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Versteckte Energie finden und nutzen!
Wir alle werden älter – das ist nichts Neues. Doch auch als ältere Golfer, ob männlich oder weiblich, wollen wir uns verbessern; und auch wenn der Ball nicht mehr so weit fliegt, so kann eine Golf-Karriere doch noch lange und erfolgreich weiter gehen. Der menschliche Körper hat mehr Energie, als man denkt – man muss nur den Auslöser, den «Trigger» finden, um diese dem Spiel dienstbar zu machen!
Mit zunehmendem Alter werden die Drives kürzer, und der Körper zwickt und schmerzt nach 18 Holes an mehr und mehr Stellen; das scheint ein golferisches Naturgesetz zu sein. Ein bisschen Weh im Kreuz, wackelige Knie, ein müder Schultergürtel vom Ziehen des Trolleys oder vom Tragen des Bags: das alles trägt nicht gerade zu einem komfortabeln Feeling bei. Wir geniessen deshalb die Schönheiten der Sommermonate, wenn der Ball auf den harten Fairways weiter rollt als im Frühling, was den offensichtlichen Distanzverlust etwas weniger auffällig macht. An diesen brutalen Wahrheiten kommen wir alle nicht vorbei; die einen jetzt, die anderen in einigen Jahren.
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Jeder Spieler hat also alles Interesse, das Maximum aus seinen persönlichen Möglichkeiten herauszuholen. Länge kommt üblicherweise von der Schulterdrehung, vom Ausnützen der Körperspannung durch die grossen Rückenmuskeln und von den Hüften und Oberschenkeln, die das Körpergewicht vom rechten auf das linke Bein transferieren. Dazu gesellen sich die Hände, welche den Club im richtigen Moment schnellen lassen («Release»), was maximale Beschleunigung kreiert und den Ball so richtig voll abschiesst.
Diese grobe Zusammenfassung der Powerquellen mag etwas kompliziert tönen; erst recht für einen älteren Herrn oder eine ältere Dame. Aber deswegen braucht jetzt niemand zu verzweifeln – es gibt technische Tricks, die helfen, auch dann einen brauchbaren Ball zu schlagen, wenn man nicht mehr so kräftig und so schnell ist wie Tiger Woods oder Ernie Els.
Trainieren
Man muss sicher auch ein paar Bemerkungen zum Thema Fitness machen, wenn es um die Länge der Abschläge älterer Golfer geht. Fitness alleine macht noch keinen längeren Ball; aber es kann auch nicht schaden, fit zu sein, und gewisse Übungen können jeden Golfschwung unterstützen.
Wir reden von ärober und anärober Energie. Ärobe Leistungsfähigkeit, also das Umsetzen von Sauerstoff in Bewegung hilft, eine Runde durchzustehen und die Konzentration zu behalten, aber sie macht keine längeren Abschläge. Anärobe Leistung dagegen hat mit der Aktivierung der Muskeln zu tun, mit dem Abrufen der Kraft und mit koordinierten Bewegungsabläufen – von dort kommen die langen Schläge.
Doch die physische Verfassung eines älteren Menschen setzt dem Krafttraining Grenzen. Allzu generöses Gewichtheben kann sogar Risiken beinhalten und ist sicherlich nicht zu empfehlen. Ich bin kein Experte in Dingen wie Pilates oder Yoga, aber ich bin sicher, dass sinnvolles Training nach solchen Methoden viel bringen kann. Doch das wichtigste ist das Stretching. Man kann es wohl kaum überschätzen: es verbessert Ausdauer und Kraft, es fördert die Beweglichkeit, die Bewegungsamplituden («Range of Motion»), es nützt auch dem Kreislauf, und das Beste ist, dass man nach einer Stretching-Einheit ein viel besseres Gefühl von sich selber hat!
Es gibt zahlreiche Übungen. Generell sollte man die Positionen nicht viel länger als acht Sekunden halten; Stretching mit Halten von 30 oder noch mehr Sekunden kann zu Steifheit oder Verspannungen führen.
An einer spezifischen Kraftübung kommt aber wahrscheinlich niemand vorbei, der sein Golfspiel verbessern will. Gute Spieler fallen durch viel Kraft in den Unterarmen und Händen auf; und dazu verhilft regelmässiges Trainieren mit einem dazu geeigneten Gerät (forearm squeezer). Ein kräftiger Griff, starke Unterarme und Handgelenke helfen definitiv, den Ball weiter zu schlagen. Man sollte so weit kommen, dass man mit beiden Händen 100 Wiederholungen ohne Pause machen kann. Ebenfalls zu den generellen Bemerkungen gehört der Hinweis auf die Wichtigkeit des Trinkens und der Ernährung. Die Beschleunigung, welche die Muskulatur liefern muss, verbraucht Kohlenhydrate, und die müssen dem Körper vorher in ausreichender Menge zugeführt werden, sonst leiden Koordination und Konzentration, denn es drohen Dehydratation oder ein Hungerast.
Die Technik, der «Trigger»
Heute betonen Golfinstruktoren aus allen Ländern vor allem eines: die Wichtigkeit einer überragenden Fitness. Sicher, das ist ein Vorteil, daran besteht kein Zweifel. Allerdings gibt es noch heute erfolgreiche Turnierspieler, die alles andere als grosse Fitness-Fanatiker sind. Es gab einmal einen Engländer namens Max Faulkner, der mindestes so berühmt war für seine Grosstaten in den Pubs wie für seine Leistungen auf dem Golfplatz. Er gewann 1958 die Long Driving Championship mit einem Schlag auf 309 Yards (280 Meter). Das schaffte er mit einem Persimmon-Driver und mit einem Stahlschaft; etwas anderes gab es da noch nicht einmal. Die Bälle damals waren den heutigen modernen Meisterwerken massiv unterlegen. Es wird kolportiert, Max habe viel Zeit mit dem Melken von Kühen verbracht, um seine Hände zu kräftigen.
Man muss sich fragen, wie die Golfer vor 50 Jahren trotz unterlegenem Material und weniger gutem Fitnessgrad so lange Drives hauen konnten. Die Antwort liegt auf der Hand: obschon das Material sich dramatisch verändert hat, ist der Schwung grosso modo gleich geblieben. Das richtige Einsetzen der Handgelenke und der Hände, der Release des Clubs, ist immer das wichtigste Element eines Schwungs ge- wesen – eben der «Trigger» des Schwungs. Das ist heute noch genauso wahr wie eh und je.

