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STIL S

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Die Ideale

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des

Umgang

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TH NBG - WS15/16 - ARCHITEKTUR THEORIE - PROF. WODITSCH - LB HEINICH - 17. JAN 2016


Technische Hochschule N端rnberg Georg-Simon-Ohm Architektur Theorie Sommer Semester 2015/16 5. Semester: Journal Thema: Stil Leitung: Prof. Dr. Woditsch Betreuerin: Heinich Erstausgabe 17.12.2015

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Inhalt

Seite

Vorwort 4 Stadtbilder 6 - Stadt mit Gewinn 7 - Stadtgesichter 10 - Die Entwicklung des Stadbildes 12 Die Ideale des Wohnens - Ideale Wohn- und Stilvorstellungen - Eine Metropole blutet aus - Warum sehen alle H채user gleich aus?

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Umgang mit hist. Bausubstanz - Eigenschaften eines Baustils - Ist es wertvoll die hist. Bausubst. zu erhalten? - Fondazione Prada

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18 22 26

35 38

Digitale Prozesse 42 - Wandel der W체nsche an die Architektur 44 - Ist das Ornament noch ein Verbrechen? 48 - Die Revolution im Werkplan 51 - Generatives Design 54 Schlusswort 58 Impressum 59


Vorwort „Die Architektur beginnt, wenn zwei Backsteine sorgfältig zusammengesetzt werden“ - Mies van der Rohe Es klingt simpel, doch steckt dieselbe Kom-

Dieses Magazin soll einen Einblick in den

plexität dahinter, wie hinter der Frage nach

Umgang mit der Stilfrage geben. „Haben

der Kunst selbst. Reicht es dafür tatsäch-

wir einen Stilpluralismus?“, „Verlieren un-

lich zwei Steine zu stapeln? Das Geheimnis

sere Städte an Qualität?“ oder „Kann sich

liegt in dem Wort „Sorgfalt“. Erst wenn das

ein Stil automatisieren?“ sind Aspekte, die

Schichten der Steine, das Legen der Bretter

in vier Kapiteln über Stadtbilder, dem Ideal

und das Streichen der Flächen mit Bewusst-

des Wohnens, dem Umgang mit historischer

sein ausgeführt wird, kann von Baukunst die

Bausubstanz, sowie der aktuellen Frage nach

Rede sein.

der Entwicklung von digitalen Entwurfsprozessen vorgestellt werden.

Und wenn nun ein Architekt eine bestimmte Form gut findet – eine Dachneigung, ein Fensterformat oder einen Türknauf und es sich in seinen Werken wiederholt, ist dies dann sein Stil?

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S

t a d t

B

i l d e r

„Nicht der Klerus wie in der Theokratie des Mittelalters, nicht der von Land zu Land wandernde Scholar und Künstler sind das einigende Band der Nationen Europas: der Kaufmann ist es und der Ingenieur, der Forscher und Techniker. Diese prägen das neue Gesicht der Zeit. Darum stirbt die „Schöne“ Baukunst im Bewusstsein der Zeit. „

- Ludwig Hilberseimer

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Stadtbild

mit

Gewinn

Was ist eigentlich passiert mit unseren Großstädten? Egal, wohin das Auge sieht, stellen sich einem sterile, einheitlich wirkende Wärmeverbundfassaden entgegen. Es scheint wohl Absicht zu sein, dass sich einige Straßen kaum noch voneinander unterscheiden. Alle sehen sie gleich aus, unsere einheitlich verputzten Wohnklötze. Sie strahlen weiß zur Einweihung, nur um sich nach einiger Zeit und dann für den Rest ihrer Tage in schmuddeliges Grau zu wickeln. Sie scheinen sich nicht entwickeln zu wollen, diese Monster, die uns nun schon seit mehr als 3 Jahrzehnten in die Gegend gestellt werden. Und das in einer Zeit, in der angeblich so sehr auf Individualität Wert gelegt wird; in einer Zeit, in der die Technik sich unaufhaltsam weiter entwickelt und der Fortschritt nicht zu stoppen ist. Es ist schon fast lächerlich: während man sich im Sozialismus mit größter Hingabe darum bemühte, dass sich die Vororte und Städte gleichen wie ein Ei dem anderen, so ist es uns, in unserem fortschrittlichen und individuellem System,

fast beiläufig gelungen einen kontinuierlichen Leitfaden der Hässlichkeit durch unsere Städte zu ziehen. Und die Bewohner? Den Bewohnern muss es wohl gleichgültig sein oder es scheint ihnen gar zu gefallen. Anscheinend bringt nur noch eine Minderheit in den Städten die Motivation mit sich, um nach anderen Formen des Wohnens zu suchen. Nun kann man sich die Frage stellen, ob dass Ganze denn so schlimm sei, denn viele dieser Häuser bieten den Bewohnern anscheinend den gewünschten Komfort. Nur wie sieht dieser Komfort eigentlich aus? Nun, wie seit langem bekannt ist, geben wir Deutschen unser Geld in erster Linie für den 60-Zoll- Fernseher, das Handy und unsere Hifi-Anlage aus, und da wir diese Gebrauchsgegenstände immer häufiger wechseln und anhäufen, muss eigentlich nur alles gut in unserem Wohnzimmer zusammenpassen. Denn sieht man sich diese genauer an, dann gleichen sie sich Stadtbilder

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auch nahezu alle. Weitere Pluspunkte sind natürlich die guten baukonstruktiven und wirtschaftlichen Eigenschaften. Für die Bewohner zählen natürlich als erstes gute Dämmwerte, denn das bedeutet niedrige Heizkosten, also auf Dauer günstig, also nachhaltig und im Optimalfall sogar noch umweltfreundlich. Denn nichts macht so glücklich wie aus einem auf 22 Grad aufgeheizten Raum durch seine 3-fach verglasten Fenster ins minus 15 Grad kalte Wintergeschehen zu blicken. Hinzu kommt, dass diese Art des Bauens auch noch alle Normen und Richtlinien erfüllt und somit, wie bereits erwähnt, wirtschaftlich ist. Wirtschaftlichkeit... dieses Wort alleine ist eigentlich schon Grund genug, jedwede Fragen nach Ästhetik zu vermeiden. Allerdings ist stark anzuzweifeln, ob wir heute von der gleichen Wirtschaftlichkeit reden wie einst die früheren Vertreter des Bauhaus-Stils oder des Funktionalismus. Denn suchte man früher noch nach Schönheit, Proportion und Individualität durch die Zuhilfenahme neuen Wissens, so steht heute anscheinend stumpfes Repetieren an vorderster Stelle. Anscheinend bleibt einfach keine Zeit mehr um sich zu fragen, ob eine Ecklösung filigran oder einfach nur plump ist. Denn heutzutage reden wir meist von Profit, vor allem und in erster Linie über den Profit des Bauträgers. Und ginge es nach einigen Dämmstoffherstellern, so bedeuten diese Wörter so oder so ein und dasselbe. Doch kann man den 8

Stadtbilder

Herstellern und Bauträgern theoretisch keinen Vorwurf machen, denn sie vertreten dieselben Theorien wie einst Corbusier und Co, und zwar dass das Bauen optimiert werden kann durch die Zuhilfenahme von neuen technischen Erkenntnissen, was wiederum zu einer besseren Lebensqualität führt. Auch wenn klar ist, das Le Corbusier in einer Zeit gelebt hat, in der man die Priorität einer guten Dämmung noch nicht kommen sah und Wirtschaftlichkeit sich z.B. durch eine filigrane Fassade äußerte und weniger durch einzusparende Heizkosten. So argumentierte er doch mit denselben Mitteln wie die heutige Bauindustrie.

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Allerdings sahen die Theoretiker und Baumeister von damals noch eines nicht kommen: eine Multi Millionen Industrie, die bestimmt nicht davon lebt, dass sie Material einspart, sondern viel mehr zum Ziel hat, den Markt mit einer Vielzahl an Produkten zu fluten und diese möglichst effizient zu vermarkten. Denn Umsatz ist das Hauptargument. Und warum auch nicht! Schließlich hat sich die komplette „soziale Marktwirtschaft“ so entwickelt. Denn genau wie der Handyhersteller jedes Jahr ein neues Produkt an den Mann bringen


will, so muss auch der Baustoffhersteller in erster Linie eines: verkaufen! Und einigen von Ihnen gelingt dies außerordentlich gut, denn bis jetzt hat die BRD bereits 840 Mio. Quadratmeter Dämmplatten verbaut. Wie viel davon BASF zuzusprechen sind, bleibt wohl ein Geheimnis und wie viel davon noch verkauft werden sollen, bleibt es wohl auch. Und unsere Politik spielt natürlich mit, denn immer wieder neue Auflagen zu verordnen, z.B. EnEv 2014, ist man sich nicht zu schade. Doch wer übernimmt nun eigentlich die Verantwortung für diese bauliche Entwicklung oder vielmehr: wer sucht überhaupt einen Verantwortlichen? Sind es die Architekten? Oder sind sie es vielleicht sogar selbst, die aufgrund von mangelnder Kreativität und Einfallsreich-

tums diesen Zustand sogar noch fördern? Wie weckt man ein Interesse für Bauen und Architektur in einer Gesellschaft, die momentan anderen Trends nachläuft. Jedenfalls scheinen die Bauträger mit ihren „08/15 Kisten“ weiterhin erfolgreich zu sein. Und der Bewohner? Nun, dem kann man es wohl kaum übel nehmen, dass er sich in einer Zeit, in der mehr und mehr Druck und Hektik unseren Alltag bestimmen, sich nicht auch noch intensiv mit der optischen Erscheinung, oder gar der Ökobilanz seiner Fassade auseinander setzt. Von Anton Buller Literaturhinweise: „Ausblick auf eine Architektur“, Le Corbusier „Großstadtarchitektur“, Ludwig Hilbersheimer

„Wohnmaschine“, Le Corbusier

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StadtGesichter Wenn es um unsere Städte geht, entfacht das Wort „Stil“ große Diskussionen in der Baubranche. Städte mit tristen Fassaden, hässlichen Wohnungsbauten und sterilen Fußgängerzonen können den trieb nach

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Profitmaximierung nicht verbergen. Die Menschen wollen Stil, beschweren sich aber über ihre Nichtexistenz und die Hässlichkeit der Städte. Genau an diesem Punkt fängt das Bermudadreieck der Schuldzuweisung an.

Die Kulturkritiker bemängeln das fehlen vom

nen Bau und zwingt quasi damit den Investor

ästhetischem Sinn in der Bevölkerung wäh-

für etwas Geld auszugeben, welches er an

rend die Architekten, welche für den Aufbau

dieser Stelle wohl nicht kaum tun würde, des-

der Städte verantwortlich sind, sagen, das ih-

halb gezwungen ist an der Fassade zu sparen.

nen die Hände gebunden sind und sie nicht problemlos gegen die bestehende Hässlich-

Es gibt viele Arten von Auflagen, welche von

keit und Stillosigkeit ankämpfen können. Vie-

den Städten auferlegt werden. Bei den tech-

le Immobilien und Grundstücke befinden sich

nischen Auflagen eines Baus geht beispiels-

im privaten Besitz und sind für die Architekten

weise der heutige Trend in Richtung Energie-

nicht leicht zugänglich und optimierbar. Die

effizienz. Die Dämmungen werden dicker und

Investoren schieben die Schuld der vorhande-

effizienter als in der früheren Baugeschichte.

nen Stillosigkeit auf den Staat. Der Staat sei für

Die Gebäude sind heutzutage so gedämmt,

das Problem verantwortlich, weil er einerseits

dass absolut nichts durchgelassen wird. Durch

zu hohe Auflagen vorgibt, welche die Baukos-

diese Dichte ist jedoch eine Frischluftanlage

ten maßlos in die Höhe treiben, andererseits

erforderlich, damit die erforderlichen Luftwer-

aber keine Zuschüsse gibt, um die Baukosten

te erreicht werden. Das sind natürlich zusätzli-

zu decken. Schließlich muss es sich ja für die

che Kosten, welche den Bauherren die Hände

Investoren lohnen, deshalb bauen sie schlicht,

binden und dazu zwingen, in anderen Berei-

günstig und mit altbewährten Methoden. Da-

chen einzusparen.

rüber hinaus erteilt der Staat Auflagen für ei-

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Stadtbilder


Natürlich kann das nicht die Funktionalität

In den letzten Jahren waren die Zinsen für ei-

eines Gebäudes beeinträchtigen, es werden

nen Baukredit recht günstig, was einen richti-

also bei der Gestaltung eines Hauses verschie-

gen Bauboom ausgelöst hat. Es wird viel Ge-

dene Abstriche gemacht. In diesem Zusam-

baut. Es wird viel falsches Gebaut. Also ist es

menhang kommen wir zu dem Gestaltungs-

Jetzt wichtiger denn jeh den Sinn für Ästhetik

sinn, welcher laut den Kunstkritikern kaum

zu fördern. Hierzu müsste sich der Staat ledig-

noch vorhanden ist. Doch dem ist wohl nicht

lich die Mühe nehmen und die Bebauungsplä-

so. Hören wir nicht viel zu oft, dass jeder seine

ne erneuern und auf den heutigen Stand des

Freiheiten nützen sollte und so bauen sollte,

Zeitgeistes und der industriellen Möglichkei-

wie er möchte? Der Bebauungsplan steht viel

ten anpassen. Der Staat sollte von seiner kre-

zu oft im Weg und schränkt die Freiheiten des

ativen Gesetzgebungskompetenz gebrauch

Architekten enorm ein. Er hat nicht mehr die

machen und beispielsweise die in Berlin vor-

Freiheiten, ein Gebäude so zu gestalten, wie

gegebene Traufehöhe von 22 Metern, welche

er es möchte. Doch auch ohne Bebauungs-

im neunzehnten Jahrhundert als Obergrenze

plan geht es nicht, das zeigt und offensichtlich

angesetzt wurde, auf sagen wir 26 zu erhöhen.

der Liberalismus. Dort hat sich der Staat aus Gestaltungssatzungen und Bebauungsplänen

Eine Modernisierung der Gesetze bezüglich

rausgehalten. Die Lobbys und die Bauindus-

der Freiheiten in der Gestaltung, würde den

trie nützen diese Chance und reißen alles an

Stil der Zeit die Möglichkeit geben, sich zu

ihre Seite. So entstehen die größten Irrtümer,

entfalten und Freiräume für Architektur und

denn der einfache Bürger kommt so nicht zu

Gestaltung im Stadtbild zu schaffen.

seinem Recht. Die Investoren bauen dann die Wohnmodelle,

Von Marc Sedlbauer

welche sich am meisten für sie rentieren. Für die Gestaltung eines Gebäudes wird dabei oft gespart. Wie die Vergangenheit also ge-

Literaturhinweise: „Warum sind unsere Städte so hässlich“, Niklas Maak

zeigt hat, geht es nicht ohne Bebauungspläne. Dennoch sind die Architekten der Meinung, dass ihnen durch die Pläne die Freiheiten in der Gestaltung genommen werden. Viele Bebauungspläne sind veraltet und müssten neu überdacht und überarbeitet werden. Wie le Corbusier meint, machen die industriellen Fortschritte einen Baustil erst möglich. Ohne des stetigen Fortschrittes in der Industrie sind Veränderungen im Bau nicht zu schaffen.Auch der Stil geht mit dem Zeitgeist mit, dieser ist zurzeit von Profitmaximierung geprägt.

