wird durch vereinzelte Touristen aufgemischt. So sieht ein durchschnittlicher Abend vor der Wiener Staatsoper aus. Damit haben viele klassische Kulturinstitutionen zu kämpfen: Das Publikum ist einheitlich und immer gleich, wird noch dazu immer älter. Das verstaubte Image und sinkende Besucherzahlen sind nicht nur langfristig ein Problem, sie stellen auch die Frage nach Gerechtigkeit. Die Staatsoper und die anderen Bundestheater sowie die größten Museen erhalten jährlich mehrere Millionen Euro Subventionen von Bund und Stadt Wien. Das sind Steuergelder, die vom Gehalt des Supermarkt-Kassiers ebenso abgezogen werden wie von dem des Bankdirektors. Oft profitiert davon nur eine kleine Bevölkerungsschicht, die aufgrund ihrer Bildung und Sozialisation bereits einen Bezug zur Kunst hat. Die Institutionen selbst sind sich dieses Problems durchaus bewusst, sie wollen für viele Menschen offen sein. Wenn man also junge Leute anziehen möchte, was funktioniert besser als ... Party?

TEXT TERESA HAVLICEK BILD BILDMARIA EARLY KRASA BIRDS IN DER KUNSTHALLE WIEN / MARIA KRASA

REIN IN DIE PARTY Early Birds, Albert & Tina, Pomeranze, Neni Art Collective, 21er Club, Café Publik. In den letzten Jahren konnte man immer öfters Kunst mit Beats bekommen. Auf den ersten Blick mögen solche Konzepte wie »Party mit Extra« wirken, aber im Grunde kann man sie auch Kunstvermittlung nennen. Man geht wegen des DJ-Line-ups ins Haus und kommt wegen der Installationen wieder. »So bedrohlich das auch klingen mag, finden wir es legitim und sinnvoll, die Anziehungskraft einer Party zu nutzen, um Kunst einer breiten Masse zugänglich zu machen.« Maria Krasa und Florian Scheck gründeten vor zwei Jahren Early Birds. Ob die Kunst dabei ein Ölgemälde, eine Illustration, Street Art oder eine DJ-Mix ist, ist nicht so wichtig. Bei ihren Happenings steigen sich regelmäßig cool people gegenseitig auf die Zehen, obwohl die Kunstaktionen vor Ort vielleicht weniger spektakulär sind als man vermuten könnte. Spektakulär, ja. Nur eben nicht Joseph Beuys-spektakulär. Zuerst wollten sie die Kunsthalle am Karlsplatz beleben. Der Erfolg und das sehr gemischte Publikum brachte dann die Kunsthalle selbst dazu, sie bereits dreimal zu sich in die Halle zu holen. Auch bei The Gap waren wir nicht ganz unbeteiligt an dieser Art von Events: Albert & Tina heißt die Reihe, die als gemeinsame Idee mit der Albertina entstand. Nachdem wir befangen sind, soll bitte jeder selbst entscheiden, ob sich DJs mit Sommerspritzern und Fotoausstellungen vertragen – am besten vor Ort. Ähnliche Ambitionen gab es im Kunsthaus Graz und vom Leopold Museum. Man wollte, konnte nur noch nicht. Das neue 21er Haus am Hauptbahnhof feierte vor fast drei Jahren mit Planningtorock seine Erföffnung und hat auch abends mit dem 21er Klub regelmäßig DJs im Programm. Selbst das Museumsquartier kann sich über zu wenig Junge eigentlich nicht beklagen. Es bündelt heuer einen ganzen Sommer lang seine GratisKonzerte und Auflegereien unter dem Titel »MQ Summer of Sounds«. Auch das Wiener Brut macht seit dieser Saison deutlich mehr Konzerte. Vorbei ist die Zeit, als Gegenwartskunst und Performance so cool war wie ein klassisches Konzert. Oder wie Socken mit Trekking-Sandalen. Was die Eventisierung von Kunst mit sich bringt, ist auch dabei zu sein. Adabei hätte man früher gesagt. Natürlich ist das eine Einladung 026

für Kritik. Bei Vernissagen allein geht es ohnehin selten genug um die Kunst. Natürlich wird das nicht besser, wenn jazziger House im Hintergrund läuft. Und trotzdem, der DJ hilft. »Ein ungezwungenes Setting ermöglicht neue Perspektiven und einen anderen Zugang zu Kunst. Vielleicht mehr als ein trockener Ausstellungsbesuch«, meinen zumindest Krasa und Scheck von Early Birds. Die Oberflächlichkeit ist Schwäche und Stärke zugleich. Langfristig gesehen verändern sie zwar nicht das Programm, aber das Bild der Häuser. Nun ist das nicht ganz neu, bei »Tranceport« 1992 an der Akademie der Bildenden Künste wurde früher Techno mit dem wilden Denken verbunden, das H.A.P.P.Y stellte seine Partys ebenfalls in den Dienst der Kunst. Der Charakter und die Zahl dieser Partys haben sich seither deutlich verändert.

IN THE MIX In St. Pölten hat man es geschafft, Partizipation und Party auf einer Plattform zu verbinden. »Mit dem Café Publik wollten wir das kreative Potenzial der Stadt unkompliziert im Festspielhaus abbilden«, so Susanne Wolfram, inhaltliche Leiterin des Programms. Mit Joachim Schlömer hatte das Festspielhaus St. Pölten einen Intendanten, der das urbane Leben ins Festspielhaus bringen wollte. Andres Fränzl, Leadsänger von Bauchklang und künstlerischer Leiter vom Café Publik, buchte lokale DJs und Bands nach St. Pölten. Mindestens einmal in der Woche hatte das Café offen. Bestimmten Gruppen wurden einzelne Abende gewidmet, die das Café nach Belieben bespielen konnten: Migranten, Schüler, Studierende. »So konnten wir ganz unterschiedliche Leute mit dem künstlerischen Virus infizieren«, erzählt Wolfram. Dass das Café Publik heute nach nur vier Jahren wieder geschlossen ist, ist die Kehrseite. Die Prioritäten hatten sich verschoben, Order von oben, die Kunst hatte Vorrang, obwohl der Andrang groß war. Auch in der Ankerbrotfabrik in Wien Favoriten wollte man sich lieber nicht an eine aus dem Ruder gelaufene Party Ende 2010 erinnern. Zu viel Polizei, zu viel Dreck, zu wenig Kunst. Natürlich sind Partys nur ein ganz kleiner Teil, wie man Leute für sich begeistert. Videos, Podcasts oder Apps können interaktiv durch eine Ausstellung führen. Programme für sozial schwache Menschen wie »Hunger auf Kunst und Kultur« oder die »Brunnenpassage« am Brunnenmarkt, setzen vor allem auf Partizipation, um durch das Mitmach-Erlebnis ein tieferes Verständnis für Kunst erfahrbar zu machen. Es kommt darauf an, wen man erreichen möchte.

DA GEHT NOCH MEHR Auch Party kann man ganz unterschiedlich betreiben, die Kunst steht dabei mal mehr, mal weniger im Vordergrund. Vielleicht waren ein paar Leute da, um gesehen zu werden. Ein paar Besucher wollten vielleicht nur richtig gut abtanzen. Vielleicht konnten sich einige an die Namen der Künstler erinnern und liken ihn jetzt auf Facebook. Als Besucher für die Statistiken der Häuser gelten diese Leute zudem. Auf jeden Fall aber werden sie von Kunst berührt werden. Oder »mit dem Kunstvirus infiziert«, wie Frau Wolfram sagt. Manche Viren, die können auch ein paar Jahre brauchen, bis sie ausbrechen Early Birds findet in unregelmäßigen Abständen in der Kunsthalle Wien und anderen Locations statt, Infos unter early-birds.tumblr.com. Über den 21er Klub kann man auf www.21erhaus.at nachlesen. Die Angebote der Brunnenpassage sind unter www.brunnenpassage.at abrufbar.


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» So bedrohlich das klingen mag, finden wir es durchaus sinnvoll, die Anziehungskraft einer Party zu nutzen, um Kunst einer breiten Masse zugänglich zu machen.« — Maria Krasa und Florian Scheck 027


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SIA – »1000 FORMS OF FEAR« — Pop-Album des Jahres

1000 Forms Of Amazing Sias Album fühlt sich an wie ein verdammter Blockbuster. Die am häufigsten konsultierte Liedermacherin im Pop-Business holt einmal ordentlich mit ihrem Song-Hammer aus und reißt dabei irgendwie alles nieder. Mit Schmackes.

METAPHERN UND »WOAH« Sia hat mittlerweile ein bestimmtes Rezept für ihre Songs gefunden, das sie soweit noch nicht verändert hat und das auch wirklich nicht tun sollte. Eine essenzielle Zutat sind meist beklemmende und dann doch befreiende Lyrics, die banale Gegenstände oder Materialien sinnentfremden und dadurch metapherngeschwängerte Zeilen wie »Can’t hide the pain when you’re wrapped in cellophane« hergeben. Wie gut dieses Prinzip funktioniert, wurde schon auf der Leadsingle »Chandelier« bewiesen, die als Opener des Albums einen auch Monate nach Erstveröffentlichung immer noch komplett wegbläst. Bei der Vorstellung, dass diese ursprünglich für Rihanna gedacht war, bekommt man eine Gänsehaut. Die Höhen dieses Refrains, der einem watschenartig ins Gesicht donnert, liegen definitiv nicht im Bereich des stimmlich Möglichen für Nasen-Riri. Sia hingegen klingt, auf die bestmögliche Art und Weise, als würde ihr gleich der Kopf explodieren. Für »Chandelier« hat sie sogar gegen ihre eigenen Anti-FameRegeln verstoßen und den Song live bei Ellen Degeneres performt. Mit dem Rücken zum Publikum halt. Der Song bleibt unfassbar gut und ist nicht zuletzt durch das zugehörige Video mit der elfjährigen Tänzerin Maddie Ziegler als Hauptprotagonistin zur bis dato erfolgreichsten Sia-Single avanciert. Kylie Minogue hat von ihr zwar nur ein paar unterdurchschnittliche Sex-Liedchen für ihr Album bekommen, kommentierte aber zum Single-Release: »She’s only gone and done it again«. Wahr, Kylie. Wahr. Nur eben noch mal besser. »Eye Of The Needle« (Metapher!) wurde als zweiter Appetizer im Vorfeld veröffentlicht und macht, ebenso wie »Big Girls Cry«, reichlich Gebrauch von diesen »Woah woah«-Hooks, die Sia so gern verwendet und so speziell und einzigartig betont, dass sogar Beyoncé kläglich am Versuch schei-

tert, sie zu imitieren. Ihre Röhre ist schon was Besonderes, vor allem dann, wenn sie sich verraucht anhört, leichte Krächz-Ansätze aufweist und dadurch den omnipräsenten Bombast-Melodien einen Hauch von Zerbrechlichkeit verleiht. Auf »Hostage« geht‘s dann auch zum ersten Mal in Richtung Uptempo und ja, Feelgood steht Sia sogar ganz gut. Sogar so sehr, dass man wippen möchte. Zumindest so lange, bis man die Lyrics bemerkt, die eine Verliebtheit metaphorisch – duh – als eine Geiselnahme darstellen, und eine Geiselnahme stellt man sich nun mal nicht gerade angenehm vor. Jedenfalls in den meisten Fällen.

SO VIEL GUT »Elastic Heart« auf der Tracklist zu entdecken, das war ein guter Moment. Dieses Monster von einem Song war zwar bereits im letzten Jahr auf dem »Catching Fire«-Soundtrack enthalten, ist aber wohl so was wie musikalischer Rotwein und wird demnach mit dem Alter immer besser. Die fast schon hypnotisierende Produktion von Diplo und das Weeknd-Feature sind daran sicher nicht ganz unschuldig. Ob Sias Herz tatsächlich über Elastizität verfügt, sei mal dahingestellt. Man sollte aber lieber nicht davon ausgehen und darf somit eher in Richtung Metapher spekulieren. Auf »Fire Meets Gasoline« werden die Sound-Mauern abermals höher in Richtung Himmel gebaut, und alles hebt plötzlich ab. Ein Refrain, der so klingt, als würde er irgendwohin emporsteigen und immer riesiger und gewaltiger werden. Das muss man erst mal packen. Textlich funktioniert die Victim-to-Victory-Thematik natürlich immer wieder gut, in Zukunft darf man sich aber auch sehr gern neue Dinge überlegen. Das nennt man übrigens Meckern auf allerhöchstem Niveau.

GROSSER POP »Burn The Pages« und »Straight For The Knife« werden vom favorisierten Piano getragen und ziehen die hohe Qualität des Albums eisern durch. Hier gibt es keine Filler. Ein Pop-Album ohne Filler! Auch wenn auf »Free The Animal« auf ungewohnt aggressive Weise Befreiung eingefordert wird, ist das noch immer so großartig, dass es locker eine Single werden könnte. Aber vor allem kann es nur von Sia selbst gesungen werden. Die Songs gehören gänzlich ihr, und man ist fast ein wenig erleichtert, dass sie diese Kracher für sich behalten hat. Ansonsten wären sie wohl auf dem Album von Lea Michele vergammelt. Das abschließende »Dressed In Black« beginnt mit leiser Spieluhr, nur um später im absoluten »Woah woah«-Klimax zu gipfeln. Die Dame lässt »1000 Forms Of Fear« mit einem mächtigen Knall enden. Wie ein gigantischer Bienenschwarm umhüllt sie alles. Es ist ein Sia-Exzess. Echt jetzt. Was für ein Album. Zwölf Riesen-Songs, allesamt absolute Granaten. Ein fahler Beigeschmack tritt nur dann auf, wenn man plötzlich merkt, dass man das alles vielleicht David Guetta zu verdanken hat. »Titanium« hat diesen Stein nun mal so richtig ins Rollen gebracht. »Breathe Me« hatte ihn 2005 zwar angestoßen, mehr aber auch nicht. Der Rest ist Pop-Geschichte und beinhaltet mittlerweile mehr als zwölf Millionen verkaufte Songs und eine zu Füßen liegende Musikbranche. Sia Furler ist jetzt wohl sowas wie der Max Martin der 10er Jahre. Und nebenbei ist sie ein großartiger, soziophober Anti-Popstar. »1000 Forms Of Fear« von Sia erscheint am 4. Juli auf Monkey Puzzle Records / Sony BMG. 029

TEXT FRANZ LICHTENEGGER BILD PRETTY PUKE

Bei einem Release dieser Größenordnung würde man für gewöhnlich mit einer klassischen, völlig absurden Riesen-Kampagne inklusive absolut hirnrissigem Rauswerfen von Major-Label-Cash in Form von goldenen Katy Perry-LKWs rechnen. Im Fall von Sia Furlers sechstem Studioalbum »1000 Forms Of Fear« kriegt man davon rein gar nichts. Weil sie nicht mag. Der Veröffentlichung hatte sie von vornherein nur unter der Voraussetzung, auf Interviews und jegliche andere Form von Promotion scheißen zu dürfen, zugestimmt. Das Albumcover ziert nichts als der blonde Bob, der anscheinend gerade zu ihrem ganz eigenen Amy WinehouseBienenstock wird. Künstler, die nur an ihrem Haarschnitt erkannt werden, sind grundsätzlich super. Durch ihr Anti-Fame-Manifesto für Billboard, in dem sie Popstar sein und die ganze »In-der-Öffentlichkeit-stehen«-Sache mit so was wie einer dauernörgelnden Schwiegermutter vergleicht, ist sie nun irgendwie für ihren Wunsch, lieber unberühmt zu bleiben, berühmt geworden. Und natürlich für ihre recht anhörbaren Versuche, Songs zu schreiben. Große Songs, die sie dann an große Künstler weitergibt. Ihr Lebenslauf liest sich mittlerweile ein bisschen wie ein weibliches Popstar-Verzeichnis: Beyoncé, Britney, Celine, Christina, J-Lo, Katy, Kylie, Rihanna, Shakira. Es gibt jedoch auch Material, dessen Frau Furler sich nicht so einfach entledigen wollte und welches nun offenbar ein ganzes Album füllen konnte. Und großer Gott, was ist das für ein Album.


JUNGLE — Die Disco-Soul-Newcomer lüften ihr Geheimnis

Discodeine Jungle machen auf ganz geheim. Man muss sich eben mit ihren unglaublich guten Soft-Disco-Songs zufrieden geben. Images sind ohnehin überbewertet.

Auch ein halbes Jahr, nachdem sie von der BBC für die »Sound of 2014«-Liste nominiert wurden, kennt man nicht viel mehr als die Initialen von J und T alias Jungle. Lange gab es sie nur als 4-Song-EP, eine Single, Videos und Stammplatz in Musikblogs. Und tatsächlich ist ihre Musik erfrischend genug, um Gesichter zur Nebensache verkommen zu lassen. Außerdem ist es einfacher zu entscheiden, worüber man schreiben soll. Es bleibt einstweilen nur die Musik.

TEXT BENJAMIN AGOSTINI BILD DAN WILTON

»HARD TO BELIEVE THEY’RE NOT BLACK« Im Interview verrät T, welche Musik er gerne hört: Philipp Glass, Gonzales, Curtis Mayfield, Shuggie Otis und Pink Floyd. Darauf basierend müsste also etwas rauskommen, das man Minimal-SpaceJazz-Funk-Soul nennen könnte. Den Space hört man als freien Raum zwischen den Beats. In ihren Songs steht der Bee Gees-Kopfgesang meist im Vordergrund. Er verleiht dem sanft gesponnenen Gerüst aus Tanz-Beat und Flächen-Orgel ihre Melodie. Details wie Sirenen und knarrende Türen fügen sich perfekt in das drückende Großstadt-Flair ein. Gitarren sind nur selten zu hören und wenn, dann als schrammeliges Etwas und des Rhythmus wegen. Sie holen mit Gespür für die genau richtige Menge Nostalgie den Soul in die Gegenwart, lassen dabei aber ihre Einflüsse nur subtil durchscheinen. Ein YoutubeKommentar trifft es ganz gut: »It is really hard to believe they’re not black«. Vom Disco-Revival, das seit Jahren klein aber umso intensiver auf silbrig-blauer Flamme kocht, profitieren sie natürlich auch. Sie räumen den Sound auf und heizen die große Funk-Maschine mit dunkler Materie an. Gerade so als hätten Blood Orange, Can und The Rapture gemeinsam Kodein getrunken. Auf dem Album-Opener »The Heat« prophezeien sie ganz treffend: »Right on time, back by the beach / Still goin’ to bring the heat.« 030

ROLLSCHUH-DISKO Über die Wichtigkeit von Musikvideos in Zeiten von Spotify und praktisch keinem Musikfernsehen kann man streiten. Jungle nützen diese, um ihren Hype voranzutreiben. Adidas hat jedes einzelne davon gesponsert. Nebensache, wenn man der sechsjährigen Terra beim Breakdancen zu »Platoon« zusieht. Oder man plötzlich unbedingt alte Rollschuhe anziehen will, nachdem man sieht, wie abgefahren (ha!) die High Rollaz auf den ihren zu »The Heat« tanzen. Für einige Zeit haben diese als Avatare in Videos und auf raren Fotos für Jungle herhalten müssen – mittlerweile weiß man natürlich, wie J und T aussehen, weil sie auf so ziemlich jedem Festival von Glastonbury bis zum Unknown in Kroatien spielen. Und es ist genauso egal, wie sie immer selbst betont haben. Es geht um die Musik, und vor allem live machen Jungle unglaublich viel Spaß. Im Studio sind sie zu zweit, auf der Bühne stehen sie mal zu fünft, mal mit sieben Leuten. Die Variante mit Laptop und vereinzelten Instrumenten à la Disclosure haben sie bewusst gemieden. Es geht ihnen darum, Gefühle zu übermitteln. Für mächtigen Funk sind ja die Pausen wichtiger als die Töne selbst. Vielleicht stehen sie deshalb live relativ unbewegt herum. Damit du den Groove spürst. Betrachtet euch jedenfalls als eingeweiht. Jungle waren einmal ein großes Geheimnis mit guten Songs. Bald sind sie eure Lieblingsband, versprochen. Das selbstbetitelte Album von Jungle erscheint am 14. Juli bei XL Recordings.


REDRUM ROOM 237 — Die Doku über »Shining« sagt viel über das Sehen von Filmen an sich

Kubricks Gesicht in den Wolken

»Room 237« beginnt vergleichsweise unvermittelt. Eine nur kurz beim Namen genannte Stimme aus dem Off erzählt recht persönlich über die eigenen Erfahrungen mit Stanley Kubricks »Shining«. Im Bild: Tom Cruise, der ein Kino-Plakat zu »Shining« betrachtet und unbekannte Menschen in einem Kino. Kurz wird angeschnitten und erzählt, was hinlänglich bekannt ist: »Shining« war für viele eine Enttäuschung. Man hatte sich von einer Stephen King-Verfilmung und einem Stanley Kubrick-Horrorfilm anderes erwartet. Die Großartigkeit des Films hat sich erst langsam herumgesprochen und manche mussten den Film mehrmals ansehen, um in seine Vielschichtigkeit einzutauchen. Dann kommt die Stimme aber auch schon zu einer persönlichen Deutung: Verschiedene Details in den Bildern von »Shining« – unter anderem, wie bestimmte Konservendosen mit einem Indianer-Profil angeordnet sind – lassen darauf schließen, dass »Shining« ein Film über den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern ist. Wenige Szenen später erzählt eine andere Stimme davon, dass der Zweite Weltkrieg das Thema von »Shining« ist. Als Hinweise dienen eine alte deutsche Schreibmaschine, die im Lauf des Films ihre Farbe ändert oder auch eine Überblendung am Ende des Films, die einen Hitler-Bart auf das Gesicht von Jack Nickolson zeichnet. Und dann gibt es da noch diesen Haufen Gepäckstücke, der in der nächsten Szene von einer Gruppe Menschen ersetzt wird.

FAKE-MONDLANDUNG Fünf Interview-Partner kommen in »Room 237« zu Wort. Sie werden im Film nicht näher vorgestellt. Bill Blakemore ist ein erfahrener Journalist, Geoffrey Cocks Geschichtsprofessor, Juli Kearns Dramaturgin, John Fell Ryan Musiker und Künstler und Jay Weidner Autor, Filmemacher und Verschwörungstheoretiker. »Room 237« stellt ihre Analysen und teils kruden Ideen und Eindrücke ziemlich unkommentiert nebeneinander.

Manchmal versucht die Doku, die entsprechenden Bilder in »Shining« zu finden, manchmal gibt es bewusst absurd eingesetztes Filmmaterial – Stephen King im Pyjama – zur Untermalung des Erzählten. In vielen Szenen zeigen die Analysen tatsächlich Details, die beim normalen Ansehen den wenigsten auffallen: Ein Teppich, der die Ausrichtung ändert, unmögliche Architektur und andere von Kubrick versteckte Spielereien. Fast genauso oft erweisen sich die Theorien und Aussagen aber auch als Hirngespinste der Interviewten. Wie Kubricks Gesicht in den Wolken. Die schönste Idee ist, dass Kubrick für die US-Regierung die Mondlandung gefakt hat und in »Shining« seine Erfahrungen damit verarbeitet. Ein Beweis: Der Zimmerschlüssel zu Room No. 237. Und aus diesen Buchstaben lässt sich außer Room ja nur Moon bilden. Ebenso faszinierend auch Effekte, die entstehen, wenn der Film gleichzeitig vor- und rückwärts ablaufend übereinander projeziert wird. Ob beabsichtigt oder nicht: hier entstehen tatsächlich ganz neue, oft eindrucksvolle Bilder und Deutungsmöglichkeiten. Die Erzähler finden viele Details, die beachtenswert sind – und liegen genauso oft daneben. Sehen Erektionen, wo keine sind. »Room 237« erzählt deswegen nicht nur über »Shining«, sondern generell über das Sehen von Filmen, das Konsumieren von Medienprodukten. Darüber, wie Sinn und Unsinn – gerade bei komplexeren, freieren Werken wie »Shining« – erst im Kopf des Zusehers entsteht. Darüber, wie viele Interpretationen nicht nur möglich, sondern auch berechtigt sind. Es ist ebenso erhellend wie unterhaltsam, den Stimmen aus dem Off dabei zuzuhören, wie sie auf ihre Theorien gekommen sind, was sie in den Bilder sehen, hören und was sie aus ihrem Gedächtnis ergänzen. Eine anschauliches Beispiel dafür, wie wir selbst Filme verarbeiten, Bilder und Töne mit eigenen Geschichten und Erfahrungen ergänzen. Und dann war da noch die Sache mit dem roten VW-Käfer. »Room 237« ist bereits bei Rapid Eye Movies auf DVD erschienen. 031

TEXT MARTIN MÜHL BILD RAPID EYE MOVIES

Fünf Personen erzählen von ihrer persönlichen Sicht auf »Shining«: mal intelligent, mal kurios, fast immer unterhaltsam. Beispiele dafür, wie das Ansehen von Filmen zum individuellen Erlebnis wird.


»Halt And Catch Fire« soll zum Nachfolger von »Breaking Bad« werden. Nerds – sogar Frauen sind dabei – machen es möglich.

IT-SERIEN IM TREND — »Silicon Valley« & »Halt and Catch Fire«

Haben Sie es schon mit Ein- und Ausschalten versucht?

TEXT DOMINIK OSWALD BILD AMC, HBO

Mit »Silicon Valley« und »Halt And Catch Fire« schicken sich zwei aktuelle US-amerikanische Produktionen an, das Loch zu füllen, das »The IT Crowd« hinterlassen hat. Nerd müsste man sein. Denn keine der klassischen sozialen Peergroups der US-amerikanischen Highschools, die man durch jahrzehntelangen Fernsehund Filmkonsum lieben und hassen gelernt hat, unterlief in der letzten Dekade einen derartigen Imagewandel wie jene der Streber, Außenseiter und Geeks. Auch wenn der 1950 von Dr. Seuss aufgegriffene Nerd-Begriff nicht immer ganz klar umrissen war, ist relativ offensichtlich, wer oder was damit gemeint ist. Intelligente, meist junge, meist männliche Menschen, die in ein paar wenigen Dingen blitzgescheit sind: Wissenschaft, Technik, Videospiele oder Comics. Und Nerds haben natürlich Probleme im zwischenmenschlichen Bereich.

