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Mickelsons Meisterleistung
the British o pen, Muirfield
Beim 20. Versuch hat es endlich geklappt: Der 43-jährige Amerikaner Phil Mickelson meisterte den knochentrockenen Linksplatz von Muirfield bei den 142. Open klar am besten. Das persönliche «Tagebuch» von GOLFSUISSEMitarbeiterin Petra Himmel beginnt deshalb lange vor dem Finalsonntag.
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In gewisser Weise beginnt die Geschichte dieser British Open von Muirfield im Jahr 1991. Es ist das Jahr, in dem ein junger Amateur namens Phil Mickelson zum Walker Cup auf den Golfplatz von Lahinch in Irland kommt und zum ersten Mal in seinem Leben Linksgolf spielt. Er bezeichnet es als «grossartig», aber in den Jahren als Profi muss er feststellen, dass «die Spielbedingungen und die Strafen für schlechte Schläge bei Open-Championships um so viel härter» sind. Mickelson findet in den Jahren darauf nicht wirklich einen Zugang zu diesem Spiel, das so anders ist «als das, womit ich aufgewachsen bin». Er ist der Meister des 60-Grad-Wedges, des superweichen Lob-Shots aus hohem Gras – die Sache ist nur, dass auf all diesen harten Linksplätzen, auf den knochentrockenen Fairways mit ein paar Millimeter Gras nicht der Lob-Shot gefragt ist, sondern der flach gehaltene Schlag.
Die Woche vor MuirfielD Schottland schwitzt. Es ist ein Jahrhundertsommer. Ein Juli, in dem die Schotten von Waldbrandgefahr reden und von Sonnenbränden. Es ist die Woche, in der Phil Mickelson mit seinen drei Kindern und Frau Amy aus seinem Privatjet steigt, um in Castle Stuart die Scottish Open als Vorbereitung zu den British Open in Muirfield zu spielen.
Als Phil Mickelson mit dem ersten LinksgolfSieg seiner Karriere im Gepäck nach Muirfield reist, hat er das Gefühl, dieses Spiel endlich –nach immerhin 19 Jahren bei den British Open – verstanden zu haben.
Montag: Spieler
Statt Balljunge
Der Montag in Muirfield ist der Tag der Hoffnungen. Jene des Tiger Woods, der endlich nach fünf erfolglosen Jahren seinen 15. MajorSieg holen will. Er blickt auf die staubtrockenen Bahnen von Muirfield und weiss: Es könnte werden wie 2006 in Royal Liverpool, als er wegen der knochenharten Fairways, auf denen der Ball endlos lief, vier Tage lang nur Eisen vom Tee spielte und am Ende souverän gewann. Er wird den Driver im Bag lassen und sich ganz darauf konzentrieren, seinen Ball richtig zu shapen. «Es geht nur um Ballkontrolle», sagt Woods. Lindsay Vonn hat er im Schlepptau, sie sagt erst einmal nichts. Aber in der Vogue hat sie sich zu Woods geäussert: «Ich werde niemals heiraten, egal wen.»


Es ergibt sich, dass Woods auf die DrivingRange geht, als auch Matthew Fitzpatrick dort auftaucht. Fitzpatrick ist 18, er sieht aus wie ein Schüler, weshalb ihn der Sicherheitsbeamte nicht auf die Driving-Range lassen will. Als der schlaksige Schotte, der im vergangenen Jahr die
Die US Open in Merion sind da gerade einmal fünf Wochen her. Mickelson ist zum sechsten Mal Zweiter geworden. Und das, obwohl er so sicher war, dieses Major endlich zu gewinnen, weil es anders als die British Open eigentlich perfekt zugeschnitten ist auf sein Spiel: «Ich war nach den US Open so down, aber dann bin ich zurückgekehrt und habe sie als extra Motivation genützt», sagt er in Castle Stuart. Er gewinnt im Playoff.
British Boys Championship gewonnen hat, endlich auf die Range vorgedrungen ist, denkt der nächste Ordner, er sei der Balljunge von Woods.