Stadtbilder

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Die Entwicklung

des

Stadtbildes

Großstädte prägen das Bild unserer Umwelt ganz massiv, jedoch macht man sich selten richtig tiefgreifende Gedanken darüber was das Bild genau ausmacht. Was macht eine Stadt aus? Wie ist die Entwicklung dieser seit dem 20er Jahren? Denn das Sprichwort „Licht, Luft, Sonne“, was man für selbstverständlich hält, war nicht immer so selbstverständlich. Ludwig Hilberseimer hat im Laufe seiner Tätig-

Beton und Eisenbeton. Hilberseimer beruht

keit als Architekt und Stadtplaner in der Zeit

auf der Vorstellung, die Probleme der Stad-

vor dem ersten Weltkrieg zwei unterschiedli-

tentwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

che Konzeptionen von Stadtplanung entwi-

mit einer spezifischen Architektur zu lösen.

ckelt. Unter Einfluss des reduktiven Klassizis-

„Denn unsere Aufgabe ist nicht die Vergan-

mus hielt er seine Architekturtheorien über die

genheit zu konservieren sondern der Zukunft

Stadtplanung für das Existenzminimum und

Wege zu bereiten.“ Die Großstadtarchitektur

persönlichen Vorstellung einer modernen und

ist wesentlich abhängig von der Lösung zwei-

zukünftigen „Hochhausstadt“ seinem Werk

er Faktoren: der Einzelzelle des Raumes eines

„Großstadtarchitektur“, welches 1923 - 1929

Gebäudes und des gesamten Stadtgrundris-

entstand, fest. Durch die verschiedenen neu-

ses. Jedes einzelne Gebäude bestimmt in sei-

en Möglichkeiten des Bauens wird mehr Wert

ner Erscheinungsform das gesamte Stadtbild.

gelegt auf materielle und strukturelle Klarheit,

Die wesentlichen Aufgaben der Architektur

sowie die Reduktion von Tragsystemen durch

sind zum Beispiel das Geschäftshaus oder die

Materialien wie Eisen,

Fabrik sinnvoll zu gestalten ohne

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Stadtbilder


dekorativen Elementen welche den Sinn des

jungen Disziplin des Städtebaus werden zu

Bauwerks widerlegen. Diese Gebäudetypen

dieser Zeit verschiedene Modelle zur Stadter-

müssen erst noch geschaffen werden und sind

weiterung diskutiert, um eine Ausdehnung der

nur eine Theorievorstellung Hilberseimers so-

Städte in die Fläche zu regulieren. In den 20er

wie anderer Stadtplaner zu dieser Zeit. Die

Jahren wurden in Deutschland viele kommu-

Architektur muss sich von Grunde auf neu

nale Bebauungspläne realisiert, die den Bau

definieren: Die geometrischen Grundformen

von Arbeiterwohnungen zum Gegenstand

als abstrakte geometrische Körper sollen von

hatten. Alle diese Bebauungspläne basierten

nun an die Basis der neuen Architektur sein.

auf den Ideen und Prinzipien des „Neuen Bau-

Die Betonung liegt durch das Übereinander-

ens“. Ein Bautyp, der in jenen Jahren aufkam,

schichten der Geschosse auf einer horizonta-

war der mehrgeschossige,

len Gliederung der Geschosse, während die

freistehende Wohnblock was eine Alternati-

einseitige Betonung der Vertikalen durch die

ve zur bisher üblichen Blockrandbebauung

neuen Baumöglichkeiten sinnwidrig ist. Durch

darstellte. Dieser neue Gebäudetyp wurde

Reduktion will er zurück an die Wurzeln der

„Zeile“ genannt und war wiederholbar. Im Ver-

Architektur und Gestaltung. „Der Architekt wird in Zukunft darauf verzichten müssen, Bauwerke äußerlich zu verschönern oder ihnen eine monumental sein sollende Maske aufzuprägen.“ so Hilberseimer.

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Die neuen Typologien sollen die alten, überkommenen Gebäudestrukturen ablösen und dadurch den neuen Anforderungen der industrialisierten Stadt gerecht werden. Sein architektonisches Vorbild waren die

gleich zur Blockrandbebauung, hat der Zeilen-

amerikanischen Städte der 20er Jahre. Denn

bau den Vorteil, dass er eine gute Belichtung

um eine zentrale Arbeits- und Geschäftsstadt

und Belüftung der einzelnen Wohnungen ga-

lagern sich satellitenartig Wohnstädte, die

rantiert, was die Verschattung der Baukörper

durch Schnellbahnen mit dem Zentrum ver-

sehr gering hält.

bunden sind. „Die Straßen müssen reguliert, enge, gesundheitswidrige und schlecht gebaute Gebäude Die Großstädte zu Beginn des 20. Jahrhun-

und Blocks müssen niedergelegt und neu auf-

derts sind durchgehend gekennzeichnet von

geführt werden.“ Denn in Berlin 1875 betrug

einem enormen Wachstum durch stark anstei-

der Anteil der Grundstücke mit 1 - 5 Woh-

gende Einwohnerzahlen. In der noch relativ

nungen noch ein Viertel, 1920 wohnte fast Stadtbilder

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die ganze Bevölkerung in Mietkasernen. Au-

Die neuen Wohnungen hatten Zentralhei-

ßerdem waren in einem erheblichen Teil die-

zungen, geheizt wurde mit Kohle, Koks oder

ser Kleinwohnungen nebenbei noch gewerb-

Stadtgas. Erdöl und Erdgas waren als Brenn-

liche Betriebe untergebracht waren, wobei

stoffe noch unbekannt. Eine der wesentlichen

die Kleinwohnungen höchst unbefriedigende

Leitlinien des Städtebaus war die Trennung der

Zustände aufzeigten. Unter anderem hatte die

Funktionen Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Erho-

Ortskrankenkasse für den gewerblichen Be-

lung Dies wird heute aufgrund ihrer negativen

trieb der Kaufleute festgestellt, daß im Jahr

Folgewirkungen, wie die Überlastung der Ver-

1907 bei Betrieben 7549 Menschen ein gerin-

kehrswege, Verödung der Innenstädte, zuneh-

gerer Luftraum zur Verfügung stand, als den

mend in Frage gestellt. Durch städtebauliche

Gefangenen.

Dezentralisation sollen anstelle der mono-

Da die Wohnungen keinen Ofen besaßen,

funktionalen Bereiche eigenständige Gebiet-

hielt sich die Lebenserwartung in Städten sehr

seinheiten entstehen, die mit allen Funktionen

niedrig. Sehr viele dieser Wohnungen lagen an

städtischen Lebens ausgestattet sind und ein

den engen Höfen der Mietkasernen, in die das

möglichst störungsfreies Nebeneinander der

Luft und die Sonne kaum eindringen konnten

Nutzungen sowie lebendige Nachbarschaf-

und wo eine Erneuerung der verdorbenen Luft

ten gewährleisten sollen. In Japan ist, an-

meist unmöglich war. Dies bekam von vielerlei

ders als in der Bundesrepublik, eine Vielzahl dezentral organisierter Stadtteile vorhanden. Allerdings sind nicht alle Städte und Gemeinden von ihnen gleichermaßen und gleichzeitig betroffen. Während einige

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noch eine zeitlang tradierten Strategien folgen können, sind andere bereits jetzt in die Phase rascher und tiefgreifender Veränderungen eingetreten. Doch schon heute ist absehbar, dass das ganze Gemeinwesen früher oder später von diesen Veränderungen betroffen sein

Seiten Unmengen an Kritik. „Man leistet der

wird und auf die neuen Herausforderungen

Übervölkerung Vorschub und läßt es zu, daß

eingehen muss. Zu diesen Herausforderun-

die Flüsse und anderen Bezugsquellen der

gen gehören wie die zahlenmäßige Abnahme

Wasserversorgung verseucht werden, weil sol-

der Bevölkerung, Zunahme des alten Bevöl-

che Zustände „gut für das Geschäft“ sind oder

kerungsteils, hohe Zuwandereranteile, mehr

dafür gehalten werden.“

Kleinsthaushalte und der schärfere nationaler und internationaler Wettbewerb zwischen Städten und Regionen.

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Stadtbilder


In den zurückliegenden hundert Jahren hat sich die durchschnittliche Haushaltsgröße in Deutschland, wie in fast allen entwickelten Ländern, dramatisch verkleinert. Bildeten zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchschnittlich 4,6 Personen einen Haushalt, so waren es 1950 nur noch 3,1, 1970 2,8 und 1990 2,3. Mit vorerst anhaltend fallender Tendenz war diese Zahl bis 2010 weiter aufzwei zurückgegangen. Deutschland gehört damit nicht nur zu den Ländern mit der niedrigsten Geburtenrate und dem größten Altenanteil, sondern auch zu den Ländern mit den kleinsten Haushalten weltweit. Setzt sich, wovon ausgegangen werden kann, dieser Trend in den nächsten Jahren fort, werden um 2025 rund 80 Prozent der Bevölkerung Deutschlands in Klein- und Kleinsthaushalten leben 38 Prozent in Zweiund 42 Prozent in Ein-Personenhaushalten.

Von Monika Chrobok Literaturhinweise: „Plätze in einem geteilten Land - Stadtplatzgestaltung in der Bundesrepublik“ „Die gebaute Umwelt: Wohngebietsplanung im Bewohnerurteil“ „Plätze in einem geteilten Land - Stadtplatzgestaltun gen in der Bundesrepublik“ S.403-407 „Die gebaute Umwelt: Wohngebietsplanung im Bewohnerurteil „S. 36 - 38

Stadtbilder

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D ie I deale D es W ohnens Wohnvorstellungen im Wandel des 19./20. Jahrhunderts. Beeinflussende Faktoren der Wohn-Architektur. Aktuelle Tendenzen und Möglichkeiten. Googelt man den Begriff „Wohnen“ oder

im Laufe der Zeit definiert hat. Anhand von

„Wohnstil“, tauchen lauter Bilder von Wohn-

verschiedenen Ansätzen der Architekturthe-

zimmern und deren Inneneinrichtung auf. Es

oretiker Hermann Muthesius, Robert Venturi

scheint, als assoziiert man heute Wohnen vor

und Niklas Maak wird jeweils ein Blick auf das

allem mit dem Innenleben eines Hauses. In

Zeitgeschehen und deren jeweiligen Ideal-

westlichen Kulturkreisen kann man von einer

vorstellungen geworfen. Den Ursprung

Wohnkultur sprechen, in der die Wurzeln und

des klassischen

das Zentrum des Lebens liegen. Im Folgenden soll nun in Ausschnitten ein Blick darauf geworfen werden, wie sich das Wohnen

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„Wohnbildes“ wie es heute existiert, ist in

drücke als gliedernde Elemente einer Wohn-

der Zeit der Industrialisierung beheimatet.

siedlung gewinnen an Bedeutung. Das Haus

Das Bedürfnis nach Privatsphäre und einem

als Volumen tritt in den Hintergrund. In einer

heimischen Rückzugsraum wuchs, das Arbei-

architektonisch einheitlich gebauten Umge-

ten fand an einem anderen Ort statt. Im Zuge

bung, unterscheiden sich die Häuser mehr

dessen entstehen viele

durch die Dekoration als durch die Formen-

Wohngebiete. Raumein-

sprache. „Kostengünstig, praktisch und einfach“ scheinen heute auch in der Bauindustrie die Schlüsselwörter für die Entwicklung der äußeren Hülle zu sein.

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„Die Architektur dagegen als die rhythmische Fassung unserer täglichenLebensbe-

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dürfnisse bildet den ruhigen Hintergrund, auf den sich dann das Außerordentliche des Lebens erst aufbauen mag.“ (Quelles 1 Seite 63 )

Ideale Wohn-

und

Stilvorstellungen

Die Vorstellungen Hermann Muthesius im Wandel des 19. und 20. Jahrhunderts und sind diese Heute realisierbar? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Neu-

Aus der Notwendigkeit heraus versuchte er

orientierung der Architektur erforderlich, um

einen Wohnhaustyp zu entwickeln, der den

den aktuellen Anforderungen des Zeitgesche-

Erfordernissen der zeitgenössischen industri-

hens gerecht zu werden. Der Übergang von ei-

ell fortgeschrittenen deutschen Gesellschaft

ner landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft

entsprach. Er war auf der Suche nach den „ty-

zur Industriegesellschaft, hatte eine Trennung

pischen Charakteristiken“ des Hauses in sei-

von Wohnen und Arbeiten zur Folge. Viele

nem „täglichen Gebrauch.“ (Quelle 1 Seite

Menschen zogen vom Land in die Stadt um

119) In dem dreibändigen Werk „Das engli-

dort in Fabriken zu arbeiten. Die Wohnstät-

sche Haus“ favorisiert er eine einfach und zu-

te hatte von nun an nur noch den Zweck des

rückhaltende Architektursprache, die sich an

„Wohnens“. Es entstanden Arbeiterbewegun-

der englischen Landhausarchitektur orientiert.

gen und Gewerkschaften. (Quelle3)

Sein Ziel war es „häusliche Qualitäten mit den charakteristischen Merkmale des deutschen

Viele Theoretiker und Architekten waren auf

Hauses zu verbinden.“ (Quelle 1: Seite 50)

der Suche nach einem neuem „Wohn- und Architekturstil“. Ein Protagonist dieser Zeit

Hierbei sollen die Eigenschaften des engli-

war Hermann Muthesius. In seinem Text „Sti-

schen Landhauses auf einen Wohnhaustyp

larchitektur und Baukunst“ kritisiert er das

abgewandelt werden, der den Anforderungen

„chaotisches Durcheinander alle Stile der Ver-

des deutschen großstädtischen Vorstadtle-

gangenheit“ Hauptkritikpunkt hierbei ist die

bens entspricht. „Analysierte einzelne Baulö-

Ablehnung des Historismus; die „schulmäßi-

sungen“ wie z.B. Grundrisse des englischen

gen Anwendung eines geschichtlichen

„Country Haus“ sollen den Architekten helfen

Architekturstils“. (Quelle 2)

eine einheimische deutsche Formensprache zu entwickeln. (Quelle 1: Seite 37-43)

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Die Ideale Des Wohnens


Um eine Brücke zwischen „Leben auf dem

Nun stellt sich die Frage, inwiefern Muthesius

Land“ und „Arbeiten in der Stadt“ zu schla-

Vorstellungen von einem Idealen schlichten

gen, schlug Muthesius die Vorstadt als idealen

und nüchternen Wohnenstil dem Zeitgesche-

Ort für das idyllische Familienleben vor. Das

hen nun gerecht werden konnte? Betrachtet

Leben sollte in „Kontakt mit der Natur statt-

man die einzelnen Familienmodelle, die sich

finden“ und gleichzeitig das Arbeiten in der

Anfang der 20. Jahrhunderts entwickelten,

Stadt nicht verhindern. „Ein Landhaus kann

stallt man fest, dass seine Vorschläge nur we-

Bedürfnisse befriedigen, die eine Stadtwoh-

nig geeignet waren. Mit Aufkommen der In-

nung unerfüllt ließ.“ Dem Stil nach sollte es

dustrialisierung fand eine Spaltung der Gesell-

einfach, funktional, sachlich und praktisch

schaft in die Arbeiterfamilien und Bürgerliche

sein, „ohne Prunk und ohne Zier“.