Hauptfiguren machen: beginnend mit dem nostalgisch-verklärten Judd Apatow-Frühwerk und Mega-Sprungbrett »Freaks and Geeks« (1999-2000) über »Chuck« (2007-12) bis hin zu »The Big Bang Theory« (seit 2007), dem wohl bekanntesten Beispiel einer Nerd-Serie. Mittlerweile verzichten nur wenige Serien auf Nerd-Charaktere, zumindest in einer Nebenrolle sind sie stets präsent, man denke beispielsweise an Abed aus »Community«. Auch beim eingeschlafenen Riesen »Two and a Half Men« hat man den Trend erkannt, der neurotische IT-Milliardär traut sich nicht so richtig, mit seinem vielen Geld anzugeben. Ashton Kutcher hat in dieser Rolle den Popkultur-Playboy Charlie Sheen abgelöst. Sicher kein Zufall.

SERIEN FÜR NERDS VS. SERIEN MIT NERDS

Eine besonders nerdige Gattung Nerd ist dabei der Computer-Nerd, der Hacker, der Zocker. Im Unterschied zum Comic- und Film-Nerd, der fast ausschließlich in Sitcoms auftritt, braucht ihn die Gesellschaft, weswegen man ihn auch in Drama- und vor allem Crime-Serien findet. Mit seinen Fähigkeiten am PC löst er die kritischen Fälle per schweißtreibender Tastatur- und Maus-Action. Selbst klassische Agenten kommen selten ganz ohne Cyberskills aus. Nur wenige Shows legen aber ihren Fokus ganz auf diese Hardcore-Nerds. Das beste Gegenbeispiel ist die Britcom »The IT Crowd« (2006-2011), eine der ersten Serien, die den alltäglichen Kampf zwischen Nerds und Normalos zeigte. Die ITAbteilung saß dort natürlich im Keller. Vieles kannte man so ähnlich aus dem eigenen Büro. Sie war deshalb lustig, weil es ja wirklich traurig ist. BAFTA Awards, Emmys, alles kein Problem.

Der Aufstieg der Nerds – man denke an Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg – schlägt sich natürlich auch im Leitmedium der Moderne, dem Fernsehen, nieder. So gab es in den grauen Vorzeiten Serien, deren Publikum aus Menschen bestand, die man später als Nerds bezeichnen wird. Oft und gern sind sie im Science-FictionBereich zuhause. Serien wie »Batman« (1966-68), danach vor allem »Star Trek: The Original Series« (1966-69) und der Nachfolger »The Next Generation« (1987-94) prägten Generationen von Fans, die ihre Leidenschaft aber nur daheim im Dunklen und mit Postern und eigenartigen Gimmicks ausleben konnten. Mit dem Internet ist das alles anders geworden. Seit der Jahrtausendwende finden sich im US-amerikanischen TV immer mehr Live-Action-Shows, die Nerds zu 032

IT-SERIEN IM TREND


Nein, nicht »Männer, die auf Monitore starren«, sondern »Silicon Valley« heißt die IT-Serie, die schon drei CriticAwardss Choice einstreifen konnte.

EMPFEHLUNG 2: »HALT AND CATCH FIRE«

EMPFEHLUNG 1: »SILICON VALLEY« Man kennt das schon, kein Artikel zu Fernsehserien ohne dazugehörige Empfehlung. Dieses Mal: »Silicon Valley«. Diese neue hbo-Sitcom ist nach dem Ende von »The IT Crowd« ein Silberstreif in der IT-Sitcom-Breitbandleitung. Ausgestrahlt seit April 2014, dreht sich darin alles um Softwareentwickler, die im Epizentrum der globalen Computerindustrie ihren persönlichen Klondike River gefunden haben und nun, 130 Jahre nach den Goldsuchern, selbst reich werden wollen. Gelingen soll das mit einem zuerst unterschätzten Komprimierungsalgorithmus, der das Potenzial hat, das Denken über Speicherplätze zu verändern. Anstatt den Algorithmus für eine zweistellige Millionensumme an einen Branchenriesen namens Hooli – recht eindeutig: Google – zu verschachern, wird mithilfe eines Investors eine eigene Firma gegründet. Dann geht, wie zu erwarten, das Chaos los. »Silicon Valley« erfüllt seine Unterhaltungsaufgaben bravourös, die meisten Gags zünden. Dafür sorgt ein Cast, der größtenteils ohnehin seit Jahren ähnliche Rollen spielt: am bekanntesten sind Martin Starr, der schon bei »Freaks and Geeks« dabei war, T.J. Miller, der einen sympathisch-großmannssüchtigen Hausbesitzer spielt, und Josh Brener, der Gruppenleiter aus »The Internship«. Produziert hat unter anderem Mike Judge (»Beavis and Butt-Head«), der seine eigenen Erlebnisse zur Grundlage der Serie gemacht hat. Trotz guter Witze nerven dabei allerdings die vielen Stereotype der Charaktere. Am schlimmsten ist dabei der unvermeidliche Asiate, der Probleme damit hat, mit Frauen zu sprechen. Auch Kanada-Witze sucht man nicht vergebens. Staffel Zwei ist schon bestellt. Das Potenzial ist da, drei Critics’ Choice Awards-Nominierungen ebenfalls.

Ganz anders macht es das Period-Piece »Halt And Catch Fire«. Seit 1. Juni wird der 45-Minüter auf amc ausgestrahlt. Der Sendeplatz wurde kurzerhand von »Mad Men« übernommen. Das Sender-Marketing sieht in »Halt And Catch Fire« sogar den veritablen Nachfolger von »Breaking Bad«. Um möglichst hip zu starten, wurde der Pilot am sxsw-Festival in Texas vorgeführt und bekam jede Menge Vorschusslorbeeren. Die Serie ist zwar als Drama angelegt, die Handlung ähnelt »Silicon Valley« jedoch dramatisch: Drei unterschiedliche Charaktere, ein Visionär, ein brillanter Ingenieur und ein Wunderkind – auch sie müssen sich den Vorwurf des Klischees gefallen lassen – legen sich in den frühen 1980ern mit der damaligen IT-Regentin ibm an. Die Firma, für die diese Hauptcharaktere arbeiten, soll mittels Reverse Engineering eines ibm-Produkts in das Rennen um den globalen Heimcomputermarkt einsteigen. Das belastet natürlich nicht nur das Verhältnis zum Branchenriesen, sondern ebenso die persönlichen Kontakte. Auch wenn die Hauptdarsteller nicht die großen Namen haben, hinter der Kamera hat sich amc nicht lumpen lassen und Leute von »Breaking Bad« sowie den oscarprämierten Juan José Campanella für den Pilot ins Boot geholt. Die Informatik-Prozesse werden deutlich professioneller, ja nerdiger, dargestellt – was die Serie auch für ein explizites Fachpublikum spannend macht. Für Serienfans ist »Halt And Catch Fire« ohnehin nahezu Pflichtprogramm. Nerds sind heute Serienhelden, weil sie auch die Helden und Rockstars unserer Zeit sind. Im Film waren Bosse und Industriebarone schon lange dankbare Hauptfiguren. In Serien werden sie es wohl noch länger bleiben, zumindest, bis die Techbranche immer neue Aufsteiger produziert. Die erste Staffel »Silicon Valley« wurde bereits auf hbo ausgestrahlt und startet voraussichtlich im Herbst auf Sky Atlantic HD. Eine zweite Staffel wird es geben, ein Starttermin steht noch nicht fest. »Halt And Catch Fire« wird jeden Sonntag um 22 Uhr Ortszeit auf amc ausgestrahlt. 033


INDIE GAMES — Was bedeuten neue Märkte für die Entwickler?

Innovativ, unabhängig – Indie?

TEXT ALEXANDER KORDS BILD ZEPPELIN STUDIO, IMAKEGAMES

Bei der Vorstellung der Next-Gen-Konsolen haben Sony und Microsoft angekündigt, dass unabhängige Spieleentwickler problemlos auf PS4 und Xbox One veröffentlichen können. Aber was bedeutet das für das Prädikat »Indie-Spiel«? Wir haben uns in österreichischen Entwicklerstudios umgehört. »Die Grenzen zwischen Indie und Nicht-Indie verwischen immer mehr«, sagt Felix Bohatsch. Er ist Geschäftsführer des Wiener Spielestudios Broken Rules. Das Unternehmen, das aus gerade einmal fünf Mitarbeitern besteht, hat vor Kurzem seinen Plattformer »Secrets Of Rætikon« im Online-Spieleshop Steam veröffentlicht. Bohatsch war dabei ebenso mit an der Entwicklung des Titels beteiligt wie der Marketing-Beauftragte und der Finanz-Chef. »Es ist nicht unser vordergründiges Ziel, Millionen mit unseren Spielen zu machen, wir wollen vor allem unsere eigene Vision in die Tat umsetzen«, umreißt Bohatsch die Philosophie der Spieleschmiede, die seit 2009 existiert und vor »Secrets Of Rætikon« bereits drei vielbeachtete Titel (darunter »And Yet It Moves«) programmiert und veröffentlicht hat. Diese erhalten ihre Aufmerksamkeit vor allem über die üblichen Social Media-Kanäle, über die Verbreitung im eigenen Netzwerk, über kleinere Spielemessen – eben die Möglichkeiten von Unternehmen, die nicht mit einem Millionen-Budget ausgestattet sind.

ALLEIN GEGEN HUNDERTTAUSENDE Segen und Fluch zugleich sind dabei App-Stores und andere virtuelle Gaming-Kaufhäuser. Brauchte man vor einigen Jahren noch einen Publisher, der sich um den Vertrieb eines Spiels kümmerte, stellt man es heute einfach selbst online. »Die Onlineshops sind größtenteils für den aktuellen Indie-Hype verantwortlich«, vermutet Tiare Feuchtner, die Marketing-Managerin von Zeppelin Studio, einem ebenfalls in Wien ansässigen Unternehmen. »Durch die vereinfachte Veröffentlichung haben wir die Möglichkeit, sehr viele Spieler zu erreichen«, ergänzt sie. Das klingt zwar sehr reizvoll, stellt Entwickler aber vor die Herausforderung, besagte Spieler auch anzusprechen. Michael Paeck, Geschäftsführer von Cliffhanger Productions, einem weiteren Wiener 034

Entwicklerstudio, sagt dazu: »Man muss genauso viel Zeit und Liebe in die Spielerkommunikation, die PR und die Community-Arbeit stecken, wie man in das Game gesteckt hat«. Doch das ist leichter gesagt als getan: Allein in Apples App Store befindet sich aktuell mehr als eine Viertelmillion Spiele. Wer da den Durchbruch schafft, kann einen Höhenflug erleben, wie die Beispiele »Doodle Jump«, »Tiny Wings« und zuletzt »Flappy Bird« gezeigt haben – oder wie der iOS-Titel »Blek« des Wiener Entwicklers Denis Mikan, der jüngst sogar einen »Design Award« von Apple abgeräumt hat. Jedoch: »Auf jeden dieser Überraschungshits kommen 10.000 andere Titel, die praktisch niemand spielt«, wie Maximilian Csuk anmerkt. Der angehende Informatik-Master programmiert neben seinem Studium an der TU Wien Spiele für sein Ein-Mann-Unternehmen IMakeGames. »Die mobilen App-Stores sind mittlerweile so überlaufen, dass es schwerfällt, aus der Masse herauszustechen«, fügt er hinzu. Zumindest hat Apple jüngst im US-App Store den »Indie Game Showcase« eingeführt, eine Sektion, in der regelmäßig Spiele unabhängiger Entwickler vorgestellt werden. »Device 6«, der erste Titel, der in diesem Rahmen präsentiert wurde, verkaufte sich binnen einer Woche beachtliche 200.000 Mal.

DAS UNWORT EINER ENTWICKLER-GENERATION Eine ähnliche Plattform für Indie-Entwickler haben auch Sony und Microsoft angekündigt, als sie im vergangenen Jahr die Vertreter der nächsten Konsolen-Generation vorgestellt haben. Die beiden Global Player wollen auf PlayStation 4 und Xbox One nicht nur Triple-A-Titel und die x-te Fortsetzung von Millionen-Bestsellern platzieren, sondern neuerdings auch unabhängigen Studios eine Plattform bieten. Dazu gehört genauso die volle Autonomie über Preisgestaltung und Veröffentlichungstermin wie eine erheblich erleichterte Programmierung.


DIE BIG PLAYER MISCHEN MIT

Entwickler können beispielsweise Microsofts kostenlosem Programm ID@Xbox beitreten, in dem sie unter anderem zwei Development Kits zur Verfügung gestellt bekommen. »Technik und Tools für die Spieleentwicklung sind heutzutage leistbarer und leichter handhabbar geworden«, sagt auch Tiare Feuchtner, fügt allerdings auch hinzu: »Die Dev-Kits für die Next-Gen-Konsolen sind nicht sonderlich leicht zu bekommen.« Für sie und ihre vier Mitstreiter beim Zeppelin Studio ist der Begriff »Indie« mittlerweile zu einem Unwort geworden. »Das scheint nur noch ein Label zu sein, das sich alle aufkleben wollen, um im Club jener dabei zu sein, die individuelle, einzigartige Werke schaffen«, meint sie. Dennoch sieht sich das Studio als Indie-Entwickler: »Unsere Wohnzimmer werden als Büros genutzt, Meetings halten wir im Google Hangout ab.« Unorthodoxer geht’s wohl kaum. »So manches Indie-Spiel ist nicht mehr als solches zu erkennen«, gibt Gila Schmid zu bedenken. Sie und ihr Ehemann Reinhard waren jahrelang für Branchengrößen wie Rockstar Games und Disneys Black Rock Studio tätig, bevor sie mit Double Smith ihr eigenes Unternehmen gründeten. Den ersten Titel der St. Pöltner kann man wohl als Paradebeispiel für ein Indie-Spiel bezeichnen: Es heißt »Headless«, und sein Protagonist ist ein kopfloses Huhn, das so weit wie möglich rennen muss, bis sein Körper komplett blutleer ist. »Inhaltlich haben wir alle Freiheiten«, sagt Schmid, »unsere Spiele können sehr eigenwillig sein und müssen nicht unbedingt dem Mainstream entsprechen.« So wie die Titel, die mittlerweile zu Klassikern der Indie-Szene geworden sind: »Fez« zum Beispiel, der 2D-Puzzler von Polytron, der geschickt mit der Dreidimensionalität spielt. Oder das minimalistische Horrorspiel »Slender – The Eight Pages« von Parsec Productions, das durch seine Gruselatmosphäre auf Youtube einen regelrechten Hype ausgelöst hat, weil sich Zocker reihenweise selbst beim Erschrecken gefilmt haben. Auch Maximilian Csuk findet, dass Indie-Spiele »viel flexibler und ein besserer Nährboden für Innovationen sind«. Er sieht innerhalb der Branche eine Aufbruchsstimmung wie zur Goldgräberzeit und ist gespannt darauf zu sehen, »wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt und ob dieses immense Aufgebot an neuen Indie-Titeln anhält«.

Längst haben auch die Großen der Szene ihr Interesse am Label »Indie« entdeckt. 2012 brachte Electronic Arts, sehr zum Ärger der kleinen Entwickler, ein Indie-Bundle heraus, und Anfang 2013 stellte Blizzard Entertainment, eines der reichsten Unternehmen der Spielebranche, das Team 5 zusammen. Das ist eine Gruppe aus 15 Programmierern, die sich unabhängig um die Entwicklung ungewöhnlicher Konzepte kümmern soll. Der erste Titel des Teams, »Hearthstone: Heroes Of Warcraft«, ist nach über einjähriger Alpha- und Beta-Phase kürzlich veröffentlicht worden und hat sich nicht weniger als die Wiederbelebung der Online-Sammelkartenspiele auf die Fahnen geschrieben. Natürlich: Hinter Team 5 steht der liquideste Geldgeber, den man sich vorstellen kann. Dennoch ist das Entwicklerteam klein, das Spiel nicht physisch im Handel zu erwerben und die Grafik genretypisch eher simpel. Ist das dann Indie – oder nicht? Solange es die Branche durch neue und innovative Ansätze voran bringt, kann es uns herzlich egal sein.

Zeppelin Studio Aus einem studentischen Projekt ist 2011 das Zeppelin Studio hervorgegangen. Dessen Debüttitel »Schein«, ein 2D-Rätsel-Jump’n’Run, das noch vor Release unter anderem mit dem Deutschen Entwicklerpreis ausgezeichnet wurde, befindet sich aktuell in der Beta-Phase. Es kann auf Steam Greenlight gevotet werden (greenlight.scheingame.com).

ImakeGames Der größte Erfolg von Maximilian Csuks Ein-Mann-Unternehmen IMakeGames ist das Spiel »Rico – A Tale Of Two Brothers«, ein Retro-Plattformer, der sich stark an Spieleklassikern wie Super Mario orientiert. In naher Zukunft wird mit »Nubs’ Adventure« ein weiteres Jump‘n‘Run-Spiel erscheinen.

Cliffhanger Productions Um an Startkapital zu kommen, bestand das erste Projekt von Cliffhanger Productions im Jahr 2010 darin, das Browserspiel »Jagged Alliance Online« zu entwickeln. Derzeit werkelt das inzwischen 40-köpfige Team am Combat-Spiel »Ærena« und an »Shadowrun Online«, einem rundenbasierten RPG. 035


Donau

VINTAGE VIENNA — Zeitreise als Facebook-Hype

Geschichten aus der Wienerstadt

TEXT KAMI KLEEDORFER BILD INGRID KOLLMER PRIVATARCHIV

Vor zwei Jahren gestartet, ist Vintage Vienna heute eine der erfolgreichsten nichtkommerziellen Facebook-Seiten Österreichs. Dabei muss der Blick in die Vergangenheit Wiens nicht nur nostalgisch sein. Am Anfang stand eine vage Idee und vor allem der Spaß an den alten, vergilbten Familienfotos. Michael Martinek, manchen vermutlich als Labelchef von Fabrique Records bekannt, und Daniela Horvath, ebenfalls Medienbranche, beschlossen im Frühsommer 2012, einige alte Fotos zu digitalisieren und diese auf Facebook unter dem Namen Vintage Vienna auszustellen. »Wir sind große Freunde und auch Sammler alter Wien-Fotos und wollten diese Leidenschaft mit unseren Freunden teilen. Ursprünglich sollte es einfach eine Art Zeitreise sein, die auf Bildmaterial beruht«, erklärt Martinek im Interview. Die Fotos, nur teilweise in Farbe, stammen aus Familienalben, die in Schuhschachteln gelagert waren. Bei Vintage Vienna stehen nicht nur die Menschen, sondern auch die Stadt und ihre Entwicklung im Fokus. Martinek und Horvath erheben explizit keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sprechen von einem großen Fotopuzzle, das mit immer mehr Bildern ein engmaschiges Netzwerk über die Stadt zieht. Da tragen die Leute Hüte und Kopftücher, Neonschilder erleuchten die Stadt und Autos und Kutschen drängen sich um den Graben und die Pestsäule. Dort, wo in den 60er Jahren noch kilometerweit Ackerflächen zu sehen waren, rollen heute tagtäglich tausende Autos unten durch und wohnen hunderte Familien obendrauf: Die Rede ist von der Donauplatte. Es 036

geht nicht nur um eine Zeitreise, die Bilder schaffen auch ein Bewusstsein dafür, wie schnell sich eine Stadt ändert, wie schnell sich die Oberflächen und Menschen in nur ein paar Jahrzehnten ändern können. Ganz überschätzen sollte man diesen Aspekt zwar nicht, aber in Vintage Vienna steckt so durchaus auch ein bisschen Aufklärung. Darüber, was der Mensch schafft und wie er selbst darüber hinwegwuchert. Für die Macher wurde der Spaß mit der Facebook-Seite bald zu einer zunehmend ernsten Angelegenheit, denn die Likes stiegen rapide an. Nachdem sich sämtliche Tageszeitungen dem Thema mit Bildstrecken gewidmet hatten, gab es kein Halten mehr. »Wir waren mit einem Medienhype konfrontiert, ohne darauf wirklich vorbereitet zu sein. Das hat uns einerseits motiviert, tiefer in den Archiven zu graben, andererseits bekamen wir immer mehr Fotos zugeschickt«, fasst Martinek die ersten Monate zusammen.

ALTE ERINNERUNGEN UND NEUE ERKENNTNISSE »Wir haben zufällig bemerkt, dass wir die Leute emotional abholen und das ist wirklich schön!« Aber warum genau funktioniert ein Projekt wie Vintage Vienna so gut? Schließlich kommen die beiden Idealisten ohne Werbe- und PR-Budget aus, Vintage Vienna ist durch Mundpropaganda und einen Algorithmus gewachsen, der Fotos auf Facebook deutlich bevorzugt. Martinek: »Es geht um die Community:


ERST ONLINE, DANN ALS BUCH Nach dem großen Erfolg im Netz erhielten die beiden Initiatoren viele Kooperationsangebote, um den anfänglichen Hype schnell kommerziell zu nutzen. Bisher lehnten sie alles ab – bis auf ein Buchprojekt mit dem Metroverlag. Dort erschien im Juli 2013 der erste Bildband namens »Die Bilder unserer Kindheit«. Auf rund 160 Seiten zeigen sie die Highlights aus dem nach wie vor wachsenden Fotoarchiv. Martinek: »Nach einigen Überlegungen haben wir uns entgegen der ursprünglichen Entscheidung dazu durchgerungen, das Buch zu machen. Der Wunsch kam vor allem von Social Media-Verweigerern, die aber Interesse an Vintage Vienna hatten. Wir sind damit den heutzutage sehr untypischen bzw. umgekehrten Weg gegangen, nämlich vom Internet hin zum Buch.« Mittlerweile liegt das erste Buch in der 5. Auflage bei rund 8.000 verkauften Stück. »Vintage Alps«, dasselbe

Prinzip nur auf ganz Österreich ausgeweitet, erschien im März 2014. Für Herbst ist das dritte Buch geplant, das sich mit dem Titel »Sensationen des Alltags« wieder Wien widmet. Um die ausgewählten Bilder für das Buch verwenden zu können, wurden die Nutzer mit einem Formular um ihr Einverständnis ersucht und erhalten dafür ein Exemplar des Buches. Rechtlich gesehen ist das, wie auch Facebook bzw. Tumblr, natürlich einen Graubereich. Die Macher reichen die heiße Kartoffel an die Poster und Einsender von Fotos weiter.

DER ETWAS SCHRILLERE WEG: VINTAGE LOS ANGELES Vintage Vienna ist dabei zwar nicht ganz, aber doch überraschend allein. Ist der Blick in die Vergangenheit, so wie der Tod, etwa gar ein Wiener? Nun, ähnliche Plattformen gibt es für Los Angeles, Philadelphia oder Toronto, einen Tumblr für Detroit. In L.A. wird ebenfalls die Entwicklung der Stadt dokumentiert, unterscheidet sich aber deutlich von dem Projekt in Wien. Die Seite wird von Alison Martino, einer Fernseh-Moderatorin, betrieben. Sie hat verschiedene TV-Shows rund um Hollywood produziert, naturgemäß mit vielen Promis und damit verbundenen Skandalen. Dadurch verknüpft Martino meistens Promis mit (historischen) Gebäuden. Daraus ergeben sich natürlich schrillere Geschichten im Vergleich zu Vintage Vienna, wo eher die Bilder selbst die Geschichte erzählen und die Texte nüchterner sind. Martinek und Horvath geben bei den geposteten Fotos immer an, von wem das Bild stammt, Martino verwendet schwerpunktmäßig professionelles Fotomaterial oder Bilder, die sie auf Google findet. Die Hollywood-Reporterin hat ihre Seite zudem eindeutig kommerziell ausgerichtet, von T-Shirts über eine vla-Tour bis hin zur eigenen TVShow. Martinek und Horvath jedenfalls wollen Vintage Vienna nicht zu groß werden lassen, so der Tenor. Das ist ihnen bisher allerdings nicht so richtig gelungen. Vintage Vienna wird Ende Juli zwei Jahre alt. Bisher sind im Metroverlag zwei Bände mit historischen Aufnahmen erschienen, »Vintage Vienna« und »Vintage Alps«.

BILD V.R.N.L: EGON SCHUBERT/SEBASTIAN SCHUBERT PRIVATARCHIV, FRANZ DOKULIL PRIVATARCHIV, GRHARD WALTER PRIVATARCHIV, VERSAL.AT

Menschen, primär natürlich echte Wienerinnen und Wiener, die in dieser Stadt leben und gelebt haben. Das Faszinierende an diesem Projekt ist das Crowd-Wissen, das unglaubliche Geschichten und geschichtliche Details ans Tageslicht befördert. Außerdem fühlen sich viele Nutzer an ihre eigene Kindheit zurückerinnert.« Offensichtlich haben Martinek und Horvath den Zeitgeist richtig erkannt und die Sehnsucht der Leute nach »der guten alten Zeit« mit dem neuen Medium Internet perfekt verbunden. Sie sprechen erstaunlicherweise sowohl junge als auch ältere Menschen an: Für die ab den 80er Jahren geborene Generation gibt es auf den Fotos viel Neues zu entdecken, wie die Stadt früher war. Für die Älteren geht es um Erinnerungen an ein früheres Leben, auch mit Blick durch die rosarote Brille. So entsteht bei vielen Leuten der Wunsch, eigenes Material zu sichten und dem Vienna Vintage-Team zu schicken. Jene, die tatsächlich Fotos einschicken, sind laut Martinek sehr aktiv: »Wer uns Fotomaterial schickt, begnügt sich nur selten mit einem einzelnen Bild. Einige senden 1-2 Fotos und manche Leute liefern über Monate immer wieder neue Fundstücke.« Martinek schätzt, dass rund 40 Prozent aller Nutzer aus Wien stammen.

Stau am Graben, Parkplatz vor der Oper. Nur die Thaliastrasse wirkt verdächtig leer. Heute schaut das eher umgekehrt aus. 037


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TEXT JULIANE FISCHER BILD THOMAS ALBDORF


ÖSTERREICHISCH IM SPRACHMUSEUM — Vom Leben und Sterben der Sprache

Ende der Sprachapokalypse 039 Obwohl laufend Sprachmuseen errichtet und die österreichischen Dialekte zu Grabe getragen werden, sollte man sich davon nicht vorschnell in Panik versetzen lassen.

