Straßenrückbau am Frankenschnellweg

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Technische Hochschule Nürnberg GSO Fakultät Architektur Theorie der Architektur und Entwerfen Prof. Dr. Richard Woditsch

Theorie der Architektur und Entwerfen

Wissenschaftliches Arbeiten: Studentische Beiträge

Straßenrückbau am Frankenschnellweg Chancen für Nürnberg

Verfasser: Corinna Patzak, 2388661 Kai Gebhardt, 2382538


Seminararbeit im Fach M 1100 Wissenschaftliches Arbeiten Seminarleiter: Dr.-Ing. Mark Kammerbauer (M.Sc., Dipl.-Ing.) Wintersemester 2016/2017 Abgabedatum: 23.01.2017 Technische Hochschule N체rnberg Georg Simon Ohm Fakult채t Architektur Bahnhofstrasse 90 90402 N체rnberg Lehrbereich Theorie der Architektur und Entwerfen Raum BB.309 Postanschrift: Postfach 90121 N체rnberg Internet: http://tae.ohmarch.de/


Technische Hochschule Nürnberg GSO Fakultät Architektur Theorie der Architektur und Entwerfen

Prof. Dr. Richard Woditsch Dr. Mark Kammerbauer

Inhaltsverzeichnis

1.

Einleitung

2.

Rückbau von Stadtstraßen

2.1 „Neue Straße“, Ulm

S. 5

2.2

S. 8

„Antwerpener Ring“, Antwerpen

S. 4

2.3 Situation und aktuelle Planungen am Nürnberger Frankenschnellweg

S. 10

2.4

S. 12

3.

Fazit

S. 14

4.

Bibliografie

S. 15

Anwendbarkeit der Umbaustrategien am Frankenschnellweg


„ Ähnlich jemandem, der neben einer Autobahn wohnt und den Lärm irgendwann ausblendet, nehmen wir die Besetzung des öffentlichen Raums durch die Massen parkender Autos kaum wahr, so selbstverständlich gehören sie zum Stadtbild. Aber tun sie das wirklich?“ 1

1. Einleitung

Im Zuge des Umdenkens von der autogerechten zur menschengerechten Stadt kommt dem Fußgänger im Straßenraum wieder eine größere Bedeutung zu. Städte sind deshalb aufgefordert, gegen die Hierarchisierung der Verkehrsteilnehmer anzugehen und vor allem „schwache“ Verkehrsteilnehmer mit in die Infrastrukturplanung einzubeziehen. Besonderer Fokus liegt bei der vorliegenden Arbeit auf Stadtautobahnen, welche wertvolle innerstädtische Flächen einnehmen und kaum Platz für öffentliches Leben lassen. Durch Rückbaumaßnahmen können diese Flächen auch für den nicht motorisierten Verkehr nutzbar gemacht und der Straßenraum somit aufgewertet werden. Schmalere Straßen

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müssen nicht zwangsläufig zu erhöhtem Stau führen, sondern können sich sogar positiv auf den Verkehr auswirken. Durch verringerte Geschwindigkeiten kann beispielsweise die Unfallgefahr reduziert werden. Der Beobachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit soll sein, in welchem Maße der Rückbau von Stadtstraßen vorstellbar sind. Am Beispiel von realisierten und geplanten Rückbauprojekten in Ulm und Antwerpen wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten der Umsetzung vorstellbar sind. Anhand der aufgezeigten Maßnahmen und Möglichkeiten soll deren Umsetzbarkeit für den Rückbau des Frankenschnellwegs erötert werden. Denn aufgrund der Defizite des Straßenraumes

Schultz/Crone 2014

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im Bereich des Nürnberger Frankenschnellweges ist auch hier ein Umdenken nötig. Durch das hohe Verkehrsaufkommen in diesem Stadtteil und der Dominanz der Straße wurde das öffentliche Leben in diesem Bereich weitestgehend zurückgedrängt. Derzeit plant die Stadt jedoch einen Ausbau der Straße. Die Planungen sollen erläutert und hinterfragt werden. Mithilfe der vorher aufgezeigten Rückbaustrategien wollen wir versuchen, Alternativen für das Areal aufzuzeigen. Es wird untersucht, ob eine Übertragung der erörteten Maßnahmen hier denkbar wäre und was sie für das Areal und die umliegenden Stadtteile bedeuten könnte.


