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overstory Nur ANNik A wurde zur MArke

Als bisher Einzige hat es Annika Sörenstam geschafft, sich auch nach ihrer Karriere als Geschäftsfrau zu etablieren. ANNIKA: Aus dem Vornamen der erfolgreichsten Golferin der Moderne ist eine Marke geworden.

Es gibt viele Bilder von Annika Sörenstam dieser Tage: Arm in Arm mit Ehemann Mike McGee an ihrem Hochzeitstag. Mit den Kindern Ava und William bei einem Charity-Event in Orlando. Im schwarzen Hosenanzug mit hochgesteckten blonden Haaren ganz businesslike bei einer Konferenz. Im Golfdress mit Kopfhörern in den Ohren beim Solheim Cup in Colorado – als Assistenz-Kapitänin des europäischen Teams. Oder mit einem Mikrophon und einer Trophäe in der Hand bei der Siegerehrung des ANNIKA Invitational für die besten weiblichen Nachwuchsspielerinnen der Welt, dessen Veranstalterin sie ist.

EinE «LEgEndE» auf dEm PLatz Annika Sörenstam, inzwischen 44 Jahre alt, ist längst viel mehr als die Golferin, die in acht Solheim Cups spielte, zehn Majors gewann, den Karriere-Grand-Slam holte und 89 Turniersiege weltweit erzielte. Aus der einst so schüchternen Schwedin, die 1992 ins Profilager wechselte und sowohl auf der Ladies European Tour als auch auf der US LPGA Tour im ersten Jahr als beste Newcomerin ausgezeichnet wurde, ist ANNIKA geworden. Die Marke. Das Geschäftsimperium. Eine Vielzahl von Beschäftigungsfeldern, die eine Golfakademie in Orlando, Golfplatzdesign, eine Bekleidungslinie, Wein-Anbau, Charity-Aktionen, Turniere für Teenager und Ernährungsberatung beinhalten.

«Share my passion – teile meine Leidenschaft», ist der Leitspruch der Marke. «Ich bin einfach der Meinung, dass es wichtig ist, sich 100-prozentig damit zu identifizieren, was man macht, und diese Erfahrung auch mit anderen zu teilen», resümiert sie. «Annikas Einfluss auf das Frauengolf der modernen Zeit ist einfach erstaunlich; sie hat einen Standard gesetzt, der nie wieder erreicht werden mag», rühmte sie der

Ex-Präsident der PGA of America, Ted Bishop, als er ihr 2013 die Auszeichnung mit dem PGA First Lady Golf Award überreichte. «Ihre Konzentration auf Fitness und Exzellenz machten sie zu einer Legende auf dem Golfplatz, aber ihr Ruf in der Golfwelt rührt auch daher, dass sie sich darum kümmert, dass eine nächste Generation junger Frauen heranwächst.» zuErst absichtLich

Putts vErschobEn

Das klingt nach einer Frau, die ihr Geschäft und ihr Leben im Griff hat; die seit 2008, als sie ihr letztes Turnier absolvierte, ihre zweite Karriere als Geschäftsfrau problemlos meistert. Das ANNIKAImperium hat aber irgendwann einmal ganz klein angefangen mit einem Teenager im schwedischen Örtchen Bro. Eigentlich hatte Annika damals mit Golf nicht viel zu tun. Sie war eine exzellente Tennisspielerin und eine vielversprechende Skifahrerin. Golf war die zweite Wahl, vielleicht auch deshalb, weil sich die extrem schüchterne Annika Sörenstam ganz auf sich allein gestellt war. «Als ich grösser wurde, habe ich bei Turnieren immer wieder absichtlich Putts verpasst, um zu verhindern, dass ich eine Siegerrede halten musste», hat sie sich später erinnert. Daraufhin ordneten die Trainer an, dass auch die Zweitplatzierten eine Rede halten mussten, worauf Sörenstam beschloss, sie könne genauso gut auch gewinnen. Die Extra-Putts unterliess sie nun. 1990 schrieb sie sich an der University of Arizona in Tucson ein und spielte schon dort erfolgreich. Golf und Annika Sörenstam – das wurde zu einer perfekten Kombination. Auf die Frage, was ihr die Zahl 54 bedeute, anwortete sie 2005, als sie sich gerade in der besten Phase ihrer Karriere befand: «Meine Vision. Ein Birdie an jedem Loch.» Da hatte sie selbst schon eine 59er-Runde, bis heute die einzige auf der LPGA Tour, gespielt. «Es war eine grossartige Runde», beschrieb sie das Gefühl, nichts falsch machen zu können. trotz PErsönLichEr niEdEr LagE noch PoPuLär Er Und doch hat im Rückblick ein anderes Ereignis ihre jetzige Karriere viel mehr beeinflusst: Im Mai 2003 spielte Sörenstam beim ColonialTurnier der US PGA Tour der Herren auf Einladung des Veranstalters mit. Es war eine heiss diskutierte Entscheidung, die der Schwedin nicht nur positive Kommentare von ihren männlichen Kollegen bescherte. Für sie selbst ging es damals vor allem um eines: Ein Turnier unter dem maximalen öffentlichen Druck zu spielen, um so ihre Leistungskraft für die anschliessende LPGA Tour zu steigern. Sörenstam verpasste den Cut mit zwei Runden von 71 und 74 Schlägen, steigerte mit ihrem Auftritt aber den Bekanntheitsgrad ihres Namens weltweit enorm, wovon ihre Marke ANNIKA noch heute profitiert. «Damals habe ich nicht darüber nachgedacht», resümiert sie selbst. «Aber ich habe damit zweifellos die ersten Grundsteine gelegt. Und wenn ich heute zurückblicke, würde ich auf jeden Fall sagen, dass dieser Nachfolgeeffekt eingetreten ist.»