Die Angst um das österreichische Deutsch geht um. Wie in der Dominokette fallen Wörter wie Lavoir, Stanitzl und Paradeiser. Das meint und bedauert jedenfalls der Grazer Sprachwissenschaftler Rudolf Muhr. Im Kurier erzählt er von »Wörtern, die wir vermissen«. Um das Häferl und das Regal wäre es schade. Man trifft sich an der Bassena, flaniert über das Trottoir. Dabei sind diese urösterreichischen Wörter erst durch die Wandelbarkeit der Sprache in unsere Münder gekommen. Denn Trottoir, ebenso wie Plafond, Lavoir und Fauteuil stammen aus der Welt des (Wiener) Adels bzw. aus dem seinerzeit besonders schicken Französisch. Jene Wörter hingegen, die das österreichische Beamtendeutsch ausmachen, entwickelten sich meist aus dem Lateinischen. Und überhaupt ist speziell das Wienerische stark vom Jiddischen und den Sprachen der ehemaligen Kronländer geprägt. Nur deshalb sind wir auf Lepschi mit dem G‘spusi und auf Powidltascherl im Beisl. Diese Lehnwörter unterscheiden den Wiener vom Berliner. Sie sind damals in unsere Sprache gerutscht wie heute die englischen Begriffe. Was manche Sprachpolizisten aber jetzt beschützen wollen, ist die Sprache vor der Zeit selbst. Ist es dramatisch, dass Sprache sich wandelt? Ohne sich diese Frage wirklich zu stellen, lassen sich derzeit Medien quer durchs Land wieder einmal zur leidigen – weil unkritisch und immer wieder gleich aufgerollten – Debatte über das österreichische Deutsch hinreißen. Wehmut ist hier aber umsonst, apokalyptische Verschwörungen sind voreilig. Vielmehr könnte man den Nutzen davon sehen: »Dass Österreicher mit vielen Erscheinungsformen der deutschen Sprache leben, dass sie auch bundesdeutsches Deutsch verstehen und zum Teil verwenden, ist ein großer Vorteil«, streicht der Linguist der Uni Wien Manfred Glauninger hervor. Er erklärt weiter, dass Sprachvarietäten eine kommunikative Funktion hätten. Sie könnten den Kontext verändern. Sie sind Zeichen, die eingesetzt werden, um zum Beispiel Nähe, Autorität, Distanz oder Regionalität zu vermitteln.

FEHLENDE DIALEKTKOMPETENZ Deswegen spricht man in der Bio-Lebensmittel-Werbung Dialekt, bewirbt die Kosmetikartikel mit französischem Akzent und Autos mit bundesdeutschem Hochdeutsch. Österreicher sind besonders geschickt im Einsatz der unterschiedlichen Varietäten und können zum Beispiel blitzschnell zwischen Standardsprache und stark regionalem Dialekt hin- und herspringen. Zur Mundart nämlich hat der Österreicher ein enges Verhältnis. Ähnlich ist das auch bei den Bayern. Dass im bairischen Sprachraum – der ja Teile Süddeutschlands und den Großteil Österreichs umfasst – die Bindung der Menschen an ihren Dialekt weit stärker ausgeprägt ist als in Norddeutschland, zeigt: Die Dialektgrenzen verlaufen nicht zwischen zwei Staaten, sondern zwischen Regionen. So ist ein Steirer einer Bayerin sprachlich näher als ein Niedersachse den Schwaben. Der Unterschied ist nur, dass bei den Bayern der stark ausgeprägte Dialekt auf »zwoa kräftige Wadln« steht. Die Österreicher, zumindest die im Osten des Landes, sind da zwiespältiger. Es geht also nicht eine bestimmte Sprache verloren, sondern schon eher die »innere Mehrsprachigkeit«. Da Dialekt weniger mit Prestige und mehr mit Bäuerlichem in Verbindung gebracht wird,

haben manche Österreicher – vor allem junge Wiener – keine Dialektkompetenz mehr. Sie können daher auch das Switchen zwischen den Idiomen nicht mehr als Ressource der Kommunikation nutzen. Dabei bieten gerade diese unterschiedlichen Facetten viele Möglichkeiten.

SPRACHE IST KEIN MONOLITHISCHER BLOCK Ein bestimmtes Stadium einer Sprache festzuhalten ist also ebenso unmöglich wie unnötig. Ein Museum soll sammeln, aufzeigen, konservieren, archivieren. Wie passt das mit etwas so Lebendigem wie Sprache zusammen? »Um zu wissen, wo wir hingehen, sollten wir wissen, wo wir herkommen – das gilt auch und im Besonderen für die Sprache«, erklärt der Projektleiter von »Sprachlust«, Leo Fellinger. Sprachlust will als Museum zwar sammeln, aber damit nicht an Sprachzuständen festhalten, sondern sie transparent für alle aufbereiten. Mit seinen Ausstellungen, Vorträgen und Publikationen möchte das »Haus der Sprache« ein Forum, Archiv und Labor zugleich sein. »Geschichte und Gegenwart der deutschen und österreichischen Sprachlandschaft, die Entwicklungsbeobachtung regionaler Dialekte als auch die Beleuchtung der Sprachenvielfalt der Welt und ihre Bedeutung sind Kernthemen«, so Leo Fellinger.

DIE NORM ZUM SELBSTBEWUSSTSEIN Sprache hat also Geschichte und als solche überraschende Geschichten zu erzählen. Während etwa populistische Sprachpatrioten heute ein österreichisches Deutsch fordern, wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergehend gar nicht Deutsch, sondern die »Unterrichtssprache« gelehrt. Mit der Abgrenzung von allem Deutschen versuchte man sich auch aus der Verstrickung in die Verbrechen der sieben gemeinsamen Nazijahre zu lösen. Der Kampf um die österreichische Identität war eng verbunden mit der Verdrängung von Schuld. 1951 erschien erstmals das österreichische Wörterbuch. Aber ehrlich: Wer schlägt tatsächlich in so einem Normbuch wie dem österreichischen Wörterbuch nach? Eine Nacht- und Nebelaktion im Jahre 1995 hatte insofern auch nur symbolischen Wert: Äußerst kurzfristig wurden im Zuge des EU-Beitritts 23 kulinarische Begriffe als typisch österreichisch berücksichtigt. Solche vergessene Geschichten kann ein Sprachmuseum sammeln, mit Bildern versehen, lebendig machen. So wie es bei Cordoba nicht um Fußball geht, so geht es bei Austriazismen auch nicht um Kommunikation. Austriazismen sollen österreichische Eigenheiten herausstreichen. Dass es tatsächlich eine Bewusstseinsbildung braucht, davon ist auch Leo Fellinger überzeugt: »Wir erleben gegenwärtig zum einen ein globales Zusammenrücken im Sinne einer zunehmenden Verstädterung und zum anderen ein Auseinanderdriften der Kulturen. Die Menschen sehnen sich in dieser Situation nach mehr Identität. Die Frage, wie das ausgedrückt wird, ist vielfältig – aber Sprache ist ein wichtiger Aspekt dabei.« »Sprachlust«, das temporäre Haus der Sprache in Seekirchen, hatte im Mai 2014 zehn Tage lang geöffnet. Der Verein ist weiterhin aktiv. In der Urania in Wien findet am 28. Juni die Tagung »Deutsch 3.0 – Perspektiven auf und aus Österreich« mit Vorträgen und anschließender Podiumsdiskussion statt. www.sprachlust.at 039


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DIGITAL SELF-PUBLISHING — Selbst ein Buch veröffentlichen – bei Amazon, Neobook oder Haymon?

Mach’s dir selbst

TEXT MARTIN ZELLHOFER

Noch nie zuvor war es für Autoren und Möchtegern-Autoren so einfach, Texte an ein Publikum zu bringen, ohne sich etablierter Strukturen bedienen zu müssen. das Buch. Eine Rundschau in der Szene.

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In der Buchbranche gilt die Faustregel: Wer nicht schreiben kann, kein passendes Thema hat oder wessen Schreibe und Thema verkannt werden, hat keine Chance, in einem Verlag unterzukommen. Der kann sich sein Werk dann selbst verlegen (billigste Variante: ausdrucken und verteilen) oder in einem Zuschussverlag unterbringen. Das hat eine Menge Nachteile: Autoren müssen alle oder fast alle vorerst anfallenden Kosten wie Lektorat oder Druck selbst tragen. Ohne ordentlichen Verlag gibt es kaum Zugang zu vernünftigen Vertriebsmöglichkeiten im Buchhandel und kaum mediale Beachtung. Zusätzlich ist man mit dem »Der-hat-keinen-richtigen-Verlag-gefunden«-Ruf behaftet. Solche Werke dümpeln dann meistens jenseits jeder Wahrnehmung dahin. Mit dem Internet allerdings ist es für Autoren – unterstützt von unzähligen Tutorials – erheblich einfacher geworden, ihre Werke selbst zu verlegen. Sie können nun auf gedruckte Bücher und Verlage verzichten und ihre Texte – besonders beliebt sind die Genres Krimi/Thriller, Fantasy und Liebe/Romantik – online veröffentlichen. Billigste Variante: Das Dokument im Netz verteilen. Nun ist es aber zielführender, über eine Self-Publishing- Plattform ein E-Book zu veröffentlichen. Wege gibt es viele, der Markt ist unübersichtlich.

»ÄHNLICHE ARTIKEL WIE DIE, DIE SIE SICH ANGESEHEN HABEN« Kurz drei Beispiele: Die wichtigste internationale Self-PublishingPlattform ist Amazons Kindle Direct Publishing. Die weltweite Veröffentlichung von E-Books ist gratis, umfangreiche Anleitungen unterstützen die Autoren bei der Veröffentlichung. Amazon erlaubt, das Werk gleichzeitig auf anderen Plattformen zu vertreiben – womit man den Nachteil, nur am Kindle eReader gelesen werden zu können, umgehen kann. Den Preis legen die Autoren selbst fest – zwischen 86 Cent und 173,91 €. Dabei listet der Kindle eBooks-Shop über 2.765.000 E-Books, die Bestenliste wird von selbstverlegten Werken dominiert. Eine eigene Kategorie für diese gibt es nicht; bei fast einer halben Million E-Books unter 2 Euro liegt aber die Annahme nahe, dass sich sehr viel Selbstverlegtes darunter findet. Die Plattform kommt in der Autoren-Community im Netz recht gut weg und dürfte Erfahrungsberichten zufolge im Gegensatz zu anderen Plattformen viele Verkäufe generieren. Wobei kaum ein Autor tatsächliche Verkaufszahlen nennt, und Amazon sowieso nicht. Auswertungen und Schätzungen der SelfPublisher-Bibel zufolge verkauft sich der jeweilige Platz 1 der E-BookBestenliste rund 1.000-mal pro Tag; Bücher um Platz 1.000 circa 15 Mal pro Tag. Allerdings liest man in Foren immer wieder von Autoren, die nichts oder so gut wie nichts verkaufen. Das würde allerdings auch der Erfahrung etwa im Musikbereich entsprechen. Dort wird gerade einmal ein Zehntel des gesamten Angebots überhaupt jemals gekauft.

DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK Amazons Performance können etablierte Verlage natürlich nicht einfach so hinnehmen. Einer, der in der Self-Publishing-Szene mitmischt, ist Neobooks.com »powered by Droemer Knaur in Kooperation mit Rowohlt«, dem eigenen Vernehmen nach Marktführer in Sachen E-BookSelf-Publishing im deutschsprachigen Raum. Das E-Book erstellen, Vertrieb in den üblichen Shops und weitere Goodies sind gratis. Zudem besteht die Chance, den Sprung ins reguläre Verlagsprogramm zu schaffen. Neobooks lässt seine Online-Community ranken, die besten zehn werden regelmäßig vom Droemer Knaur-Lektorat gesichtet, die besten dann überarbeitet als offizielles E-Book oder Taschenbuch des Verlages herausgebracht. Und dann gibt es eine Vielzahl von mehr oder weniger bekannten Dienstleistern, die sich auf Self-Publishing-Autoren spezialisiert haben: Tredition zum Beispiel agiert einerseits als Verlag und bietet Klassiker der Weltliteratur als Print on Demand an. Andererseits kann ein Autor dort um einmalig 150 € sein E-Book inklusive Konvertierung in vier E-Book-Formaten mit Vertrieb veröffentlichen. Zwei von drei willkürlich gewählten Leseproben machen schnell klar, warum diese Titel nicht bei etablierten Verlagen erschienen sind. Die Autorin der dritten hingegen hat einen Literaturpreis gewonnen.

ICH MACH WAS MIT BÜCHERN Nicht zu unterschätzen ist der mit einem selbstverlegten Werk verbundene Aufwand: Jeder Autor ist gleichzeitig für Formatierung, Lektorat, Korrektorat, Marketing und Presse zuständig oder muss bei Bedarf dafür bezahlen. Unterschätzt wird mitunter auch die Notwendigkeit, sprachlich sattelfest zu sein. Es ist witzig, wenn sich Autoren mit mangelnder Rechtschreibung in einschlägigen Foren austauschen. Und es ist noch witziger, wenn jeder und alles am Misserfolg des eigenen Werkes schuld ist – nur nie man selbst. Auf der anderen Seite gibt es die – und es sind nicht wenige –, die durch Self-Publishing reüssieren können. Haben der enorme Output an günstigen, selbst verlegten E-Books und die Annahme, dass das E-Book dem Taschenbuch generell Absatz kostet, Auswirkungen auf das Geschäft von etablierten Verlagen? Haymon, einziger österreichischer Verlag mit nennenswerter Taschenbuchschiene, beobachtet die Entwicklungen sehr genau und zeigt sich bis dato nicht besonders beeindruckt. Der Verlag setzt auf gehobene Literatur aus Österreich – und in diesem Segment spielt Self-Publishing so gut wie keine Rolle. Programmleiter Georg Hasibeder: »Autorinnen und Autoren, die nicht bloß einmal ein Buch veröffentlichen, sondern langfristig und ernsthaft tätig sein wollen, werden in den allermeisten Fällen bei einem guten Verlagshaus deutlich besser aufgehoben sein als im Self-Publishing«. Zudem steigt die Zahl derer, die ein gedrucktes Buch bei Haymon veröffentlichen wollen, ständig. Alles Aussagen, die man auch von anderen heimischen Verlagen hört. Mehrere große deutsche Verlagshäuser aber, deren Taschenbuchsegment die selben Genres wie das hauptsächliche Angebot der Self-Publisher abdeckt, gaben trotz wiederholter Bitte keine Stellungnahme zu möglichen Auswirkungen auf ihr Geschäft ab.

KURZFRISTIGER HYPE ODER NEUER STANDARD? Was bedeutet es, wenn einer Studie im Herbst 2013 zufolge über ein Drittel der befragten Autoren angaben, sich bewusst gegen einen traditionellen Verlag entschieden zu haben? Offen bleibt natürlich, ob diese denn bei einem solchen je genommen worden wären. Was bedeuten kürzlich aufgetauchte Berichte, dass Self-Publishing-Autoren mehr verdienen können als jene in regulären Verlagen? Werden Autoren den Verlagen nun in Scharen davonlaufen? Im Moment gibt es darauf keine Antworten. Matthias Matting, Betreiber der Self-Publisher-Bibel und Kenner der Materie: »Self-Publishing ist definitiv kein temporärer Trend, es wird bleiben und mit dem Anteil des eBooks am Buchmarkt wachsen. 2020 dürften Self-Publisher am deutschsprachigen Buchmarkt einen Anteil von 16-18 Prozent haben«. Sicher ist das nicht. Eines aber ist schon heute sicher: Durch das Fallen von Zugangshürden ist der Buchmarkt gerade dabei, sich zu demokratisieren. Denn heute kann (fast) jeder ziemlich einfach am literarischen Leben teilhaben. Und das ist gut so. 041


TYPOGRAFIE IM WEB — Digitale Schriften vs. Papierschriften?

Wenn Kurven auf Pixel treffen

TEXT PETER STUIBER

Screen ist nicht Papier. Spezielle Schriften fürs Internet und für digitale Displays sind daher seit Jahren ein großes Thema im Grafikdesign.

Am Bildschirm liest man nicht gerne lange Texte. Das hat allerdings nicht immer nur mit unserem spezifischen »Konsumverhalten« bei Computer und Smartphones zu tun. Sondern auch damit, dass manche Schriften auf Bildschirmen, ob groß oder im Pocket-Format, schlecht lesbar sind, zum Beispiel, weil Zeilen- oder Zeichenabstände zu gering sind oder die Kontraste nicht passen. Das müsste eigentlich nicht sein, denn Schriften für digitale Medien – sogenannte Webfonts – haben sich in jüngster Zeit rasant entwickelt. »Durch die Ausbreitung von Webfonts wurde digitales Design revolutioniert«, sagt Matthias Jungwirth, der als Interactive Designer beim Büro Bauer – Gesellschaft für Orientierung & Identität arbeitet. »Mittlerweile erreichen viele Websites dadurch die Qualität von hochwertigen Editorial Designs. Gemeinsam mit immer raffinierterem Storytelling entstehen emotional und ästhetisch berührende WebPublikationen.« Das war nicht immer so. Bevor es technisch möglich wurde, jegliche Art von Schrift einzubetten, war man auf die vom Computersystem bereitgestellten Schriften angewiesen. »SchrecklichSchriften«, wie sie der Schriftgestalter Marcus Sterz bezeichnet. Er nennt auch gleich die größte Schwierigkeit bei der digitalen Verwendung von Schriften, die sich auf Papier bewährt haben: »Jeder Raster bringt in der Darstellung von Kurven Probleme mit sich, da die Kurven in eckige Pixel aufgelöst werden.« Daher muss man die Schriften an042

passen, wobei der komplette Schriftsatz in den Größen 8 bis 18 Punkt für die Darstellung optimiert wird – eine relativ aufwendige Prozedur. »Hinting« heißt der Fachbegriff dafür. »Je besser dies gemacht wird, umso stimmiger und ›echter‹ wirkt das Schriftbild am Schirm«, so Sterz.

DAS SIEHT ÜBERALL ANDERS AUS »Großzügigere Mittellängen, angenehme Strichstärkenkontraste, erweiterte Zeichenabstände und das Hinting sind gute Wege, um Schriften webtauglich zu machen«, sagt auch Matthias Jungwirth. »Allerdings sind die Konditionen für klassische Buchtypografie andere als die für Bildschirmtypografie auf hinterleuchteten Displays.« Bei Letzteren gibt es bekanntlich gewaltige Unterschiede. Apples hochauflösendes Retina-Display etwa weist bereits in die Zukunft, in der es für den Laien keinen sichtbaren Unterschied zwischen Print und Digital gibt. Jungwirth glaubt allerdings nicht, dass Hinting dadurch überflüssig wird, sondern sich »vielmehr neue und andere Wege zur Schriftoptimierung ergeben werden«. Hinting ist jedoch nicht die einzige Hürde, die man bei Webfonts nehmen muss. Denn digitale Schriften müssen so erstellt werden, dass man damit möglichst alle verbreiteten Browser und Betriebssysteme abdeckt. Auf einem Apple-Computer werden Schriften anders dargestellt als mit Windows, so wie es Unterschiede zwischen Internet Explorer und Firefox gibt. In der Kombination der verschie-


denen Möglichkeiten wird die Sache erst richtig kompliziert. Seinen Arbeitsalltag mit Webfonts beschreibt Matthias Jungwirth so: »Als Interactive Designer bin ich vor allem Anwender – ich teste, probiere und überprüfe die Qualität der immer zahlreicheren Schriften im Web. Und mit dem stetig steigenden Angebot an Schriften wächst leider auch die Menge an qualitativ minderwertigen Schriften.«

MEHR UND BESSERE DIGITALE SCHRIFTEN Schriftgestalter, die sich mit den vielen technischen Detailfragen erst gar nicht auseinandersetzen wollen, gibt es natürlich. Sie überlassen oft die Adaptierung ihrer Schriften fürs Web den größeren Type Foundrys, Unternehmen also, die Schriften gestalten und vertreiben. Dort werden sie automatisch konvertiert und durch Hinting für den digitalen Gebrauch »optimiert«. Nicht immer geschieht dies mit der nötigen Gründlichkeit, und als Schriftgestalter, der sich selbst nicht drum kümmern will, hat man selten großen Einfluss auf die Qualität einer solchen digitalen Version. Die Kosten für eine Schrift richten sich übrigens in der Regel nach den Pageviews. Der Anteil der Webfonts am Gesamtgeschäft steigt klarerweise kontinuierlich, wobei die Preise nach Ansicht vieler ordentlich Spielraum nach oben vertragen, denn noch immer würden manche Kunden am liebsten wenig bis gar nichts für Webschriften zahlen. Immer öfter gibt es übrigens Schriften, die ausschließlich für die digitale Verwendung entwickelt wurden. Ob dieser Trend sich noch verstärkt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Aus der Sicht von Marcus Sterz sind Papier und Screen keineswegs Gegensätze: »Der Schriftgestalter muss sich nicht entscheiden, ob für Web oder Print, denn Kunden wollen beides im gleichen Look. Er muss sich also darum kümmern, dass seine Kreation in beiden Medien gut aussieht.« Auf die Frage, inwieweit Webfonts seine eigene Arbeit verändert hätten, antwortet Sterz daher auch lakonisch: »Eher wenig, da das Design vom Thema nicht beeinflusst wird. Das wird erst beim technischen Finish relevant.«

TESTEN, ÄNDERN, TESTEN UND NOCH MEHR TESTEN Doch an wem liegt es letztlich, wie gut die digitalen Schriften im Netz sind? Am Schriftdesigner jedenfalls nur bis zu einem gewissen Grad. »Die Beurteilung, ob eine Schrift tatsächlich einerseits vom

Schriftbild, andererseits vom Schrift-Rendering den hohen Anforderungen der Webtypografie entspricht, liegt letztlich immer bei den Webdesignern, die die Schrift einsetzen«, so Matthias Jungwirth. »Daher ist stets ausführliches Testen auf unterschiedlichen Devices notwendig. Webdesigner benötigen eine Kombination aus technischem Know-how und typografischem Gespür.« Als Vorreiter für qualitative Webtypografie in Österreich sieht Jungwirth vor allem große Nachrichtenportale wie Futurezone, Kurier oder Salzburger Nachrichten. »Gerade in diesem Bereich spielt qualitative Lesetypografie eine essenzielle Rolle.« Dennoch lassen zahlreiche Big Player der österreichischen Internetszene auf sich warten, so Jungwirth. »Ob sich dies in naher Zukunft ändern wird, bleibt offen.«

BARRIEREFREI UND OPEN SOURCE Auch wenn man bei Webfonts automatisch ans Internet selbst denkt, ist der Anwendungsbereich von digitalen Schriften ein viel breiterer. Matthias Jungwirth über sein jüngstes Projekt: »Die Interactive Terminals und Digital Door Displays am neuen Campus der WU Wien, die wir im Büro Bauer entwickelt haben, zeigen aktuelle und zukünftige Vorlesungen an den Türen aller Hörsäle und Seminarräume an.« Das komplette Interface setzt auf eine Open Source-Schrift, die von jedem frei genutzt werden kann. »Wir haben zusätzlich zu den bereits vorhandenen Schriftschnitten eine Stencil-Variante entwickelt, die wir selbstverständlich wieder zur freien Nutzung zur Verfügung stellen. Durch eine Mindestschriftgröße von 20-24 Punkt und guten Kontrast wird die absolut barrierefreie Lesbarkeit garantiert.« Dazu kommt eine Audioausgabe, die durch eine einfache Touch-Geste auf dem Screen aktiviert werden kann. Digitale Schriften müssen also außer schön zu sein auch eine soziale Rolle erfüllen, an die man vielleicht nicht per se denkt. Mindestens so sehr wie auf Papier. 043


ROMAN RINNER

DER WORTWECHSEL. VIER PERSONEN ZUR FRAGE:

ATV PROGRAMMPLANUNG UND EINKAUF

Wie viel Innovation vertragen Serien in Österreich?

Bei all den Tölzer Bullen, Soko Hintertupfings und Hundekommissaren, die jahrelang die Sendeplätze besetzt hielten, hätte man mitunter den Eindruck gewinnen können, Österreich wäre ein Polizeistaat. Natürlich ist Krimi nicht alles, was das österreichische Fernsehen im Laufe der Zeit hervorgebracht hat. Immer wieder wurden verschiedenste Formate manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich ausprobiert: »Die Sendung ohne Namen«, »Mitten im 8en«, »MA 2412«, aber auch Sendungen wie »Saturday Night Fever« oder »Taxi Orange« im (Scripted) Reality-Bereich, der Quotenhit »Braunschlag«, jetzt gerade »Bösterreich«. Und mit »Fauner Consulting« schließlich auch die erste Webserie, die größere Beachtung fand. Egal ob Trash oder Wertiges, auffällig sind dabei die oft gleichen Gesichter, die gleichen Autoren und Regisseure und immer wieder Österreich. Wiener Schmäh, Grant vom Land, Lokalkolorit. Es wäre natürlich absurd, wenn man einerseits in der Musik die Einführung der Quote herbeisehnt, bei Serien eine Amerikanisierung zu verlangen. Abgesehen davon wäre ein »Game of Thrones« made in Austria finanziell utopisch, auch wenn sämtliche »Dancing Stars« und »Große Chancen« dafür geopfert würden. Die (Anti-)helden aus Österreich können nicht Frank Underwood oder Walter White heißen. Doch muss das zwangsläufig bedeuten, dass Tom Turbo das einzige österreichische Format war, das einer Fantasy-Serie im Fernsehen am nächsten kam? Kann nur David Schalko Quote? Ist nur Robert Palfrader lustig? Wird in der österreichischen Serienlandschaft der Versuch unternommen, neue Formate und Gesichter einzuführen? Gibt es überhaupt ein Publikum für anderes Fernsehen? Oder machen wir das alles gar nicht so falsch? Brauchen österreichische Serien überhaupt Innovation und wenn ja, wie viel davon vertragen sie? The Gap wird das Thema auf www.thegap.at/wortwechsel weiter verfolgen. 044

TEXT UND DOKUMENTATION AMIRA BEN SAOUD

Kaisermühlen wird nicht King’s Landing werden, soviel ist klar. Doch gibt es in der österreichischen Fernsehlandschaft den Willen und Mut zu Innovation und existiert überhaupt ein Bedürfnis danach?

