Eigendynamik der Gentri zierung- Chancen und Risiken der Stadtentwicklung

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Johannes Pörschke

Architekturtheorie B5421

Eigendynamik der Gentrifizierung- Chancen und Risiken der Stadtentwicklung

Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm Fakultät Architektur Theorie der Architektur und Entwerfen Städtebau und Stadtplanung Bachelor Architektur Prof. Ingrid Burgstaller Prof. Marc Kammerbauer Wintersemester 2016 1


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Inhalt Architekturtheorie

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Text Literaturverzeichnis

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Eigendynamik der Gentrifizierung - Chancen und Risiken der Stadtentwicklung

Eigendynamik der Gentrifizierung - Chancen und Risiken der Stadtentwicklung

Das Wort Gentrifizierung steht für den Strukturwandel innerhalb bestimmter großstädtischer Viertel. Zum Einen bewirkt sie, dass die Viertel attraktiver werden und neue Bevölkerungsgruppen anzieht, zum Anderen führt sie zu einer Umstrukturierung, die oftmals zu einer Erhöhung der Mietkosten führt. Das Phänomen der sogenannten Gentrifizierung kann man weltweit in verschiedenen Stadtvierteln beobachten und sorgt oft für negative Schlagzeilen. Doch wer ist verantwortlich für die „Genrifizierung“? sind es allein die Investoren, welche günstige Wohnungen zu einem niedrigen Preis kaufen, sanieren und teuer wieder verkaufen oder hat die Genrifizierung eine Art Eigendynamik, welche oftmals bei den Personengruppen beginnt, die sie eigentlich verabscheuen?

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Essay

Gentrifizierung am Beispiel Berlin Kreuzberg Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen der Stadtentwicklung ist Berlin Kreuzberg. Das mauernahe Grenzviertel in Westberlin war bereits in den 60-er Jahren eine beliebte Ankunftsstadt für türkische Gastarbeiter. Die günstigen Mieten und die Tatsache, dass die Wohnungen überhaupt an ausländische Gastarbeiter vermietet wurden - was zu dieser Zeit nicht selbstverständlich war - führte dazu, dass immer mehr Türken in das Viertel kamen und dort wohnten. Die damalige Politik war nicht auf die Integration der Gastarbeiter ausgelegt, sondern darauf, dass die Betroffenen nach einigen Jahren wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren1. Dies wiederum hatte zur Folge, dass viele nicht willens waren, die Sprache zu lernen und sich in Deutschland zu integrieren. Durch diese Tatsache, dass sie in Deutschland keine Wurzeln schlagen konnten und wollten, und durch die gesetzlich begrenzten Möglichkei1

Doug Saunders, Die neue Völkerwanderung ,Arrival City - 407f

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Eigendynamik der Gentrifizierung - Chancen und Risiken der Stadtentwicklung

ten zum Beispiel für Unternehmungsgründungen, entstand in Kreuzberg eine sogenannte Schattenwirtschaft und eine überdurchschnittlich hohe Kriminalität. Das Viertel war Jahrzehnte lang heruntergekommen und die deutschen Medien bezeichneten Kreuzberg auch gerne als „Parallelgesellschaft“ oder als „Dorf in städtischer Umgebung“, in dem nicht integrierte Türken ihre traditionellen dörfliche Lebensweise pflegen2. Doch die Stadt wandelte sich, durch den Mauerfall geriet das vorher am Rand gelegene Viertel ins Zentrum. Außerdem wollten mehr und mehr Menschen nach Berlin und die Nachfrage nach Wohnraum wurde immer größer. Gerade bei Studenten und Künstler ist besonders günstiger Wohnraum gefragt und so wurde Kreuzberg die neue Heimat von Menschen mit anderen kulturellen Gewohnheiten. In den unkonventionell wirkenden, von ethnischen Deutschen bewohnten Randbereichen wimmelt es jetzt von Cafés, Geschäften und Restaurants, im türkisch geprägten Kern dagegen wirkte derselbe Straßentyp anfangs merkwürdig leer und unbelebt. 3 2 Doug Saunders, Die neue Völkerwanderung ,Arrival City - S 398 3 Doug Saunders, Die neue Völkerwanderung ,Arrival City -S 405

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Essay

Ein leicht verruchter Ruf, eine bunte Bevölkerung, Stadthäuser aus dem 19. Jahrhundert, das Zusammentreffen verschiedener Kulturen und die zentral Lage sind die Faktoren, die Kreuzberg zu einen alternativen Szenenviertel werden ließen. Kreuzberg wird immer mehr zur Marke und Touristenattraktion. Immer mehr Nachfrage entsteht sowohl für Läden als auch Wohnungen. Nun ist die Genrifizierung voll im Gange und die ehemalige Kreuzberger Bevölkerung hat mit den Folgen zu kämpfen. Zum Einen dienen sie noch als Kulisse, um den Ruf des Viertels aufrecht zu erhalten, zum Anderen können Sie aber nicht mit den stetig wachsenden Mieten mithalten. Das Viertel erlebt einen Wandel: die Bevölkerung genießt die kulturelle Vielfalt, baut das Viertel weiter aus, verschönert und optimiert es. Der raue Stiel des Kiezes bleibt erhalten und wird verknüpft mit den Anforderungen des modernen Lebens. Umbaumaßnahmen werden getroffen, der Markwert steigt. Verschiedene Interessen prallen aufeinander und Konflikte entstehen. Heute leiden Straßenzüge des Viertels unter ständigem Lärm, der durch Partymeilen und ihre Besucher entsteht.