„Im Zusammenhang mit dem neuen Hans und Sophie Scholl Platz vor dem Rathaus stellen die Gebäude auf der Neuen Straße mit ihren Nutzungen ein wichtiges Verbindungsglied der Innenstadt um das Münster und dem Marktplatz dar.“ 2

2. Rückbau von Stadtstraßen 2.1 „Neue Straße“, Ulm

Nach großflächiger Zerstörung der Ulmer Altstadt im Zweiten Weltkrieg wurde im Zuge des Wiederaufbaus die „Neue Straße“, eine vierspurige Hauptstraße quer durch die Altstadt, realisiert. Deren Verkehrsbelastung (25.000 Kfz/Tag) und analog der Unmut der Bürger stieg über die Jahre kontinuierlich an, sodass man sich in den 70er Jahren für den Umbau der Verkehrsader entschloss. Nach diversen gescheiterten Planungsversuchen von Tunnelsystemen sprach sich die Bevölkerung 1991 in Form eines Bürgerentscheids zu 81,5% gegen weitere Tunnelplanungen aus. Dies gilt als Wendepunkt in der Ulmer Verkehrs- und Stadtplanung. „Die Neuorientierung der Ulmer Verkehrs- und Stadtentwicklung begann umgehend,

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mit einem Runden Tisch aus Bürgerinitiative, Gemeinderatsfraktionen, Industrie- und Handelskammer, Gewerkschaft und Naturschutzverbänden.“3 So wurde ein in Deutschland neuartiges „Dialogmodell von Bürgerschaft und Stadtpolitik“4 entwickelt. Als eine der ersten Maßnahmen wurde ein Ideenwettbewerb mit öffentlichem Stadtdialog initiiert, sowie ein mehrtägiger Architektenworkshop, an dem Ulmer Architekten und Bürger ihre Ideen untereinander austauschen konnten. Als primäres Ziel des öffentlichen Diskurses hat sich die Rückeroberung des Stadtraumes mit den ursprünglichen „Prinzipien

http:/www.ulm.de <21.12.2016> [Neue Straße] Topp, Huber-Erler, 2014, S. 33 Wetzig, 2012, S. 5

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von Dichte und Kompaktheit, Vielfalt und Mischung, aber auch der Schönheit der Stadt […]“5 in Form einer verkehrsberuhigten Innenstadt herauskristallisiert. Ein ausbalanciertes gesellschaftliches, wirtschaftliches und räumliches System sollte entstehen. Erreicht wurden diese Ziele durch den massiven Ausbau des ÖPNV, die Errichtung des Stadttangentenringes, den Rückbau der vierspurigen „Neuen Straße“ für den MIV, die Verlegung aller oberirdischen Parkflächen in eine Tiefgarage, sowie einer gleichberechtigten Straßenraumgestaltung.6 Unter anderen gefordert war eine gefahrlose Durchlässigkeit von MIV, ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr. „Die Mittel dazu sind die Verringerung der

ebd., S. 45 Vgl. Wetzig, 2012, S. 74


„Dieses Gesamtbild bewirkte eine erstaunliche Verhaltensänderung bei Fußgängern und Autofahrern in der umgestalteten Neuen Straße: Wo vordem grundsätzlich nach dem Motto ‚Hier ist meine Fahrbahn‘ beziehungsweise ‚mein Fußgängerüberweg‘ jeweils auf das entsprechende Recht gepocht wurde (das klassische Verhaltensmuster im bundesrepublikanischen Verkehrsgeschehen), entwickelte sich plötzlich das Prinzip gegenseitiger Rücksichtnahme!“7