Familien statt. Arbeiterfamilien mussten ihren

(Quelle 1 Seite 54-60)

Lebensunterhalt in Fabriken verdienen. Trotz schwerer körperlicher Arbeit verdiente man in der Regel gerade so viel, um sich eine kleine Wohnung leisten zu können. Bürgerliche Familien, deren Berufsschwerpunkt im akademischen Bereich, der Verwaltung oder im Militär lag, konnten sich einen anderen Lebensstand-

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art leisten. (Quelle: 3) Wohnhäuser dieser Familien konnten einem „geselligen“ Leben nach Vorbild eines englischen Landhauses ehre entsprechen. Es konnte eine

„Arbeiterfamilie“

Vielzahl an „Sonderzimmer“ eingeplant werden: Kinderzimmer, Schulzimmer,

Herrenzimmer,

Schreib-

zimmer, Gästezimmer, Bibliothek, Wohnzimmer.

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Desweiteren ist zu bedenken, dass viele „reiche Auftraggeber“ anhand der

äußerem

Erscheinungsbildes

ihres Hauses, ihren sozialen Status darstellen wollten. War hierfür eine schlichte, sachliche Architektur der richtige Ansatz?

„Bürgerliche Familie“ Die Ideale Des Wohnens

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Trotz seiner Bemühungen, die idealen Wohn-

men lukrativ und kostengünstig angepriesen

vorstellungen auch funktionalistisch zu gestall-

wird. Dem Bauherrn wird die Entscheidung

ten, ist festzuhalten das sein Wohnkonzept

abgenommen einen Architekten zu engagie-

nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung ge-

ren. Dies hat zur Folge, dass Baufirmen ihren

eignet war .Als gelungenerer Ansatz ist seine

Auftraggeber „ihren Geschmack aufs Auge

Beteiligung an der Deutschen Gartenstadt-

drücken“ können und Architektur nur noch in

bewegung (Wohnsiedlung Hellerau), die für

Zusammenhang mit „spektakulären Einzelob-

die Arbeiterschaft der Deutschen Werkstätten

jekten“ verbunden wird. (Quelle 4)

in Dresden nach dem Modell der englischen „garden city“ gebaut wurde, zu erwähnen. Im

Betrachtet man nun die Formensprache der

Gegensatz zu den Häusern anderer mitwirken-

Vorstadtsiedlungen, hätten die dort stehen-

der Architekten, waren seine Häuser jedoch

den Objekte mit Häuser, als „verputze Billig-

„großbürgerlich(en)“. (Quelle 1 Seite 20-22)

kisten mit Guckloch“, nur noch die „grobe Grundform“ gemein.Zieht man nun Parallelen

Inwiefern sind Muthesius Thesen und Vorstel-

zu Muthesius Kritik am Historismus, kann man

lungen zum Thema Wohnstil heute aktuell?

auch Heute sagen, einen Stilpluralismus vor-

Nimmt man Bezug auf den Artikel „Architek-

zufinden.

ten: Auf die Barrikaden!“ von Niklas Maak scheint unsere Bauwelt „trostlos“. Niklas Maak

Viele einzelnen Gestaltungselemente werden

übt Kritik an der Lobbyarbeit und den Machtin-

aufgenommen um das Haus zu verzieren. Der

teressen der Ziegel- und Dämmstoffindustrie.

Einsatz von Säulen und Pilaster gibt Hausein-

Tatsache ist, das der „Traum von den eigenen

gänge einen repräsentativen Charakter. Stürze

vier Wänden“ von Bau- und Immobilienfir-

über Öffnungen werden mit einzelnen

„Modernes englischesLandhaus“

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Steinen und Ornamenten geschmückt. Viereckige Dachformen werden verwendet um einen exotischen Wirkung hervor zu rufen. Richtet man nun den Blick auf die verändernde Altersst ruktur und Bevölkerungsentwicklung in Deutschland, ist zu hinterfragen ob dem „klassischen Haus“ als solches allgemein noch eine große Bedeutung beigemessen werden

Von Laura Oberst Quellen und Hinweise 1 - „Die Berliner Villen“, Hermann Muthesius 2 - „Stilarchitektur und Baukunst“ ,Hermann Muthesius 3 - „Geschichte des Wohnens“ (Video), OER 4 - „Architekten: Auf die Barrikaden!“ Niklas Maak 5 - „Wohnformen der Zukunft“, urbanliving.berlin.de 6 - „Wir brauchen völlig neue Lebens- und Wohnformen“, tagesschai.de

kann. Lebensverläufe folgen nicht mehr nur festen, gesellschaftlichen Mustern. (Quelle 6) Die Gesellschaftsstrukturen bestimmen die Wohnkultur. Formen wie „Wohnen für ältere Menschen“, „Singelwohnen“, „temporäres/ studentisches Wohnen“ geben im Moment die Richtung an. (Quelle 5) Muthesius Vorstellungen von einem Wohnhaustyp, der auf das gesellige Familienleben ausgerichtet ist, scheint auch heute nicht mehr zeitgemäß.

„Moderne WohnhausArchitektur“

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Eine Metropole blutet aus

Mit einem Blick auf den aktuellen Wohnungsmarkt in der Großmetropole Hamburg, fallen schnell einige Dinge auf, die sehr gravierend für die Stadtentwicklung und damit auch für die Bewohner im städtischen Raum sind. Im Laufe der Zeit wurden Wohnungen zunehmend teurer aber auch weniger, obwohl die Elbmetropole laut dem Leitbild der Hamburger Politiker „Wachsende Stadt“ heißt. Gegenüber stehen sich in der Hansestadt im Jahr 2014: 23.402 Zuzüge – 27.358 Fortzüge. Worin liegen die Gründe, die eine derartige Situation entstehen lassen? Betrachtet man diese Stadt im Allgemeinen, fällt auf, dass die Vorortsiedlungen immer größer werden und eine Architektur entsteht, die durch die Bau-Lobby geprägt wird. Die Nachfrage an Häusern aus dem „Katalog“ ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Dies zeigt sich jetzt im Gesamtbild der schnell wachsenden Wohnsiedlungen um die Ballungsgebiete. Der Architekt Reiner Nagel sprach zu Beginn des Jahres 2015 in einem Artikel der „Welt“: 22

Die Ideale Des Wohnens

„Da ist eine Entwicklung entstanden, die hochriskant geworden ist.“ Jedes Haus könnte an jedem beliebigen Ort platziert werden, um darin zu wohnen, soweit es der Bebauungsplan zulässt. So entstehen Mixsiedlungen, bei denen die unterschiedlichsten Gebäudeformen nebeneinander aufgereiht sind und kein klares Gesamtbild zu erkennen ist. Satteldächer stehen neben Flachdächern und diese wiederum neben Pultdächern oder anderen außergewöhnlichen Formen der Gebäudegestaltung. Möchte man kleinere Änderungen an seinem bestellten Kataloghaus vornehmen um etwas mehr Individualität des Eigenheimes zu erhalten, schmälern diese Kleinigkeiten sehr stark das Portemonnaie der Bauherren. So nimmt die Lobby dem Endnutzer jegliche freie Gestaltungsmöglichkeit seines Eigenheimes und stellt ihm einen aus dem Katalog eruierten „Klotz“ auf sein vorhandenes Grundstück.


Eine weitere preisgünstige Alternative der

nutzbar sind, z.B. Wohnen, Arbeiten und Le-

Stadt den Rücken zu kehren, ist der Einzug

ben im selben Gebäude. Dabei wird mehr

in ein Reihenhaus im Neubaugebiet. Gleich

Wert auf das Luxussegment gelegt, als auf be-

gerasterte Fassadengestaltung mit strenger

zahlbaren Wohnraum für Durchschnittsverdie-

Vorgabe der Eingangsbereiche, Anordnung

ner und Familien.

der Fenster und Türen, sowie hinter dem Haus liegender Gartenflächen. Hier wird durch den

Am Beispiel von „Big One“, einem alten Welt-

direkten Kontakt zu den Nachbarn die Pri-

kriegsbunker in der Wielandstraße / Hamburg,

vatsphäre des einzelnen stark eingeschränkt.

zeigt sich der Umbau ausgedienter Gebäude

Reihenhäuser im Randgebiet bieten keinen

zum Premiumwohnraum. Errichtet wurde ein

großen Unterschied zur Steigerung des Wohl-

achtstöckiges Luxusdomizil mit Blick über

fühlcharakters als es in Mehrfamilienhäusern

Hamburg auf den Mauern des Bunkers, die als

der Großstadt gegeben ist.

tragendes Fundament dienen. Das Schmuckstück zeichnet sich durch hochwertige sowie

Im Gegensatz zu den Stadtrandsiedlungen

exklusive Ausstattung, echter Maßarbeit und

wird in den Metropolstädten auf die Priorität

durchdachte Grundrisstypen aus.

gesetzt: Historisches Stadtbild erhalten und das marode Innere im Kern zu modernisieren.

Die Anforderungen an die Architektur wie

Zusätzlich werden durch die Architekten neue

heute hatte man schon im Jahre 1902, im Text

Wohnformen entwickelt, die multifunktional

„Stilarchitektur und Baukunst“ (Ausschnitt S.

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Die Ideale Des Wohnens

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64-67), von Hermann Muthesius,

Eigenheim entpuppt sich dann aber, als Besitz

lassen sich die damaligen Gedanken nachvoll-

eines kleinen Grundstücks mit mickriger Gar-

ziehen. Schon zum Anfang des 20 Jahrhun-

tenfläche um ein Einfamilienhaus in einer Sied-

derts war der Drang, in der Stadt wohnen um

lungsgegend am Rande einer Großstadt. „Wir

dort zu arbeiten, aber auch gleichzeitig die

erleben eine neue Suburbanisierungswelle“

Idylle der Landschaft genießen, in der sich das

und „Immer mehr Familien verwirklichen ihren

Eigenheim befindet. So entstanden die ersten

Wunsch nach Wohneigentum in der deutlich

Vorortsiedlungen mit dem Hintergedanken,

günstigeren Peripherie der Ballungszentren“

nach wie vor die Ruhe der Natur um sich zu

sagte Günter Vornholz (Professor für Immobi-

haben, jedoch der Weg zur Arbeitsstätte nicht

lienökonomie an der EBZ Business School in

allzu weit ist.

Bochum) zu Beginn des Jahres 2015 im Artikel „Warum Familien wieder an den Stadtrand

Diese Sichtweise spiegelt sich auch heute

ziehen“ von Richard Haimann der „Welt“.

noch in den Interessen vieler Stadtbewohner, die im Zentrum arbeiten möchten aber nicht

Wie schon die Charta von Athen aus dem Jah-

direkt dort wohnen können. Sie begeben sich

re 1933 besagte: „Die Architektur muss sich

Tag für Tag auf die Reise von ihrem Eigenheim

dem Individuum zuwenden und für dessen

in Richtung der Innenstadt und nach einem

Glück die Einrichtungen schaffen. Wer könn-

stressigen Arbeitstag wieder zurück in ihre Vor-

te diese Aufgabe zum Gelingen führen, wenn

stadtsiedlung, dies aufgrund der überhöhten

nicht der Architekt, der die vollkommenste

Mietpreise in der Metropole. Das neu erbaute

Kenntnis vom Menschen besitzt“. Dies ist nun

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Die Ideale Des Wohnens


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die Hürde der zukünftigen Architektur den Spagat zwischen altem Glanz und neuer Qualität zu meistern. Die Städte der Zukunft sollen ihren Bewohnern eine Vielfalt an Möglichkeiten bieten, damit eine Flucht aufs Land durch steigende Mieten und mangelnder Wohnungen der Vergangenheit angehören. Jedoch muss man aktuell von einem Stilpluralismus sprechen, der keine klare Handschrift an Form und Gestalt erkennen lässt. Es wird nur noch mit einfachsten Mitteln gebaut, ohne

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Von Dominik Kühleis Quellen und Hinweise: Titelbild: „Hamburger Stadtbild“ „Architekten: Auf die Barrikaden!“ , Niklas Maak „Stilarchitektur und Baukunst“ ,Hermann Muthesius „Charta von Athen“ 1933 „Warum Familien wieder an den Stadtrand ziehen“, Richard Haimann (www.welt.de/finanzen) „Warum müssen wir das Wohnen immer neu erfinden?“ Rainer Haubich (www.welt.de/debatte) „Metropolen leiden unter der neuen Stadtflucht“ Richard Haimann (www.welt.de/finanzen) www.bunker-wielandstrasse.de IBH-Immobilienbüro Hamburg GmbH

auf Besonderheiten zu achten, die einen gewissen persönlichen Stil über ein Gebäude ausdrücken könnten.

Die Ideale Des Wohnens

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W arum H äuser

sehen alle gleich aus ?