»Der Erfolg liegt klar im österreichisch gefärbten Inhalt« — Was in Amerika schon längst Standard ist, nämlich dass die TV-Primetime fast ausschließlich mit Serien, Sport und großen Shows bespielt wird, hat sich in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Raum festgesetzt. Allerdings ist nicht alles, was in Amerika als Serienblockbuster gilt, auch hierzulande im TV erfolgreich. Kopien aus Amerika und illegale Downloads nehmen da dem Hype die Spitze. Das mit höchsten Vorschusslorbeeren bedachte »Game of Thrones« brachte im Free-TV in Österreich Marktanteile, die hinter neuen Folgen gewöhnlicher Krimiserien klar zurücklagen, hinter österreichischen Serien sowieso. Nicht alles was medial en vogue ist, ist hierzulande auch ein kommerzieller Erfolg. Auch das gepriesene »House of Cards« konnte beim Publikum nur sehr begrenzt reüssieren. Für österreichische Sender sind diese Serien ohnehin nicht beispielgebend, weil nicht finanzierbar. Auch die scheinbar neuen Möglichkeiten des Internets liegen eher in der Menge des Angebots als in der Innovation – von Überraschungserfolgen abgesehen, braucht man doch wieder Produktionsgeld/Plattform und Marketing, um Seher zu erreichen. So gesehen ist das Internet als TV noch eher eine neue Distributions- als Medienform. Das wird sich aber mit dem Erfolg sicher ändern. Erfolg und USP für rot-weiß-rote Sender liegt klar im österreichisch gefärbten Inhalt, egal ob fiktional oder nonfiktional. Dabei ist für die Macher der Grat zwischen heimischem Erfolg durch hohe Austrofizierung und dadurch aber oft eingeschränkten Vertriebsmöglichkeiten im Ausland ein schmaler. Die Basis all dessen ist aber stets das höchstmögliche Maß an Kreativität und Innovation – innerhalb dieser Rahmenbedingungen und darüber hinaus. Die Tribüne giert nach Neuem, die Fernsehmacher auch. Neue Ideen, Konzepte auf Basis des für einen kleinen Markt Machbaren und Finanzierbaren waren und sind das, worauf wir alle warten. Wohin die Reise geht, bleibt wie immer spannend. Roman Rinner war ORF-Redakteur für Spielfilm und Programmplanung, bevor er 1991 Leiter des Lizenzeinkaufs (für fiktionale Filme und Serien) und der Programmplanung bei ATV wurde.


SABRINA REITER

MANUEL RUBEY

FRED SCHREIBER

SCHAUSPIELERIN

SCHAUSPIELER

AUTOR

»Das Potenzial für Innovatives ist da!« — Dass Serien aus Österreich über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich sind, liegt nicht unbedingt am Lokalkolorit. Es liegt vielmehr an den Filmschaffenden und an der Art und Weise, wie die Bücher geschrieben und umgesetzt werden. Für »Spuren des Bösen«, einer Serie, bei der ich mitwirken darf, wurde Heino Ferch für seine Darstellung des Richard Brock sogar für den Emmy nominiert. Fünf Folgen gibt es bis jetzt und es wird weitergedreht! In österreichischen Serien werden immer wieder neue Gesichter besetzt: Bei Formaten wie »Vorstadtweiber« (wird gerade gedreht), »Copstories« und »Janus« spielen Schauspieler, die man vorher entweder noch gar nicht richtig im TV kannte oder schon lang nicht mehr gesehen hat. Krimi ist in Österreich ein etabliertes Genre, Serien wie »Braunschlag« beweisen aber, dass wir nicht nur auf dieses Gebiet beschränkt sind. Mit der Webserie »Wienerland« zum Beispiel wird nun auch ein Versuch Richtung Fantasy unternommen – was ich super finde. Unsere derzeitigen Produktionen sind gut, das bedeutet jedoch nicht, dass wir nichts Neues vertragen. Das Potenzial für Innovatives ist jedenfalls da und ich denke auch, dass das Publikum bereit dafür ist – leider fehlt bei wichtigen Entscheidungsträgern oft der Mut. Und so wie es aussieht auch das Geld: Ab nächstem Jahr werden wahrscheinlich noch einmal einige Millionen für österreichisches Filmschaffen wegfallen, was weniger Projekte und mehr arbeitslose Filmschaffende bedeutet. Um das zu verhindern, unterstütze ich auch www.filmfernsehfreunde.at.

»Ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden« — Zuerst einmal glaube ich, dass international gesehen die großen Geister dieser Generation nicht mehr fürs Kino, schon gar nicht mehr fürs Theater, sondern eben für Serien schreiben. Und wenn Kevin Spacey, Hauptdarsteller der großartigen Webserie »House of Cards« in einer Rede sagt, dass ihn sein Agent vor ein paar Jahren noch für verrückt erklärt hätte, wenn er als Oscar-Preisträger wieder fürs TV arbeitet, dann ist erkennbar, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Wie sehr Innovation in Bezug auf Serien im österreichischen Markt möglich ist, gilt es auszuloten. »Game of Thrones« ist tatsächlich auch ein Quotenhit. Das meiste, was HBO macht, und das wird gerne falsch interpretiert, funktioniert aber nur über den Weltmarkt und findet in Amerika auch keine Mehrheit. Wenn ich aber, und das ist letzte Woche genau so geschehen, in Berlin am Flughafen auf »Fauner Consulting« angesprochen werde und im Flugzeug dann merke, dass zwei Menschen neben mir »Braunschlag« am Laptop schauen, dann stimmt es mich hoffnungsfroh, dass eben gerade dann, wenn auf Lokalkolorit gesetzt wird, durchaus auch bei uns was gehen könnte. Obschon ich es in dem kleinen Markt ohne TV-Partner für unmöglich halte, qualitative Serien zu machen, die sich auch wirtschaftlich rechnen könnten.

»Bis nur noch langweiliger Mist übrig bleibt.« — Hier der Ablauf, wie Fernsehen bei uns (D/Ö) zustande kommt: Rundfunksender R wünscht sich eine Serie S der Länge x, für den Sendeplatz y aus dem Genre z. Die Produktionsfirmen P1, P2, und P3 machen sich an die Arbeit und beauftragen die Autoren A1 bis A21, die ihre Ergebnisse solange den Wünschen des Senders anpassen, bis nur noch langweiliger Mist übrig bleibt. Den Mist müssen die Sender dann mit folgenden Argumenten erklären – 1: Die Amerikaner haben mehr Geld. Dazu vielleicht eine Milchmädchenrechnung: Wenn »Breaking Bad« 2 Mio. Euro kostet und »Der Winzerkönig« 1 Mio., wieso ist »Der Winzerkönig« dann nicht halb so gut? 2: Mit Erzählweisen, die sich über mehrere Folgen erstrecken, macht man keine Quote. Warum sind mir dann »Dallas« und »Baywatch« nicht erspart geblieben? 3: Mafiosi, Drogendealer oder Fantasy-Figuren als Hauptdarsteller kann man dem Zuseher nicht zumuten. Was waren Tony Soprano, Walter White oder die Lannisters noch mal von Beruf? 4: Die Handlungen amerikanischer Serien sind zu kompliziert für unsere Seher. Also, das könnte man auch als Frechheit auffassen. 5: Wir haben zu wenig freie Sendeplätze. Tja, deswegen kommen auch die ganzen Dezernate und die Sokos aus Rosenheim, Bad Tölz und Wien mit dem Ermitteln kaum noch nach. 6: Es gibt keine Schauspieler, die über das Talent verfügen, anspruchsvollere Rollen zu spielen. Meine persönliche Meinung (und übrigens auch die von Billy Wilder): »An guten Drehbüchern kann auch ein schlechter Schauspieler nicht vorbeispielen.« 7: Es gibt hierzulande keine Drehbücher, die an die Qualität der HBO-Serien heranreichen. Siehe Einleitung. 8: Der Autor ist das letzte Glied der Nahrungskette Sender – Produktion – Regisseur – Schauspieler, müsste aber ganz vorne stehen. Ja, stimmt. Den Slogan »Alle Macht den Autoren« kennt man sogar schon in den Sendern. Leider weiß noch keiner etwas mit ihm anzufangen. Fred Schreiber konzipierte die »Sendung ohne Namen« mit und arbeitet unter anderem als Autor, Musiker und Moderator.

»An guten Drehbüchern kann auch ein schlechter Schauspieler nicht vorbeispielen.« (Fred Schreiber nach Billy Wilder)

Sabrina Reiter wurde mit ihrer Hauptrolle in »In drei Tagen bist du tot« bekannt und spielte seither in zahlreichen österreichischen Serien, zum Beispiel »Schnell ermittelt«, »Braunschlag« oder »Spuren des Bösen« mit.

Manuel Rubey wurde 2008 einer breiteren Öffentlichkeit durch die Hauptrolle im Spielfilm »Falco – Verdammt, wir leben noch!« bekannt. Er spielte in zahlreichen österreichischen Serien, zum Beispiel die Hauptrolle in einer der ersten österreichischen Webserien, »Fauner Consulting«, die er zusammen mit Georg Weissgram produzierte.

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DIESE SEITE IST TEIL EINER ENTGELTLICHEN KOOPERATION

01 SHIRT »BÄR« DESIGN: ADAM BICHLER 02 SHIRT »POOLBAR-ICON & BANDS 2014« DESIGN: KAROLINE MÜHLBURGER UND SILVIA KECKEIS (KALEIDO)

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02 Modisches Poolbar-Festival Das poolbar-Festival belebt ein altes Hallenbad – und eine alte Stadt: Feldkirchs Mittelalterliche Kulisse bietet den Hintergrund für ein Fotoshooting mit StudentInnen der Werbe und Design Akademie Dornbirn, die Teile der neuen poolbar style Kollektion mitgestaltet haben. Außerdem zu sehen: Delia Maxim, gebürtige Rumänin und eine der Gewinnerinnen des ArtDesign Kunstwettbewerbes im Rahmen des poolbar-Festivals. Sie setzt Ihre Arbeiten im öffentlichen Raum um – nicht nur wie hier in Feldkirch, sondern auch in der ganzen Region von Chur (Schweiz) bis Lindau (Deutschland). Die poolbar-T-Shirts, Kleider und Hoodies gibt’s in diversen Shops und auf poolbar.at/shop Das poolbar-Festival bietet am 4.Juli bis 17.August einen Sommer lang Kulturelles von Nischen bis Pop, musikalisch u.a. mit The Dandy Warhols, HIM, Maximo Park, Anna Calvi, Booka Shade, Cody ChesnuTT, Shout Out Louds, Bonaparte, Gilles Peterson, The Subways, Irie Révoltés, Fink u.v.a. Mehr Info: www.poolbar.at 047


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03 SHIRT »DELTADELTA« DESIGN: MELANIE HARTMANN & SHIRT »BÄR« DESIGN: ADAM BICHLER 04 SHIRT »TRIANGLE« DESIGN: MONIKA BÖHLER (WDA DORNBIRN) 05 SHIRT »POOLHEAD« DESIGN: CINDY LEITNER & SHIRT »POOLBAR-ICON & BANDS 2014« DESIGN: KAROLINE MÜHLBURGER UND SILVIA KECKEIS (KALEIDO) 06 SHIRT »POOLBAR-ICON & BANDS 2014« DESIGN: KAROLINE MÜHLBURGER UND SILVIA KECKEIS (KALEIDO) 07 SHIRT »HEADPHONE« DESIGN: MICHAELA TOST (WDA DORNBIRN)

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WORKSTATION — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Sabine Kranzelbinder, 32, Schauspielerin

Auf der Bühne stand sie zum ersten Mal im Volksschulalter. »Damals hab‘ ich Feuer gefangen«, erzählt Sabine Kranzelbinder über ihre Leidenschaft. Sie liebe ihren Beruf, die Schauspielerei, weil er ihr ermögliche, viele Facetten ihres Ichs auszuleben. Und auf der Bühne die unterschiedlichsten Emotionen mit Kollegen zu teilen. Die Herausforderung liege in der Aufgabenvielfalt: Neben der Rollenarbeit stehen mitunter auch noch PR und Organisation an. »Da muss ich mich dann wirklich aufs Wesentliche konzentrieren.« Dank der unregelmäßigen Arbeitszeiten sei es zudem nicht einfach, die Familie unter denselben Hut zu bringen. Die rare Freizeit verbringt sie am liebsten mit dem Sohn draußen in der Natur. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass in Österreich mal ein bisschen umgetopft wird: »Weniger Geld in Fußballstadien, mehr in die Kultur stecken.« So ähnlich hätten sich das die Leute wohl auch in Brasilien gewünscht.

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WORKSTATION — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Carl Kaulfersch, 33, Kardiologe

Die Medizin liegt bei ihm in der Familie, sogar die Frau ist Ärztin. Carl Kaulfersch ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. »Die Dynamik, mit der uns das Herz vom ersten Schlag im Mutterbauch bis zum letzten Atemzug begleitet, fasziniert mich noch immer«, sagt Kaulfersch, dessen Spezialgebiet die interventionelle Kardiologie ist. Besondere Freuden bereitet es ihm, wenn ein Patient – dem er erst Stunden zuvor eine lebensbedrohlich verstopfte Herzarterie öffnete – über seine Zukunftspläne mit ihm plaudert. Die Herzkatheter-Rufbereitschaft bringt unberechenbaren Stress mit sich, denn dadurch müssen natürlich auch mitten in der Nacht akute Herzinfarkte behandelt werden. Bei der spärlichen Freizeit müssen dann Prioritäten gesetzt werden: Frau, Kinder, Sport, Reisen. »Am liebsten zum Wellenreiten an die Küsten der Welt.« 053


Prosa Elisabeth Klar

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EINE AUFS DACH HOW WRITERS LEARNED TO LOVE THE BOMB Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn die Wand Fanny Zillingers Zehe nicht im Weg gewesen wäre und diese Zehe nicht gebrochen hätte. Denn eigentlich hatte Fanny ein System. Wann immer sie auf Literaturwettbewerbe eine Absage erhielt – dieses Jahr haben uns 100 Einsendungen erreicht, leider konnte sich die Jury nicht für Ihren Text entscheiden – pflegte sie sich flach auf den Boden zu werfen, zu schreien, auf den Parkett zu trommeln und nach allen Seiten zu treten. Auf diese Weise holte sie sich ein paar blaue Flecken, und beruhigte sich vergleichsweise schnell. Deshalb war es ein unglücklicher Zufall, dass bei einem der Wutanfälle die Wand ihres Zimmers ausgerechnet an der Stelle stand, wohin Fanny mit aller Kraft trat. Nicht nur unterbrach das ihren Ausbruch mitten in der schönsten Ekstase, jeder neue Tritt, ja jede Berührung ihres Fußes mit einem Hindernis, schmerzte sie von nun an unverhältnismäßig. Als Fanny eine Woche später wieder eine Absage erhielt – dieses Jahr haben uns 30 Einsendungen erreicht, die Entscheidung war für die Jury besonders schwierig – wusste sie nicht, was sie tun sollte. Die Wut in ihr war ja schon da und bereit, sich ihren Weg zu bahnen, aber vom Treten hatte ihr der Hausarzt abgeraten, und es hätte unter den gegebenen Umständen wohl auch nicht den gewünschten Effekt gezeitigt. Weil aber das Preisgeld, das Fanny mit dem Literaturstipendium erhalten hätte, besonders hoch gewesen wäre, weil die Zahl der Einsendungen besonders gering gewesen war und weil sie dieses Jahr besonders viele Absagen erhalten hatte, musste sie sich auf die eine oder andere Art Luft verschaffen. Also beschloss sie, was jeder verstehen wird, eine Bombe zu bauen. 054

Fanny war nicht geübt in terroristischen Aktivitäten. Sie hatte einmal einen Spionagethriller schreiben wollen und war selbst damals an den technischen Details gescheitert. Deshalb sprach sie ihren Mitbewohner an, Stephan Sabic, der seit über acht Jahren Physik studierte und deshalb Bescheid wissen musste. Herr Sabic meinte, dass alle staatlichen Institutionen stürzenswert waren, bestellte das Kochbuch des Anarchisten über Amazon und hatte bald einen Einkaufszettel für Fanny zusammengestellt. Nun wäre Fannys Vorhaben beinahe bei diesem ersten Schritt gescheitert. Sie besorgte die notwendigen Zutaten in einem nahegelegenen Baumarkt, wo zufällig Michael Höher Gaskocher für seinen Familiengrill suchte. Herr Höher nun war Mitglied der Antiterrorismuseinheit der Polizei und damit mehr als qualifiziert, Fannys Einkauf als verdächtig einzustufen. Dass es nicht hier bereits zu einer Verhaftung kam, ist im Nachhinein schwer zu erklären. Zum einen ist zur Verteidigung Herrn Höhers darauf hinzuweisen, dass zu jenem Zeitpunkt der literarisch motivierte Terrorismus in Österreich noch eine marginale Rolle gespielt hat. Erst inspiriert durch das Zillinger-Attentat ist es zu einer wachsenden Gewaltbereitschaft der Schriftsteller gekommen. Zweitens war zugleich ein schwarzhaariger bärtiger Mann im Baumarkt unterwegs, den Herr Höher sofort fälschlich als radikalen Islamisten identifizierte. Als Michael Höher den von Fanny gefüllten Einkaufswagen sah, nahm er an, dass der bärtige Mann dessen Besitzer sein musste – Fanny hatte ihn zurückgelassen, um Zünder zu suchen. Herr Höher wurde umso misstrauischer, als der vermeintliche Islamist dann mit einem ganz anderen Wagen zur Kasse fuhr, in dem sich nur Wandfarbe und Pinsel befanden. Er brach seine Nachforschungen erst ab, als sich der Verdächtige als Grieche herausstell-

te und eine terroristische Absicht damit vollkommen ausgeschlossen war. Fanny Zillinger konnte ihren Einkauf also unbehelligt abschließen. Der Physikstudent Stephan Sabic muss in der Folge zwei Versuche gemacht haben, eine Bombe zu bauen, und Fanny Zillinger muss den ersten Prototyp an sich gebracht haben, noch bevor die zweite Bombe in Sabics Händen explodierte. Diese erste Explosion richtete jedenfalls vergleichsweise wenig Schaden an – es konnten in der ausgebrannten Wohnung sogar ein Großteil von Fanny Zillingers literarischem Werk und die bereits erwähnte Einkaufsliste geborgen werden. Die Analyse dieser und die des Bauplans ergaben, dass beide Bomben aus falschen Teilen bestanden, und offensichtlich auch falsch zusammengesetzt worden waren, weshalb beide eigentlich nie hätten zünden dürfen. Die Polizei erhielt den Anruf erst später, als Fanny die Stipendiaten-Stelle erreicht und, die Bombe an ihren Körper geschnürt, deren Direktor als Geisel genommen hatte und mit ihm auf das Dach der Institution geflüchtet war. Als das Einsatzkommando, darunter Herr Höher, eintraf, hatte Fanny ihren Arm um den Hals von Prof. Dr. Krasner geschlungen und ihn quer über das Flachdach geschleift – der Direktor musste nach hinten gekrümmt stehen und seinen Bauch in den Himmel strecken, da Fanny Zillinger kleiner als er war und seinen Kopf an ihre Schulter drückte. Umkreist war sie nicht nur von der Polizei, auch andere Angestellte der Institution hatten sich eingefunden und beschimpften die unveröffentlichte Autorin wüst. Es regnete, wie immer zu dieser Jahreszeit, stark. Michael Höher übernahm die Verhandlungen. Fanny wies jedoch jede Verbindung zu militanten Gruppierungen zurück, und schrie etwas von Stipendien, arbiträren und intransparenten Auswahlverfahren und den


Ad Personam: Elisabeth Klar geboren 1986 in Wien, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Transkulturellen Kommunikation. Gemeinsam mit Susanne Müller leitet sie den Verein Literaturwerkstatt Wien. Im Vorjahr wurde sie beim FM4-Literaturwettbewerb »Wortlaut« dritte. Im Herbst erscheint im Residenz Verlag ihr Debütroman »Wie im Wald«.

überzogenen Erwartungen ihrer Eltern. Der Wind verschluckte viele Worte, und ihre Forderungen, die sich hauptsächlich um Verlagsverträge drehten, waren der Antiterrorismuseinheit neu. Ein Mann, der später als Mitglied jener Jury identifiziert wurde, die Frau Zillingers Ansuchen abgelehnt hatte, riss Michael Höher das Megaphon schließlich aus der Hand und begann selbst, auf die Schriftstellerin einzureden, wobei er vom subjektiven Blick auf Literatur, von Geduld, und von gekürzten Förderungen sprach. Zunächst schien sich Fanny Zillinger zu beruhigen und lockerte sogar ihre Umklammerung des Direktors. Dann aber gerieten sie und das Jurymitglied in einen Streit. »Akustische und optische Metaphern zu mischen ist eine Unart!«, schrie Fanny schließlich. »Bloß weil ich eine nüchterne, präzise Sprache verwende-« »Präzise?« lachte Erdogan. »Sie kopieren nur leere Phrasen! Und was können wir dafür, dass Sie keine einzige Perspektive durchziehen können!« »Die Perspektiven wechseln, Sie Idiot!«, schrie Fanny zurück. »Sie haben wohl gar nichts verstanden! Haben Sie den Text denn überhaupt gelesen? Hat denn hier überhaupt irgendjemand den Text gelesen?« Sie sah in die Runde, von Polizist zu Sekretär und Beamtin. »Beruhigen Sie sich!«, rief der Antiterrorismusexperte Michael Höher in den Wind. »Bitte, Frau Zillinger, das kann doch kein Grund für ein Attentat sein! Es geht hier doch nur um Literatur!« Die Frage war, im Nachhinein gesehen, nicht unbedingt die klügste. Auch die folgende Eskalation hätte Michael Höher leicht vorhersehen können, hätte er mehr vom Literaturbetrieb gewusst. Man hatte aber eben noch kaum Erfahrung mit dem literarischen Täterprofil. »Sagen Sie mir nur eines«, schrie Fanny, »wer hat das Stipendium denn nun bekommen?« Erdogan Mahler, das Megaphon immer noch in der Hand, zögerte, bevor er antwortete. Der Name des Stipendiaten tut hier auch nichts zur Sache – sein Ruf hat durch das Geschehen genug gelitten. Jedenfalls zog Fanny Zillinger, sobald sie den Namen vernahm, kräftig am Zünder an. Der Zünder löste sich daraufhin, und sie hielt ihn in der Hand. Weiter geschah nichts. Er war tatsächlich nie mit der Bombe verbunden, sondern immer nur ein loses Stück Kabel gewesen. Möglicherweise verstand das auch Fanny, als sie das schwarze Kabel zwischen den Fingern drehte. Möglicherweise überlegte sie sich, nun doch den keuchenden Direktor loszulassen, sich auf altbewährte Weise auf den Boden zu werfen und trotz der schmerzenden Zehe zu schreien, zu trommeln und zu treten. Das wäre ja in jedem Fall ihre erste Wahl gewesen. »Mag. Mahler«, sagte sie, »ist es nicht eine ironische Wendung, dass-« Dann aber schlug der Blitz ein. 055


11–13.07.2014

WWW.FAIRFAIR.AT BILD ARNOLD PÖSCHL


AB HIER: REZENS ONEN

144 Parquet Courts Sunbathing Animal (What’s Your Rupture?)

Oh, Ramona

Dieses Brooklyner Quartett überzeugt mit 13 Songs im Geist der allerbesten Indie- und Post-Punk-Traditionen.

Mit dem dritten Song, »Oh, Ramona«, gewinnt dieser mir bislang unbekannte US-Vierer endgültig und fast wie mühelos mein oft musikmüdes Herz. Zum einen nehmen sie damit nach den ersten beiden Songs – der Opener »Bodies Made Of« gemahnt wunderbar aufregend an ein zeitgemäßes Update von Television – geschickt das Tempo raus und klingen dann beinahe so, als würde sich eine weirdere Dischord-Band an einer Version von otherworldly Pop versuchen. Außerdem kann es nie genug Songs geben, die eine Ramona im Titel führen. Was natürlich die Assoziation zu den Ramones aufmacht, die den schönsten dieser Songs im Repertoire hatten, wobei diese Musik hier schon etwas mit Punk zu tun hat, aber definitiv nicht mit Punkrock! Stattdessen sind die Assoziationen beim Hören all over the place. Da erinnert etwas im Duktus an die Minutemen (»Black And White«), dort darf oder muss mensch wegen der jerky Rhythmusfundamente der Songs an The Fall oder Wire denken – wenn diese einen Jonathan Richman als Sänger und Texter hätten. Bei den Strokes war es damals noch ein großes Problem, dass sie so klangen wie der halbe Protopunk von vor drei Jahrzehnten. Das stört heute niemand mehr. Deerhunter oder Mac DeMarco gelten als coole Hunde, gerade weil sie sich so geschickt durch die Geschichte arbeiten. Zwei Menschen, Austin Brown und Andrew Sage, spielen hier Gitarren und singen, was Parquet Courts zusätzliche Spannung verleiht. Die Musik strahlt eine grundlegende Dringlichkeit aus, vermittelt, dass diese vier Männer etwas meinen mit ihren Geschichten von einer Schauspielerin, die nie jemand hat spielen sehen und Ähnlichem. Ein Song führt dann noch »Vienna« im Titel – und ist auch noch kurz (1 Minute und 1 Sekunde!) und gut. Insgesamt ist das dritte Album der Parquet Courts die seltene Art Platte, die einen weniger daran erinnert, als im Moment vorführt und erleben lässt, wie aufregend es ist, eine Band und eine Musik neu zu entdecken, sich auf ihre Grammatik einzulassen und ihr bei oftmaligem Hören näher und näher zu kommen. Geil! 08/10 RAINER KRISPEL 057


REZ

Hundred Waters The Moon Rang Like A Bell (OWSLA)

Clipping Clppng (Sub Pop)

Islandic by Nature

Klingt als Idee toll

Island und Florida haben eine neue Gemeinsamkeit: Sie klingen gleich. Dank dem zweiten Album von Hundred Waters.

Im Radio laufen Clipping sowieso nicht. Sie machen eher die Sorte Musik, die einem gefallen sollte. Weil man sonst etwas nicht verstanden hat. Kunst, Rap und Noise zum Beispiel.