Henry Schafer von der Firma Q Score, der sich mit der Vermarktung von Top-Athleten beschäftigt, untersuchte den Effekt des Colonials auf Sörenstams Bekanntheitsgrad. Vor dem Turnier kannten sie 39 Prozent aller Sportsfans in Amerika, im Jahr des Colonial waren es schon 48 Prozent. «Es ging in Sachen Wiedererkennung und KonsumentenAnsprache dramatisch nach oben», stellte er gegenüber dem amerikanischen TV-Sender ESPN fest. Sörenstam selbst sah ihre Chance: «Ich fing an, das grössere Szenario zu erkennen und an neue

Möglichkeiten zu glauben, die vorher nie ein Thema waren. Aber das ist eben der Effekt von Golf, es erreicht viele Menschen. Es ist global, für Männer und Frauen, Jung und Alt, und es wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. All diese Puzzleteile fügten sich zusammen, und ich sagte mir: Hier passe ich rein.»

ErfoLgr EichEs businEss-gEsPann

Mit ihrem zweiten Ehemann Mike McGee – ihre erste Ehe mit David Esch wurde geschieden –bildet sie inzwischen ein erfolgreiches BusinessGespann, das im weiblichen Golfsport bis dato einmalig ist. Nur ihre Vorgängerin Nancy Lopez entwickelte nach ihrer Golf-Karriere mit Kleidung und Schlägern Marken unter ihrem Namen, sie war aber bei weitem nicht so erfolgreich. Bis dato galten Männer wie Arnold Palmer, Jack Nicklaus oder Greg Norman als Vorreiter der Szene. «Ich habe das nicht gemacht, weil ich so wettbewerbsorientiert bin und es machen wollte, weil keine andere es vor mir gemacht hat», rekapituliert sie ihr Erfolgsmodell. «Ich wollte es einfach machen. Es ist harte Arbeit, aber ich liebe es. Bloss weil ich kein Golf mehr spiele, heisst das noch lange nicht, dass ich jetzt meine Füsse hochlege und Pralinen futtere.»

Die Karriere geht also weiter: Vor kurzem hat Sörenstam den Zuschlag für den ersten Golfplatz in Europa bekommen, den sie zusammen mit European Golf Design erstellen wird. Familienfreundlich soll er werden, weil ihr dieses Thema am Herzen liegt. Ob ihre Kinder Ava und Will einst verstehen werden, welche Rolle ihre Mutter im Frauengolf gespielt hat, weiss sie nicht. Einmal aber hat ihr Ehemann Mike, als er sich gerade den Sieg der Rennfahrerin Danica Patrick beim Daytona 500 Pole gegen lauter Männer ansah, zu ihrer Tochter gesagt: «Da ist nur ein einziges Mädchen bei diesem Rennen am Start – deine Mama hat vor zehn Jahren etwas Ähnliches gemacht.» Ava, so erklärte Annika Sörenstam 2013, «ist gerade einmal dreieinhalb Jahre alt, aber sie hat verstanden, dass es für Mädchen okay ist, wenn sie ungewöhnliche Sachen machen.»

Nein, die zwei Runden in Colonial haben Annika Sörenstams Leistung nicht so stark nach oben katapultiert, dass sie den Grand Slam einspielte, auf den sie so sehr gehofft hatte. Die Erkenntnis aber, dass Golf weit mehr bietet als Turniere und endlos viele Runden tagein, tagaus, ist im Mai 2003 gewachsen. Aus der erfolgreichsten Golferin der Moderne ist längst die erfolgreichste Geschäftsfrau im Golf-Business geworden.

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