Fahrgeschwindigkeiten – in der Neuen Straße auf Tempo 30 für den MIV und Tempo 20 für den ÖPNV in der Bustrasse – ein einheitliches bauliches Erscheinungsbild der Straßenoberfläche mir niedrigen Bordsteinkanten, Querungshilfen in der Fahrbahn anstelle ampelgerechter Übergänge und von Zebrastreifen und damit insgesamt ein Straßenbild, das dem Verkehrsteilnehmer ein Miteinander signalisiert und zu gegenseitiger Rücksichtnahme auffordert. Es ist das Prinzip des ‚geteilten Raumes‘, das […] auf Verantwortung und gemeinsame Raumnutzung [baut], die dem jeweils anderen Verkehrsteilnehmer sein Vorankommen vernünftigerweise ermöglicht.“8 Abgerundet wurde die Neuge-

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staltung durch die Bebauung der historischen Baufelder mit einer Mischung von privat und öffentlich, sowie kulturell genutzten Gebäuden. Den Verantwortlichen war durchaus bewusst, dass ein totaler Umbau von Heute auf Morgen von der Bevölkerung nicht ohne weiteres akzeptiert werden würde. So entschied man sich für eine mehrphasige Umbaustrategie unter immer neuer Einbeziehung der Bürgerschaft. Realisiert wurde dies neben den Workshops durch ein medienwirksames Baustellenmarketing, das den Bürger an der Entstehung der Neue Mitte teilhaben ließ: „Der Kommunikationsprozess musste weitergehen. An die Stelle des Diskurses traten nun Informationspolitik und

Wetzig, 2012, S. 97 ebd., S. 77 ebd., S. 52

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Werbemaßnahmen. Grabungsund Baumaßnahmen mussten kommuniziert werden. [… Eine] ‚Imagekampagne’, die dem permanenten Attraktivitätsverlust des Einzelhandelsstandortes […] entgegenwirken sollte [wurde ins Leben gerufen]. Grabungsfelder und Baugrube gerieten so zur Schaugrabung und zur ‚Schaubaustelle‘. Dieses Konzept eines modernen Baustellenmarketings durchzog die gesamte, fünfjährige Zeitdauer der Realisierung.“9


Thema Stadt 32 32Thema Stadt undund AutoAuto

Bauwelt 24Bauwelt | 2014 24 | 2014

StadtBauweltStadtBauwelt 202 | 2014 202 | 2014

Von der brachialen achse zum nutzbare lichen Raum: Die ne Ulm gilt als Musterb heutiger Stadtrepar

Fotos: Stadtarchiv U

durch einen ein den Tunnel, be wurden. Die Neuor wicklung bega Bürgerinitiativ Handelskamme Dessen Ergebni eine verkehrsb kehrsbau ist S von Bürgersch Ulm Anfang d nungskultur. N Ideenwettbewe reiteten Wettbe startete Bebauu die „Neue Stra grundriss entst halle Weishau kasse, darunter Das Ulme der zweispurig Fahrbahn und kann ohne Am werden, obwo 1977

2008

1977

Abb. 1:

2008

„Neue Straße“ Ulm vor der Umgestaltung 1977

Abb. 2:

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„Neue Straße“ Ulm nach der Umgestaltung 2008


2.2 „Antwerpener Ring“, Antwerpen

In den 1960er Jahren wurden die Flächen des ehemaligen Befestigungsringes Antwerpens in Verkehrsadern umgewandelt - ursprünglich sollte das „zur Entlastung der Stadt“10 führen. Tatsächlich nimmt Antwerpens Ringautobahn heute mit seiner Staubelastung und 260.000 Fahrzeugen pro Tag11 europaweit den dritten Platz auf der Inrix-Rangliste12 ein. Diese vergleicht die Staubelastung großer Ballungsgebiete miteinander. Die ursprünglichen Planungen wurden jedoch nicht vollständig umgesetzt. Der äußere Ring als Ergänzung zum inneren Ring wurde nie realisiert und sowohl Autobahn als auch innerstädtische Ringstraße bilden keinen vollständig geschlossenen Ring