Was isländischen Musikexport seit Jahren auszeichnet, ist eine ätherische Form von Folk, die gleichermaßen organische als auch elektronische Elemente in sich vereint. Manchmal wirkt es, als gäbe es für besonders viel isländische Abgedrehtheit Bonuspunkte von den Fans. Klar klingen sie unterschiedlich, Acts wie Björk, Sigur Rós, Múm oder Soley sind aber mittlerweile so etwas wie der Sound von Island geworden. Und neuerdings auch Hundred Waters aus Florida. Die vier Köpfe aus Gainsville spinnen weit verlaufende Flächen und bekennen sich zu Stille und Pause. In die dadurch entstehenden Räume werden Sängerin Nicole Miglis’ anmutig gehauchte Worte so eingebettet, dass sie gar nicht verstanden werden müssen, um zu wirken. Anfangs gibt sich »The Moon Rang Like A Bell« noch avant- poppig, später spitzt es sich melancholisch zu. Es gelingt Hundred Waters, eine leise und filigrane Dramaturgie zu erzeugen, die jeden Moment zu zerreißen und zugleich bei der kleinsten Störung zu verschwinden droht. Das erdend-folkige Herzstück »Down From The Rafters« gleicht dann einer Absolution, die den kräftigeren und tanzbaren Schluss des Albums einleitet. »The Moon Rang Like A Bell« macht keinen Spaß und stiftet keine Freude, sondern ist sensibles Kleinod, das ohne die nötige Aufmerksamkeit verwelkt, sie jedoch nie einfordert. Es sind dabei nur die letzten Minuten von »[Animal]«, die durch Breakbeats, gesteigertem Tempo und dem einzigen lauten Moment des Albums an Skrillex erinnern. Gerade er, dessen Aufs-Maul-Dubstep wie die Antithese zum leisen und zurückhaltenden Sound des Quartetts wirkt, hat Hundred Waters schon nach ihrem ersten Lebenszeichen 2012 für sein Label verpflichtet und ihrem bisher nur digital erschienenen Debüt einen ordentlichen Re-Release verpasst. Trotz Rückenwind des Dubstep-Stars und Top-Kritik von Pitchfork blieb das Echo gering und Hundred Waters in ihrer Nische. Die vier Multiinstrumentalisten tüftelten und produzierten weiter in ihrem Haus in Gainesville, reduzierten den organischen Sound und lernten ihre elektronischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Das Album schickt nun den einzigartigen Sound Islands auf eine Reise in die Welt von Ambient und Chillwave. 07/10 STEFAN SCHALLERT 058

MUSIK

Wie, dir ist das zu anstrengend? Wie, du hörst lieber was mit Melodien? Mit Clipping macht man sich neue Freunde und – wahrscheinlicher – verliert man alte. Das Album des Trios aus Los Angeles ist wie ein Eignungstest für eine Hochschule für angewandte Geräusche. Dort wird man Dinge gefragt wie: Lässt sich der Arsch auch zu ein paar dürren Geräuschen schütteln? Wie weit kann man einen Beat zerlegen? Wie löchrig darf ein Groove sein? Kann man G-Funk mit ein paar leeren Flaschen spielen? Was ist das, Rap? Und müsstest du dein Leben nicht viel intensiver, ärger und verrückter leben? Die ersten vier Semester ist man da voll drin und versteht die Leute nicht mehr so richtig, die sich diese Fragen gar nicht stellen, arme Banausen. Dabei waren Clipping auf ihrem Erstling »Midcity« noch radikaler. Dort hatten ihre Beats fast nur aus Knacksen, Noise, Tstsss, knk, Krach, -z- und Wummern bestanden. Vermutlich hat sie Sub Pop gezwungen, ein kleines bisschen zugänglicher zu werden. »Tonight« ist im Refrain fast schon hymnisch. Ein paar Laptop-Pfeifen tun so, als wären sie schwere Bläser von Adeligen. Sonst aber gibt es eher Apokalypse auf die Ohren und den unbedingten Willen, Rap mit noch mehr Sinn, noch mehr Gedanken zu füllen und von innen nach außen zu sprengen. »Get Up« sampelt einen Alarmton. Voll arg. Melodie ist irgendwann auch drin. Geld und der Tod werden später total miteinander verwoben. »Clppng« klingt als Idee toll. Nur eben nicht als fertiges Album. Wie soll es auch. Das will es gar nicht. Tut es auch nicht. Clipping ist nämlich keine Frage des Geschmacks, sondern eine Frage der Erziehung. Es hilft, wenn man früher schon ein paar andere Rap-Sprengmeister gehört hat, wie das Antipop Consortium, Saul Williams, Cannibal Ox, Sole, Dälek oder die Cool Kids. Das ist natürlich wichtig und bringt die Kunst nach vorn, wenn die Grenzen eines Genres ausgelotet werden. Nur offenbar hätten sich ein paar Leute gewünscht, dass der Hund und die Innereien nicht so ablehnend auf die Störgeräusche reagieren. Wer es also nicht ganz so schmerzvoll mag, kann ja Death Grips oder Chance The Rapper hören. Oder einfach Kanye. Das geht sowieso immer. 07/10 STEFAN NIEDERWIESER


REZ

First Aid Kit Stay Gold (Sony)

MUSIK

Lana Del Rey Ultraviolence (Universal)

Schweden, schon wieder

Opfer-Masche zieht nicht mehr

Die schwedischen Schwestern Johanna und Klara Söderberg haben all ihren Weltschmerz wieder betörend zu einem Album geformt.

Lana Del Reys zweites Album »Ultraviolence« ist »Born To Die« ohne Spaß und mit Gitarren.

Die Schwestern wurden 2008 mit einem Video be2012 goss sich scheinbar aus dem Nichts heraus der kannt, in dem sie mit einer Gitarre im Wald sitzen feuchte Traum eines Lustgreises in die Form von und »Tiger Mountain Peasant Song« von den Fleet Lana Del Rey und brachte damit einen neuen PopFoxes covern. Gemeinsame Auftritte mit Patti Smith, Frauentypus als die seltsamst mögliche Antwort auf Jack White, Lykke Li und Bright Eyes folgten. In ihdie sexuell-dominanten Diven in die Industrie: das ren Liedern spielen sie gekonnt damit, bittersüßOpfer. Pseudo-Lo-Fi-Videos, Rehaugen, monotones schwermütige Texte über fröhlich aus Gitarren geschüttelte Folkmelo- Lamento über filmreife Geigenarrangements. Lana Del Rey unterwarf dien zu legen. Der US-amerikanische Dichter Robert Frost beschrieb in mittels gesungener Unterwerfung mit dem Debüt »Born To Die« sämt»Nichts ist für immer« den ganzen Weltschmerz, Verlust der Unschuld, liche Charts. Während andere Popköniginnen ihre Rollen gerne wechdie Flüchtigkeit der Schönheit und verlorene Liebe bis schließlich seln, mal die Verführerin, mal das unschuldige Mädchen, mal die Louauch den Tod 1923 mit den Worten »nothing gold can stay«. Diese boutin-Domina geben, gab Lana immer nur Lana. Weil das 2012 in der Worte las Klara Söderberg, als sie die erste Strophe von »Stay Gold« Größenordnung doch ziemlich neu war und der Sound von »Born To geschrieben hatte und nicht weiterkam. Aus diesen Worten wurde Die« sich so stark vom damals Marktüblichen unterschied, störte die letzten Endes das Herzstück des neuen First Aid Kit-Albums. Johan- thematische Einfalt auf dem Debüt nicht, war vielleicht sogar dessen na (23) und Klara (21) überzeugen dabei mit fast schon schmerzlich Stärke. Schwärmerei, Liebe, Motorräder – alles in extrem groß, Amealtersklugen Zeilen. rika eben. Der Soundtrack zum Biopic einer freiheitsliebenden Lolita. Der Reigen beginnt mit »My Silver Lining«, das direkt aus einem Entgegen des literarischen Vorbilds bei Nabokov, in dem Lolita stirbt, Soundtrack eines Western stammen könnte – was nicht zuletzt an der entgegen des Albumtitels »Born To Die« gönnte die Grant ihrer Lana Geigenmelodie liegt, die von einem aus Omaha stammenden Streich- noch ein zweites Album, »Ultraviolence«. Nun ist es leider das Wesen orchester eingespielt wurde. Das Ensemble taucht auf dem Album im- von Cheesy-Geschichten, dass ihnen eine Neuauflage nicht gut tut. mer wieder mit ähnlich filmscorehaften Passagen auf. Die Einsamer- Oder war »Dirty Dancing 2« etwa super? Lana hätte sich komplett neu Cowboy-Stimmung wird durch einen Existenzkrisen-Text mit immer erfinden müssen, um die geringste Chance auf einen weiteren Erfolg wiederkehrendem »I won’t take the easy road« noch weiter ausstaf- zu haben. Hat sie nicht. »Ultraviolence« ist, was von »Born To Die« übfiert. Weniger schwedische Weite, mehr Wild Wild West. First Aid Kit rig geblieben ist, nachdem man jeglichen Spaß herausgenommen und hören sich auf ihrem Majorlabel-Debüt leichter, weniger dramatisch fast alle Geigen durch Gitarren ersetzt hat, weil man glaubt, dass das oder mysteriös an, dafür ein wenig mehr nach Beautiful South und dann roher daherkommt (reife Leistung, Dan Auerbach!). Noch einmal Neko Case. Es geht um Liebeskummer und den unmissverständlichen zwölf Balladen über Sugar Daddies, kleine Mädchen, Geld und Freiheit. Wunsch zu entkommen, darum, alles hinzuschmeißen und ein komDa gibt es schon auch ein paar schöne Momente. Die erste Singplett neues Leben zu beginnen. Das Kernstück des Albums bildet »Stay le »West Coast«, den Titeltrack »Ultraviolence« und »Shades Of Cool« Gold«, in dem sie schwermütig den Verlust und die Unsicherheit der kann man sich schon anhören, »Pretty When You Cry« berührt wirklich Zukunft betrauern. Ihre eindringlichen Stimmen bleiben aber Gold – Stimme bricht, wunderbar melancholisch. Der schönste Moment ist wert. Und auch dieses Album macht ihrem Bandnamen alle Ehre und aber, wenn das Album aus ist. In zwei Jahren hat sich im Mainstreameignet sich ganz treffend als erste Hilfe nach einem anstrengenden Tag. Pop eben doch etwas getan, z.B. Sia, z.B. Lorde. Die Opfer-Masche zieht Oder einem anstrengenden Leben. 08/10 TANJA SCHUSTER nicht mehr. 04/10 AMIRA BEN SAOUD 059


REZ

Glass Animals Zaba (Wolf Tone)

MUSIK

Owen Pallett In Conflict (Domino)

Im Wald, ein Beat

Messer, Gabel, Herz

Die Glass Animals könnten einmal größer als Alt-J werden: Sie perfektionieren Odd-Pop, der so klingt, als hätte man ihn in einem Urwald aufgenommen.

Graublau mit Pastell, Pop mit klassischen Arrangements, Sex mit Depression, Alkohol mit Sucht – Owen Pallett brauchte dafür einfach mal zwei Jahre länger als geplant.

Als Paul Epworth für seinen James Bond-Song 2012 reihenweise ausgezeichnet wurde, blieb sein neuestes Projekt, das Label Wolf Tone, unerwähnt. Das verwundert, weil der Brite nach seiner Arbeit mit den großen Pop-Acts wie Adele, Florence And The Machine oder Kate Nash gerade dabei ist, eine vielversprechende Indie-Plattform aus dem Boden zu stampfen. Da wären dann auch die Glass Animals aus Oxford: Jene Newcomer in der Sparte »Nerd-Pop«, die das Potenzial haben, einmal größer als Alt-J zu werden: R’n’B und Soul liegt in der Luft, ebenso Psychedelic und Afrobeat, getrieben von diesem mystischen, hauchenden Männerfalsett. Die Band beschrieb ihren Sound selbst in einem der wenigen Interviews als »Einhorngeflüster« – das ist mindestens so hipsteresque wie ihr Haarschnitt, aber für Romantiker ein sehr treffender Vergleich. Glass Animals perfektionieren das, was man im Vorjahr noch nicht ganz und eigentlich nie so richtig benennen konnte und sich deshalb mit »Odd Pop« aushalf: Denn das, was Bands wie Blood Orange, Yeasayer, Troumaca, Wild Beasts, Sizarr und Alt-J die letzten Jahre ins Netz stellten, war mehr als nur Synth- und Dance-Pop: Sounds, ganz klar aus der elektronischen Ecke, aber mit wilden Beats und Chören auch nicht unorganisch. Dass die Glass Animals Flying Lotus-Fans sind, hört man nicht nur immer wieder, sondern sieht auch in ihren wirklich großartigen Sci-Fi-Outdoor-Videos. Wachstum, Natur, Artenvielfalt – überall pulsiert und wuchert es: In solchen Momenten empfindet man die Glass Animals mehr als Folk- denn als Synthpop-Band. »Zaba« träumt am hellichten Tag, ist ein Zungenkuss in Zeitlupe, eine in hookige Songs gezimmerte Geräuschkulisse, wild und fragil zugleich. Manchmal hört man Sounds, die klingen, als würde es in einem Sumpf brodeln und zischen – Dubstep mit anderen Mitteln. Zu den Glass Animals lässt es sich wunderbar wegdriften, jetzt könnten sie sich aber nicht mit Alt-J messen, wenn ihr Sound nicht tanzbar wäre. Und er ist tanzbar – so innig hat man sich schon lange nicht mehr bewegt. Wenn Odd der neue Pop ist, dann sind Glass Animals seine neuen Anführer. 08/10 FRANZISKA TSCHINDERLE 060

Bereits im Dezember 2012 kündigte Pallett »In Conflict« über seinen Twitter-Account an. Seitdem wurde das Album in Island aufgenommen, wieder verworfen und in Montreal, Live-To-Tape, neu eingespielt. Anscheinend gibt der klassisch ausgebildete Violinist nicht viel auf Vorgaben seines Labels Domino. Zum einen mag die Verzögerung sicherlich seinem Perfektionismus geschuldet sein, zum anderen beweist es wohl auch einfach seinen Mut, Fehler zu machen und sich diese einzugestehen. Pallett, dessen Musik eigenen Aussagen zufolge von seiner Sexualität beeinflusst wird, hat sich letztendlich nun doch für einen Termin im Mai entschieden. Vor dem Hintergrund der vorherrschenden Stimmung auf »In Conflict« eigentlich ein unpassender Zeitpunkt, schlägt Pallett doch mit seinem Songwriting einen gänzlich anderen Weg als bisher ein: Anstatt sich in Phantasmen fiktionaler Spiele zu verlieren oder befremdliche Farmer-Dystopien zu kreieren, arbeitet der Kanadier nun deutlich mehr Erlebtes und Erfahrenes in seine Texte ein. So handelt der Song »Riverbed« von den Folgen des Alkohols und der für Pallett scheinbaren Unausweichlichkeit, das Trinken einfach irgendwann sein zu lassen. Gesellschaftlichen Tabuthemen wie Depression und Suchtverhalten werden auf dem Album mehr als ausreichend Platz eingeräumt – sie werden als Teil des Menschseins verstanden und somit letztlich in die Akzeptanz gehebelt. Den Rahmen für diese Selbstläuterung stellen die gewohnt genau instrumentierten Streicher-, Bläser- und Gitarren-Arrangements dar, zu denen Brian Eno die Synthieflächen beisteuert. Disharmonien (»Soldier’s Rock«) und etwas enervierende Präzision (»Infernal Fantasy«) suchen im Wechsel den größtmöglichen Suspense-Moment, finden jedoch hauptsächlich verstörende Beklemmung. Synästhetiker würden das Album wohl vorwiegend im Graublau, ab und an zersetzt von pastellfarbenen Tupfen (»The Secret Seven«) verorten. Sicherlich – Owen Pallett macht immer noch Klassik für die Nische. Mit »In Conflict« lässt er jedoch den Dunstschleier seiner 20er endgültig hinter sich und führt sein Herz beklemmend nah ans Messer. 07/10 CHRISTOPH KRANEBITTER


REZ

Te Po Love Run Ambush And Escape (Monoscope)

MUSIK

Polirac Kreuzwort (Duzz Down San)

Anti-Hymnen-Mischmasch

5 Buchstaben, senkrecht: Start

Okay. Speziell der Fever Ray-Block funktioniert, isoliert auch der mit Dreampop und den 80ern. Nur gemeinsam noch nicht ganz.

Die Linzer Polifame und Mirac haben mit DJ Chrisfader ein Album fertiggemacht. Es ist Mundart-Rap ohne Konzept. Vielfalt und Chaos, Aufruhr und Krach.

Wolfgang Frisch hat sich mit Sängerin Rahamey Po zusammengetan, um ein Album irgendwo zwischen Glamrock-Pathos, Ambient und Dreampop zu machen. Ersteren kennt man von den Sofa Surfers, vielleicht aber auch als Solo-Gitarristen. Wolfgang Frisch hat mit seinen Bandkollegen gerne Filmmusik gemacht. Für die Brenner-Verfilmungen von Wolf Haas vor allem. Das mit den atmosphärischen Hintergrundmelodien hat der Wiener aber auch alleine drauf. Oder eben als Duo mit der amerikanischen Sängerin Rahamey Po. Denkt man sich ihren schönen Gesang nämlich weg, taucht manchmal Josef Hader im Kopf auf, mitsamt Birgit Minichmayr und Joint im Rohbau oder so. Aber eigentlich will man sich den Gesang ja nicht wegdenken. Durch cooles 80ies-Gebimmel fühlt man sich gleich anfangs an The Cure erinnert, auch an Fijuka und ihre Discoleggings. Dazwischen Trommelschläge, die damals den Refrain einer Glamrock-Hymne angekündigt haben. Sämtliche Axl Roses und Jon Bon Jovis haben sich dann ihre funkelnden Hemden aufgerissen, während sie dabei auf die Knie gefallen sind. Bei Te Po fehlt dieses kitschige Pathos. Es geht trotz kurzem Gitarrensolo herrlich unaufgeregt weiter. Der Titeltrack »Love Run Ambush« kommt daher wie Fever Ray, nur nicht ganz so creepy. Ähnlich »Poet Of Ether«, das wahrscheinlich der beste Song auf dem Album ist. Für Fans von Karin Dreijer zumindest. Mit »White Steed« flimmert auch Portishead durch. Gegen Ende wird es schließlich immer reduzierter, freundlicher, leiser, dreampoppiger. Te Po können sich mit ihrem Debüt offenbar nicht ganz entscheiden, wohin sie mit ihrem Sound wollen. Nein, anders: Der GenreMischmasch scheint in seinen Einzelteilen zu perfekt konstruiert, um nicht ganz genauso geplant gewesen zu sein. Die Songs funktionieren isoliert voneinander super oder auch zusammengefasst als Blöcke: 80ies, Fever Ray und Dreampop. Als komplettes Album zieht »Love Run Ambush And Escape« irgendwie nicht hundertprozentig. Dieses Compilationmäßige muss man halt mögen. 06/10 NICOLE SCHÖNDORFER

Der rote Faden ist manchmal auch ein zweischneidiges Schwert. Mal dient er als Wegweiser durch ein Labyrinth, dann wieder kommt er als Fessel zum Einsatz. Auf »Kreuzwort« fehlt er jedenfalls beinah völlig. Sowohl textlich wie auch musikalisch fegen Polirac eineinhalbmal durch den Gemüsegarten. In den Texten befassen sie sich gleichsam mit dem Ernst des Lebens wie auch mit den Wundern des Waschtags. Die Beats sind dabei teils gutes altes Kopfnickmaterial, teils höchstgradig stressiges Dubstep-Gedudel. »Humpel-Beats« nannten das die Jungs dann selbst in einem Interview mit themessage.at. Dort erklärten sie auch, dass dieses Fehlen eines Überthemas bei fünf Jahren Produktionsdauer keinen wundern darf. Und dass sich daraus außerdem der Albumname ergibt. Wirrwarr in selbstreflektiert also, stattgegeben. Ein solcher Mix an Stilrichtungen ist allerdings schon gewöhnungsbedürftig. Bei den Texten fällt es noch nicht negativ auf, selbst bei jedem noch so ernsten Album ist ja auch noch Platz für ein bisschen Unfug, inhaltliche Abwechslung ist im Gegenteil eh anstrebenswert. »Dissonanz«, möglicherweise das Kronjuwel des Albums, beschreibt die graue Atmosphäre einer Metropole. »Nr. 1« ist ein Lied über ChartHits, bestehend aus deren Titeln – do muss i schmunzeln. Außerdem gibt’s da noch Beratungsresistenz, Fortgeh-Exzesse, Schlaflosigkeit und Sex. Problematischer wird es dann bei den Beats. Auf ruhig folgt wild, Kopfnicken wird zu Headbangen, und nochmal von vorn. Musik und Text fügen sich manchmal nicht zu einem harmonischen Ganzen zusammen, sondern konkurrieren um die Aufmerksamkeit des Hörers. Und in diesem Streit verlieren dann automatisch alle drei Parteien. Eventuell hatten Polirac und besonders DJ Chrisfader hier schon die Live-Tauglichkeit des Albums im Sinn, im Club fetzen diese Tracks wohl gewaltig. Ein Zacken mehr Konstanz würde diesem Duo allerdings gut tun. Auf dem Debütalbum kann man dieses Durcheinander verzeihen, so ein gemeinsamer Stil will ja auch erstmal gefunden werden. 07/10 PHILIPP GRÜLL

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REZ

MUSIK

Alex Banks Illuminate (Monkeytown) — Mit einem wilden Orchester analoger Synths arrangiert Alex Banks die Songs auf seinem Monkeytown-Debütalbum. 07/10 KAMI KLEEDORFER

Brody Dalle Diploid Love (Caroline (Universal) — Das Ende eines Kapitels und Mut für den Neuanfang – dafür steht Brody Dalles erstes richtiges Solo-Album. Musikalisch heißt das Rückbesinnung zum Punk-Rock und ungewöhnlich nachdenkliche Töne. 06/10 SANDRA ADLER

Okmalumkoolkat Holy Oxygen I (Affine)

I’m a fucking Demigod Drei Katzen aus Wien und Johannesburg haben sich zusammengetan, um dem Goethe-Institut zu zeigen, wie Hochleistungskulturdialog mit Synths und Beats geht.

Auch wenn die Leute hier lieber Holy Oxygen sagen und es beim Wiener Popfest so angekündigt ist, schafft iTunes jetzt Klarheit. Okmalumkoolkat heißt die neue, coole Katze auf dem Wiener Vorzeigelabel Affine. Ok. Malum. Kool Kat. Eigentlich easy. Das Missverständnis mit den Namen könnte daher kommen, dass die vier Tracks auf »Holy Oxygen« ganz deutlich nach seinen beiden Wienern Produzenten klingen. Lange wurde so getan, als wäre Affine Records der Sound der Stadt. Die Geschichte klingt ja zu gut. Ein paar Freunde, die sich seit ihrer Jugend kennen, die mit der Musik von Kruder & Dorfmeister und lustigen Zigaretten aufgewachsen sind, tun sich zusammen, stacheln sich gegenseitig an und landen bei internationalen Labels. Downtempo, aber hyperaktiv, elektronisch und gleichzeitig analog, Bastler und echte Musiker, voll jetzt gerade Gegenwart – einmal großes Ehrenkreuz, bitte. Allerdings warten wir nun schon einige Jahre auf Alben von besten Freunden wie Dorian Concept, Ogris Debris und Sixtus Preiss. International geben auch viel eher andere den Ton an, so wie Camo & Krooked, Parov Stelar, Sohn, Klangkarussell oder Hvob. Diese sind zwar kein Teil einer größeren Szene, gehören zum Sound der Stadt natürlich mindestens genauso dazu. Gerade hat sich diese Szene also nach Johannesburg ausgedehnt. Okmalumkoolkat wird von Cid Rim und The Clonious produziert. Wenn man die Synths hört und wie sich zu verspulten Refrains steigern, das Scharren der Rasseln, diese Leichtigkeit voller Details, die gefederten Grooves, ja dann fällt es schwer zu glauben, dass nicht alle drei ganz gleichberechtigt an den vier Tracks mitgeschrieben haben, dass außerdem Holy Oxygen nicht doch der bessere und einprägsamere Name gewesen wäre. Die EP hat alles, was Affine seit Jahren ausmacht. Und jetzt auch Stimme. Verlorene Väter, Gott, Helden, Arsch, Uzi, Zulu, heiliger Sauerstoff, Angeben – Okmalumkoolkat macht einmal die ganze Tour der Themen. Statt großer Geschichten mit großen Reimen assoziiert er eher wild. Die Zeile »I’m a fucking demigod« prägt sich auch so ein. Ein großes Ehrenkreuz braucht es gar nicht, einfach nur mehr davon, bitte. 07/10 STEFAN NIEDERWIESER

El_Txef_A We Walked Home Together (Fiakun) — Der Baske mit dem unaussprechlichen Namen (El Tscheffa) lässt die Grenze zwischen Song und Track, ähnlich dem Horizont in seiner spanischen Heimat, sichtlich verschwimmen.

Simon Felice Strangers (Dualtone Records) — 2009 hat er die Felice Brothers verlassen, jetzt veröffentlicht Simon Felice sein zweites Album unter eigenem Namen – bestrickende amerikanische Songkunst.

08/10 KEVIN REITERER

09/10 RAINER KRISPEL

Kasabian 48:13 (Sony) — Psychedelischer Elektro-Bombast-Rock’n’Roll buhlt lautstark um seine Daseinsberechtigung.

Monsterheart W (Seayou Records) — Monsterheart ist One-WomanProjekt, ist Synthie-Pop, ist Geheimnis, klingt »lieb« ist aber nicht. Die Femme Fatale hinter dem Konzeptwerk liefert ein Statement auf Albumlänge zu Pop und seinen verklärten Inhalten.

06/10 GERALD C. STOCKER

06/10 STEFAN SCHALLERT

Pink Mountaintops Get Back (Jagjaguwar) — Neben einigen Matchwinnern ein etwas dröges Album mit zu vielen nostalgischen Teenage-Beschwörungen im Mid-Tempo. Der schizoide Opener »Ambulance City« rettet trotzdem alles. 06/10 DAVID MOCHIDA KRISPEL

Spain Sargent Place (Glitterhouse) — 2007 reformiert, pfeiffen Spain, die Band, auf Zuschreibungen wie Sad- oder Slowcore und machen stattdessen großartige Musik. 07/10 RAINER KRISPEL


Bulbul Hirn Fein Hacken (Exile On Mainstream) — Beste Schweißhirnmusik aus Absurdistan. Satte Grooves, fette Bässe, komische Worte und kosmische Gitarren. Verboten tight gespielt und mit einem Ideenreichtum zum Abwinken.