Im Großen und Ganzen ist ein Wohnhaus

sen und somit auch die Architektur. Vor allem

vom nächsten kaum zu unterscheiden. Durch

bei Wohnhäusern sind Symbole, die sich in

Symbole, Dekorationen und Verzierungen

Dekorationen äußern, häufig vorzufinden.

versucht man, sein Haus vom Nachbar abzu-

Auch Fertighausunternehmen entwerfen ihre

grenzen. Doch ist das die Lösung zum indivi-

Häuser nach diesen Kriterien.

duellen Eigenheim? Anhaltspunkte, oder wie Venturi es ausdrückt “Koordinatenpunkte”, sind wichtig um den Eine neue Stadt, ein neues Umfeld und neue

Raum optisch zu gliedern. In Wohngebieten

Wege. Jeder Ort ist anders, dennoch gelingt

sind für den Raumeindruck, neben der Aus-

es Reisenden schon nach kurzer Zeit sich in ei-

richtung der Häuser zur Straße hin, die parken-

ner unbekannten Stadt zurecht zu finden. “Der

den Autos, Zäune, Lampen, Briefkästen oder

städtische Raum (...) ist nur durch die Orien-

die Blumen im Garten mindestens genauso

tierung an singulären Punkten im Raum, an

wichtig. So rücken zum Beispiel die Blumen-

bestimmten Mustern in der Fläche wiederer-

kästen vor den Fenstern mehr ins Bewusstsein

kennbar.” (Quelle 1 Seite 99)

als das Haus als Volumen selbst. Sollte man dieses Haus beschreiben würde jeder intuitiv

Robert Venturi, erklärt in seinem Text “Lernen

auf die üppigen Blumen hindeuten. Niemand

von Las Vegas” von 1972, wie uns Symbole

würde es als dreistöckiges Haus von ca. 10m

und Zeichen in der Wahrnehmung beeinflus-

Länge mit Satteldach beschreiben. “Gleich-

26

Die Ideale Des Wohnens


wohl sind diese räumlichen Charkteristika von

Architektur entsprechen, stimmt jeder, der

Form, Position und Ausrichtung sekundär ge-

Wert auf Gestaltung legt, zu. Doch das da-

genüber ihrer symbolischen Funktion.” (Quel-

durch, wenn auch nur vordergründig, Vielfalt

le 1 Seite 100) Das Symbol ist bedeutender als

entsteht lässt sich nicht verleugnen. Würde

das Volumen. Oder wie Venturi es ausdrückt:

man alle ausschmückende Elemente entfer-

das “Symbol-im-Raum” dominiert die “Form-

nen, würde sich ein Ort mit fast identischen

im-Raum”.

Häuser präsentieren. Ein wichtiger Grund, warum vor allem Wohnhäuser im Großen und

Durch diesen Effekt ist es einfach, Häuser in-

Ganzen betrachtet oft gleich aussehen liegt in

dividuell wirken zu lassen. Und gerade diese

der Einfachheit. Venturi nennt dies “alltägliche

Individualität wünscht sich ein Hausbesitzer.

Architektur” (Quelle 1 Seite 102).

Doch gerade das Eigenständige in der Architektur wird immer seltener. Ein Haustyp, wie zum Beispiel das “Ranch-Haus” ist vom Aufbau meist gleich. Eine bewährte Form wird hundertfach vervielfältigt. Anstatt sich durch eine andere Formensprache

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zu unterscheiden, wird einem Haus durch Dekoration einen vermeindlich eigenen Charakter verpasst. Doch auch dabei bedient man sich vielerorts statt Kreativität an schon vorhandenen Schmuckformen. Ein Baustil, wie zum Beispiel der französische Landstil, der

„Fertighaus“

mediterane oder skandinavische Baustil, wird kopiert. Die charakteristischen Merkmale wer-

Der Bauherr will oft ein schnelles und preis-

den aufgegriffen. Heraus kommt ein Stilplura-

wertes Ergebnis. Deshalb werden für den Bau

lismus.

die gänigen und bewährten Materialien und Techniken verwendet. Um neue Lösungsansät-

Dekoration als Architektur?

ze zu entwickeln fehlt das Geld und die Zeit. Niklas Maak behauptet provozierend, es entstehen dadurch nur noch “verputzte Billigst-

Schon 1966 entfachte Venturi eine Dabatte

kisten mit Gucklöchern”. (Quelle 4)

um die Notwendigkeit an Verzierungen, mit seiner Aussage “Less is a bore”.

Besser bekannt unter dem Begriff Fertighaus.

(Quelle 2)

Gerade in den letzten Jahren gab es ein starken Anstieg an Wohnhauser die in Fertigbauwei-

Dass vor allem bei Wohnhäusern dekorative

se errichtet wurden. Deutschlandweit bauten

Symbole oft nicht der Vorstellung moderner

2014 über 16% der Häuslesbauer ihr Haus in Die Ideale Des Wohnens

27


Fertigbauweise. In Baden-Württemberg liegt

vor Augen. Entwirft der Architekt also eine

der Anteil sogar bei 27%. Und damit sind nur

Fensterfassade, ist er von einer allgemeinen

die Häuser in Leichtbauweise, meistens Holz-

Vorstellung, wie ein Fenster auszusehen hat,

ständerkonstruktion, berücksichtigt. Die Mas-

beeinflusst. Es gilt aber sich davon zu lösen,

sivhäuser aus dem Katalog müssten eigentlich

und nur die Aufgaben, die das Fenster erfüllen

auch noch dazugezählt werden. Die Baulobby

soll zu beachten. Also die Funktion des Lichteinfalls, der Schutz des Innenraums vor Nässe, Feuchtigkeit, Wind und Zugluft zu ermöglichen. Wir sind nicht frei von Erinnerungen an die uns vertraute und gesehene Typologien. Doch das soll nicht heißen, dass es nicht möglich ist, eine

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andersartige Architektur zu entwerfen. Wir sollten nicht nur das Gewohnte nachbauen. Das würde zu einer Stagnation der Weiterentwicklung führen. Und gerade die moderne Architektur sollte das Bestreben haben, sich von der vorhandenen Formensprache zu lösen. Nach Alan Colquhoun ist dies auch möglich. Wenn wir glauben “frei von Erinne-

gibt Beispielhäuser vor, die dann Europaweit

rungen an die Formen der Vergangenheit (zu

gebaut werden. Und selbst diese Beisbielhäu-

sein, können wir) darauf verzichten”. (Quelle

ser machen vorhandene Haustypen nur nach.

1 Seite 106) Dennoch sollten Einflüsse nicht

Alpenländischer Baustil, das Landhaus oder

ganz ausgeblendet werden. André Vladimir

sogar das Haus im Stil einer Villa. Die Antwort

Heiz schreibt, dass beim Entwurfsprozess, das

auf die Frage, warum es scheinbar so schwer

Sammel von Referenzprojekten wichtig zur

ist sich von einer vorhandenen Formenspra-

Ideenfindung ist, “Das Schauen und Erkennen

che zu lösen, hängt noch mit einem anderen

schaffen Klarheit” (Quelle 3), das anschließen-

Phänomen zusammen. Venturi veranschaulicht

de herrausfiltern der wesentlichen Elemente

dies in der folgenden Erklärung. Möchte ein

ist ausschlaggebend.

Architekt die Fenster eines Gebäudes planen, kommen ihm sofort Erinnerungen ins Gedäch-

Ein Fenster muss nicht komplett neu erfunden

nis von Fenster verschiedener Häuser, die er

werden, es genügen oft schon kleine Abwei-

schon gesehn hat. Jeder hat wahrscheinlich

chungen um ein neues Erscheinungsbild einer

das typische Aussehen eines simplen recht-

Fassade zu erzeugen. So würde sich in einer

eckigen Fensters einer Lochfassade als Bild

Wohnsiedlung, nur durch jeweils anderst pro-

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Die Ideale Des Wohnens


portionierter Fenster und einer variablen An-

gen dazu bei, die Form zu entwickeln. Und

ordnung an der Fassade, individuelle Häuser

somit müsste nicht die Dekoration als Symbol

präsentieren. Man könnte behaupten, dass

dienen. Ziel wäre es viel mehr die Architektur

der Normalbürger eigentlich gar kein anderes

selbst zum Symbol zu machen.

Haus möchte. Doch Niklas Maak sagt “Es ist falsch, den angeblich fehlenden Geschmack

Symbole sind prägnant und haben einen ho-

der Vorstadtbewohner zu beklagen”.

hen Wiedererkennungswert. Die einfachste

(Quelle 4)

Art eines Symbolcharakters sind beim Eigenheim, Dekor-Elemente, denn die Fertighaus

Grund für die vorgegebenen Fertighäuser ist

Industrie bietet sonst wenig Spielraum. Trotz

die Baulobby, die dem Bauherr keine Alterna-

der vorgetäuschten Individualität, sehen alle

tiven zu Verfügung stellt. Wie soll es dem Bau-

Häuser gleich aus. Nur wenn Einfamilienwohn-

herr möglich sein, ein eigenständiges Haus zu

häuser auch als Architekturgebäude geplant

bauen, wenn ihm keine anderen Möglichkei-

werden, ist ein Ausblick in die wahre Induvidu-

ten geboten werden.

alität möglich.

Nur wer sein Haus von einem Architekten planen lässt, hat einen größeren Handlungsspielraum. Der Architekt kann auf die konkreten Bedürfnisse eingehen. “Die Form soll sich aus der Funktion, der Struktur und der gewählten Kontruktionsmethode ableiten lassen”. (Quelle 1 Seite 107) Plant man nach diesem Leitsatz, gibt es nicht ein vorgegebenes Volumen, das mit Funktio-

Von Maria Keilbach Quellen und Hinweise: 1 - „Lernen von Las Vegas“, Robert Venturi, Denise Scott Brown, Sreve Izenour 2 - „Complexity an Contradiction in Architecture“, Robert Venturi 3 - „Der klassische Fall“, Andre Vladimir Heiz 4 - „Architekten: Auf die Barrikaden!“, Niklas Maak 5 - www.presseportal.de (Stand 01/2016)

nen befüllt wird, sondern die Funktionen tra-

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historischer

U mgang mit B ausubstanz

Im Umgang mit historischer Baustubstanz bie-

„Architektur ist Kultur und Identität. Und

tet sich einem Architekten eine Vielzahl von

diese Identität, die auch die Vergangenheit

Fragen und Vorgehensmöglichkeiten: Soll der

einschließt, muss sich in der Architektur ma-

Bestand als äußerst wertvoll betrachtet wer-

nifestieren. Dadurch schafft man Unverwech-

den? Soll das Hauptaugenmerk auf die Ver-

selbarkeit. Bei uns fehlen oft das Bewusstsein

bindung zwischen alt und neu gelegt werden?

für Identität und die Auseinandersetzung mit

Oder soll an jenem Platz, wo dort ein prägen-

Geschichte und Baukultur.“

des Gebäude steht, Platz für ein völlig neues geschaffen werden?

- Marion Wicher-Scherübel „Kleine Zeitung“, Steiermark


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Eigenschaften

eines

Baustils

Historischer und Moderner Baustil und deren Kombination Gottfried Semper - ein bekannter, deutscher

mung einer Kunsterscheinung mit ihrer Entste-

Architekt und Kunsttheoretiker des 19. Jahr-

hungsgeschichte, mit allen Vorbedingungen

hunderts, der heute als Mitbegründer der mo-

und Umständen ihres Werdens“1. Bei der Ent-

dernen Theaterarchitektur gilt. Außerdem war

stehung eines Baustils spielen verschiedene

er ein wichtiger Vertreter der Neorenaissance

Faktoren eine wichtige Rolle, insbesondere

im Historismus. Somit war er bekannt dafür,

technische Kenntnisse, Werkzeuge und Ma-

dass er bei seiner Architektur gerne ältere Stil-

terialität, beziehungsweise der Stoff, der die

richtungen nachahmte und auf Formen der

Kunst in seinem Erscheinen reflektiert. Hin-

Renaissance zurückgriff. Eines seiner berühm-

zu kommt der Schmuck, den Gottfried Sem-

testen Beispiele im Stil der Neorenaissance,

per als „ersten Schritt zur Kunst“ beschreibt.

bei dem er aber auch barocke Elemente ver-

Er soll Ausdruck verleihen und Individualität

wendete, ist die von 1871-1878, nach einem

schaffen.

Brand wiederaufgebaute, würdevoll und festlich erscheinende „Semperoper“ in Dresden.

Der wichtigste Faktor ist allerdings der Mensch selbst mit all seinem Wissen, seiner Macht und

In seinem um 1869 veröffentlichen Buch „Klei-

seinem Verstand, denn ohne den freien Men-

ne Schriften“ gab er sein architekturtheore-

schen wären alle weiteren Faktoren nichtig.

tisches Wissen Preis. Er verfasste unterande-

Der Mensch ist somit die Grundvorrausetzung

rem den Artikel „Über Baustile“, in dem er

für die Entstehung eines Baustils. Semper be-

beschreibt, wie ein Baustil aus seiner Sicht

schreibt die Architektur als einen räumlichen

zu Stande kommt und welche Faktoren da-

Abdruck des sozialen Lebens des Menschen.

bei eine wichtige Rolle spielen. So definiert Gottfried Semper „Stil“ als eine „Übereinstim-

32

Umgang mit Hist. Bausubstanz

Jedoch wurde zur Zeit von Gottfried Semper


auf andere Faktoren Schwerpunkte gesetzt.

nicht nur den prunkvollen Innenraum, sondern

Somit war auch die Ästhetik damals eine an-

auch die Fassade der Oper. Besonders beein-

dere, als es heute der Fall ist.

drucken sind auch die aufwändigen Wandgemälde im Inneren.