Jede Golfspielerin, jeder Golfer muss lernen, das Potenzial der Handgelenke und Hände optimal auszuschöpfen; der Schwung muss darauf ausgerichtet werden.
Der Griff
Wenn man seinen Release verbessern will, muss man als erstes sicherstellen, dass man den Club in einer perfekten – oder möglichst perfekten – Art und Weise greift. Ohne einen guten Griff kann man den Club nicht kontrollieren, und man kann ihn auch nicht durch den Ball hindurch laufen lassen. Jeder Pro weiss das: wenn man das Greifen des Clubs fleissig übt, finden die Hände und Finger am Schluss die korrekte Position von alleine.
Zu schwacher Griff: so wird man die Tendenz haben, den Ball nach rechts zu verziehen, und der Ball wird zu hoch und zu wenig weit gehen.
Zu starker Griff: das Resultat ist eine zu flache, zu lange und nach links startende Flugbahn des Balles. Perfekter Griff: dieser Griff erlaubt es, die Hände voll einzusetzen und lange, präzise Bälle zu hauen.
Der Backswing
Man kann häufig Golfer beobachten, die viel zu hohe Bälle hauen. Die Hauptursache dafür ist ein zu steiler «Angle of attack»; nicht selten haut man den Club dann auch noch in die Grasnarbe. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine lange Flugbahn; dafür muss man den Club auf einem weiten, flachen Bogen schwingen. Ein Backswing mit einem weiten Bogen setzt voraus, dass der Club nach dem Takeaway eine Position wie im Bild einnimmt (nächste Seite). Das hat zwei Vorteile: dank des weiteren Bogen mehr Clubhead-Geschwindigkeit; und zweitens das Verhindern eines Slicen des Balles. Natürlich müssen alle Positionen des Clubs imSchwung automatisch kommen, vor allem während einer Golfrunde; im Training erarbeitet man sich Referenzpunkte für den Schwung.
Handgelenke
Eine korrekte Position am Ende des Backswings ist entscheidend für einen guten Release des Clubs durch den Ball. Ein zu langer Backswing kann es schwierig machen, genügend Beschleunigung durch den Ball hindurch zu produzieren. Im Bild zeige ich Ihnen eine richtige und eine falsche Position der Arme und Handgelenke im Backswing. Man schafft sich damit die Voraussetzung, den Clubhead durch den Ball hindurch zu beschleunigen. Das ist genau einer der Punkte, der älteren Spielern die Möglichkeit gibt, mehr Distanz aus ihren Möglichkeiten herauszuholen. Sie müssen ihre Technik darauf ausrichten, durch den Ball hindurch optimal zu beschleunigen!
Mit dem «Forearm Squeezer» werden die Unteramrmuskeln auf Vordermann gebracht.
Ken Holden ist Engländer und arbeitet seit über zehn Jahren in der Schweiz; heute unterrichtet er auf der Driving Range Härkingen.Er ist Mitglied der Swiss PGA.
Den Club richtig greifen – eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen guten Schwung. Oben links ein guter Griff im Vergleich zu einem zu starken (oben) und einem zu schwachen (unten) Griff. Anschliessend wird der Backswing mit einem «One piece take away» gestartet (oben rechts, mit einer guten udn einer weniger guten Version). Dabei muss dem Winkel der Handgelenke besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden (links).