MUSIK

Drive-By Truckers English Oceans (Ato Records) — Das zehnte und verdammt großartige Studioalbum einer Band aus Alabama, deren Rock definitiv Soul hat. Songs von nahezu literarischer Qualität. 07/10 RAINER KRISPEL

08/10 DAVID MOCHIDA KRISPEL

Roddy Frame Seven Dials (AED) — Es gibt Stimmen, die man unweigerlich mit den Alternative Charts der 80er Jahre in Verbindung bringt, und Roddy Frame ist eine davon. 07/10 GERALD C. STOCKER

The Jeffrey Lee Pierce Sessions Project Axels & Sockets (Glitterhouse) — Dritter und finaler Teil der Leichenfledderei. Cave, Lunch, Lanegan & Co. rekonstruieren Jeffreys Demoreste in nicht gerade zwingender Form. 04/10 DAVID MOCHIDA KRISPEL

Morrissey Your Arsenal (Parlophone) — Mit diesem Album setzte der streitbare Brite einen persönlichen Meilenstein, sich aber auch ganz schön in die Nesseln. 08/10 GERALD C. STOCKER

My Sad Captains Best Of Times (Bella Union) — Wenn die besten Zeiten bereits vorüber sind und das Hamsterrad seine Runden dreht: Schwermütig-leichtfüßiger Twee / New Wave-Pop für Nostalgiker und Träumer. 06/10 MICHAEL KIRCHDORFER

The Hold Steady Teeth Dreams (Razor & Tie) — Nach einem Jahr Atempause legen die New Yorker The Hold Steady das sechste und beste Album der zehnjährigen Bandgeschichte vor. 09/10 RAINER KRISPEL

Woven Hand Refractory Obdurate (Glitterhouse) — Ein neues Werk von David Eugene Edwards und seiner Band Woven Hand, weit heftiger und direkter als zuletzt. 07/10 RAINER KRISPEL

01/10 GROTTIG 02/10 SCHLECHT 03/10 NAJA 04/10 OK, PASST EH 05/10 GUTER DURCHSCHNITT 06/10 SEHR GUT 07/10 SUPER 08/10 EIN TOP-ALBUM DES JAHRES, GENRE-KLASSIKER 09/10 ABSOLUTES MEISTERWERK

REZ

KINO UNTER STERNEN Open Air am Karlsplatz

27. Juni – 19. Juli 2014

www.kinountersternen.at

Mit Unterstützung von

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REZ

Love Steaks 01 (von Jakob Lass; mit Lana Cooper, Franz Rogowski) — Ein Film ohne Drehbuch, der den Deutschen Drehbuchpreis gewonnen hat: Fast schon ein Skandal. Vielleicht aber auch ein starkes Zeichen dafür, wie deutsches Indie-Kino funktionieren muss und kann. Für sein Filmdebüt hat der Berliner Regisseur Jakob Lass über 30 Hotels angefahren, bis er den perfekten Drehort in einem Kurbetrieb an der Ostsee gefunden hat: Dort inszeniert er eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen dem schüchternen und höflichen Masseur Clemens (Franz Rogowski) und der burschikosen, schlagfertigen Köchin Lara (Lana Cooper). Er massiert die Speckröllchen der älteren Kurgäste, sie zerlegt Hendlbrust und klopft Schnitzel. Sie fragt ihn ohne Hemmungen, ob er einen Fleisch- oder Blutpenis habe. Er hingegen traut sich nicht, ihr vor der Massage beim Ausziehen zuzusehen. Nicht nur das Was spielt für die Macher von »Love Steaks« eine Rolle, sondern auch das Wie: Gefilmt wurde mit der Handkamera, Make-up fiel ebenso aus wie künstliches Licht oder vorgeschriebene Dialoge. Um ein authentisches Rollenverständnis zu erzielen, ließ Lass die Hauptdarsteller vor dem Dreh Praktika im Betrieb absolvieren. Diese Authentizität und ungekünstelte Dramaturgie nennen die Macher nicht wie einst Lars von Trier und Konsorten Dogma 95, sondern FOGMA: eine freie und narrativ unkonventionelle Filmpraxis, die oft so spontan und unüberlegt kippt, wie es nur das Leben bewirken kann. 08/10 FRANZISKA TSCHINDERLE Maman und ich 02 (von Guillaume Gallienne; mit Guillaume Gallienne, André Marcon, Francoise Fabian) — Dass Guillaume im wahrsten Wortsinne ein Muttersöhnchen ist, erklärt sich schon, als er in Rückblenden seine Geschichte erzählt. »Jungs und Guillaume, zu Tisch!« ruft Maman und verdeutlicht, dass er – anders als seine Brüder – von seiner Mutter wie ein Mädchen behandelt wird, weil er für sie wie ein Mädchen ist. Guillaume, der seine Mutter innigst liebt und seine Verehrung sogar in der Imitation ihrer Attitüde zum Ausdruck bringt, sieht das nicht anders und hinterfragt somit auch seine für ihn deshalb logische Homosexualität nicht. Erst als er für seine feminine Seite belächelt und im Internat von seinem Schwarm abgewiesen wird, beginnt Guillaume zu hinterfragen, ob er tatsächlich die ist, zu der er durch Maman wurde oder doch der sein mag, der Frauen liebt und nicht erfüllen muss, was seine Mutter in ihm sieht. Guillaume Gallienne, Regisseur, Autor und in der Doppelrolle sowohl als tootsiehafte Maman als auch als Sohn zu sehen, spart nicht mit Autobiografie. Dass der Protagonist von Beginn des Films an immer wieder während des Erzählens auf der Bühne eines Theaters gezeigt wird, ist dabei eine nette Referenz auf die Vorlage, das Theaterstück des Regisseurs. Und das ist auch das Interessanteste am Film: Dass Galliennes Geschichte wahr ist und so wahr wirkt, wie es in einem fiktiven Film passieren kann – selbst wenn der Witz und die Verschrobenheit in dieser Coming-Out-Story streckenweise vor sich hin stolpern. Dennoch: Wer sich gern was erzählen lässt, lieber darüber schmunzelt als sich dabei in tiefen emotionalen Gruben wieder zu finden, ist mit »Maman und ich« gut bedient. 05/10 MIRIAM FRÜHSTÜCK

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FILM

No Turning Back (von Steven Knight; mit Tom Hardy, Ruth Wilson, Olivia Colman)

Betonkopf mit Bleifuß

Solofahrt für Tom Hardy oder: Sitzt ein Mann im Auto und telefoniert. Ein Film als intensive Charakterstudie im Kurzgeschichten-Stil.

Ivan Locke (Tom Hardy) ist Vorarbeiter auf einer der größten Baustellen Englands. Am Vorabend einer historischen Fundamentlegung, der wichtigsten, die er jemals abzuwickeln hatte, lenkt Locke seinen Wagen auf die Autobahn. Anstatt nach Hause zu Frau und Kindern zu fahren, steuert er London an. Knappe eineinhalb Stunden sind es bis zur Hauptstadt, eineinhalb Stunden, die Locke am Telefon verbringen wird, um seine Ehe, seinen Job, den Bau seines Wolkenkratzers zu retten. »No Turning Back« wirkt wie das Paradebeispiel einer filmgewordenen Kurzgeschichte. Obwohl dem Drehbuch von Steven Knight (der auch im Regiestuhl Platz nahm) keine solche zugrunde liegt, exerziert der Film den Grundstock an genreüblichen Stilkniffen mustergültig vor: Direkter Einstieg, zeitlich kompakter Plot, Repetition symbolhafter Elemente und Schlüsselphrasen, offenes Ende. Darüber hinaus erinnert »No Turning Back« an ein klassisches Drama, scheint auf den ersten Blick die aristotelischen Einheiten von Zeit, Raum und Handlung in Höchstform zu zelebrieren. Dem ist allerdings nicht so: Die Story ist in mehrere gleichwertige Handlungsstränge aufgeteilt, das bestimmende, auslösende Ereignis findet vorab statt, zu einer abschließenden Auflösung kommt es nicht (wirklich). Die Einheit des Raums allerdings … Eineinhalb Stunden lang sehen wir Locke im Auto sitzen, die anderen Figuren (u.a. »Sherlock«-Soziopathin Ruth Wilson als Lockes Ehefrau) bekommen wir kein einziges Mal zu Gesicht. Sie existieren nur als Stimmen, die über die Freisprechanlage ertönen. Ein langweiliger Film? Keineswegs. Mit jeder Minute tauchen wir tiefer in die Seele Ivan Lockes ein, nähern uns Stück für Stück seinem Kern. Jedes dieser Puzzleteile ist für sich – in formaler wie auch inhaltlicher Sicht – faszinierend. Jedes Element des Films regt zu Deutungsversuchen an: Lockes Verhältnis zu seinem toten Vater, Auto und Autobahn als Setting (nachzuschlagen bei Foucault), der allgegenwärtige Beton als Leitmotiv. Doch auch ohne die Vielzahl an möglichen (Über-)Interpretationen ist »No Turning Back« eine fesselnde Ein-Mann-Show. Es ist spannend, wenn auch mitunter unbehaglich, diesem Ivan Locke zuzusehen. Sein Leben ist ein brennendes Haus, er selbst hat es in Brand gesteckt. Was kann er daraus retten? 07/10 LEO DWORSCHAK 01


REZ

FILM OUT NOW

GLASS BOYS

FUCKED UP

Boyhood (von Richard Linklater; mit Ellar Coltrane, Patricia Arquette, Ethan Hawke)

Talking About My Generation Y

Richard Linklaters neuestes Werk ist ein beeindruckend umfangreicher Coming-of-Age-Film und ein klug-komisches Langzeit-Porträt der Generation Y.

Verträumt blickt ein Schuljunge in den Himmel, so als suche er am Firmament die Zukunft. Das war 2002, in diesem Jahr begannen die Dreharbeiten zu »Boyhood«. Mit seiner älteren Schwester und seiner Mutter wächst Mason in einer Patchwork-Familie auf. Über zwölf Jahre hindurch und verdichtet auf 164 Filmminuten begleitet Richard Linklater Masons Aufwachsen. Sein leiblicher Vater (großartig: Ethan Hawke) wandelt sich über die Jahre vom freiheitsliebenden Lebemensch zum sorgsamen Vater. Gegenteilig entwickelt sich Masons erster Stiefvater. Figuren über einen derart langen Zeitraum so präzise begleiten zu können, war bis jetzt nur Serien vorbehalten. 9/11, Afghanistan, Irak, Bush, Obama: Wie sich die großen Narrative der jüngeren USGeschichte im Alltag veräußern ist von Linklater dabei von zentralem Interesse. Sein in Berlin mit dem Silbernen Bären prämiertes Langspielfilmprojekt erweist sich somit zugleich als Dokumentation eines Amerikas der 00er Jahre und der Generation Y. Der US-Regisseur ist aber eben auch ein Choreograf des Alltäglichen, er orchestriert seine Schauspieler in ihrer dichten Materialwelt zwischen Alltagsmode, Sneakers, Skateboards, Pagern und iPhones zu einer US- Familienstory mit universellem Anspruch. Kinder der späten 80er und frühen 90er Jahre können in »Boyhood« ihrer eigenen Sozialisation nachspüren und sich vergewissern, wie sehr Pop sich all unseren Lebenslagen einschreibt. Der persönliche Lieblings-Soundtrack entpuppt sich als kollektive Erinnerung. Auf die kanonisierten Coming-of-Age-Sujets (der erste Kuss, die erste Liebesnacht etc.) verzichtet »Boyhood« ebenso wie auf verkrampfte Gesten des Authentischen. Am Filmende blickt ein erwachsener Mason erneut in den Himmel. Diesmal teilt er den Blick mit einem Mädchen. Vielleicht der Blick in eine gemeinsame Zukunft, vielleicht ein melancholischer Rückblick. Die Zeit jedenfalls nimmt ihren Lauf, einzig »Boyhood« endet hier. Mason ist nun kein Boy mehr und auch seine Hood hat er hinter sich gelassen. 09/10 PETER SCHERNHUBER

02

Das neue Album von Fucked Up CD/LP/DL/LPLtd mit „slow version“ out now

DEBÜTALBUM TREMORS

OUT NOW

FUTURE ISLANDS SINGLES THE NEW ALBUM OUT NOW


REZ

Fack Ju Göhte (Constantin) von Bora Dagtekin; mit Elyas M’Barek, Karoline Herfurth, Katja Riemann

Introducing Ilana Glazer           ,     » « ,        . — Im Januar schlug die erste TV-Staffel von »Broad City« ein, bereits im Februar wurde die Serie von ihrem Sender Comedy Central verlängert. Die Prämisse ist so banal wie vielversprechend: Ilana Glazer und ihre Freundin Abbi Jacobson spielen sich selbst und tragen dabei extra dick auf. Glazer verkörpert dabei den ungestümen und etwas übergeschnappten Part des Duos. Alles begann als Webserie – aus einem Gastauftritt von Amy Poehler wurde schließlich eine Kooperation für das Fernsehen. Glazer ist obendrein auch der Star ihrer eigenen Webserie namens »Chronic Gamer Girl«. Hier balanciert sie zwischen mit Marihuana angereichertem Chillen und durchgeknallten Darbietungen, die mal mehr, mal weniger mit (Computer-)Spielen zu tun haben. Mit Standup und Improtheater vertraut, ist Glazer auf eine sehr ungezwungene und authentische Art unterhaltsam und nimmt sich kein Blatt vor den Mund – und sich vor allem selbst nicht ganz so ernst. Ganz nebenbei vermittelt sie ein positives Körperbild, das nicht zuletzt auf den »Munchies« beruht. Sie plädiert für mehr Selbstwert und vor allem Selbstliebe. Voller Stolz kann sie sagen: »I don't have muscles, I don’t have bones, I’m like skin filled with pizza.« Im Grunde nimmt Glazer das für sich in Anspruch, was Stoner-Kollegen wie Seth Rogen und James Franco schon längst tun – und bereichert so die (Web-)Serienwelt mit einem breiteren Spektrum an Identifikationspotenzial. Ihr unverblümter Umgang mit Noch-Tabus wie Sexualität und diversen Körperteilen, die gemeinhin mit Verschwiegenheit behaftet sind, ist erhebend und bringt ihr zusätzliche Sympathiepunkte ein. Weil Stoner Comedy mit weiblichen Hauptrollen ohnehin dünn gesät ist, und auch weil das Wall Street Journal »Broad City« eben noch als »Sneak Attack Feminism« charakterisiert hat: Bitte mehr davon! TEXT ARTEMIS LINHART BILD COMEDY CENTRAL

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Mud – Kein Ausweg (Ascot Elite) von Jeff Nichols; mit Matthew McConaughey, Reese Witherspoon, Tye Sheridan, Jacob Lofland

DVD

»Fack Ju Göhte« ist mit über 7 Millionen Zusehern nicht nur einer der erfolgreichsten deutschen Filme des Jahres 2013, sondern überhaupt. Nicht nur das macht ihn zum Phänomen. Bora Dagtekin und Elyas M’Barek haben schon bei »Türkisch für Anfänger« zusammengearbeitet und hier abermals einen Nerv getroffen. Im Mittelpunkt des Films steht der Kleinkriminelle Zeki Müller, der sich, um an seine Beute zu kommen, als Aushilfslehrer an einer Schule einschleicht. Wenig überraschend kommt es zu einer Liebesgeschichte mit einer recht biederen Lehrerin und Zeki muss außerdem eine Klasse sozial benachteiligter Außenseiter übernehmen. Diesen begegnet er durch in seiner Herkunft begründete Härte – aber auch durch Verständnis. Er ist ja einer von ihnen. Neben dem nicht immer tollen Humor ist die Eigenheit von »Fack Ju Göhte«, dass er einen Ist-Zustand einfängt und sich nicht über seine Charaktere erhebt. Es lässt einen allerdings ein bisschen ratlos zurück, dass hier durchaus sexistische und generell rückständige Lebensstile gefeiert werden, die durch die Verwendung einer möglichst vulgären Sprache nicht unbedingt inhaltlich moderner werden. 05/10 MARTIN MÜHL Gewisse Landschaften haben – soferne sie das Thema Jugend behandeln – die seltsame Eigenschaft, ganz bestimmte (Nach-) Erzählungen zu erzwingen. Flusslandschaften schrammen schnell bei Mark Twains Vorbild »Tom Sawyer und Huckleberry Finn« an. Dass so etwas noch immer gelingen kann, beweist Jeff Nichols mit »Mud«, der natürlich an den Ufern und auf den Inseln des Mississippi spielt. Ellis und Neckbone, beide 14-jährig und gewaltig viel alleine auf ihrem Motorrad oder mit ihrem Motorboot unterwegs, treffen per Zufall auf Mud, der sich aufgrund eines romantischen Rachemordes vor seinen texanischen Verfolgern verstecken muss. Mud, selbst ein (halb)erwachsen gebliebener Tom Sawyer, überredet die beiden aufgeweckten Jungs, ihm bei der Flucht mit einem Motorboot zu helfen. Nichols’ Regie schafft es wunderbar, dabei das Leben und – klar doch! – die Liebe durchzudeklinieren: Sei es Ellis’ erste Liebe zu einem älteren College-Mädchen, sei es Mud, der auf seine Geliebte (letztendlich vergeblich) wartet. Was ist Wahrheit? Was ist Treue? Was ist ein Traum wert? 10/10 HANS-CHRISTIAN HEINTSCHEL

RoboCop (Studiocanal) von Jose Padilha; mit Joel Kinnaman, Michael Keaton, Samuel L. Jackson

Orphan Black Staffel 1 (BBC) mit Tatiana Maslany, Jordan Gavaris, Dylan Bruce

Mit Jose Padilha wagt sich ein Mann an das Remake von »RoboCop« der mit den beiden »Tropa de Elite«-Filmen mehr als nur faszinierendes Kino über die Militärpolizei in Rio gedreht hat. Wenig überraschend dreht er auch »RoboCop« in eine ähnliche Richtung, beschäftigt sich mit Problemen des Kriegs, des Militär-Wesens und dessen Industrie und der Frage nach persönlichen Entscheidungen in bestimmten Situationen. Leider übersieht er dabei, das all diese Themen schon in Paul Verhoevens kompromissloserem Original vorhanden waren, dem Zuseher aber subtiler vermittelt wurden. Einfacher hatte es Verhoeven nur in der Hinsicht, dass seine Zukunftsbilder tendenziell von der Realität eingeholt wurden. Padilhas Version ist bunter, glänzt mit aktuellster Action, gibt sich dem Zuseher gegenüber aber billiger. 06/10 MARTIN MÜHL »Orphan Black« nimmt sich eines Sci-Fi-Themas an und versetzt es in unsere Gegenwart – nicht unähnlich zu »Real Humans«. Diesmal geht es um das Klonen von Menschen, das zwar nicht an sich diskutiert wird, aber den Plot bestimmt. Sarah Manning ist eine Großstadt-Bewohnerin, die nicht nur private Probleme hat, sondern auch noch den Selbstmord einer Frau beobachtet, die wie sie selbst aussieht. Kurz entschlossen übernimmt sie deren Leben – um zu erkennen, dass die Frau und sie nur zwei von rund zehn Klonen sind. Klone, die einer nach dem anderen getötet werden sollen. Die daraus resultierende Krimihandlung kommt erst in den letzten Folgen der ersten Staffel in Gang, davor, aber auch dann noch beschäftigt sich »Orphan Black« leider recht melodramatisch mit den unterschiedlichen Milieus, in denen die Klone zu Hause sind. Bemüht um Kanten und letztlich doch harmlos. Hier wäre mehr möglich gewesen. 05/10 MARTIN MÜHL Auf www.thegap.at außerdem Reviews von »Bad Fucking« (Thimfilm), »Boesterreich« (Hoanzl), »Good Cop« (BBC), »House Of Cards – Das Original Staffel 1 & 2« (BBC), »Static« (Tiberius), …


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Danke für die Förderung: Feldkirch, Vorarlberg, Kunst / BKA, AKM

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REZ Michael Chabon Telegraph Avenue 01 (Kiepenheuer & Witsch) — Michael Chabon, Pulitzer-Preisträger und ein herausragender Vertreter der jüngeren amerikanischen Literatur, widmet sich dem Jazz. In »Telegraph Avenue« geht es um den Plattenladen Brokeland Records, der vorwiegend gebrauchte Jazzplatten verkauft und sich Sorgen über seine Existenz machen muss, da neben dem Geschäft ein Megastore eröffnet werden soll. Doch in der im kalifornischen Berkeley gelegenen Straße versucht man sich zu wehren. Eindringlich fühlt sich Chabon in die Lebenskultur der Afroamerikaner hinein. Es ist ein Roman der kleinen und größeren Missgeschicke, über Menschen, die sehr mit dem Überleben zu kämpfen haben und denen nur selten ein entspannter Blick in die Zukunft gegönnt ist. Männerfreundschaften, Autos, FootballspielerTauschkarten, Kriminalität – der Autor schöpft hier aus einem unglaublichen Fundus, extrahiert die Essenz und lässt sie in unzählige kleine Geschichten fließen. Sie ergeben ein dichtgewobenes Netz, welches die USA als äußerst vielschichtiges und vitales Elaborat darstellt, das jedoch am überharten Kapitalismus zu scheitern droht. Unterlegt ist »Telegraph Avenue« mit Originalsongs aus einer längst vergessenen Zeit, die nun zumindest auf Papier wieder zum Leben erweckt wird. 09/10 MARTIN G. WANKO

Alek Popov Schneeweisschen und Partisanenrot (Residenz Verlag)

Grüße aus dem Partisanenleben In seinem neuen Roman erzählt der Bulgare Alek Popov die Geschichte einer dilettantischen Partisanengruppe, die irgendwo im Balkangebirge zerfallenden Utopien nachhängt.

Eigentlich hatte Kommandant Medved sich seine Rolle im Kampf für den Kommunismus und gegen die Nazis anders vorgestellt. Seine raue Art und sein finsterer Blick erzählen von einem Leben in der UdSSR, das nicht viel mit der Wunderwelt zu tun hat, für die er zu kämpfen vorgibt. Wie genau er Anführer dieser planlosen Gruppe Hobbypartisanen wurde, die mitten in den bulgarischen Wäldern die Stellung hält, scheint ihm selbst nicht klar zu sein. Als wären der fortwährend aufflackernde Aberglaube, die Disziplinlosigkeit und die ideologische Verwirrung unter seinen Leuten nicht mühselig genug, stehen eines Tages zwei hübsche Zwillingsmädchen aus Sofia in seinem Wald und verkünden, sie wollen Partisaninnen werden und für den Kommunismus kämpfen. Entnervt versucht er Gabriela und Monika, wie sich die zwei im neuen Partisanenleben nennen wollen, zurück in ihr großbürgerliches Leben zu scheuchen, doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Bevor Medved etwas unternehmen kann, pfeifen der Truppe schon die Kugeln um die Ohren und in ihm steigen väterliche Gefühle auf. Die Männer, die sich mit Namen wie »Lenin« oder »Der Totengräber des Kapitalismus« schmücken, bringen ihnen also das Schießen bei und wie man in der Wildnis überlebt. Bald stellt sich heraus, dass die Zwillinge weit mehr Zeug zum Partisanenleben haben als viele ihrer Kameraden. Gleichzeitig provoziert ihre Anwesenheit unweigerlich Debatten darüber, ob Masturbation wohl schlecht für den Kommunismus sein könnte. Auch besteht aufgrund ihrer vornehmen Abstammung stets der Verdacht, dass die gewitzten Zwillinge Spioninnen sind. Alek Popovs neuer Roman ist ein wildes Abenteuerbuch, in dem ständig geschossen und gestorben wird. Man legt Fährten, versteckt Waffen, geht in Deckung und erhält zwischendurch zweifelhafte politische Lektionen. Mit einer anständigen Portion schwarzem Humor amüsiert sich der Autor über enttäuschte Revolutionäre und verhöhnt dabei auf intelligente und witzige Weise ein breites Spektrum an politischen Ideologien. 07/10 TERESA REITER

Christian Eisert Kim & Struppi – Ferien in Nordkorea 02 (Ullstein Verlag) — Christian Eisert ist einer der jüngeren deutschen Autoren, die keine Angst haben, brennend heiße Themen anzupacken. Anzupacken im wahrsten Sinne des Wortes, denn Eisert schreibt nicht nur über Nordkorea, sondern er fährt auch dorthin, um Urlaub zu machen. Das romanartige Sachbuch »Kim & Struppi« beginnt mit einem Rückblick: Eisert wächst in Ostberlin auf und im Zuge eines Schulbesuchs einer nordkoreanischen Delegation erfährt er von der Existenz einer regenbogenfarbenen Kinderrutsche in einem Vergnügungspark von Pjöngjang. 25 Jahre danach begibt er sich mit der Fotoreporterin Thanh Hoang auf die Suche nach der regenbogenfarbigen Kinderrutsche. Mit falschen Angaben ergattern sie ein Visum und gehen mit zwei eigens abgestellten Reiseführern auf Besichtigungstour. Die Betreuer versuchen den beiden Urlaubern ein fast perfektes Land vorzuspielen. Natürlich misslingt die Mission, doch Eisert macht sich nicht darüber lustig, sondern er beschreibt ein Land, das zwar am Abgrund steht, in sich aber doch funktioniert. Hinzu kommt in Nordkorea eine kindliche Naivität, sich an gewöhnlichen Dingen zu erfreuen: Ein schöner Sonnenaufgang, die Mandelblüte und auch Fruchtgummis, die man dort nicht kennt, sind viel wert. Trotzdem verändern sich die beiden Reisenden. Eisert wird zurückhaltend und paranoid, seine kongeniale Begleiterin Thanh Hoang aggressiv und zugleich verärgert, da Nordkorea naturgemäß einengend ist. Wie kann man ein 250 Seiten starkes Buch über ein Land schreiben, in dem »nichts« passiert? Indem man genau hinsieht! Darauf versteht sich Christian Eisert sehr gut. Tausende Kim Il-sung Porträts konnten ihm die Sicht nicht verstellen. 09/10 MARTIN G. WANKO Robert Sedlaczek / Christoph Winder Das unanständige Lexikon – Tabuwörter der deutschen Sprache und ihre Herkunft 03 (Haymon) — Die Tabuwörter der deutschen Sprache heißen nicht umsonst Tabuwörter, und der Impuls sie zu verbannen hat lange Tradition. So entzündete sich schon vor 250 Jahren ein Streit unter Lexikonverlegern, wie mit dem Wort brunzen umzugehen sei. Die Gebrüder Grimm – deren »Deutsches 068