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aus. Durch die Infrastrukturmaßnahme durchtrennt heute eine bis zu 800m breite Schneise (Singel) die Stadt. In dem Bereich , der in seiner Form die historische Besfestigungsanlage noch erkennen lässt, liegen Bahntrasse, vierspurige Stadtautobahn und die teilweise bis zu zehnspurige Ringautobahn nebeneinander. Die Folge ist eine abgetrennte Innenstadt mit einem starken Grünraumdefizit und einem sehr eingeschränkten Zugang zu den außerhalb des Singels liegenden Parks. Anwerpen geht nun mit zwei Projekten gegen die Probleme an. Durch die „Oosterweel-Verbindung“ soll die Autobahn zum Ring geschlossen werden. Im Zuge dessen wird die Autobahn in der Singelfläche in großen Teilen

Van Acker, 2014, S.41 ebd., S.41 http://inrix.com <19.01.2017> [Europas verkehrsreichste Metropolregionen 2015]

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untertunnelt. Der Ausbau der Autobahn soll zu einer Entlastung der Ringstraße führen, wodurch diese zu einer Stadtstraße rückgebaut werden kann. Insgesamt 60 Prozent der Verkehrsflächen sollen dadurch frei werden.13 Antwerpen sieht eine Umwandlung dieser Flächen in eine Grünzone vor. Hierfür wurde nach einem Wettbewerb 2011 das Planungskonzept „De Groene Singel“ entwickelt: Mit der Entstehung des Parks zwischen den Stadtteilen werden diese wieder vernetzt. Hierzu trägt vor allem die Stärkung von Fahrrad- und Fußwegen bei, zusätzlich dazu wird auch eine Straßenbahn zur besseren Erreichbarkeit der Innenstadt in das Landschaftsbild eingefügt.14 Bei der Bebauung wird in drei Typen unterschieden: dezent-

Van Acker, 2014, S.42 Vgl. Stadt Antwerpen, S.56f


40 Thema Stadt und Auto

Bauwelt 24 | 2014

StadtBauwe

Stauweltmeister Antwerpen Die Stadt, die für ihren „langsamen Urbanismus“ bekannt ist (Heft 12), ist für ihren langsamen Verkehr berüchtigt – trotz, oder gerade wegen des Antwerpener Rings, einem vielspurigen Autobahnsystem, das die Innen- von der Außenstadt trennt. Jetzt heizt eine Bürgerinitiative die jahrelangen Debatten über die Zukunft des Rings erneut an Text Maarten Van Acker rale Bebauung an den Rändern, Konklomerate im Grünen und straßenbegleitende Bebauung. Die Typen und ihre jeweiligen Standorte sollen gewährleisten, dass die Einfassung und historische Form des Grünen Singels erkennbar bleibt, und garantieren durch eine hoch verdichtete Bauweise möglichst große Flächen für die Parkanlage.15 Der Antwerpener Ring um­ schließt die Stadt auf 17 km. Er wird von zwei Autobahnen dominiert: der äußeren Ring­ autobahn und der inneren Stadtautobahn „Singel“.

Wie andere den sechzige Stadt zugel gramm hob dung von fü vor. Seit sei Stadtautoba und den Dur liche Verke schmutzer d schen die S „Ringland“ – tigen Infrast

Grafiken: AG Stadsplanning Antwerpen

Die Umwandlung der Infrastrukturschneise in eine grüne Lunge ist noch nicht fertiggestellt. Seit 2013 befindet sich das Projekt in der Umsetzung. Ab 2017 sollen die Baumaßnahmen zum Ausbau der Autobahn beginnen. Wann die Umwandlung der Infrastrukturschneise in eine grüne Lunge fertiggestellt sein wird, steht noch nicht fest.