Das Feld dieser British Open ist voll von Amateuren um die 20 wie Fitzpatrick. Jimmy Mullen ist 19, seine Mutter ist Sozialhilfeempfängerin und irgendwann vor ein paar Jahren wollte ihn die Polizei in eine Besserungsanstalt schicken, weil er einen anderen Jungen verprügelt hatte.
Mullen hat seine Energie inzwischen auf den Golfsport verlagert. Er ist einer jener Nachwuchspros, die mit Hilfe des Sports den Weg aus der Gosse finden. Das spornt offenbar an.
DienStag: rory unter Druck
Rory McIlroy dagegen ahnt: Die Woche könnte schrecklich werden! Er steht nach Monaten ohne Erfolg unter Druck: Nick Faldo, der diese Open in Muirfield zweimal gewann, hat gesagt, er solle sich «ganz allein auf sein Golf konzentrieren». Und weil Rory weiss, dass sein Image als hart arbeitender Jungstar eher dem Bild vom weltreisenden Lebemann zwischen Monaco und Florida gewichen ist, musste Freundin Caroline Wozniacki diese Woche mal zuhause bleiben.
«Es fehlt nicht viel», kommentiert McIlroy seine Form. Aber enthusiastisch wirkt er nicht.
Mitt Woch: Die herren voM clu B
Die Sonne strahlt. Das Thermometer misst knapp 30 Grad und draussen auf dem Meer kräuseln sich ein wenig die Wellen. Ab und an kommt ein Segelboot vorbei. Gullane ist ein idyllischer Flecken Erde. Die Welt könnte wunderbar sein, wenn es nicht all diese Diskussionen um die Frauen oder besser gesagt die nicht existierenden Frauen von Muirfield gäbe. Nein, der schottische Premierminister wird diese Woche nicht vorbeikommen, weil er findet, dass der Club von Muirfield, genannt «The Honorary Company of

Edinburgh Golfers», mit seiner Männer-onlyPolitik in diesen Zeiten ein falsches Signal der Frauenfeindlichkeit aussendet. Die Herren vom Club sehen das anders: Eigentlich, so ein Ex-Clubsekretär, verstehe man sich eher als «Lunch-Club mit angeschlossenem Golfplatz». Es trifft sich ein wenig unglücklich, dass dieser Golfplatz allgemein als der beste der neun British-Open-Plätze gilt und man schon 15-mal dieses Major ausgetragen hat, so dass man sich schwer voneinander trennen kann. Ernie Els, der hier zuletzt gewonnen hat, bringt es auf den Punkt: «Wir haben Präsidentinnen, Premierministerinnen, Vorstandsvorsitzende, alles Frauen – alles, was ich sagen kann, ist, dass ich das Ganze in der heutigen Zeit sehr merkwürdig finde.»
DonnerStag: rory «hirntot» freitag: Die routinierS ü Berneh M en
Es wird ein langer Tag, an dem 156 Golfer mit wechselndem Erfolg um ihren Score wetteifern. Zwischenzeitlich führt ein Inder namens Shiv Kapur mit drei unter Par, was bedeutet, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, einen sicheren Weg zwischen all diesen Bunkern und dem hohen Rough auf die Grüns zu finden. Kein Mensch glaubt, dass Kapur am Ende dieser Woche etwas mit dem Ausgang des Turniers zu tun hat. Aber genauso wenig Menschen glauben noch an Rory McIlroy, der sich vom ersten Loch an durch Bunker und Rough schlägt und ziemlich viele Putts verpasst. Der Nordire verschwindet mehr und mehr unter seiner Kappe. Mitleid ist das Gefühl, das man beim Zusehen bekommt. Als diese British Open für McIlroy am nächsten Tag nach Runden von 79 und 75 Schlägen ein Ende nehmen, konstatiert er, dass er «ein wenig Hilfe gebrauchen könnte» und sich «hirntot» fühle. Kein Mensch widerspricht. Es gehört zum Wesen der British Open, dass man nach Jahren wieder von Menschen hört, die dieses Turnier irgendwann einmal gewonnen haben und bei dem normalen Turniergolf dieser Tage, bei dem es vorrangig um möglichst lange Drives geht, in der Versenkung verschwunden sind. Tom Lehman, der 1996 in Lytham gewann, und Mark O’Meara, der 1998 in Royal Birkdale siegte, spielen eine 68er- und eine 67er-Runde. Als O’Meara gewann, war der 17-jährige Justin Rose der beste Amateur und wurde Vierter. Am nächsten Tag wurde er Pro, vor sechs Wochen gewann er die US Open und hier spielt er eine 75er-Runde. Das wird am Freitag noch schlechter (77), weshalb Rose zugibt, dass er «nicht ausreichend vorbereitet» war. Auf einem Platz wie Muirfield funktioniert das nicht.