Früher spielten der Schmuck und das Ornament eine bedeutende und herausragende Rolle. Darauf wurde besonders viel Wert gelegt, da es Individualität verlieh und Gebäude zu etwas Besonderem machte. Die Äs-

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thetik stand demnach in den meisten Fällen im Vordergrund. Die Wahl des zu verwendeten Stoffes und dessen Aussehen war ebenfalls sehr bedeutend beim Bau eines Gebäudes, je-

„Semperoper Innenraum“

doch hatte man sich zu dieser Zeit noch nicht allzu viele Gedanken über die Eigenschaften eines Stoffes gemacht, da man damals einen

Das Ziel heute hingegen ist, nicht nur mit Äs-

anderen technischen Wissensstand hatte als

thetik, sondern viel mehr mit Funktionalität

heute. Ob dieser Stoff nun gute wärmedäm-

und Qualität eines Baus zu überzeugen. Die

mende Eigenschaften hatte oder nicht, war

technischen Kenntnisse und die Materiali-

eher nebensächlich. Die Hauptsache war, dass

tät stehen heutzutage meist im Vordergrund.

es einem Gebäude nicht an Ausdruck und In-

Auch auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes

dividualität mangelte.

wird besonders viel Wert gelegt. Somit ist es wichtig, bei der Auswahl der Stoffe, auf nach-

So setzte Gottfried Semper auch beim Entwurf

wachsende und recyclingfähige Materialien zu

der Semperoper, dem heutigen Wahrzeichen

achten und die natürliche Umgebung zu scho-

der Landeshauptstadt Dresden, Schwerpunk-

nen. Das Ornament stellt keine funktionelle

te auf Schmuck und Ornamentik. Das Ge-

Notwenigkeit dar, ferner werden Schmuck und

bäude, das sich damals noch „Königliches

Ornamentik bewusst abgelehnt und sind nur

Hoftheater“ nannte, wurde 1869 bei einem

noch selten zu finden. Nüchtern und schlicht

Großbrand vollständig zerstört. Nach dem

sind infolgedessen häufig die Fassaden und

Wiederaufbau erlitt es im zweiten Weltkrieg

Innenräume vieler Gebäude gestaltet. Die Äs-

1945 durch einen Luftangriff erneut schwere

thetik ist somit – unteranderem auf Grund des

Schäden. Jedoch scheute man sich nicht vor

technischen Wissenstandes – heute eine ganz

einem zweiten Wiederaufbau der Sempe-

andere.

roper. Dass es diesem Opernhaus heute an Prunk fehlt, kann man sicherlich nicht behaup-

Beim Bauen im Bestand stehen immer der

ten. Reichlich Stuck, Marmorsäulen, Figuren

behutsame Umgang und der Erhalt alter Bau-

und prächtige Goldverzierungen schmücken

substanzen im Zusammenspiel mit NeubauUmgang mit Hist. Bausubstanz

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maßnahmen im Fokus. Die Ornamentik, der Schmuck und die historische Bausubstanz lassen sich mit dem heutigen Wissen über Baustoffe und der fortgeschrittenen Technik verbinden und kombinieren.

aufweisen, ergänzt und kombiniert. Rem Koolhaas beweist mit seinem Projekt „Fondazione Prada“, dass die historische Bausubstanz durchaus Qualität haben und als Grundlage für heutiges Bauen dienen kann.

Bei Rem Koolhaas‘ „Fondazione Prada“ in Mailand, das sich aktuell noch in der Fertigstellung befindet, wird historische Bausubstanz einer alten Schnapsbrennerei von 1910

Von Alina Koplin

mit neuen, modernen Baukörpern kombiniert.

Quellen und Hinweise: Zitat 1: Gottfried Semper, Kleine Schriften S. 402, 1869

Eine Galerie für Ausstellungen der Kunststif-

„Kleine Schriften“, Gottfried Semper“

tung „Fondazione Prada“ entsteht. Beim Bau der alten Destillerie wurde damals viel Wert auf besondere Details gelegt. So wurden die Fassaden durch Verzierungen an den Fenstern und zahlreiche Versprünge und Texturen geprägt. Eine Besonderheit ist ein mit Blattgold überzogener Turm auf dem Gelände. Die historische Bausubstanz der Schnapsbrennerei wird teilweise verändert und optimal mit modernen schlichten Baukörpern, die unteranderem eine glatte, nüchterne Fassade, große Glasfläche und schwere Stahlträger

unten: „Fondazione Prada“

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Ist

es wertvoll die historische Bausubstanz zu erhalten?

Um mit historischer Bausubstanz umzugehen

Bausubstanz sei. Um dies zu beantworten soll

gibt es generell zwei verschiedene Pole. Bei

der Text „Stadt ohne Eigenschaften“ vom

verschiedenen historischen Stadtzentren wird,

niederländischen Architekten und Autor des

sowohl bei Restaurierungen als auch bei Neu-

Manifests S, M, L, XL (1995) Rem Koolhaas zu

bauten, von einer traditionellen Bauweise Ge-

Hilfe gezogen werden.

brauch gemacht. Ein typisches Vorbild dieser Formensprache ist in der französischen Stadt

Für Koolhaas ist eine Stadt mit Eigenschaften

Paris zu sehen. Diesem Umgang steht die

eine Stadt mit Identität. Diese Identität wird

Stadt London gegenüber, deren Grundgedan-

durch physische Substanz, Geschichtliches,

ke nicht das Bild eines Gesamtkunstwerks ist,

Kontext und Realität bestimmt. Eine Stadt mit

sondern das „Ende der historischen Stadt“1.

Eigenschaften kennt unterscheidbare Orte und besitzt Prägnanz, Präsenz und Bedeutung. Denkmale sind nun eben deshalb Denkmale,

„Paris könnte nicht noch „parisischer“ wer-

weil sie für die Öffentlichkeit eine wichtige

den – es ist bereits auf dem Weg zu einem

geschichtliche Relevanz und einen Informa-

Hyper-Paris, einer auf Hochglanz polierten Ka-

tionsgehalt besitzen. Historisch bedeutsame

rikatur. Es gibt Ausnahmen: London, dessen

Bauwerke stellen, laut dem französischen Eth-

einzige Identität im Fehlen einer klaren Iden-

nologen und Anthropologen Marc Augé, im-

tität liegt.“

mer Orte da, die durch Identität, Relation und

1

Geschichte gekennzeichnet sind. Der Kontrast zwischen den historischen Zentren von Paris und London ist so groß, dass die Frage aufkommen könnte, was nun der richtige Weg in Sachen Umgang mit historischer Umgang mit Hist. Bausubstanz

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Architekt eingeführt. Koolhaas spielt auf die Vergleichbarkeit der heutigen identitätslosen Stadt mit einem modernen Flughafen an. Sie ist überall

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gleich und nicht mehr ortsbezogen. In dieser Entwicklung sieht er jedoch auch Vorteile. Die Stadt ohne Eigenschaften zeichnet sich durch ihre Dynamik und Offenheit aus. Ebenso spiegelt sie die gegenwär-

Nassauer Turm, Nürnberg Durch das Wachstum der Menschheit sieht Koolhaas die Stadt mit Eigenschaften als gefährdet. Er weist darauf hin, dass die Menschenmassen von heute die alte Substanz, die Identität, unweigerlich sprengen und aufbrauchen. Aber ist dies eine schlechte Entwicklung? Rem Koolhaas definiert eine Stadt mit Eigenschaften als eine unbewegliche Stadt, die sich einseitig festlegt. „Je stärker die Identität, umso mehr schürt sie ein, umso heftiger stemmt sie sich gegen Erweiterung, Interpretation, Erneuerung oder Widerspruch.“1

tigen Bedürfnisse und Fähigkeiten ihrer Bewohner wider. Sie ist eine Stadt ohne Geschichte, bietet jedoch jedem Individuum genügend Platz, ist unkompliziert und bedarf keiner Instandhaltung. „Wird sie zu klein, dann expandiert sie einfach. Wird sie zu alt, dann zerstört sie sich, um wieder bei Null anzufangen.“ 1 Die Stadt ohne Eigenschaften kann überall gleich aufregend oder gleich langweilig sein. Sie ist oberflächlich und verzichtet auf das Funktionslose. Für Marc Augé ist die Stadt ohne Eigenschaften ein archetypischer Raum des modernen

Ist es also wirklich von Vorteil für unsere heutige Zeit die historischen Bauwerke weiter zu erhalten, da sie uns doch laut Rem Koolhaas viel zu sehr einengen und vielleicht ohnehin

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schon gar nicht mehr wirklich existieren? „Die eigenschaftslose Stadt ist die Stadt, die […] der Zwangsjacke der Identität, entkommen ist.“1 Den Ausdruck „Stadt ohne Eigenschaften“ oder „Generic City“ hat der niederländische 36

Umgang mit Hist. Bausubstanz

Nextower, Frankfurt Reisenden und Konsumenten. Die Stadt ist ein „Nicht-Ort“2, welcher aus der Schnellig-


keit und Flüchtigkeit des dynamischen Lebens

halten und in Kombination bzw. Erweiterung

geboren wird und welchen man nicht mehr an

durch einen neuen Teil die flexiblen und tech-

nur einem Standpunkt vorfinden kann, son-

nischen Anforderungen erfüllen .

dern er zu einem autonomen, ortsindifferenten System der Mobilität wird. Obwohl Rem Koolhaas dieses Manifest vor mehr als zwanzig Jahren verfasst hat, ist es heute genauso aktuell wie damals. Die heutige mo-

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derne Welt verlangt eine flexible, technisch moderne Stadt, in der jeder Bewohner seine eigene Individualität frei entfalten kann. Jedoch ist es auch wichtig die Vergangenheit einer Stadt zu wahren und die historischen

Milstein Hall Cornell University, New York,

Bauwerke zu schützen. Gerade hier in Europa ist der historische Kern bei vielen Städten

Wird diese Technik angewandt, kann Rem

nicht wegzudenken. Beide Varianten haben

Koolhaas´ Kritik am heutigen Städtebau ent-

ihre Vor- und Nachteile. Warum also verknüpft

kräftet werden bzw. seinem dahingehenden

man nicht beide Möglichkeiten miteinander?

Abschlussgedanken gerecht werden:

„Identität, begriffen als diese Form von Teilha-

„Der angeblich „wichtigste Bereich der Stadt“

be an der Vergangenheit, ist eine überlebte,

soll paradoxerweise der älteste und der neus-

unhaltbare Vorstellung.“1

te sein, der berechenbarste und das dynamischste, und zwar gleichzeitig.“1

Die Identität hat ein Verfallsdatum. Warum also baut man nicht auf der historischen Bausubstanz auf, entwickelt sie weiter und erhält somit ein neues Gesicht für die Stadt. Durch diese Verknüpfung von Alt und Neu in einem Bauwerk würden sich die Vor- und Nachteile aufwiegen. Prof. Thomas Will, Architekt und Denkmalpfleger, sieht es als unbestritten an, dass die historische Bausubstanz zwangsläufig

Von Marina Hochban Quellen und Hinweise: Zitat 1: Rem Koolhaas: Die Stadt ohne Eigenschaften Zitat 2: Augé, Marc: Orte und Nicht-Orte. „Unbrauchbare Reste, brauchbare Erinnerungen?“, Thomas Will „Hic et nunc“, Tomáš Valena

über die Jahre ihre gesellschaftlichen Funktionen einbüßt und somit die vorhandene Architektur für andere Zwecke zur Verfügung steht. Ein Gebäude könnte so den Charme und die Identität der historischen Substanz beibeUmgang mit Hist. Bausubstanz

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Fondazione Prada „Koolhaas spricht Prada“1 Die Fondazione Prada – eine Kunststiftung,

Doch wie soll er nun mit der Bestandssubstanz

ständig begleitet von einer Konnotation der

umgehen? Sie als wertvoll betrachten, als stil-

Extravaganz, Provokationen und Diskussio-

prägenden Bestandteil des Stadtbildes? Doch

nen über die wahre Definition von Schönheit,

wie sollen sich die herausstechenden, oft edel

sich abhebend von der Menge. Im Gegensatz

anmutenden Züge der Fondazione äußern?

dazu der Süden Mailands, ein Gebiet, wo In-

Soll er stattdessen den geschichtstüchtigen

dustriebauten, alte Bahnhöfe und triste Wohn-

Bestandskomplex abbrechen, um Platz für ein,

blocks das vermeintlich langweilige Stadtbild

in gerade solch einer Umgebung, aussage-

prägen. Nahezu klischeehaft ist es dort für

kräftiges Areal zu schaffen?

Künstler, alte Firmengelände zur Galeriefläche umzunutzen, angelockt von der Schlichtheit

Durch genaue Studien und Beobachtungen

solch typisch einfacher Räumlichkeiten.

sowohl der Destillerie, als auch der Überzeugungen Pradas und deren Kunst, verschafft

Können diese zwei völlig unterschiedlich wir-

sich Koolhaas genaue Vorstellungen über

kenden Welten vereinbar sein? Der berühmte

seinen Entwurf. „Die Fondazione ist kein Be-

Architekt Rem Koolhaas nahm sich dieser Her-

standsschutz-Objekt, aber auch keine neue

ausforderung an, in gerade dieser Umgebung,

Architektur. Zwei sonst getrennte Typologi-

einer über 100 Jahre alten Gin-Brennerei, den

en sind hier in ständiger Interaktion zueinan-

neuen Sitz für die Organisation entstehen zu

der gesetzt.“² Diese Ansicht gibt schon eine

lassen.

erste Idee über sein Vorgehen. Durch seine

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Umgang mit Hist. Bausubstanz


Bestandsstudien trifft Koolhaas auf einen ungeahnten Reichtum an verschiedenartigen Räumen, sowohl im Inneren, als auch im Äußeren. Ihm bieten sich sieben Gebäude mit reizvollen Innenbereichen, spannenden Zwischenräumen, unterschiedlichen

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Straßen- und Wegeführungen oder inspirierenden Platzsituationen mit Feigenbäumen. Dies steht ganz im Gegensatz zu einer sonst kleinen Auswahl an Raumflächen für Künstler in Firmengebäuden.

„Kühle Kellertreppe“ Doch für den Architekten ist es trotzdem wichtig, eine neue Atmosphäre zu schaffen, eine

oder in einer kalten Höhle. Dieses Spiel mit

neue Stimmung, die perfekt auf die Kunstwer-

surrealen Welten könnte mitunter auch bezüg-

ke abgestimmt ist und diesen optimale Aus-

lich eines Turmes auftauchen, welcher durch

stellungsräume bietet.

das komplette Überziehen mit Blattgold wie verwunschen wirkt und die den meisten Künst-

An den großen Qualitäten für künstlerische

lern zu eigene Einstellung einer heutigen ver-

Räume im Bestand nimmt er gezielte Eingrif-

schwenderischen Welt aufgreift.

fe vor, um diese noch optimaler mit der Kunst zu verbinden. So fügt er hinzu, was ihm fehlt,

Diese Fassade ist die wohl prägnanteste Ver-

reißt ab, was ihm missfällt. Dadurch kommt

änderung des Komplexes, da diese bereits

es unter Anderem zu kompletten Entker-

aus der Ferne sichtbar ist. Doch laut Aussagen

nungen, um atmosphärische Raumfolgen zu

Koolhaas´ entstand diese Fassade durch eine

schaffen, wie in der südlichen Galerie. Diese

eher spontane Entscheidung, beim Versuch,

wird durch kleinteilige Räume gegliedert, wel-

der alten banalen Außenwand einen Wert zu

che nach und nach an Größe gewinnen und

geben. Kann „Wert“ durch eine äußere, gol-

in eine enorme Halle führen. Auch gelingt es

dene Erscheinung beigebracht werden? Es

ihm, symbolische Aussagekraft einzubringen,

hätte sich herausgestellt, dass diese Verklei-

wie etwa im Kellergeschoss des Kinos, in wel-

dungsmethode außerdem kostengünstiger

ches man über eine schmale Treppe gelangt.

gewesen wäre, als herkömmliche Materialien.