15

Stadtautob

Bahntrasse

Ringautoba

Vgl. Stadt Antwerpen, S.5

Abb. 3

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Antwerpener Ring


2.3 Situation am Nürnberger „Frankenschnellweg“

Der Frankenschnellweg ist eine autobahnähnliche Kreisstraße durch den südwestlichen Teil Nürnbergs innerhalb des äußeren Rings, der in den 1970er Jahren auf den zugeschütteten LudwigMain-Donau-Kanal gebaut wurde. Zusammen mit der straßenbegleitenden Bahntrasse nimmt er Breiten bis zu 150 Meter an und stellt somit eine große Barriere zwischen den südöstlich und nordwestlich liegenden Stadtteilen dar. Die Nutzung entlang der Schnellstraße ist überwiegend von Gewerbe geprägt. Momentan sieht die Stadt Nürnberg einen kreuzungsfreien Ausbau der Schnellstraße vor. Hierfür sollen Teile der Strecke über 1,8km Länge untertunnelt

werden, wobei die derzeitige Straßenführung an der Oberfläche beibehalten und durch zusätzliche Tunnelabfahrten ergänzt wird. An den restlichen Stellen soll die angrenzende Bebauung durch acht Meter hohe Lärmschutzwände abgeschirmt werden. Die Planung aus den 90er Jahren zeigt eine starke Konzentration auf den motorisierten Verkehr. Außerdem wird vor allem der Durchgangsverkehr durch den kreuzungsfreien Tunnel gestärkt, der kaum eine belebende Funktion für die Stadt hat. Der Ausbau verschlimmert zudem die Situation mit Trennung und Abgrenzung der südlich gelegenen Stadtteile.

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Derzeit liegt das Vorhaben auf Eis, da der Bund Naturschutz eine Klage gegen das Vorhaben erhoben hat. Die Planungen zum Ausbau des Frankenschnellweges können durchaus kritisch gesehen werden, zeigen doch die zuvor aufgelisteten Beispiele, dass bei entsprechenden verkehrstechnischen Maßnahmen (Ausbau der Umleitung/ Autobahn) stärkere städtebauliche Umsetzungen vorstellbar sind. Unter anderen bieten die Lage, die gute ÖPNV-Anbindung über S-Bahn, U-Bahn und Bus ein hohes Entwicklungspotential, was einen urbane Nutzung des Gebietes rechtfertigen würde.


Abb. 4

Kreuzungsbereich Frankenschnellweg – Rothenburger StraĂ&#x;e

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2.4 Anwendbarkeit der Umbaustrategien am Frankenschnellweg

Durch die sehr ungünstige Verteilung der Straße weißt das Areal um den Frankenschnellweg sehr große Restflächen auf, die bisher nicht genutzt werden konnten. Eine Bündelung der Fahrspuren wäre eine Möglichkeit, die Restflächen zu nutzbarem Bauland umzuwandeln. Die beiden Beispiele „Neue Straße“ in Ulm und der „Antwerpener Ring“ zeigen unterschiedliche Strategien hinsichtlich einer möglichen Umnutzung von stark-frequentierten Stadtstraßen auf.

raumes und eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf maximal 20 bis 30 km/h sind am Nürnberger Frankenschnellweg jedoch aufgrund des deutlich höheren Verkehrsaufkommens von ca. 60.000 Kfz/Tag im Vergleich von „nur“ 25.000 Kfz/Tag in Ulm nur schwer umsetzbar. Eine Verlagerung des Durchgangsverkehrs auf eine Umgehung könnten sich jedoch als entlastend für den Frankenschnellweg und v.a. die Stadt Nürnberg herausstellen.