Was hat das mit den Handgelenken zu tun?
Ein idealer Handgelenkwinkel wäre 90°; mehr als das ist nicht zu empfehlen, weil das möglicherweise eine zu frühe Beschleunigung zur Folge hat. Gewisse Spieler allerdings – wie Colin Montgomerie, Phil Mickelson oder grossgewachsene Ladies – können lange Bälle schlagen, auch wenn sie überschwingen (overswing). Doch das geht nur mit einem langsamen, kontinuierlichen Aufbau der Beschleunigung.
Extension
Aus der richtigen Position im Backswing ist dann auch ein kraftvolles Treffen des Balles möglich. Der Release des Schlägers muss als koordinierte, vorwärts gerichtete Aktion der Hände, Handgelenke und Unterarme verstanden werden. Alles, was nach «den Ball in die Luft schaufeln» aussieht, bringt keine Länge. Man erkennt das an einer guten Extension; also eine Position nach dem Treffen des Balles, welche beide Arme nach vorne gestreckt und den Club – wie als Verlängerung der Arme – gegen vorne-oben rotiert zeigt.
Finish
Immer wieder werde ich gefragt, ob denn die Endposition des Schwungs wichtig sei. Eine gute Frage: es gibt dafür drei Gründe. Einmal zeigt ein guter Finish, dass man gut durch den Ball hindurch beschleunigt hat, was so viel Energie produziert, dass man gar nicht vorher abbremsen kann. Beim Pitchen oder Chippen zum Beispiel geht man ja nicht in einen vollen Finish.
Zweitens kann man vermuten, dass ein Golfer, der seinen Schwung – und den Club – bis zum Schluss unter Kontrolle hat, diese Kontrolle auch während des ganzen Bewegungsablaufs gehabt hat. Demgegenüber verrät ein unbalancierter Finish mangelnde Kontrolle und lässt vermuten, dass auch die Qualität des Schlages zweifelhaft ist. Schliesslich zeigt ein guter Finish auch, dass die Balance des Spielers stimmt. Gute, lange Schläge verlangen einen balancierten und rhythmischen Schwung, sonst geht der Ball daneben.
Übungen
Ein kleines Brett wird beim Ansprechen hinter den Clubhead gelegt. Der Beginn des Backswings besteht aus dem Wegstossen dieses Brettes mit der Rückseite des Clubface; so bewegt sich der Club genau auf der richtigen Schwungbahn.



Halbe Schwünge sind eine ausgezeichnete Übung; jedermann wird überrascht sein, wie weit sie oder er den Ball so hauen kann. Man bekommt so ein besseres Gefühl für das Einsetzen der Hände und Handgelenke und für den Aufbau der Beschleunigung.
Ob man am richtigen Ort des Schwungs beschleunigt, kann man mit einer einfachen Übung herausfinden. Man packt einen Club nur mit der linken Hand; und zwar so, dass Schaft und Arm einen Winkel von 90°bilden. Jetzt schwingt man diesen Club, immer noch einhändig, und versucht, einen möglichst lauten «Woosh» zu erzeugen. Ist dieses am lautesten vor dem ImpactPunkt, dann erfolgt der Release des Clubs zu früh. Kommt der Woosh nach dem Ball, dann erfolgt der Release zu spät (was sehr selten ist). Gibt es gar kein Woosh, dann produziert man zu wenig Beschleunigung.
Equipment

Höheres Aufteen des Balles verbessert die Chance, einen Draw zu schlagen, und bringt einen höheren Abflugwinkel. Es ist auch zu empfehlen, im Driver einen etwas kürzeren Schaft zu verwenden; die Theorie besagt, dass man so den Ball regelmässiger mit dem Sweetspot trifft. Natürlich produziert ein längerer Schaft eine höhere Bahngeschwindigkeit des Clubheads; doch das bringt auch weniger präzises Treffen des Balles mit sich, was der Grund dafür ist, dass viele Leute ihr Holz besser spielen als den Driver. Mehr Loft kann ebenfalls helfen. Zwar hat Tiger 6°Loft im Clubhead; damit brächten wir normalen Sterblichen kaum einen Ball in die Luft! Speziell älteren Golfern kann mehr Loft – zum Beispiel 12°– und ein etwas weicherer
Schaft zu besseren Abschlägen verhelfen. Allerdings müssen Senioren nicht unbedingt mit Seniorenschäften spielen. Regular kann die beste Wahl sein – wir mögen alt sein, aber das heisst noch lange nicht, dass wir auch Schwächlinge sind!
Auf einen Nenner gebracht
Ich bin sicher: eine gute Beschleunigung durch den Ball hindurch ist die wichtigste Voraussetzung für lange Shots. Auch ältere Golfer können lange Abschläge produzieren, wenn sie die paar Tips in diesem Artikel in ihren Schwung einbauen. So lange, wie man genug Kraft hat, um einen Club zu halten, kann man diesen auch beschleunigen. Im Golfspiel hat man ja nie ausgelernt; jeder Tag bringt Neues, und wir sind nie zu alt, um zu lernen und uns zu verbessern!

■ Ken Holden
Eine gutre Extension nach dem Release des Clubs und ein guter Finish gefallen nicht nur dem Pro, sondern auch der Spielerin, welche hier eine Quelle für längere Shots gefunden hat.