Manchmal ist Golf ein klein wenig wie Mathematik. Tiger Woods erklärt, er schlage den Ball mit möglichst wenig Spin, berechne genau den
Auftreffpunkt seines Balls und den Rollweg zum Grün und kalkuliere dann noch die Bunkerkanten und die leichten Wellen auf dem Fairway mit ein. Weil es jahrelange Erfahrung braucht, um zu erkennen, dass man dieses Turnier nur gewinnt, wenn man dieses Geduldsspiel bei jedem Ball und über die vollen 18 Löcher mitmacht, führen am Abend Spieler wie der 49-jährige Miguel Jiménez, der 37-jährige Henrik Stenson, Tiger Woods (ebenfalls 37) und der Brite Lee Westwood (40).
Westwood ist so etwas wie der ultimative Routinier: Er hat 61 Major-Turniere bestritten, nie eines gewonnen und hofft immer noch auf den ersten Sieg. Er hat seinen Wohnsitz kurzerhand nach Florida verlegt, um jetzt, mit 40 Jahren, endlich den ganzen Winter ordentlich trainieren zu können. Er hat seinen Schwung mit dem Woods-Coach Sean Foley verbessert, sein Kurzspiel optimiert und beschlossen, «hier auf jeden Fall Spass zu haben». Bis dato funktioniert das ganz prächtig.
Am Abend dieses Freitags führt Paul Lawrie, der 1999 die British Open in Carnoustie gewann, seinen Terrier zuhause in Aberdeen spazieren: Nach zwei Runden mit 81 und 69 Schlägen zum Gesamtstand von acht über Par ist er nachhause gefahren. Er kommt dann wieder nach Muirfield zurück, weil acht über Par gerade noch gut genug ist für den Cut.

Sa MStag: Wetten auf tiger
Der Spassfaktor für Lee Westwood erreicht ungeahnte Höhen, weil er eine nahezu fehlerlose Runde spielt und am Ende des Tages mit drei Schlägen führt. Man kann zu diesem Zeitpunkt spekulieren, welchen Score man wohl erzielen muss, um mit diesem Vorsprung zu gewinnen. Ein «Faldo», so heisst es von den Kollegen, werde wohl reichen. Ein «Faldo» ist eine eher unaufgeregte Runde von 18 Pars, mit der Nick Faldo 1987 seine ersten British Open in Muirfield gewann. Eine Menge Wetten für den Sonntag laufen an diesem Samstagabend auf Tiger Woods, der sich mit Hunter Mahan den zweiten Rang teilt und von dem Graeme McDowell sagt: «Der ganze Platz ist wie auf ihn zugeschnitten – absolute Geduld, absolutes Platzmanagement, Kontrolle auf den Grüns und an den Grünfronten.»
Phil Mickelson liegt fünf Schläge zurück, was eigentlich ein bisschen viel wäre – wenn man nicht Phil Mickelson heissen und grundsätzlich an seine spielerischen Fähigkeiten glauben würde. Er hat am Vorabend mit Coach Butch Harmon noch ein wenig an seinem Schwung gebastelt. Den Ball hat er super getroffen an diesem Tag und es gibt eigentlich keinen Grund, warum er das morgen nicht auch tun sollte.