Die dort ausgestellten Fotografie-Kunstwerke

Würde dadurch der vermeintlich verliehene

widmen sich göttlichen Grotten und themati-

Wert nicht reduziert? Des Weiteren äußerte

sieren die nachgeahmte Natur. Durch den mit

sich Koolhaas, die goldene Farbe werte die

kühlem Neonlicht, komplett abgedunkelten

Wände der Umgebung auf, welche ein biss-

Raum fühlt man sich wohl wie in einem Fo-

chen Farbe vertragen hätte. Doch erfährt sie

toentwicklungslabor,

dadurch nicht auf eine bestimmte Weise eine Umgang mit Hist. Bausubstanz

39


Abwertung, durch eine gewisse Ausstrahlung

ohne zusätzlich einen Sockel installieren zu

von Arroganz und Überlegenheit?

müssen, womit die sonst starre Wirkung aufgelöst wird und eine förmliche Bewegungsfreiheit der Ausstellungsstücke entsteht. Auf den ersten Blick mögen diese unterschiedlichst kreierten, aus dem Inneren heraus entwickelten

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Räumlichkeiten chaotisch und unübersichtlich wirken, die veränderten Bestandsgebäude abgegrenzt vom neu Eingefügten. Einerseits fügt Koolhaas diese geschickt durch besondere Elemente zusammen und

„Scheinendes Gold“

baut so ein faszinierendes Spannungsverhältnis auf. Etwa durch einen ausragenden Riegel

Doch auch große Bedachtheit seiner Ände-

über dem Podium schafft er eine Verbindung

rungen zeigt sich, wie bei der ehemaligen Zis-

zwischen Altem und Neuem, durch ein flaches

terne der Brennerei. Diese besteht aus „drei

Podest betont er die horizontale Wirkung und

[…] hermetisch geschlossenen Raumvolumina

schafft so eine Verknüpfung zum angelegten

von beeindruckender Höhe“, welchen er le-

großen, zentralen Hof. Auch dieser soll die

diglich jeweils ein Fenster und einen nach in-

Einzelbauten zusammenbringen und wird

nen ragenden Balkon zufügt. So entsteht dort

wiederum ergänzt durch bestehende Wege

eine Raumatmosphäre mit einer nahezu „aura-

und Höfe, womit aufregende Wegführungen

tischen Kraft“³.

und Zwischenräume betont werden. Die belassenen Grundstücksmauern grenzen den

Eine weitere markante Veränderung des Be-

Komplex ein und die Wirkung einer eigenen

standskomplexes geschah durch die Verdich-

kleinen Stadt entsteht. Doch andererseits ist

tung des Areals, durch das Einfügen dreier

diese Wirkung durchaus beabsichtigt und Teil

Neubauten: Des Podiums, welches sich als

des Entwurfsgedankens. Denn es wird nicht

transparente Ausstellungshalle zeigt, des Ki-

mit den typischen Kontrasten der gemeinen

nos, als Black-Box auftretend und eines wei-

Kunstszene gespielt, wie etwa der schlichten

teren Turmes, der in seinen neun Geschossen

weißen Wand, zu welcher die dazu wirkenden

weitere vielfältige Ausstellungsräume bieten

Kunstwerke im Kontrast stehen. Stattdessen

wird. Auch hier stellen sich die Innen-, als auch

setzt er viele Variablen ein, die sich gegen-

Außenräume als hochgradig individuell dar,

überstehen. So etwa offen und geschlossen,

durch die im Vordergrund stehenden Kunst-

hell und dunkel, breit und schmal, horizontal

objekte. Das Podium beispielsweise besitzt

und vertikal oder neu und alt. Durch diese wie-

einen Boden mit unterschiedlich hoch ver-

derholt interagierenden Elemente verbleibt

setzten Travertin-Platten. Diese ermöglichen

die Gesamterscheinung nicht in einem starren

es, dort beispielsweise Statuen auszustellen,

Bild. Der Pritzker-Preisträger erzeugt einen na-

40


hezu nahtlosen Übergang zwischen Alt- und

einer Stadt ohne einheitlichem Stil die Rede

Neubau und es fällt schwer, den Bestand so-

ist, in der Stil an historischer Bausubstanz haf-

fort wahrzunehmen. Er schafft eine Verschmel-

tet, sind die Aussagen direkt vergleichbar mit

zung von Architektur und Kunst, wodurch bei

der Fondazione Prada und der ehemaligen

de voneinander profitieren können.

„Società Italiana Spiriti“, welche den Stil des Stadtviertels eindeutig prägte. Koolhaas betrachtet den Bestand nicht als zu wertvoll, um dort Eingriffe vorzunehmen. Im Gegenteil: Er bringt die individuellen Anforderungen der

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einzelnen Bauteile in den Vordergrund und sorgt so dafür, dass kein einheitlicher Stil mehr vorhanden ist. Er gibt den Altbauten einen neuen – speziellen Ausdruck an Stil – ganz im Stile der Fondazione Prada.

Podiumsaustellung „Serial Classic“, OMA Die Architektur selbst wird also zu einer Art eigener Sammlung architektonischer Räume, zu einer eigenen „Kunststadt“4, mit vielen individuellen Bestandteilen, ohne einheitliche Fassaden, Konstruktionen oder Ornamenten. Der Ausdruck der einzelnen Baukörper steht im Fokus – das heißt, keine gemeinsamen Eigenschaften sind sichtbar. Lässt sich das vereinen, mit seiner Meinung über Städte in seinem Text „Stadt ohne Eigenschaften“5? Da dort von

Von Denise Sigert Quellen und Hinweise: Zitat 1: Shaw, Catherine: Koolhaas Talks Prada Zitat 3,4: Sebastian Radecke: Fondazione Prada Zitat 5: Rem Koolhaas: Stadt ohne Eigenschaften „Koolhaas Talks Prada“, Catherine Shaw „Fondazione Prada in Mailand - Agora der Künste“, Sebastian Radecke, Bauwelt 25.2015 „Stadt ohne Eigenschaften“, Rem Koolhaas

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D i g i t a l e P r o z e ss e Die Welt der Architektur befindet sich ste-

bekräftigte die Anhänger der Moderne in

tig im Wandel. Während digitale Prozesse

Ihrem Leitspruch „form follows function“,

in nahezu jedem Bereich unseres Lebens

gab jedoch zu bedenken, dass Sie sich durch

bereits fest verwurzelt sind, revolutionieren

die angewandten geometrischen Abstrak-

sie auch die Architektur. Die Forderungen

tionen, wie rechte Winkel oder der Kreis,

der Moderne auf geometrische Abstrak-

einer menschlichen Definition behelfen. Die

tion zugunsten industrieller Vorfertigung

reine Abstraktion aber sei in der Natur, de-

zurückzugreifen, scheint angesichts der

ren Erzeugnisse durch die reine Funktion

modernen, computerbasierenden Herstel-

bestimmt sei, zu suchen. Auch wenn wir in

lungstechniken an Gültigkeit zu verlieren.

naher Zukunft nicht den Komplexitätsgrad

Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahr-

der Natur erreichen werden, befinden wir

hunderts

uns diesem Ideal näher als zuvor. Doch stellt

Hugo

forderte

Häring

eine

der

Architekt

sich die Frage, ob diese Tatsachen noch im-

Diskussion über

mer dem heutigen Zeitgeist entsprechen,

Funktiona-

ob die Architektur im Sinne

lität.

Härings

Er

angesichts

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unserer schnelllebigen Gesellschaft weiter-

gumente, die aufwändige Herstellung ei-

geführt werden kann und darf.

ner solchen Verzierung, durch die direkte Kopplung von Computern und Herstellung

Auch die visionären Herstellungstechniken,

außer Kraft gesetzt ? Haben wir einen Zeit-

wie Betondruck oder Baurobotik, bieten

punkt erreicht, ab dem das Ornament wie-

neue Möglichkeiten der Gestaltung. Or-

der legitim wird?

ganische Formen müssen in Zukunft nicht mehr als Sonderlösungen erdacht, sondern

Angesichts der modernen Forschungsme-

können direkt aus 3d Modellen umgesetzt

thoden lassen sich aber auch neue Ent-

werden. Hebeln diese Tatsachen vermeintli-

wurfsprozesse erdenken. Eine vielverspre-

che Dogmen der Architektur aus? So spricht

chendes Forschungsprojekt, welches das

sich Adolf Loos in „Ornament und Verbre-

Wachstum von Zellen bis zu einem fertigen

chen“ gegen die Verzierung der Architek-

Organismus untersucht, scheint einen visi-

tur durch Ornamente aus. Wird

onären Weg aufzuzeigen. Werden solche

nicht eines seiner

Systeme in ferner Zukunft in der Lage sein,

Hauptar-

Architektur selbst zu „erdenken“? Wird der Architekt vom kreativen Gestalter zum Entwickler eines Codes ? Lässt sich das „von selbst entstehende“ Projekt, dann überhaupt noch der Architektur zuschreiben ?

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43


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Wandel

der

Wünsche

an die

Architektur

Entspricht der Funktionalismus allein noch dem Geist der Zeit? Mit dem Beginn der Moderne ergab sich die

der geometrischen Formen, wie der Kreis, die

Stilfindung oft aus dem neu erfundenen Ge-

Kugel oder das Rechteck, ist jedoch nur eine

genstand und dessen Nutzen, so sollte sich

erdachte Abstraktion und Gesetzmäßigkeiten

das Auto vor allem gut fortbewegen und die

des Menschen.

Computer möglichst Leistungsstark sein. Die Gesellschaft orientierte sich mit ihrem Stil sehr

Man kann also Erschaffen um einen Zweck zu

an ihren Wünschen. Auch die Architekten ver-

erfüllen, oder etwas Darzustellen. Damit steht

suchten sich bei Gestalten ihrer Architektur

Nutzen gegen Darstellung. Beides hängt von

immer mehr an dessen Zweck zu orientieren,

vielen Faktoren, wie Material, Beschaffenheit,

versuchten die Form durch deren Funktion zu

oder gar Kultur ab. Da die Darstellung aber

finden oder stülpten dem Nutzen eine gänz-

dem menschlichen Denken entspringt wird

lich neue Form über. Der Nutzen im bleibt

sie sich stetig ändern. Gleichzeitig kann kei-

dennoch Vordergrund. Doch woher kommt

ne davon jedoch die Schönheit der Natur,

der große Wunsch nach der Funktionalität?

wie zum Beispiel die einer Blume übertreffen. Die Natur und damit ihre Schönheit ist etwas

Hugo Häring, einer der wichtigsten Verfechter

Ursprüngliches und wird somit die Ewigkeit

der Funktionalität und Befürworter der „Form

überstehen. Damit sollte das Ziel sein seinen

Follows Function“-Entwurfsfindung, hat den

Objekten stets keine Form oder Geometrie

Wunsch nach Funktionalität als ursprünglich,

aufzuerlegen, sondern sich immer zurück auf

entstanden aus der Natur beschrieben. So

die Funktion und damit dem Natürlichen be-

legt er es vor allem in seiner 1925 erschie-

sinnen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich

nen Theorie “Wege zur Form” dar. Der Nut-

diese utopische Theorie in die Praxis umset-

zen existierte schon vor dem Darstellen. Der

zen lässt.

Mensch wird immer ein Bett oder eine Toilette brauchen, der Wunsch danach ist der na-

In dieser Schönheit ist auch gleich ihr größ-

türliche Ursprung. Die Formgebung mit Hilfe

ter Manko enthalten. Eine Blume wird irgend-

44

Digitale Prozesse


wann verwelken und nicht mehr sein. Selbst, wenn eine neue Blume an der gleichen Stelle wachsen sollte, wird es nicht dieselbe sein. So konnte der Gutshof Garkau, ein von Häring erdachter und 1926 fertiggestellter Bauernhof bei Klingberg in der Gemeinde Scharbeutz, perfekt

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für die Viehzucht, mit jeglichen Umständen, wie Füttern und Säubern genutzt werden. Hier muss man zum Beispiel musste man nur einmal eine vorgesehene Strecke zurücklegen um mehrere nötige Arbeitsschritte zu erledigen. Als die Viehzucht sich

„Gutshof Garkau“, Hugo Häring

jedoch als nicht mehr rentabel herausstellte und der Bauherr sich neu orientieren wollte,

Software langsam aber stetig auf Architektur

offenbarte sich die reine Funktionalität als

zu. Heutzutage lässt sich sehr vieles Berech-

größtes Problem der Nachnutzung. Beinahe

nen. So lässt sich simpel die Beschaffenheit

wurde der Gutshof Garkau abgerissen, da es

einer Blume abbilden oder gar in einem ge-

schier unmöglich schien, ihn, wie gewünscht,

netischen Code formulieren. Die wandelnden

als Ferienanlage zu nutzen. Häring hatte den

Wünsche in einer Gesellschaft lassen sich je-

momentanen Zustand perfekt geplant, jedoch

doch nicht berechnen.

nie eine neue Nutzung, einen Wunsch nach neuer Funktionalität bedacht.