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Wörterbuch« bis heute als wichtiges Nachschlagwerk gilt – sahen es schon damals als Pflicht der Sprachforschung, solchen Wörtern, die in den Augen der vornehmen Welt herabgekommen schienen, die Ehre zu retten. Den Wiener Autoren Robert Sedlaczek und Christoph Winder, zwei ausgewiesenen Sprachexperten, geht es mit ihrem Lexikon aber gar nicht darum, die »Ehre« dieser Schmuddelkinder aus der Sexual- und Fäkalsphäre zu retten. Vielmehr wollen sie die große regionale Vielfalt dokumentieren, klären, wie diese Wörter entstanden sind und welche Geschichte sie wie in einem Rucksack mit sich herumtragen. Für ihre Sammlung von über 2.000 Begriffen haben sie sich auf die zahlreichen mundartlichen und umgangssprachlichen Wörter für Vagina, Penis, Koitus, Masturbation, Anus, Kot, Urin und einige andere konzentriert und dabei von Süd bis Nord, vom Wienerischen bis zum Plattdeutschen geforscht. Belegstellen aus Volksliedern, Schüttelreimen, Kabarettprogrammen, Internetquellen, Zeitungen und literarischen Werken – von Goethe über Brecht und Elfriede Jelinek bis hin zu Charlotte Roche – zeigen, dass das Feld der unanständigen Wörter überaus vielfältig, anarchisch und amüsant ist. Ein schlichtes Meisterwerk für jeden Haushalt – epochal und konkurrenzlos! 10/10 WOLFGANG SMEJKAL Sandro Veronesi Die Berührten 04 (Klett-Cotta) — Leichtlebig, locker, luftig, keine andere Stadt wurde von Federico Fellini so lebendig, verspielt und zugleich sorglos verfilmt, wie das Rom der Nachkriegsjahre. Sandro Veronesi spannt den Faden weiter, heraus kommt der Roman »Die Berührten«, eine Zeitreise in die 1980er Jahre. Veronesi beschreibt eine dekadente Gesellschaft, die sich unbekümmert durch die Stadt treiben lässt. Der junge Graphologe Mète ist Teil dieser Generation, doch der Schein trügt. Der Hang zu seiner Halbschwester stellt nicht nur sein beschauliches Leben, sondern auch die Geduld des Lesers auf die Probe: Eine mangelnde Charakterentwicklung der Hauptfigur führt hier in eine inhaltliche Sackgasse. Als Kontrapunkt lädt der Autor jedoch in eine pulsierende Stadt ein, die das hysterische Geschrei anderer Großstädte nicht mitmachen muss. Veronesi weiß unheimlich viel von den Plätzen, der Bauart der Häuser und lässt hier ein erstaunliches Lebensgefühl sich entfalten. 07/10 MARTIN G. WANKO

Richard Yates Eine strahlende Zukunft 05 (DVA) — Während seiner Schaffenszeit blieb der Existenzialist Richard Yates unterschätzt. Nun wurde sein 1984 erschienener Roman »Young Hearts Crying« ins Deutsche übersetzt. Es ist eine Chronik der zerbrochenen Träume, die ein wehleidiges Resümee zieht. Es geht um das Scheitern, das durch Grenzerfahrungen die Existenz schärfen will, das aber nicht wirklich schafft. Gleichzeitig bildet Yates das »gesellschaftliche Sein« der individuellen Existenz ab. Beides prägte die Lebenseinstellung der 50er Jahre in den USA. So auch in den Kreisen rund um Michael und Lucy Davenport: Kunst ist ihre Religion. Sei lesen Yeats und Keats. Auch einige von den Franzosen, Valéry und diese Leute. Das Leben musste ausprobiert werden. Auch wenn man sich gegenseitig auf die Nerven geht, irgendwie muss man sich ja existentiell erfahren. Reichtum oder Begabung heben einen von anderen Menschen ab. Beides erfordert ein starkes Verantwortungsgefühl, das weder Lucy noch Michael besonders ausgeprägt besitzen. Die pseudointellektuelle Ehe sitzt hinter Sonntagszeitungs-Lektürenachmittagen verschanzt. Er möchte sich als Dichter etablieren und lebt dabei mehr in der Hoffnung auf die Zukunft denn in der Gegenwart. Wären seine Selbsterwartungen nicht so hoch, wäre das Scheitern nicht so tief. Enttäuschte Ambitionen und hochprozentiger Alkohol zerfressen den Schriftsteller von innen. Seine Frau Lucy geht den Wunsch, künstlerisch tätig zu sein, anders an, kommt aber über den Dilettantenstatus nicht hinaus. Auf der Seite der Gewinner steht der schräg porträtierte Thomas Nelson. Anhand dieser Figur zeichnet Yates die Problematik der Nachkriegsgeschädigten. Hippietum, Drogen und der Vietnamkrieg spielen im dritten Teil des Romans eine Rolle. Sie sind nicht mehr die Welt des Protagonisten. Er taucht davor unter – im Whiskeyglas. Das leise Scheitern ist pathetisch im Ausdruck. Der Humor beschränkt sich auf Lächerlichkeiten des Kunstbetriebs, den Yates in Details immer wieder auf die Schaufel nimmt. Testosteron-Neid und kleingeistig amerikanisches Konkurrenzdenken gehen Hand in Hand mit oberflächlicher Falschheit. Mit seiner rohen Männlichkeit knüpft Richard Yates damit dort an, wo Hemingway aufgehört hat. 08/10 JULIANE FISCHER


REZ Alec Longstreth Basewood 01 (Phase Seven Comics) — Im liebevoll gestalteten Einband der gebundenen Ausgabe von »Basewood« findet man nur eine jener fantastischen Geschichten, die es wie Orks in Saurons Armeen gibt. Allerdings beschäftigt sich Longstreth kaum mit der epischen Fantasie des Drachen in seinem Comic. Die intime, persönliche Seite seiner Figuren steht im Vordergrund. In Kürze: Ein Mann erwacht ohne jegliche Erinnerung inmitten eines Waldes, wird an dessen Rand bald von besagtem Drachen angegriffen, von einem alten Eremiten gerettet, von seiner Frau gefunden und tritt schließlich den Rückweg an. Das alles ist nicht so wichtig, leider auch nicht besonders einfallsreich. Worin »Basewood« glänzt, sind die stillen Momente, in denen die Charaktere in der von Longstreth erfundenen Welt einfach leben. Sich eine Unterkunft selbst bauen, auf die Jagd gehen, an ein vergangenes Leben als Müller und Wirtin denken. In naiver Weise greift das Comic aber doch immer wieder zu den stereotypischsten Tropen des Genres. So bleibt »Basewood« ein überdurchschnittlich ästhetisches Werk, das knapp am Status des Besonderen vorbeischrammt. 06/10 NURI NURBACHSCH

Darren Aronofsky, Ari Handel, Niko Henrichon Noah (Image Comics)

Sin(n)tflut Vom Filmskript zum Graphic Novel zum Film. Darren Aronofsky erweckt eine der bekanntesten Mythen der Menschen episch zu neuem Leben.

Noah ist kein Weiser, kein Heiliger. Kein überragend guter Mensch, keineswegs ein schlechter Mensch. Ein ehemaliger Krieger, ein Magier oder Priester, jetzt Bauer und Familienvater. Seine Welt ist karg, zerstört. Nur wenig ist hier grün, das Leben hält sich versteckt, die Menschen rotten sich in versinkenden Städten zusammen. Noah hält sich und seine Familie fern von ihnen. Er sucht nach einem anderen Leben, nach dem letzten Funken dessen, was er aus Sagen und Geschichten als Paradies kennt. Visionen von Regen nehmen zu, wachsen zu Stürmen und Tod in ewigen Wasserfluten. Er glaubt, die Visionen stammen von seinem Gott – dem Gott, der nicht mehr zu ihm spricht und seine Fragen nicht beantwortet. Noah sucht nach Sinn und Richtung. Seine Suche führt ihn in eine Art Wahn, an dem er zu zerbrechen droht. Er wird eine Arche bauen, er wird mit seiner Familie die Vernichtung überstehen, aber er steigt nicht als der gleiche Noah von der Arche, als der er den ersten Baum zu ihrem Bau fällte. Noah muss entscheiden ob die Menschen, die wieder festen Boden betreten, die letzten sein werden oder nicht. Die Legende der Sintflut hallt stark in vielen Menschen. Sie ist eine der mächtigsten Erzählungen menschlicher Geschichte, in gewisser Weise ein Archetyp der Zerstörungserzählung, des mythischen Neubeginns. Zum Verständnis: Mächtig ist nicht die Sintflut oder eine originäre Version ihrer Erzählung, mächtig ist der Bericht der Sintflut im manipulierenden Kontext. Wir alle wissen vom bekanntesten Beispiel, der Sintflut im ersten Buch Mose, der Genesis. Aronofsky traut sich also an eine schwer vorbelastete Materie. Es gibt zahlreiche Fallen, in die er hätte tappen können. Etliche Sackgassen oder auch einfach nur die Heimsuchung durch den Geist der Nacherzählung. Zusammen mit Ari Handel gelang es ihm allerdings, an den Kern der Sache zu gelangen: Die Sintflut ist ein fantastisches Märchen, ein episches Machwerk der Erzählkunst. Aronofsky erzählt sie beinahe als Science-Fiction. Der Himmel von Noahs Welt ist fremdartig. Die Ruinen vergangener Glorie ragen aus dem Sand. Ja, es gibt hier einen Schöpfergott, der in das Leben der Menschen eingreift, aber er ist entrückt. Befreit von der drückenden Religiosität kann diese zeitlose Geschichte in neuem Gewand erstrahlen. Niko Henrichon zeichnet »Noah« in beeindruckenden Details. Der innere Konflikt Noahs – zwischen Massenmörder und Beschützer – ragt plastisch aus den Seiten hervor. »Noah« ist mit Sicherheit eines der besten FantasyComics der jüngsten Vergangenheit. 10/10 NURI NURBACHSCH

Alan Moore, Kevin O’Neill Nemo: The Roses Of Berlin 02 (Top Shelf / Knockabout) — Bei ihrem neuesten Besuch in der Welt der League Of Extraordinary Gentlemen erzählen Alan Moore und Kevin O’Neill ein hysterisches Kapitel aus dem Leben von Janni Dakkar, der Tochter des ursprünglichen Kapitän Nemo und die neue Nemo. Getreu vorhergehender Teile der Serie ist auch »Nemo: The Roses Of Berlin« vollgestopft mit mal mehr, mal weniger augenzwinkernden Referenzen auf Literatur und Popkultur. So ist zum Beispiel C.A. Rotwang der Architekt und Wissenschaftsdirektor der futuristischen PanDeutschen Nation, an deren Spitze Herr Hynkel hasserfüllt zu regieren glaubt und Dr. Mabuse verfolgt Nemo mit seinen mesmerisierten Schlafkommandos und Rotwangs Maschinenmensch. In den kantigen, aufregenden Illustrationen von O’Neill inszeniert Moore erneut seine einzigartige Vision des Groschenromans oder Groschen-Comics. Wer sich Zeit nimmt, die verschiedenen Details in »Nemo: The Roses Of Berlin« zu recherchieren, wird zusätzlich belohnt werden. 08/10 NURI NURBACHSCH Dash Shaw Cosplayers #1 03 (Fantagraphics) — Dash Shaw durchlebt seine formellen Experimente entgegen der Reihenfolge der meisten anderen Comic-Künstler. Seine ersten Schritte nahm er online und in Minicomics, dann in Graphic Novels in Sondereditionen und erst jetzt greift er zum Format des Comic Books. Statt seinen abstrakten, teil surrealen Experimenten vergangener Werke stellt er in »Cosplayers« sein StorytellingTalent in Episoden aus dem Leben seiner Protagonisten Verti und Annie unter Beweis. Die beiden Mädchen sind Cosplayer. In ihren selbstgemachten Kostümen schlüpfen sie in die Rollen fantastischer Figuren. Als sie beschließen einen Film zu drehen, in dem sie mit versteckter Kamera ahnungslose Personen in ihre Szenen einbauen, bekommt das Spiel eine andere Note. Shaw isoliert die Momente, in denen die Mädchen aus Tagträumerei und Wunschdenken sich selbst Brücken und Werkzeuge für das »echte« Leben erschaffen. Wenn man eine Essenz des Erwachsenwerdens nennen könnte, dann findet man in den Seiten von »Cosplayers« eine sehr treffende, hervorragend erzählte Interpretation davon. 08/10 NURI NURBACHSCH

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Der Spielplatz ist fertig

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Nicht nur für Ubisoft ist »Watch Dogs« einer der ersten großen Titel für die neue Konsolen-Generation. Die Story und Setting wissen mit der Grundidee aber nicht umzugehen.

»Watch Dogs« ist einer der ersten großen Multiplattform-Titel für die neue Konsolen-Generation. Die Grafik kann sich sehen lassen und bietet ein durchgehend hohes Niveau, Auch wenn es natürlich irgendwen gibt, der das anders findet, Frame Rate oder Auflösung beklagt. Spielerisch gibt sich »Watch Dogs« oberflächlich komplex, letztlich aber immer verständlich. Daran ändert auch ein leicht zunehmender Schwierigkeitsgrad wenig. Ziemlich enttäuschend stößt die Story auf wenig Begeisterung. Das Überthema Hacking wird wohlwollend angenommen – im Spiel dann aber verschenkt. Die Charaktere bleiben recht klischeehafte Abziehbilder, ihre Story wirr und bruchstückhaft. Man übernimmt die Rolle von Aidan Pearce, einem Hacker und Untergrundkämpfer, dessen Tätigkeiten zu Morden in seiner Familie geführt haben und der nun auf Rache sinnt. Der Gegner ist undurchsichtig, aber ziemlich sicher mit der Stadtregierung dieses fiktiven Chicagos verbunden. Die Stadt ist die Map betreffend recht grob skizziert, in der viele Details dann doch ziemlich stimmen. Besser als der Inhalt ist zumindest auf den neuen Konsolen die technische Basis, die wohl den Einstand zu einer neuen Reihe von Spielen darstellt. Nicht nur grafisch, sondern auch im Gameplay ist »Watch Dogs« wirklich gelungen: Die Fahrzeuge steuern sich nicht so schwammig wie etwa in »GTA« und vor allem die Schusswechsel und Action-Szenen sind für ein Open-World-Game geradezu vorbildlich. Es werden viele Möglichkeiten geboten, sich eine eigene Taktik zurechtzulegen, Gegner abzulenken und vorsichtig vorzugehen. Stealth und so. Besonders gegen die offiziellen Einheiten erweist sich der direkte Weg mit ordentlicher Bewaffnung aber als durchaus effektiv – auch wenn man so weniger Erfahrungspunkte sammelt. Zumindest zu Beginn sind die Missionen durchaus abwechslungsreich. Das liegt zum Teil auch am großen Überthema des Spiels. Ist das Hacken manchmal nur ein aktueller Platzhalter für andere Gameplay-Mechaniken (etwa das Betätigen von Schaltern), so bietet es in anderen Situationen neue Möglichkeiten: Etwa, wenn man sich von Überwachungskamera zu Überwachungskamera verbindet, um an schwer einsichtige und zu erreichende Stellen zu gelangen. Auch in viele der Minigames und Nebenmissionen spielt das Hacken zumindest narrativ eine Rolle. Zu tun gibt es in »Watch Dogs« eine ganze Menge. Auf eine Story muss man halt verzichten. 08/10 MARTIN MÜHL

Watch Dogs (Ubisoft); PS4 getestet, Xbox One, PS3, Xbox 360, PC; www.watchdogs.com 071


REZ The Last Tinker: City Of Colours 01 (Mimimi Productions); PC, Mac, Xbox 360, Xbox One, PS3, PS4, www.mimimi-productions.de/thelast-tinker — Der Elan ist spürbar, den die Entwickler von Mimimi in ihre Pappmaché-Welt gesteckt haben; genauso wie die Liebe zu guten alten 3DPlattformern mit ein bisschen Prügel-Action. Was aber auch zu spüren ist, ist eine Vielzahl von Ideen, die sich nicht immer ganz unter einen Hut bringen ließen. Wer sich nach der nächtlichen SchleichHerausforderung zu Beginn des Spiels auf Stealth à la »Sly Cooper« freut, wird meist vergeblich nach Möglichkeiten suchen, still und heimlich zu agieren. Und der Nahkampfunterricht beschränkt sich erst einmal auf zwei relevante Aktionen, was den Kämpfen bis zum Schluss eine gewisse Hölzernheit verleiht. Schade auch, dass der schaltragende Affe den wir steuern so geschickt ist wie die KapuzenMörder aus »Assassins Creed«: Ein Knopf genügt und das Springen und Klettern geht wie von selbst. Dafür hat die kunterbunte Spielwelt den Charme eines guten Kinderbuches und immer wieder stößt unser Affe Koru gemeinsam mit seinem plappernden Begleiter auf amüsante Rätsel, die zwischen den Kampf- und Geschicklichkeitspassagen für willkommene Abwechslung sorgen. Nach und nach sorgen dann auch ein paar zusätzliche Fähigkeiten für etwas mehr Vielfalt in den Herausforderungen. Und während man der Grafik das kleine EntwicklerTeam durchaus anmerkt, braucht sich der Sound vor niemandem zum verstecken. Vor allem auch musikalisch ist die Stadt der Farben immer wieder einen Besuch wert. Ganz konkurrenzfähig ist »The Last Tinker« noch nicht, wenn es sich mit den Großen des Genres anlegen will, aber Sympathien sammelt der Titel zurecht und recht günstig ist er obendrein. 06/10 HARALD KOBERG Mario Kart 8 02 (Nintendo); Wii U; mariokart8.nintendo.com — Auch das neue »Mario Kart« sorgt wieder für mächtig gute Laune. Und für ein kleines bisschen Wut. »Mario Kart 8« soll nicht bloß die Weiterführung der traditionsreichen Kart-Reihe sein, sondern ganz nebenbei die schwächelnde Wii U endlich auf Kurs bringen. Und das könnte durchaus gelingen, haben sich die DSund Wii-Episoden doch viele Millionen Mal verkauft. Von Anfang an begeistert der aktuelle Eintrag mit feiner Technik: kein Flimmern, kein Ruckeln, kein Clipping. Stattdessen meisterhaft designte Kurse mit zahlreichen lustigen Details. Von witzigen Werbeschildern über feiernde Nintendo-Charaktere bis hin zu dämlich dreinschauenden Kühen, die durch die Gegend spazieren. Und dass die Action in luxuriösen 60 Bildern pro Sekunde abgeht, darf ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Gelegentlich erscheint das

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Licht ein wenig zu grell, die Farben ein bisschen zu blass. Trotzdem muss sich »Mario Kart 8« nicht vor der aktuellen Next-Gen-Konkurrenz verstecken – eine angenehme Überraschung bei all der negativen Meldungen hinsichtlich Wii U. Das große neue Feature sind die Anti-Schwerkraftpassagen, die es ermöglichen, an Wänden und Decken zu fahren. Diese Passagen spielen sich zwar beinahe so wie die üblichen Streckenteile, und doch verändert es die Pisten: Die 16 neuen Kurse bieten durch ihre zahlreichen Steilkurven und Überkopfabschnitte noch mehr Abwechslung als früher. Viele der altbekannten Items sind wieder mit an Bord – auch der leidenschaftlich gehasste Blaue Panzer. Der nimmt bekanntlich den Führenden ins Visier, der kaum Chancen hat, der Attacke auszuweichen. Die Hupe, ein neuer Gegenstand, bietet hier etwas Schutz: Im richtigen Moment aktiviert, wehrt sie den Störenfried ab. Sehr befreiend! Abgesehen davon, dass Nintendo den Battle-Modus in den Sand gesetzt hat (findet nun unverständlicherweise auf den normalen Strecken statt) und der Zorn manchmal schier grenzenlos scheint (wer im Mittelfeld unterwegs ist, wird nicht selten im Sekundentakt abgeschossen), ist »Mario Kart 8« ein fast perfekter Funracer. Vor allem im Multiplayer (online oder – noch besser – zusammen mit Freunden vor dem Fernseher) ist der Titel an Spielspaß kaum zu übertreffen. 09/10 STEFAN KLUGER

Murdered: Soul Suspect 03 (Square Enix); Xbox One getestet, PS4, PC, PS3, Xbox 360; www.murdered.com — »Murdered: Soul Suspect« ist in vielerlei Hinsicht altmodisch. Nicht zuletzt darin liegt aber der Reiz des Spiels. Grafik und Präsentation sind aktuell und lassen oft ein bisschen mehr Action vermuten – die dann aber nie kommt. Stattdessen ist »Murdered« ein Rätsel- und Puzzle-Spiel. Ein bisschen so wie ein Adventure in 3D – nur deutlich linearer. Der Spieler übernimmt die Rolle von Ronan O’Connor, einem ehemaligen Kleinkriminellen, der dann doch noch den Weg in die Reihen der Polizei gefunden hat und gleich zu Beginn des Spiels stirbt. Es ist nämlich das Ziel, als Geist den Mord an der eigenen Figur aufzuklären. Das passiert in erster Linie, indem man diverse Tatorte und andere Räume durchsucht und die Hinweise dann mehr oder weniger aufwendig kombiniert. Als Spieler hat man hier nicht viel Freiraum, die Story und der B-Movie-Flair funktionieren aber und eigentlich ist es eine sehr willkommene Abwechslung, sich hauptsächlich mit Tatorten und kleinen Rätseln zu beschäftigen. »Murdered« weist damit nicht in eine Zukunft neuartiger Adventure, unterhält aber Genre-Freunde und weiß auch im erneuerten Setting zu gefallen. 06/10 MARTIN MÜHL

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MXGP 04 (Milstone); Xbox 360 getestet, PS3; www.mxgpvideogame.com — Das »offizielle« Motocross-Spiel bietet tendenziell viel Spieltiefe und wird für Ungeübte schnell zur Herausforderung. Genre-Fans sind hier das Zielpublikum. 06/10 MARTIN MÜHL Soul Sacrifice Delta 05 (Sony Playstation); PS Vita — Die PS-Vita-Monsterhatz wurde um einige Spielstunden und OnlineKoop-Kämpfe erweitert und bietet RPG-Tüftlern feine Action in kleinen Dosen. 07/10 HARALD KOBERG Wolfenstein: The New Order 06 (Bethesda); Xbox One getestet, PS4, Xbox 360, PS3, PC; www.wolfenstein-spiel.de — »Wolfenstein« hat 1992 als erster Ego-Shooter Geschichte geschrieben. »The New Order« besinnt sich alter Qualitäten und lässt den Spieler gegen ein dunkles Regime kämpfen. Außerhalb Deutschland und Österreichs sind dies die Nazis, die den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben und gegen die Spieler-Figur B.J. Blazkovicz im Jahr 1960 antritt. »The New Order« glänzt mit feiner Grafik und einem Gameplay, dass ein wenig Oldschool anmutet. Es gibt keinen Multiplayer, dafür aber nichtmilitärisches Ego-ShooterGameplay, das viel auf Setting, Atmosphäre und unterschiedliche Level setzt. Diese bieten durchaus Abwechslung und muten letztlich nicht so bierernst an, wie es das Setting vermuten ließe. Außerdem gibt es zwischendurch kleinere Passagen, in denen bestimmte Gegenstände gefunden werden müssen und andere Gameplay-Elemente, von denen moderne Shooter oft Abstand halten. Und: als Bonus ist im Spiel ein Level des Original-Wolfenstein versteckt. »The New Order« ist nicht nur technisch auf den aktuellen Konsolen wirklich gelungen, sondern bietet darüber hinaus spaßiges Gameplay. Fast überraschend gut! 08/10 MARTIN MÜHL


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TEXT FRANZ LICHTENEGGER BILD BRYAN ADAMS; DAVID COLLART; BILDRECHT, WIEN 2014; RICHARD PRINCE; DANIEL PABST; HANS GEORG TROPPER; BILDRECHT, WIEN 2014

Ja, Bryan Adams kann tatsächlich mehr als schnulzige Lovesongs schreiben. Er fotografiert, und das sogar sehr gut. Woran man das erkennt? Er hatte bereits die Queen und Lindsay Lohan vor der Linse. Pink hat ihm sogar ihre Titten gezeigt. Bei der feierlichen Eröffnung wird der Künstler übrigens höchstpersönlich anwesend sein – einmal »(Everything I Do) I Do It For You« könnte sich also ausgehen. Eröffnung: 3. Juli, 19.00 Uhr; Dauer: 4. Juli bis 5. Oktober Klagenfurt, Stadtgalerie

Bryan Adams – Exposed

TERMINE KULTUR


TERMINE

KULTUR

Shoeting Stars Schuhfetischisten dürften demnächst im Kunst Haus Wien ordentlich aus ihren Lederlatschen kippen, dort dreht sich dann nämlich alles um die allseits beliebte Fußbekleidung. Designer, Künstler und Architekten gehen die Thematik auf denkbar unterschiedliche Weisen an und setzen dabei auf ganz und gar designorientierte Sinnentfremdung. Anything goes, und so oder so wird am Ende ein Schuh draus. Dauer: 18. Juni bis 5. Oktober 2014 Wien, Kunst Haus

Wolfgang Ernst Wolfgang Ernst ist nicht nur gelernter Tischler und ehemaliger Weinbauer, der gebürtige Wiener darf sich auch Künstler-Autodidakt nennen und präsentiert nun erstmals in einer umfassenden Ausstellung seine Werke seit den 60er Jahren. Das Ganze findet stilecht in einer ehrwürdigen Kirche statt und bietet u.a. richtig gute Neon-Kreuze, von denen Madonna wohl nur träumen kann. Eröffnung: 7. Juni, 19.00 Uhr; Dauer: bis 19. Oktober Krems, Dominikanerkirche

Richard Prince Im schönen Bregenz werden diesen Sommer weder Kosten noch Mühen gescheut. Die warmen Monate sind im dortigen Kunsthaus gänzlich dem amerikanischen Kult-Künstler Richard Prince gewidmet. Der ist nicht zuletzt durch seine von Marlboro inspirierten Cowboys kein unbekannter Name mehr und bringt neben zunächst banal wirkenden schwebenden Autos auch speziell für diesen Anlass entstandene Werke mit. Dauer: 19. Juli bis 5. Oktober Bregenz, Kunsthaus

Good Night, Vienna! »Eine mystische Erlebnisreise durch Wien« wird einem vom russischen Performancekünstler Oleg Soulimenko im Rahmen von »Good Night, Vienna!« versprochen. Klingt erst mal mega. Gemeinsam begibt man sich – ausgehend vom Brut – auf eine spooky Tour durch die Hauptstadt und trifft dabei auch auf Augenzeugen, die von unheimlichen Geschehnissen berichten. Also quasi »XFactor« in Echtzeit. Dauer: 24. Juni bis 28. Juni Wien, Brut

Karl Neubacher Dem Werk des bereits 1978 verstorbenen Medienkünstlers Karl Neubacher verschreibt sich ab Mitte Juni das Kunsthaus Graz. International bekannt und ausgezeichnet galt er als ein Pionier der Avantgarde und produzierte, neben seiner Arbeit als Grafik-Designer, auch bisher unentdeckte Kurzfilme. Und wenn der Karl da mit seinen Schädl-Boxhandschuhen daherkommt, wirkt er schon ziemlich badass. Eröffnung: 17. Juni, 19.00 Uhr; Dauer: bis 12. Oktober Graz, Kunsthaus

Hutzinger / Joos Ein Faible für Geometrie hatte Hildegard Joos schon zu Lebzeiten: Quadrat, Kreis, Dreieck oder Ellipse sind häufige Motive ihrer Gemälde. Frischer Wind wird ihren Werken durch eine Ausstellungs-Symbiose mit Arbeiten des Wiener Künstlers Christian Hutzinger verliehen. In Kombination lässt sich ein roter Faden erkennen, der den Titel der Veranstaltung schnell erklärt: »In Ordnung«. Eröffnung: 18. Juni, 19.00 Uhr; Dauer: bis 17. August Linz, Lentos Kunstmuseum 075


BELIEBTESTES CRAFTBIER der Festivalbesucher

demnächst erhältlich in folgenden Wiener Lokalen:

HAWIDERE LITTLE STAGE CHARLIE P‘S DIE AU BADESCHIFF VERDE1080

www.craftbierfest.at


TERMINE

Edlbauer / Ody, 2014

Fritzenwallner, 2014

Noele Ody und Gabriele Edlbauer – All Inclusive

Peter Fritzenwallner – you are amazing! your cropping skills are amazing!