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Gentrifizierung Allgemein Die Faktoren für ein Viertel in dem Gentrifizierung anfängt, sind: - die Innenstadtnähe - die niedrigen Mietpreise - veraltetes und nicht mehr zeitgemäßes Wohnniveau - und erfahrungsgemäß Stadtbauten aus der Jahrhundertwende Am Anfang werden diese Viertel hauptsächlich bewohnt von Geringverdienern aus der bildungsfernen Unterschicht. Wenn Wohnraummangel in der betreffenden Stadt entsteht, wird dieses Viertel notgedrungen genutzt von gering verdienenden Studenten und Künstlern. Das Viertel erweckt zu neuen Leben und wird zunehmend interessanter und attraktiver für Hipsters und Individualisten, meistens im Alter zwischen 20 und 30. In der Folge werden investitionsfähige Bewohner zum Herrichten von Wohn- und Gewerbeeinheiten für den Eigenbedarf und Investoren zum Renovieren für den Verkauf angeregt. Die Tendenz besteht, bei diesen Maßnahmen auch das Rundum um die einzelne Einheit zu erfassen und zu verbessern. Dadurch steigt allgemein die Wohnqualität und der Marktwert in diesen Vierteln. Ironischerweise wird dieser Prozess durch diejenigen ausgelöst, die ihn wiederum lautstark ablehnen. 8


Essay

Chancen und Risiken Die Gentrifizierung kann durchaus Chancen für ein Viertel beinhalten. Der Prozess bewirkt, dass Stadtviertel und ihre Bauten sich regenerieren, die Gebäude werden nicht mehr nur abgewohnt und abgewirtschaftet, sondern über den reinen Erhalt hinaus aufgewertet. Das Eindringen von neuen, anderen Bevölkerungsschichten kann gettoartige Strukturen brechen und auflösen. Die Chancen sind also in zwei Richtungen zu betrachten: Einerseits in Hinsicht auf den Zustand der Bausubstanz und Andererseits auf die soziokulturelle und sozioökonomische Struktur der Bewohner4. Die Risiken auf der anderen Seite sind, dass durch die steigenden Preise alteingesessene Bewohner verdrängt werden und sie ihre Heimat verlieren. Auch für die Studenten und Künstler wird das Wohngebiet unerschwinglich und manches Mal bleibt dann eine von Touristen belebte Party- und Shoppingmeile - und teures Wohngebiet. Der ökonomische Wert steigt und der einst ruppige Charme sinkt. Rolle der Architekten und Stadtplaner

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Straßenkreuzer- Wohnen- Es wird eng für die Mieter in der Stadt S 15

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Inwiefern sind Architekten und Stadtplaner an diesem Prozess beteiligt? In der Rolle des Architekten erhalten sie Aufträge für die Sanierungen und Renovierungen von privaten Bauherren, Bauträgern oder Investoren. Dabei haben sie die Intention, sowohl den Innenraumm, wie auch den Außenraum zu verbessern, funktionierende und zeitgemäße Strukturen zu entwicklen und die Wohnqualität zu verbessern. Das kann Auslöser und Verstärker dieses Prozesses sein, aber Architekten sind hier mehr die „Dienstleiser“, weniger die Initiatoren.

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Literaturverzeichnis

Doug Saunders - Arrival City [Buch]. - Deutschland, Pantheon. 2. Auflage :2013 . Was ist Gentrifizierung? NDR-Info. 3. Mai 2012, [Audiodate- Online]. - 07.01.2017. - https://www.ndr.de/info/Was-ist-Gentrifizierung,audio112795.html Straßenkreuzer Das Sozialmagazin-Wohnen ,Es wird eng für Mieter in der Stadt [Zeitung]. - Nürnberg: 20. Jahrgang Ausgabe November 2013. Eduard Führ Hans Friesen, Anette Sommer (Hg.) Architektur im Zwischenreich von Kunst und Alltag [Buch]. - Münster : Waxmann Verlag GmbH, 1997. J. Feddersen und P. Unfried: Gentrifizierung schädlich für Kinder – „Prenzlauer Berg ist Apartheid“ , Artikel vom 12. November 2011 im Online-Portal taz.de-[Online]. http://www.taz.de/Gentrifizierung-schaedlich-fuer-Kinder/!5107751/

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Verfasser: Johannes Pรถrschke

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