In Ulm wurde das Ziel einer dichteren, verkehrsberuhigten Innenstadt angestrebt. Eine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer sollte dabei beachtet werden. Mittel wie ein radikaler Rückbau des Straßen-

Ein Ausbau des ÖPNV, wie in Ulm, wäre nicht von Nöten, da bereits zum heutigen Zeitpunkt eine nahezu ideale Anbindung an U-Bahn, S-Bahn und Buslinien besteht.

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Profitieren könnten man vom Ulmer „Dialogmodell von Bürgerschaft und Stadtpolitik“. Sind doch die aktuellen Planungen den wenigsten Bürgern bekannt und die Politik auf die bereits 20-jährige Planung alternativlos eingefahren. Ein solcher Dialog könnte also neuen Wind in das Thema Frankenschnellweg bringen und sich für alle Parteien als Win-Win-Situation herausstellen. In Antwerpen wird mit den Umbauplänen eine bessere Integration der Innenstadt zu den umgebenden Stadtteilen und ein Ausgleich des Grünraumdefizites der Innenstadt angestrebt. Durch den Ausbau der Autobahn und anderer Umgehungsstraßen soll die Ringstraße entlastet werden.


Ein ähnliches Vorhaben könnte auch in Nürnberg zur Entlastung des Frankenschnellweges führen und somit neuen, nutzbaren städtischen Raum generieren. Die in Antwerpen frei gewordenen Flächen sollen größten Teils zu Parkflächen mit dichter Randbebauung umgewandelt werden. Geometrie und Dimensionierung sprechen in Nürnberg jedoch gegen die Errichtung einer großzügigen Parkanlage entlang der Bahntrasse. Eine urbane, dichte Bebauung aber würde der Nähe zur Innenstadt gerecht werden.

Abb. 5 Flächenpotential des Frankenschnellweges (Weiß: Straßenraum – Grün: ungenutzter Freiraum)

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„In der Vorgeschichte des Menschen müssen die Erzählungen des Kampfes gegen die sogenannte [sic!] ‚Drachen der Vorzeit‘ ähnlich kolportiert worden sein, wie heute die Bemühungen der Stadtpolitiker gegen die Flut des Automobiliverkehrs. Kaum hat man einen Kopf abgeschlagen, wachsen zehn neue nach, die Flut scheint nicht aufgehalten werden zu können, der Mensch scheint machtlos gegen die Autolawine zu sein. Politiker profilieren sich als strahlenden Helden und Drachentöter. Meist übersehen die aber den Drachen, wenn er ruht, und hilflos, wenn er sich zu bewegen beginnt.“16

3. Fazit

Während andere Städte sich seit Jahren von dem Bild der autogerechten Stadt abwenden, verfolgt die Stadt Nürnberg beim Um- und Ausbau des Verkehrsnetzes weiterhin Strategien dieser Vorstellung. Die derzeitigen Planungen für den Ausbau des Frankenschnellweges können daher als veraltet und rückständig betrachtet werden. Eine direkte Übertragung der Maßnahmen von anderen Beispielen, wie z.B. der „Neuen Mitte Ulm“ oder dem „Antwerpener Ring“, ist jedoch nur bedingt möglich. Einige der vorherrschenden, beeinflussenden Parameter unterscheiden sich zu sehr. So wird beispielsweise die Trennung der betroffenen Stadtgebiete nördlich und südlich des

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Frankenschnellweges durch die angrenzende Bahntrasse noch weiter verschärft. Ein Rückbau der Stadtautobahn allein würde das Problem der Anbindung also nicht lösen. Trotz dessen kann die Umwandlung des Frankschnellweges in eine belebte Stadtstraße für die betroffenen Stadtteilen eine große Chance darstellen. Vor allem die Flächengewinnung durch den Rückbau wäre hier positiv zu bewerten. Das Schaffen neuer Attraktoren – Ladenzeilen, Gastronomie, Gewerbe, aber auch öffentlicher Räume wie Parks oder einem Boulevard und nicht zuletzt neuer Wohnraum kann zu einer Aufwertung der Stadtteile und der dortigen Lebensqualität führen. Ein kompletter Wandel von Auto-