»Die Säfte im Kühlschrank spielen die Hauptrolle im Musical ›Wir sind nicht mehr so saftig‹ und sollte der Werbeslogan für Stanley-Messer nicht vielleicht ›If I’m not beside you, I’m inside you‹ heißen?« Mit diesen provokant-verwirrenden Worten laden die deutsche Künstlerin Noele Ody und die aus Linz stammende Gabriele Edlbauer zu ihrer Ausstellung »All Inclusive«. Noele Ody arbeitet mit installativen Skulpturen, die das Nebeneinander von Situationen und Positionen von Menschen verkörpern. Gabriele Edlbauer spielt mit der Entfremdung von Objekten und Räumen, indem sie Alltagsgegenstände und ihre Umgebung in neue Zusammenhänge bringt. Verspricht saftig zu werden, oder zumindest klebrig. Im guten Sinne. bis 28. Juni Salzburg, Galerie 5020

Im Rahmen des Ausstellungsprojekts »Schaukasten« werden die 1.000 m2 der Halle des Moe für jeweils einen Monat von nationalen und internationalen Künstlern immer wieder unterschiedlich verwendet. Der Salzburger Künstler Peter Fritzenwallner, ehemaliger Assistent von Franz West, hat für die Installation im Juni Albert Allgaier, Phillip Freedrich, Santos R. Vasquez, Alexandra Hiragana, Markus Kircher / Tom Klengel, Gernot Petjak, Wanda Rutkiewicz und Reinhold Zisser zur Mitpräsentation eingeladen. Fritzenwallner schafft in seinen performativ-skulpturalen Arbeiten offene Felder, in denen er mit vielfältigen Performance-Tools agiert. bis 29. Juni Wien, Moe Schaukasten

Kärnten

Tirol

Konfrontation VII – Richard Kaplenig, Béla Szakáts, Bogdan Tomsa Galerie 3, Klagenfurt bis 27. Juli

Niederösterreich

Shawn Decker – Prairie Klangraum Minoritenkirche, Krems bis 27. Juli Sammelausstellung – Bleib am Teppich Kunstraum Arcade, Mödling bis 5. Juli

Oberösterreich

Petra Buchegger, Carlos Rial Kunstverein Paradigma, Linz bis 27. Juni

Salzburg

TEXT CAROLA FUCHS

GALERIEN

Heidi Specker-Termini Fotohof, Salzburg bis 27. Juli

Steiermark

Matthias Olmeta Atelier Jungwirth, Graz bis 28. Juni

Sculpture Unchaperoned Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck bis 20. September

Wien

John Hilliard – Reversals of Lighting, Proportion and Position Galerie Raum mit Licht bis 11. Juli 01 Gabbers – Rotterdam 1994 / Exactitudes Galerie Schleifmühlgasse bis 28. Juni Stitching Nature – Michael Bachhofer Galerie Reinthaler bis 10. Juli Leerzeichen – Florian Herzog Eigensinnig. Schauraum für Mode und Fotografie bis 19. Juli Struktur Form Variation Loft 8 bis 10. Juli Atom für Künstler – Josef Wurm Galerie Galerie bis 20. Juni Jochen Traar Projektraum Pramergasse bis 15. Juni


TERMINE

FESTIVALS

3 Fragen an Rio Rutzinger (Impulstanz) Was sind gegenwärtige Trends in der LivePerformance? Die Wiener Staatsoper sind gerade die ersten, die live in HD streamen. Theater hat dank der Festwochen endlich wieder inhaltliche Schlagzeilen, bleibt aber im Großen und Ganzen sehr konservativ und formal. Nur der Tanz wendet sich ab vom Tanz, geht in die Museen, auf die Straße (z.B. als Flashmob) oder in ehemalige Fabriken und Lagerhallen. Auch wenn das akut manchmal ein wenig schwierig fürs Publikum ist – ich finde dieses Suchen nach neuen Gegenübern spannend. Gibt es dieses Jahr einen roten Faden? Bei Impulstanz finden sich die Fäden immer erst, nachdem das Festival fertig programmiert ist. Da wir im Tanzbereich generell sehr kurzfristig agieren, finden wir es eher einschränkend, Stücke zu suchen, die zu einem Thema passen. Wir schauen in unserem kuratorischen Team etliche hundert Stücke an, reden viel mit den Künstler und Künstlerinnen und versuchen dann anhand des Erlebten, Kontexte zu schaffen. Das kann innerhalb des Oeuvres eines Künstlers passieren, oder, indem Künstler eine Arbeit im Rahmen von Workshops zeigen, aber auch ihre Arbeitsweise vermitteln. Dieses Jahr werden zwei ungewöhnliche Workshops angeboten: ein Pole-Dance-Workshop und eine Mischung aus Yoga und Shibari – einer japanischen Fesselkunst. Pole Dancing ist zuallererst mal höllisch anstrengend. Selbst die einfachsten Moves erfordern ein Mords-Zusammenspiel von Muskeln und Technik – Pole-Tänzerinnen sind Top-Performer! Eine zeitgenössische Tänzerin aus Neuseeland, Sue Bentley, bietet jetzt einen Workshop namens »Pole Show Girl« an. Bei »Shibari Yoga« geht es eher ums vollendete Loslassen, ums – genüsslich! – in den Seilen hängen. Impulstanz – Vienna International Dance Festival 17. Juli bis 17. August Wien, verschiedene Locations; www.impulstanz.com 078

»Megacities« des tragisch verstorbenen Michael Glawogger und Nikolaus Geyrhalters »Abendland« zeigen dokumentarische Perspektiven auf Stadt und Kontinent.

Kino unter Sternen Der Karlsplatz blüht immer mehr auf. Eine der Ersten, die den Platz vor der Karlskirche mit sinnvollem Licht bespielten, war das Open-Air-Filmfestival »Kino unter Sternen«. Was wir dort zu sehen bekommen? Gutes, österreichisches Feel-Bad-Cinema. Die Werke des verstorbenen Filmemachers Michael Glawogger sind mittlerweile Filmkulturerbe, Ulrich Seidl, Stefan Grissemann und Alexander Horvath werden unter anderen im Vorprogramm über Glawogger sprechen. Der Schwerpunkt ist zu Peter Lorre – dem Kindermörder in Fritz Langs »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« (1931). 27. Juni bis 19. Juli Wien, Karlsplatz


TERMINE

FESTIVALS

In »Domini Public« werden Menschen per Funkkopfhörer ferngesteuert. Wie Schachfiguren. Fast wie im echten Leben.

2 ... zweimal gastiert die Opulenz-Choreografin Doris Uhlich mit ihrer Tanzperformance »More than naked« auf Festivals: Bei der Sommerszene Salzburg und beim Impulstanz-Workshop mit ihrer »Fetttanz«Technik »More than naked Training«.

TEXT YASMIN SZARANIEC BILD MARTA LAMOVSEK; MICHAEL GLAWOGGER, NIKOLAUS GEYRHALTER FILMPRODUKTION; BLENDA, DALIAH SPIEGEL

Sommerszene Salzburg Seit das Frequency vor fünf Jahren weggezogen ist, ist Salzburg ein bisschen ruhiger. Neben dem Stuck in der Arge bietet auch die Sommerszene gute Gründe, in der Stadt zu bleiben. »All you need« ist das Motto heuer. Zeitgenössischer Tanz, Theater, Text und Musik mit 15 Projekten – zwölf davon aus Österreich. Tanz wird hier zum Dialog mit dem Zuschauer – ob nackt oder zu Dub-Vibes, als Ausdruck einer materialistischen Gesellschaft oder der Tanzgeschichte. 25. Juni bis 5. Juli Salzburg, verschiedene Locations

Marlene, wir haben dich erkannt. In ihrer Freizeit spielt die VelojetBassistin (eh auch Freizeit) Kontrabass bei der Post-VolksmusikKapelle Alma.

Framing Reality

»From Sundance to Vienna« – der erste Teil einer neuen Filmreihe des Filmcasinos wird vorgestellt. Filme, die in Vergessenheit geraten sind, die nicht mehr oder noch nicht in unseren Kinos spielen. Kuratoren und Gäste werden den filmischen Dialog aufbereiten und nach Verbindungen zwischen österreichischen und internationalen Produktionen suchen. 26. Juni bis 3. Juli Wien, Filmcasino

Espressofilm

Glatt und Verkehrt Machen wir doch ein Volksmusikfestival, aber eins, das nicht so streng nach Tradition, brauner Soße und alten Leuten riecht, so ungefähr dürfte man sich das 1997 in Niederösterreich gedacht haben, als das »Glatt und Verkehrt« zum ersten Mal in Krems stattfand. Regionale Weltmusik gibt es dort, von allen Kontinenten, mit politischen Texten und poetischem Gesang. Nur selten sind sie so nah beieinander an einem Ort anzutreffen wie hier. 4. bis 27. Juli Krems, verschiedene Locations

Beim Open-Air-Kurzfilmfestival Espressofilm gibt es zum ersten Mal eine Kooperation mit Impulstanz. Unter anderen stehen weibliche Filmschaffende und ein Spike Jonze Tribute im Mittelpunkt. Außerdem: interaktive Spieleabende und israelisches QueerKino. Abwechslungsreich und für Filmliebhaber mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. 10. Juli bis 29. August Wien, Volkskundemuseum (Gartenpalais Schönborn)

Styrian Summer Art

Künstlerischer Austausch im idyllischen St. Lambrecht: Internationale Vortragende bringen groß und klein künstlerisches Handwerk näher – von Uminterpretationen des Kuscheltiers zur Handtasche, über Latex-Verarbeitung bis hin zur Kurzfilmproduktion. 27. Juni bis 13. Juli Naturpark Pöllauer Tal / St. Lambrecht 079


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MUSIK

NORMAL IST GEFÄHRLICH NEW DESIGN UNIVERSITY GESTALTUNG . TECHNIK . BUSINESS

DMX startete 1988 eine Karriere als Beatboxer.

QUERDENKER GESUCHT!

DMX + MOP Insgesamt verkaufte Dark Man X über 30 Millionen Platten, seinen größten Hit feierte er mit »Party Up«. DMX produzierte den Soundtrack zu 42 Filmen, in »Romeo Must Die« spielte er sogar die Hauptrolle. MOP ist ein HipHop-Duo, welches sich mit den ersten drei Alben im New Yorker Underground einen Namen machte. Später wechselten sie zu 50 Cents Label, geplant war etwa ein Album mit Mobb Deep, welches aber auf Grund künstlerischer Differenzen nie zustande kam. 17. Juni Wien, Gasometer

AUF NAHM EKL AUSUR: SA , 0 6. 0 9. 2 0 1 4 BAC HELO R ■ Grafik- & Informationsdesign ■ Innenarchitektur & 3D Gestaltung ■ Manual & Material Culture ■ Event Engineering ■ Business & Design ○

MASTER ■ Innenarchitektur & 3D Gestaltung ■ Raum- und Informationsdesign* ■ E-Mobility & Energy Management ■ Intellectual Property Rights & Innovations ■ Entrepreneurship & Innovation ○ in Planung * in Akkreditierung

W W W.NDU. AC. AT

Die New Design University ist die Privatuniversität der Wirtschaftskammer NÖ und ihres WIFI

»Sunbather« ist das am besten bewertete Major-Album 2013. Sagen nicht wir, sagt Metacritic.

Deafheaven Die Black Metal-Formation wurde 2010 in San Francisco ins Leben gerufen. Mit Ihrem zweiten Album schafften sie es bereits in die Billboard 200 Charts. Pitchfork liebt sie und überhaupt das gesamte Internet. »Dream House« ist aber auch einer der stärksten, intensivsten, überlebensgrößten Songs dieses Jahrzehnts. Was ihre anderen Songs mit Überlänge auf keinen Fall schlechter macht. 4. August Wien, Arena

TEXT MARCO LEIMER

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Kunsthalle Wien

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MUSIK

HipHop Open Der heimische Festivalsommer ist um ein Fest reicher. Das HipHop Open findet zwar schon zum zwölften Mal statt, in Wien war es aber noch nie. Kapazunder wie Snoop Doog, Cypress Hill oder der Wu Tang Clan gaben sich früher bereits die Ehre, heuer wird Headliner Nas sein Kultalbum »Illmatic« zum Besten geben. Achja, Leftboy und Blumentopf sind auch mit von der Partie. 11. Juli Wien, Arena

I’m Isa Genzken, The Only Female Fool

Ta-Ku Eine Mixtur aus Soul, Electronica und Down Under. Der Australier arbeitete bereits mit Größen wie Justin Timberlake, Flume oder Chet Faker zusammen. Dilla ist eines seiner größten Vorbilder, er benannte sogar ein ganzes Album nach ihm. Trotzdem ist Ta-Ku sehr bodenständig. Keine Drogen, keine Exzesse, nur gute Musik. Sein neuestes Album »Songs To Break Up« ist smooth as fuck. 4. Juli Wien, Pratersauna

Pet Shop Boys Im Rahmen des Jazzfests beehren die Boys die Staatsoper. Das Album »Electric« wurde letzten Sommer veröffentlicht und zeigt, wie tanzbarer, moderner Pop klingen soll. Es ist übrigens ihr zwölftes Studioalbum. Bekannt wurde das Synthpop-Duo durch Hits wie »West End Girls«, »It’s A Sin« oder »Go West«. Insgesamt hat das offen schwul lebende Pärchen über 100 Millionen Tonträger verkauft. 4. Juli Wien, Staatsoper

Ghostface Killah Jetzt ist es endlich so weit: der Ghostface Killah kommt zum ersten Mal nach Wien. Er ist einer der umtriebigsten Rapper des Wu Tang ClanKollektivs, in den letzten Jahren produzierte er insgesamt zehn Alben. 2006 wählte MTV das Geistergesicht zum größten MC aller Zeiten. Neulich wählte er selbst Drake zum softesten Rapper aller Zeiten. Wu Tang forever! 18. Juli Wien, Arena

Cody Chesnutt Cody Chesnutt ist ein amerikanischer Soul-Sänger und Gitarrist. Mit der Single »The Seed 2.0« schaffte er es 2002 gemeinsam mit The Roots auf Platz 1 der US- und UK-Charts. Den Song hatte Chesnutt selbst geschrieben, sein Album blieb trotzdem Geheimtipp. Zehn Jahre später erschien sein Album »Landing On A Hundred« und wurde von den Kritikern hochgelobt. Ratet mal – der kommerzielle Erfolg blieb abermals aus. 6. Juli Wien, Staatsoper

Elektro Guzzi Beeinflusst von Detroit Techno geht das österreichische Techno Trio neue Wege. Sie machen Techno, spielen aber in klassischer Bandbesetzung. 2010 erschien Ihr gleichnamiges Werk auf dem Berliner Label Macro, unter der Regie von Produzent Patrick Pulsinger. Ihr furioses neues Album »Observatory« präsentieren sie jetzt im Flex. 18. Juni Wien, Flex

The Notwist

Neutral Milk Hotel

Die Band wurde 1989 als Schülerband gegründet. The Notwist wechseln das Genre wie andere ihre Unterhosen, einem Gefühl haben sie sich aber verschrieben – der Melancholie. Sie sind der Auslöser für die Gründung vieler deutscher Bands und Mittelpunkt des von ihnen gegründeten Netzwerks. Durch Ihr Engagement wurde Weilheim schon für das neue Seattle gehalten. 1. August Wien, Arena

Die amerikanische Indie-Rock-Band gibt es eigentlich seit 1989, sie löste sich aber 1998 auf. Letztes Jahr gab die Band eine Wiedervereinigung für eine gemeinsame Tour bekannt. Sie selbst beschreiben ihren Stil als Fuzz Folk. Ihren größten Erfolg hatte die Band mit dem Album »In The Aeroplane Over The Sea«, das als ein Klassiker des Indie-Rock gilt. 2. August Wien, Arena

Museumsquartier I’M ISA GENZKEN, THE ONLY FEMALE FOOL 28/5 – 7/9 2014 #FemaleFool Mit dem selbst gewählten Titel gibt Isa Genzken, eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit, die Marschrichtung dieser Ausstellung klar vor. Tiefe Ernsthaftigkeit trifft bei „I’m Isa Genzken, The Only Female Fool“ auf überbordenden, exzentrischen Übermut. Genzkens künstlerische Praxis zeichnet ein großes Spektrum an Medien und Formen aus, wobei die Verankerung im Skulpturalen stets sichtbar bleibt. Das Spiegelmotiv und die Auseinandersetzung mit Architektur und dem Raum als Sphäre des Sozialen bilden dabei zentrale Elemente der Ausstellung. Alle Infos zu Ausstellung und Programm unter: www.kunsthallewien.at Kunsthalle Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien, Austria kunsthallewien.at blog.kunsthallewien.at facebook.com/KunsthalleWien twitter.com/KunsthalleWien instagram.com/KunsthalleWien

Credit: Isa Genzken, New Buildings for Berlin (Alpha), 2014, Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Cologne


Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

INTIM UND SPHÄRISCH

ILLUSTRATION JAKOB KIRCHMAYR

O

hne lange Umschweife möchte ich an dieser Stelle mitteilen, dass ich nun vorhabe, die schönste Kolumne aller Zeiten zu schreiben, die mich noch dazu sehr reich machen wird. »Sicher, mach ruhig, besorg es uns bitte mit einem geilen Text, du fulminanter Freund der Berge du«, höre ich die impliziten Leser in Vorfreude, aber auch in leichter Skepsis frohlocken. Darauf kann ich nur antworten: »Ich werde es versuchen, ich werde es versuchen und zwar mit einem Textlein, das vor allem sphärisch und intim sein wird.« Und wenn ich »sphärisch« und »intim« sage, meine ich nicht den Musikrezensions-Code, den die königlichen Deutungshoheiten unter den Popkulturbeuteln gerne verwenden, um mit wabbelnder Eierlosigkeit zu umschreiben, dass das »sphärisch« und »intime« Konzert ein schlecht besuchter Schas war. Weil zum Beispiel ein Soundtüftler gerade Faxgeräusche als Klangquelle für sich entdeckt hat und jetzt vorwiegend Faxgeräuschemusik macht und meint, damit voll nach vorne gehend zu sein. Denn schließlich ist das Fax ja gerade am Aussterben. Ergo antizipiert der klangteppichwebende Geräuscheforscher ja mit der tondokumentarischen, artistischen Verarbeitung fiepsender Faxgeräusche den nächsten heißen Retroscheiß. Nein, so ein »sphärisch« und »intim« mein ich nicht. Um jetzt mal ganz ehrlich zu sein, weiß ich aber gerade selber nicht so genau, welches »sphärisch« und »intim« ich meine. Was ich aber genau weiß, ist, dass das Aussterben der Faxtradition mich doch ein wenig missmutig stimmt. Denn einer meiner stubenreinen Lieblingswitze wird dabei mit in den traurigen Tod gerissen. »Was macht ein Clown im Büro?«, lautet dabei die Frage, auf die dann die Antwort »Faxen!« folgt, die im Idealfall von schallendem Gelächter begleitet wird. Gut, dass ich den harmlosen Jokus noch schnell losgeworden bin. Ich finde den nämlich zu putzig, um ihn dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Auch wenn er

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vielleicht nicht gerade das beste Witzchen ist, das so im Universum herumflirrt. Viel lustiger zum Beispiel wäre ein Witz über Tastaturen, die hängen, UND MACHen wos si WOLLN, WEIL immerzu SpeRMa auf die CAPS LOCK-Tastn kommt <3 <3 <3. Aber dazu fällt mir jetzt keine brauchbare Umsetzung ein. Vom Aussterben bedroht dürfte übrigens auch der gute alte »Tattergreis« sein. Das musst ich unlängst bemerken, als ich in voller Freude und im Brustton der Überzeugung im halböffentlichen Raum »Dattergreis« schrieb und hernach von einem Klugscheißer zu recht gestutzt wurde. Jetzt ist eine orthografische Fehlleistung, insbesondere wenn sie von mir kommt, freilich kein Indiz dafür, dass ein Wort bald verschwindet. Allerdings, gibt man in die bekannteste Suchmaschine der Welt »Tattergreis« ein, folgen 31.000 Treffer. Bei »Dattergreis« sind es dann rund 6.500. Ergibt unterm Strich: 37.500. Das finde ich beeindruckend. Erstens, weil man das im Kopf richtig super addieren kann. Da brauchen selbst die größten Nasen unter den Kellnern keinen Taschenrechner für. Zweitens, weil die Gesellschaft anscheinend bei höherer Lebenserwartung immer jünger wird. Und drittens, weil 37.500 nicht gerade viel ist. Zum Vergleich: »Fut« kommt auf 152.000.000 Treffer. Gut, hier werden jetzt von mir mit voller Absicht Äpfel mit Birnen verglichen. »Fut« gibt es in unzähligen Sprachen und ist eine gerne verwendete Abkürzung. Dass damit auch auf derbe Weise die Muschi umschrieben wird – bitte. Ich tat es, um ein wenig »sphärische« und »intime« Würze hier reinzubringen. Und natürlich auch, um billige Lacher zu ernten. »Fut« ist dafür seit Jahren einer meiner verlässlichsten Partner. Und was hätte ich schon als Alternative gehabt? Nicht viel. Gut, ich war unlängst in einer Bibliothek, um, nach Jahren innerer Kämpfe und Rangeleien, Rhonda Byrnes »The Secret« zu entlehnen. Wer jetzt nicht weiß, worum es in diesem Meisterwerk esoterischer Marketingkunst geht, das sich zu einem Weltbestseller entwickelt hat und der Autorin viel Geld einbrachte, ist am gleichen Stand wie ich. Denn anstatt das Büchlein zu verinnerlichen, kam ich über einen einzigen Satz, den ich zufällig aufschlug und der nun folgt, nicht hinaus:

Alle Menschen, ohne Ausnahme, besitzen die Fähigkeit, jede Schwäche und jedes Leiden in Stärke, Macht, Gesundheit, Seelenruhe und Fülle zu verwandeln. Ich bin voller Schwächen. Yeah! Ein bisschen antriebslos finde ich großes Vergnügen am Herumliegen und in die Luft starren oder am Spazierengehen und in die Luft starren. Ich bin nicht gerade verlässlich. Zuverlässig bin ich eigentlich nur im täglichen Abliefern ordentlicher Samenladungen. Und ich leide natürlich auch unter schrecklichen Dingen. Unreine Haut etwa. Die von falscher Ernährung und zu viel Gluckiglucki kommt. Eine Katzenallergie hab ich auch. Penicillin und Bienenstiche vertrage ich nicht mehr so super. Angst vor Clowns, sofern sie nicht in Witzen über Faxgeräte auftauchen, ist mir nicht fremd. Die Liste lässt sich fortsetzen. Ich zupf mir Barthaare aus und fresse sie. Wichtig ist, diese Makel nun in Stärke umzuwandeln. Mir ist kein Mensch bekannt, der schon einmal Bekanntschaft mit dem Stechapparat einer Hummel gemacht hat. Und wenn meine Informationen stimmen, haben männliche Hummeln überhaupt keinen Stachel. Ich würde gerne mopsgroße Hummeln züchten – als Haustier. An einem Bindfaden kann man die pelzigen Viechis spazieren führen. Das wäre ein extravagantes Haustier und selbstverständlich kann man ein großes Hummelbusiness damit aufziehen. Ob das jetzt die schönste Kolumne aller Zeiten war? Ich glaube nicht. Ob sie mich reich macht? Vielleicht. Weil ich aus jedem The Gap, das mir in die Finger kommt, die letzte Seite rausreißen werde und um einen Euro verkaufe. Auf Faxgeräuschemusik-Konzerten.

Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly


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NEU

MAK – ÖSTERREICHISCHES MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST / GEGENWARTSKUNST STUBENRING 5, 1010 WIEN DI 10:00–22:00 UHR, MI–SO 10:00–18:00 UHR JEDEN DIENSTAG 18:00–22:00 UHR EINTRITT FREI MAK.AT

Perndl+Co

DESIGN: EOOS


www.helpstars.at/theGap


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