Einen sehr Zukunftsorientieren Entwurf, mit Bedacht auf die sich ändernden Wünsche, hat

Ebenso hat Häring aber noch ein wichtiges

der Architekt Cedric Price 1961 in seinem Ent-

Fazit aus der Ursprünglichkeit und den dem

wurf Fun Palace geschaffen, welcher in Zusam-

gegenüberstehenden geometrischen Formen

menarbeit mit vielen Studenten und deren

gezogen. Geometrische Formen über Objek-

Wünschen entstand. Hierbei stand vor Allem

te oder Leben stülpen, heißt diese zu mecha-

die Funktion im Vordergrund. In diesem Ge-

nisieren und abzutöten. Eine Herstellung me-

bäude sollte es möglich sein die Umgebung

chanisieren heißt jedoch Leben gewinnen. Es

ganz nachseinen Ansprüchen und Wünschen

liegt also an uns, Leben mit der Gestaltung zu

an einen Raum zu ändern. Dafür sollten sich

verbinden, die Prozesse dazu zu optimieren

verschiedene Raummodule mobil bewegen

und so eine neue Art des Zusammenlebens zu

können und somit unterschiedlich zusam-

erschaffen um damit Leben zu gewinnen. Die

mensetzten lassen. So sollte es sehr viele un-

Mathematik der Wissenschaft zum Beispiel

terschiedliche Blickbeziehungen oder Mög-

greift seit geraumer Zeit über den Umweg der

lichkeiten sich durch den Raum zu bewegen geben. Doch wären für die Umsetzung des Digitale Prozesse

45


kann Gebäudes viele große Stahlträger und Kräne quer durch den Raum nötig gewesen. Man muss sich also fragen, ob so eine Form des Gebäudes entstanden wäre, welches sich auch gut in seine Umgebung und damit in

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die Gesellschaft einfügen kann. Leider kam es nie zur einer Umsetzung und somit Werder zu einer vollendeten Form, noch zu einem Beweis, dass sich dauernd ändernde Ansprüche an Funktionalität in einer Archi-

„Fun Palace“, Cedric Price

tektur verbinden lässt. Dies könnte aber der passende Ansatz gewesen sein.

Nur kann und auch nicht die Wünsche des Men-

tur o

schen permanent wiederspiegelt. Die reine

alles

Letztendlich ist es also nicht nur die erdachte

Darstellung wird jedoch nie den Nutzen und

delt

Darstellung, sondern auch die Anforderung an

damit die Ursprünglichkeit erreichen, wie es

Gest

die Funktionalität, welche sich stetig ändert.

die Funktionalität schafft. Der Mensch sehnt

derun

Somit schließt sich unweigerlich, dass die

sich nach Funktionalität, um so sein Leben

Gese

Funktionalität alleine nicht die Form geben

bestmöglich gestalten zu können. Dennoch

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46


n der Mensch oft heute nicht sehen, wie er morgen leben möchte oder gar

und rasch ändernden Gesellschaft, als hohes

muss. So sollte ein Gebäude auch

Ziel dem Architekten auferlegt, nicht nur für

heute nicht alles versprechen, was es

heute zu planen, sondern den Entwurf auch

morgen nicht halten kann. Man kann,

für die Zukunft zu konzipieren. Dabei stehen

in der heutigen digitalen Gesellschaft,

ihm heute, besser als je zuvor, die nötigen Mit-

jegliche,

tel und Theorien zur Verfügung.

wunderschöne,

natürliche

Form berechnen und vielleicht auch berechnen wie diese sich aus der bestmöglichsten Funktionalität ergibt. Jedoch wird keine Maschine der Welt in die Zukunft blicken können. wer seinen Gestaltungsplan an der Na-

orientiert, also offen gestaltet und nicht einer Gesetzmäßigkeit unterwirft hanschöpferisch. Fordern wir also eine neue

taltfindung, so brauchen wir erst eine For-

Von Ammo Ratsch Literaturhinweise: „Ruhm durch einen Stall- Dem Protagonisten des „Neuen Bauens“ zum 100. Geburtstag“, Von Wolfgang Pehnt „Wege Zur Form“, Hugo Häring „Hugo Häring - Zur Theorie des organhaften Bauens“, Jürgen Joedicke „The Fun Palace: Cedric Price’s experiment in architecture and technology“, Mathews Hobart & William Smith Colleges „Building Analysis - Fun Palace“, Cedric Price

ng nach neuem Leben, nach einer neuen

ellschafti. Es bleibt, in unserer sich stetig

unten: „Fun Palace Lea River Site“, Cedric Price

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Ist

Das

noch ein

Ornament Verbrechen?

Vor etwa 100 Jahren hat der österreichische

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Architekt Adolf Loos, Wegbereiter der modernen Architektur einen Text verfasst, der im 21. Jahrhundert vielleicht wieder aktuell werden könnte. Im berühmtesten Aufsatz seiner Aufsatzsammlung „Ornament und Verbrechen“, der den gleichen Namen trägt, hat er gegen den ornamentierten Historismus angeschrieben.

Loos geht es um das Ornament, die Verzie-

herrschende Kaiser Franz Joseph bis zu sei-

rung eines Gegenstandes, nicht um die ge-

nem Ende diesen Platz gemieden. Das Gebäu-

samte Kunst. Sein Axiom „Evolution […] ist

de ist, auch wenn es der Funktionalismus von

gleichbedeutend mit dem Entfernen des Or-

außen vermuten lässt, kein karger Zweckbau.

namentes […]“ muss nicht bewiesen werden, sondern wird von ihm beispiellos vorausgesetzt. Denn der Verzicht spart Kräfte, Arbeitszeit und Material, führt zu einer Erhöhung des Gewinns und ist somit ein Zeichen für einen hohen Entwicklungsstand. Zusätzlich hat Loos unverzierte Gegenstände beobachtet, die für den doppelten Preis angeboten werden. Grauen hat sein Gebäude auf dem Michaeler-

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platz in Wien ausgelöst: Das „Looshaus“. Die noch vom historischen Stil geprägten Wiener haben es „Haus ohne Augenbrauen“ genannt. Loos hat ganz und gar auf die üblichen Fensterüberdachungen

verzichtet.

Erzählungen zufolge hat der damals 48

Digitale Prozesse

„Looshaus“ in Wien


Denn bei den Materialien wurden keine Kos-

Zeit. Vorwiegend würde auf die Gestaltung

ten gespart. Die komplette untere Fassade

schon vorhandener Ornamente zurückgegrif-

ist mit noblem Marmor versehen. Laut Adolf

fen werden, alsbald eine Datenbank digitaler

Loos solle man sich doch lieber den bildenden

Zeichnungen vorhanden ist, gespeichert auf

Künsten widmen oder das Geld für edle Mate-

Festplatten. Das hätte eine Reduktion der auf-

rialien verwenden.

gewendeten Zeit auf ein Minimum zufolge.

Wie relevant ist das heute noch? Fest steht, die

Sein Argument, Arbeitszeit würde vergeudet

Ornamente sind, was die Architektur angeht,

werden fällt weg. Adolf Loos hielt damals fest,

weitestgehend verschwunden. Der kommu-

der moderne Mensch konzentriert sich auf an-

nale Bau trägt kein altes Ornament mehr, der

dere Dinge und verwendet Ornamente aus

Zeit- und Arbeitsaufwand war und ist zu groß

vergangener Zeit. Das wäre auch heutzutage

geworden. Darüber hinaus wirkt es billig und

zutreffend, doch gerade die gesparte Zeit in

der Zweck versteht sich oft nicht. Selbes ließ

der Herstellung ließe sich in eigene und neue

sich bei anderen Verzierungen wie den weni-

Ideen stecken. Zudemermöglicht die Konst-

ger abstrakten Fresken, allgemein mit Wand-

ruktion und Darstellung an einem Computer

malereien, beobachten. Auch Stuck wurde mit

weitaus komplexere Formen und Muster.

Anbruch der Moderne weitestgehend aus der Architektur eliminiert. Die Berufe sind auf die

Denn was das Ornament mit einem Gebäude

Restauration bestehender, alter Verschnörke-

macht ist es zu verzieren. Loos hat Dinge zu

lungen geschrumpft. Doch haben wir heute

verzieren als Drang von Primitiven bezeich-

ein ganz anderes Spektrum an Möglichkeiten

net. Er ist der Ansicht gewesen, ein Gebäu-

Ornamente zu generieren: die dreidimensio-

de soll durch den Bau an sich und nicht durch

nale Arbeit am Computer. Konstruktionen las-

Kunst überzeugen. Doch haben die Gebäude

sen sich mithilfe von CAD-Programmen (com-

heutzutage nicht an der Individualität ver-

puter-aided design) erstellen. In den 1980ern

loren, die Loos damals konstatierte? Es sind

ist eine große Nachfrage für solche Program-

viele gesichtslose Gebäude entstanden, die

me entstanden, da vor allem kleine Unterneh-

ihre Aufgabe, die Wirkung auf die Straße und

men sich von nun an die neue Technik leisten

ihren Raum verfehlen. Eine unverzierte Fas-

konnten. Mit Verbindung von CNC-Maschinen

sade weist oft nichts gestaltprägendes mehr

(computerized cumerical control) lassen sich

auf, was sie von der ihrer Nachbarn separiert.

Werkstücke, die einen hohen Grad an Kom-

Wo ist der Bau da noch Kunst, die Adolf Loos

plexität aufweisen, automatisch herstellen.

verlangt hat? Diese Anonymität, die dabei

Oder dem seit letzten Jahren sich immer mehr

entsteht, ist die Folge der Wiederholung des

verbreiteten 3D-Drucker.

ewig Gleichen. Doch ist dies nicht allein dem Verzicht auf das Ornament zu verschulden. In

Es lässt sich nicht leugnen, dass auch hier,

Japan werden Gebäude auf ein Minimum re-

bei der Erstellung einer Zeichnung eines Or-

duziert und doch bewahren sie ihre Identität.

naments, Arbeitszeit verloren geht, doch die Fertigung übernimmt eine Maschine. Dabei

Vielleicht ist wieder die Zeit gekommen für

handelt es sich um den größten Gewinn an

eine kulturelle Entwicklung. Nicht, dass wir Digitale Prozesse

49


wieder wiederholen die Gebäude mit Ornamenten zu versehen, wie wir sie aus vergangenen Jahrhunderten kennen. Doch die uns zur Verfügung stehenden Technik bietet die Möglichkeit Fassaden zu kreieren, die sich abheben und dem Straßenraum ein neues Bild geben. Überlegt und gezielt eingesetzt könnten interessante Hüllen für neue Bauwerke entstehen. Wichtig dabei ist die grafische Fähigkeit des Entwerfers: Dem Architekten.

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Von Robert Papon Literaturhinweise: „Ornament und Verbrechen“, Adolf Loos

Adolf Loos

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Die Revolution

Werkplan

im

Betrachtet man die Einflüsse des Digitalisie-

Schalpläne mehr benötigt, sondern aus den

rungsprozesses auf die Architektur, so stellt

im digitalen Modell vorhandenen CAD-Plänen

man fest, dass die Serienproduktion im Her-

gefertigt werden kann; so war es beim Düssel-

stellungsprozess einem Gegengewicht ge-

dorfer Zollhokomplexes, geplant von Frank O

genübersteht das ihm Konkurrenz bietet. Ein

Gehry der Fall. Andreas Ruby bezeichnet die-

Werkplan ist als Grundlage an Informations-

ses Verhältnis, welches selbstverständlich nur

gehalt zur Umsetzung der Ideen nicht mehr

für Gebäude zutrifft, die die Komplexität des

ausschließlich

digitalen Entwurfsprozesses zu nutzen wissen,

ausschlaggebend.

Dadurch,

dass immer komplexere Gebäudeformen

als „Prototypologie“.

nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich sind, verschiebt sich die Umsetzung an Ideen auch in die digitale Ebene. Der reine Werkplan ist für die Produktion einzelner Teile eines Gebäudes umständlicher, als sein neuer Konkurrent, das digitale Modell. Es ist nicht mehr nur ein Abbild im ver-

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kleinerten Maßstab des finalen Gebäudes , sondern sein Stellvertreter bei der Herstellung. Das äußert sich beispielsweise in der Produktionsweise einer Betonschalung die keine eigenen

„Düsseldorfer Zollhofkomplex“ Digitale Prozesse

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Gerade der Einfluss von CAD-Fräsen und 3D-Druckern in der Produktion von Gebäuden nimmt massiven Einfluss auf die Gestalt und das Spektrum der Möglichkeiten die sich dem Planer bieten. In Bezug auf die bisherige Serienproduktions-dominierte Herstellung von Gebäudemodulen, die dann vor Ort an der Baustelle zusammengefügt werden hat dieser Umstand sehr großen Einfluss, weil ein jedes Gebäude nicht mehr an die Grenzen der reinen bisherigen Serienfertigung gebunden ist, sondern dem Horizont des Bauherrn oder Architekten näher tritt.

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„Betondrucker Fertigungsprozess“ Die Kosten und der Zeitaufwand für komplexere Formen werden zudem immer geringer. So kann man sich zu gleichem Preis ein hochwertigeres Haus leisten, als dies bisher der Fall war. Beispielsweise wurde in China bereits eine 400 Quadratmeter große Villa für 160.000 Dollar gebaut. Diese fällt zwar nicht durch aufwendiges Design auf, aber der Kosteneinsparfaktor ist immens und dieser Entwicklungsbereich steckt noch in den Anfängen.

52

Digitale Prozesse

Die Zukunft des Ornaments Gerade der Geschmack und die Auffassung unterschiedlicher Begebenheiten definiert das Menschsein. So gibt es Individuen mit einer natürlichen Aversion gegen Ornamente und andere welche Selbige verehren. Da vor allem durch 3D Druck Ornamente zu Billigstpreisen produzierbar sind, stellt sich die Frage, ob eine Rückkehr nicht unabdingbar bevorsteht. Möchte man eine diffuse Behauptung wagen, so muss man sich mit dem Ornament befassen, inwiefern dieses nämlich tatsächlich verschwunden ist, ist definitionsabhängig. Ornament ist nicht gleich Ornament. Adolf Loos betrachtete speziell den Beruf des Ornamentierers der heutzutage tatsächlich ausgestorben ist und bezog den Begriff „Ornament“ auch auf die Mode. Betrachtet man aber die Funktionsweise des Ornaments in der Architektur neutral so kommt man zu dem Schluss, dass alles was dem Auge des Einen gefällt und dabei keine Bereicherung der Funktion darstellt unter diesen Aspekt fällt. Reduziert lässt sich diese Begebenheit anhand einer Fassade darstellen, sämtlicher Einfluss in der Gestaltung mittels einer Schalung ist überflüssig und trägt nicht zur Verbesserung der Funktion im allgemeinen bei. Dennoch ergibt sich an dieser Stelle die Möglichkeit einer Gestaltung die zur Ästhetik des Gesamtwerks beitragen kann. Es kommt eben auf den Umgang des Designers in diesem Zusammenhang. Das Ornament entspricht einer Splittergruppe dieser Verzierungen.


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„Beton und Ornament“ Die Nachfrage nach komplexeren Formen ist vor allem auch dem Drang eines jeden Menschen nach Individualisierung bedingt. Man möchte sich schließlich unterscheiden von Anderen. Adolfs Loos Behauptung, dass sich das Ornament bereits verabschiedet hat scheint hinfällig, wenn man die derzeitige Entwicklung diesbezüglich betrachtet. Der Grund für den Rückgang an Verzierungen liegt vor allem in dem Kostenfaktor begründet nicht in dem Verständnis von Stil.