Knoflacher 1996, S.19

14

bahn heute und Fußgängerzone morgen ist aber realitätsfern. Ein schrittweiser Rückbau bis zu einem gewissen Maße ist jedoch als geeigneter Planungsansatz zu betrachten. Letztlich ist die Lösung der Thematik Frankenschnellweg jedoch primär eine politische. Solange in den Köpfen der Verantwortlichen kein Umdenken in punkto Verkehrspolitik stattfindet und veraltete Leitbilder verfolgt werden, kann das Potential zur Verbesserung der Lebensqualität und dem Bild der Stadt nicht ausgeschöpft werden. Das Ulmer „Dialogmodell von Bürgerschaft und Stadtpolitik“ könnte hier einen fruchtbaren Boden für neue Perspektiven bilden.


Bibliografie

Literaturverzeichnis Knoflacher, Herrmann: Zur Harmonie von Stadt und Verkehr. Freiheit von Zwang zum Autofahren; Wien, Köln, Weimar: böhlau Wien, 1996 2. Auflage Schultz, Brigitte; Crone, Benedikt: ‚Stadt und Auto‘ in ‚StadtBauwelt 202/2014‘, S. 15ff, Berlin: Bauverlag BV GmbH, 2014 Stadt Ulm: Internet-Auftritt über den Rückbau der Neuen Straße http://www.ulm.de/leben_in_ ulm/verkehr_umwelt/chronik.350 0.3076,3665,4373,4297,3533,3500. htm <21.12.2016>

Internetquellen Bauverlag BV GmbH, 2014 Van Acker, Maarten: ‚Stauweltmeister Antwerpen‘ in ‚StadtBauwelt 202/2014‘, S. 40ff, Berlin: Bauverlag BV GmbH, 2014 Wetzig, Alexander, et al.: ‚Neue Mitte Ulm – Die Rückeroberung des Stadtraumes in der Europäischen Stadt‘, Klemm + Oelschläger, Ulm/Münster 2012

Topp, Hartmut; Huber-Erler, Ralf: ‚Ein ungeliebtes Erbe‘ in ‚StadtBauwelt 202/2014‘, S. 33ff, Berlin:

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Inrix-Rangliste: http://inrix.com/ press-releases/scorecard-de/ <19.01.2017> Stadt Antwerpen: Urban development in Antwerp. Designing Antwerp, S. 56ff. Lier: Antilope NV, 2012 Online verfügbar unter http:// www.antwerpen.be/docs/Stad/ Stadsvernieuwing/9746949_ urbandevelopment_English.pdf <19.01.2017>


Abbildungsverzeichnis:

rufen am 19.01.2017>

Abb. 1 & 2: „Ein ungeliebtes Erbe“ aus StadtBauwelt 202: http:// www.ludwigshafen.de/fileadmin/ Websites/Stadt_Ludwigshafen/ Nachhaltig/City_West/Stadtbauwelt/bw_2014_24_0030-0039.pdf <aufgerufen am 19.01.2017>

Abb. 5: Flächenpotential des Frankenschnellweges, GoogleMaps, bearbeitet: https://www.google.de/maps/place/ An+den+Rampen,+90443+Nürnberg/ data=!4m2!3m1!1s0x479f5703da35aa 49:0x55390729019ceea6?sa=X&ved= 0ahUKEwiasPmsktPRAhUMOpoKH bKOAzoQ8gEIGzAA <aufgerufen am 19.01.2017>

Abb. 3: „Stauweltmeister Antwerpen“ aus Stadtbauwelt 202: https://www.researchgate.net/ publication/263363860_Stauweltmeister_Antwerpen <aufgerufen am 19.01.2017> Abb. 4: Kreuzung Frankenschnellweg/Rothenburger Straße https://www.nuernberg.de/ imperia/md/presse/bilder/pressemitteilungen/2014/140227_soer_ fotoausstellung_fsw1.jpg <aufge-

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