Sonntag: ful Minanter SchluSS
Als Lee Westwood um 14.10 Uhr abschlägt, spielt Phil Mickelson bereits die Runde seines Lebens, die am fünften Loch mit einem Birdie ein wenig in Fahrt kommt und ihn an der Neun mit einem zweiten Birdie zu 34 Schlägen in Kontakt mit der Spitzengruppe bringt. Seine Augen blitzen, seine Wangen sind tiefrot, es ist ein Tag ganz nach seinem Geschmack: eine Runde voller Wettkampffieber, voller Risiko, voller Gefahren. Phil Mickelson ist 43 Jahre alt, aber er liebt dieses Spiel. Was man an diesem Nachmittag von Tiger Woods und Lee Westwood vielleicht nicht unbedingt behaupten kann. Man ahnt Übles, als Woods an der Zwei den ersten Dreiputt kassiert, sein Ball ein paarmal im Rough landet und Lee Westwoods Runde sich eher unglücklich zwischen Bunkern und hohem Gras abspielt. Nein, aus dem «Faldo» wird wohl nichts werden. Und weil beide die ersten Neun mit zwei über Par spielen, ist aus dem allein führenden Lee Westwood nach neun Löchern ein Spitzentrio aus ihm, Henrik Stenson und Adam Scott geworden. Der Australier hat das Ding eigentlich in der Hand, bis ihn an den Bahnen 13 bis 16 eine plötzliche Puttkrise in die Knie zwingt, die ihn am Ende nur Dritter werden lässt. Zu diesem Zeitpunkt hat Phil Mickelson seinen Gang über das 18. Fairway schon hinter sich. Er hat die letzten sechs Löcher vier unter Par gespielt und an Bahn 17 zwei brillante Schläge mit dem Holz 3 gemacht, weshalb er findet, das gute Stück habe alle Voraussetzungen, als Lieblingsschläger mit dem 60-Grad-Wedge gleichzuziehen. Nach dem Birdie hat er zwei Schläge Vorsprung auf die Verfolger und den Claret Judge so gut wie gewonnen. Ein letzter herausragender Annäherungsschlag mit dem Eisen zum Grün macht ein weiteres Birdie perfekt. Er hat die 66 gespielt, die beste Runde des Turniers, genau zum richtigen Zeitpunkt. Er gewinnt diese Open mit drei Schlägen Vorsprung auf Stenson und mit vier Schlägen Vorsprung auf Westwood, Scott und Ian Poulter. Er wirft die Arme in die Luft. Er flüstert: «Wow, ich hab’s geschafft!» Er weint, sein Caddie Bones, seit 21 Jahren an seiner Seite, weint, Frau Amy

Vormittag: Golf in Monastir Nachmittag: das Amphitheater von El Djem und wahrscheinlich ein paar Hundert auf den Tribünen verdrücken sich ein paar Tränen. «Ich habe nie gewusst, ob ich das Spiel und die Schläge für diesen Sieg haben würde», sagt er im Anschluss. Er ist ein strahlender, ein sympathischer Sieger.

So gut geputtet wie noch nie: Phil Mickelson.
Der Montag Danach: granD Sla M iM v iSier
Phil Mickelson ist wieder die Nummer zwei der Welt. Wieder hinter Tiger Woods. Ein altbekanntes Bild. Geht es um die Major-Titel, ist Mickelson dem Kollegen in letzter Zeit allerdings ein wenig voraus. Der neue OpenChampion ist aufgeregt wie lange nicht mehr: Der Karriere-Grand-Slam ist jetzt sein Thema, der Sieg bei allen vier Majors. Fünf Spieler haben ihn bis dato erst geschafft: Jack Nicklaus, Tiger Woods, Gary Player, Ben Hogan und Gene Sarazen. «Es ist das Zeichen für einen kompletten Golfer», philosophiert der Kalifornier vor sich hin, dem nun allein der US-Open-Sieg fehlt. Mickelson wäre nicht Mickelson, wäre er nicht fest davon überzeugt, auch das zu schaffen.