Von Andreas Normann Literaturhinweise: „Beyond Form“, Andreas Ruby

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Generatives Design Automatisierung als Stil. Eine Geschichte vom „Sich selbst Gestalten“. „Architektur könnte durch generative Prozesse

ren, auf äußere Einflüsse zu reagieren, den

revolutioniert werden und als eine Synthese von

Ansprüchen der Nutzung gerecht zu werden?

Technik und Natur weitergedacht werden1.“

Wird es in der Lage sein eigenständig Archi-

So schrieb Georg Vrachiliotis in seinem 2006

tektur zu erschaffen ?

erschienenen Aufsatz über die Forschungsergebnisse im Bereich des Generativen Designs. Bezugnehmend auf ein als „Artifical Life“ be-

Geschichte des Generativen Designs

zeichnetes Projekt, initiiert vom theoretischen Biologen Christopher Langton, sieht der Autor

Generatives Design ist nicht ein Produkt der

eine mögliche Zukunftsvision der Architektur.

gegenwärtigen Forschung. Die Generierung,

Bei den von Langton entwickelten Loops2 han-

ursprünglich vom griechischen Begriff „Gene-

delt es sich um schleifenförmig angeordnete

sis“ („aus sich selbst werden“ oder „aus der

Zahlenreihen, die sich, ähnlich eines evoluti-

Natur werden“) war schon Interessenfeld vie-

onären Wachstumsprozesses aufgrund der in

ler namhafter Architekten. Die bekanntesten

ihr gespeicherten Information selbst reprodu-

Beispiele einer solchen Formgenerierung sind

zieren. Dabei wird die im Erbgut gespeicherte

augenscheinlich die Hängemodelle von Anto-

Information in die nächste Generation kopiert

nio Gaudi3. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts

und von dieser ausgeführt. Doch welche Rolle

wollte Gaudi verstehen, wie die Schwerkraft

spielt dieses Verfahren für die Architektur der

auf seine Bauwerke wirkt und in Folge des-

Zukunft? Werden sich Architekten in Zukunft

sen eine ideale Form im Einklang mit den Na-

dieses künstlichen Lebens bedienen? Wird

turgesetzen erschaffen. Dazu entwarf er die

dieses Verfahren in der Lage sein, sich selbst

hauptsächlich druckaktiven Bögen und das

zu einer räumlichen Assemblage zu generie-

hyperbolisch-paraboloide Gewölbe der Kir-

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Digitale Prozesse


che Collonia Güell nach Vorbild der Kettenli-

Wachstum der Zelle zu einer gleichgewichts-

nie , einer mathematischen Funktion, die das

bedingten allseitigen Ausbildung der Äste,

Durchhängen eines Fadens durch dessen blo-

bleiben unberücksichtigt. Wie verarbeiten die

ßes Eigengewicht beschreibt. Gaudi erkannte,

Zellen des Baumes die Information des

4

dass durch die selbstgenerierte Form des Fadens nur Zugkräfte in dessen Querschnitt wirken und schaffte durch die geometrische Umkehrung dieses Systems einen de facto zugkraftbefreiten Bogen. Dieser früh angewandte Prozess von Formfindung, generiert durch statische Optimie-

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rung, stand Pate für viele weitere Projekte. Seien es die optimierten Flächentragwerke von Frei Otto5 oder die nachträgliche Veränderung eines Entwurfes zugunsten von ausführungsrelevanten Parametern mithilfe der Flugzeugsoftware CATIA durch Frank

„Baumstützen“, Flughafen Stuttgart

Gehry . All diese Projekte entstehen oder 6

verändern sich durch relevante Informationen

Lichteinfalls, sodass zugunsten der optimalen

und fallen somit unter das Feld der generier-

Ausbeute die Verzweigung der Äste generiert

ten Architektur.

wird ? Durch welche Information im Erbgut

Neuer Ansatz der generativen Architektur

wird das Wachstum gestoppt um das Tragverhalten des Baumes nicht zu gefährden? Diesen Ansatz untersucht Christopher Langton. Als vereinfachtes Modell entwickelte er eine

Diese Projekte bezogen sich immer auf in der

Zahlenschleife, bestehend aus einem Ge-

Natur vorkommende Gesetzte oder Vorbil-

notyp, der einen genetischen Code enthält,

der. Die Baumstütze, wie Sie zum Beispiel am

welcher als Kopie in die nächste Generation

Flughafen in Stuttgart verwendet wird, imitie-

weitergegeben wird und einem Phänotyp der

ret das Tragverhalten eines Baumes. Der im

durch die kodierten Instruktionen hergestellt

Schwerpunkt stehende, eingespannte Stamm,

wird. Die Eigenschaft des Kopierens und Aus-

die vom Stamm abzweigenden Äste, die vom

führens eines eigenen Codes ermöglicht die

Ast entspringenden Zweige, bilden ein effek-

Selbstreproduktion des Systems ohne nach-

tives Tragwerk welches am Schluss als eigen-

trägliche Einflussnahme, ähnlich der mensch-

ständiges System funktioniert7.

lichen Zellteilung, und wird somit als „Artificial

Jedoch nur das Endprodukt der Baum selbst

Life“- künstliches Leben bezeichnet.8

wird analysiert und in konstruierter Form kopiert. Die Prozesse des Baumes selbst, das Digitale Prozesse

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„Langton Loops“

Zukunftsutopie des Generativen Designs Dieses System ist für die Architektur ein maßgeblicher Fortschritt in Sachen Generierung. So ist es zukünftig denkbar, dass eine Weiterentwicklung dieser Loops mit spezifischen Informationen zur Selbstreproduktion erzeugt werden, die zum Beispiel das Verhalten bei Grundstücksgrenzen, die Optimierung des Lichteinfalls oder die Reaktion auf die nutzungsspezifischen Raumabmessungen regeln. Auch wenn solche Systeme noch in den Kinderschuhen stecken (die entwickelten Loops führen derzeit nur den Befehl der Reproduktion, unter der Bedingung eines unbesetzten Platzes neben ihnen aus9), ist zu Überlegen ob man das System so weit entwickeln kann, dass es, ohne Einflussnahme eines Gestalters, Architektur aus sich selbst erschaffen könnte. Die derzeitige Grenze des Systems liegt im Überschreiten der Rationalität. Im Gestaltungsprozess des Architekten spielen neben rationalen, logischen Überlegungen wie Lichteinfallswinkel, oder Verkehrswegeoptimierung auch intuitive, emotionale Entscheidungen eine Rolle. Rein technisch gesehen ist die Generierung einer Raumabfolge unter der optimalen Verkehrsflächennutzung mit Parametern wie Frequentierung, Belichtung und Lauflängen oder auch die Inszenierung eines 56

Digitale Prozesse

Weges mit Blickbezügen, Ausblicken und räumlichen Verknüpfungen, denkbar. Wie jedoch soll man dem System beibringen Effektivität und Attraktivität zu einem gestalterischen Konsens zu bringen ? Wie dem System das menschliche Proportionsgefühl als mathematische Information einpflanzen? Nicht alle Entscheidungen eines Gestalters lassen sich auf mathematische Prozesse reduzieren. Symmetrie und Kontrast, beide Eigenschaften lassen sich mathematisch beschreiben. Was sich nicht beschreiben lässt, ist die bewusste Entscheidung für oder gegen diese Eigenschaften. Die Intuition im Architekturprozess hat Einfluss auf die erste Konzeption eines Gebäudes bis zur abschließenden Bemusterung von Oberflächen. Überlässt man einem mathematisch definierten System diese Entscheidungen, droht der Prozess und damit das fertige Projekt an Menschlichkeit und Emotion zu verlieren. Erst wenn es der Menschheit in ferner Zukunft gelingen sollte, Emotion und Intuition nummerisch zu algorithmisieren, eine Art künstliche Intelligenz mit Emotionen zu erschaffen, ist der Zeitpunkt erreicht,ab dem eine sich komplett selbst generierende Architektur denkbar wird. Die Frage, die sich dann stellt, ist, ob sich der dahinterstehende Prozess noch als konstruierte Architektur beschreiben lässt oder schon dem natürlichen (lat. natura/nasci „werden“, „von selbst werden“) Prozess zugeschrieben werden muss.


Nahe Zukunftsvision des Generativen Designs Die Verwendung solcher Systeme zur Unterstützung und Optimierung im Entwurfsprozess mit gezielten, durch den Architekten festgelegten Fragestellungen, ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit. Höchst interessant ist hierbei die Verknüpfung mit anderen Forschungsbereichen der Bauwirtschaft und der Architektur, wie der Baurobotik. In einem aktuellen Projekt von Gramazio Kohler sind Roboter in der Lage selbständig Wandstrukturen aus Mauerwerk herzustellen, deren Komplexität und Präzision menschliche Fähigkeiten übersteigt. Diese automatisierten Systeme sind derzeit so weit entwickelt dass sie Ihre Umgebung selbständig wahrnehmen und auf äußere Einflüsse reagieren können. Selbständiges Verarbeiten von Raumhöhen oder das Entwickeln einer dreidimensionalen Mauerstruktur durch interpolieren zweier vor Ort aufgezeichneter Linien, unter Berücksichtigung der Mauersteingröße, ist bei heutigem Stand möglich10.

Kombiniert mit einem selbstgenerierenden, digitalen Entwurfsprozess, der Eigenschaften und Grenzen solcher Robotiksysteme parametrisiert, lässt sich für die Zukunft ein komplett neuer Grad an Wirtschaftlichkeit und Effizienz erdenken. So könnte es dem Architekten möglich sein, komplexe Strukturen durch einfaches Skiz-

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zieren zu erdenken.

„Mauerwerk“ von Gramazio-Kohler Ein System der Zukunft müsste dann in der Lage sein, unter Zuhilfenahme der in ihm gespeicherten ausführungsrelevanten Informationen, diese Ausgangsskizze zu einem optimierten wirtschaftlichen Bauwerk zu vervollständigen, welches, direkt und ohne weitere Datenbearbeitung, vom Baurobotiksystem ausgeführt werden könnte.

Von Johannes Hübner

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Literaturhinweise: 1,8,9 - Georg Vrachliotis, Generatives Entwerfen 2 - Alexandra Diem, Langto‘s Self-Replicating Loop 3,4 - Prof. Dr.-Ing. Jos Tomolow,Antoni Gaudis Hänge modell und seine Rekonstruktion 5 - Kateryna Serebryakova, Frei Otto Architekt 6 - Tobias Walliser, Vom Blob zur algorithmisch generierten Form 7 - Gramzio Kohler Architects, Website Forschung


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S chlusswort Der Versuch Stile zu definieren wirft meist mehr Fragen als Antworten auf. Doch müssen wir uns eingestehen, dass nach unserer Definition, die reine Wiederholung von Formen, Techniken oder Absichten, in einer Zahl von Projekten, bereits einen Stil ausmacht. Selbstverständlich ist der Weg der Architektur hin zum fertigen Objekt abhängig von vielen Faktoren, wie Politik, Gesellschaft oder Kultur. Auch der aktuelle Stand der Technik ist ein wesentlicher Aspekt. So ist man sich meist gar nicht bewusst, wie ein aktueller Stil einmal definiert wird, wenn die Gesellschaft erst nach einem Neuen schreit.

„Unsere Zeit prägt täglich ihren Stil. Leider sind unsere Augen noch nicht fähig, ihn zu erkennen“ Für Le Corbusier waren die alten Stile „eine Lüge“. Er war ein großer Denker, hielt nicht viel von Schmuck und richtete seine Werke in erster Linie nach ihrer Funktion aus. Für ihn war industrielle Perfektion eine Schönheit, welche die Architektur ausmachte. Doch egal womit wir uns identifizieren können, egal was jeder einzelne von uns als „schön“ oder im Kontext als „richtig“ empfindet, so ist der eigene Stil jener, der uns zufrieden stellt.

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Impressum und Quellen Dies ist eine studentische Arbeit, welche weder zur Veröffentlichung, noch für gewerbliche Zwecke vorgesehen ist. Die Autoren der Artikel sind für den Inhalt sowie die darin enthaltenen Bilder verantwortlich. Im Folgenden finden sich ggf. zusätzliche Bild- und Quellenangaben.

Stadtbilder

Stadt mit Gewinn (Anton Buller) Stadtgesichter (Marc Sedlbauer) Die Entwicklung des Stadbildes (Monika Chrobok)

Die Ideale des Wohnens

Ideale Wohn- und Stilvorstellungen (Laura Oberst)

Ist es wertvoll die hist. Bausubst. zu erhalten? (Marina Hochban) Bild1: www.archdaily.com/179854/milstein-hall Bild2: www.panoramio.com Bild3: wikipedia.org/wiki/Frankfurt_am_Main Bild4: www.businessofarchitecture.com

Fondazione Prada (Denise Sigert) Bild1: http://oma.eu/projects/fondazione-prada Bild2: www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-zum-prada-museum-in-mailand-fotostrecke Bild3: http://oma.eu/projects/fondazione-prada Bild4: www.domusweb.it/it/architettura/2015/05/11

Digitale Prozesse

Natürlich mit Stil in die Zukunft (Ammo Ratsch) Bildquellen: https://relationalthought.files.wordpress.com/2013/04/ https://8late.files.wordpress.com/2013/11/02 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/ https://www.flickr.com/photos/32872796 https://www.flickr.com/photos/32872796

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Ist das Ornament noch ein Verbrechen? (Robert Papon)

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Eine Metropole blutet aus (Dominik Kühleis)

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Warum sehen alle Häuser gleich aus? (Maria Keilbach)

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Umgang mit hist. Bausubstanz Eigenschaften eines Baustils (Alina Koplin) Semper, Gottfried; Kleine Schriften S. 401-405, 1869

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Generatives Design (Johannes Hübner) Titelbild: Cargocollective.com, Parametric Fields

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Bild 4: Berührungspunkte.de, Parametrisierung d. Arch

www.kulturplusreisen.de/deu/ziele/semperoper/ http://oma.eu/projects/fondazione-prada (15.01.2016) http://lmw-wurzen.de/

Layout (Ricardo Schirrmeister) Vor- & Schlusswort (Ricardo Schirrmeister) „Ausblick auf eine Architektur“, Le Corbusier

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„Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern, und gar nichts weiter! - Wer dies nicht sofort zugiebt, ist auch nie davon zu überzeugen!“ - Friedrich Nietzsche

TH NBG - WS15/16 - ARCHITEKTUR THEORIE - PROF. WODITSCH - LB HEINICH - 17. JAN 2016


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