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Wundertüte «Fitness»
In jeder Golf Academy wird der neue Kunde zuerst einmal durch ein «Screening» geschleust, bevor man ihn mit Ratschlägen überhäuft. Er wird durchgecheckt: wie schwingt er, wie ist er gebaut, was hat er körperlich drauf, und was funktioniert bei ihm schon nicht mehr so gut. Und weitere Fragen, die alle das Ziel haben, dem Pro zu signalisieren, was er dem Kunden überhaupt verordnen soll. Wichtiger Bestandteil dieses Checks ist der Fitness-Test, der ein bisschen anders verläuft, als man sich das gemeinhin so vorstellt, und der für jedermann einige Überraschungen bereithält.
«Die beste Art, den Fitness-Check des TPI-Systems kennenzulernen, ist – wir checken dich gleich selber aus!» Pro Thierry Moser führt den Journalisten in die mit Elektronik vollgestopften Hinterzimmer neben der Driving Range seiner Academy in Moossee, wo auch ein kleines Fitness-Studio lauert. Aber besonders anstrengend wird es nicht: es geht um die golfspezifischen Muskeln und um die spezifische Beweglichkeit, um die Flexibilität, die notwendig ist, um einen wirklich guten Schwung überhaupt ausführen zu können. Dabei kommen Körperpartien zum Vorschein, die normale Menschen noch nicht einmal kennen, und es wird auch immer der Vergleich zum Tourspieler angestellt, der hier eine «Range of Motion» von so-und-so-viel Grad oder Prozent hat, und man selber bringt es kaum auf die Hälfte. Es geht zum Beispiel um die Lockerheit zwischen den Schulterblättern, oder um die Fähigkeit, Schulter- und Beckengürtel unabhängig voneinander zu bewegen, oder auch um die Flexibilität und die Stabilität in den Schultern. Das Becken sollte man so elegant rotieren lassen können wie eine ägyptische Bauchtänzerin, und die
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Bauchmuskeln sollten dem ganzen Menschen so viel Stabilität geben, dass er die Wirbelsäule vor der Runde ins Garderobenschränkchen hängen kann. Aber Spass beiseite: Fitness à la TPI (www.mytpi.com) ist eine begeisternde Sache, die jedem Golfer, jeder Golfspielerin etwas bringen kann. Der Pro gibt nun also während des umfangreichen Checks alle erhobenen Daten in einen Online-Fragebogen ein. Hat man alle Abschnitte durchlaufen, dann ermittelt TPI für jeden Kandidaten ein persönliches Fitness-Handicap (in meinem Fall 21,5, was gemessen an meinem Exact Handicap von 6,3 eine regelrechte Katastrophe ist) und schlägt ihm ein umfangreiches Programm von Übungen vor, die spezifisch seine Schwächen bekämpfen werden – sofern er sie auch macht, diese Übungen.
Body and Swing
Zwischen der körperlichen Verfassung eines Spielers und seinem Schwung besteht natürlich ein sehr enger Zusam-

Hat gut lachen – er muss die Übungen ja nicht selber machen… menhang. Kaum einer ist überhaupt in der Lage, so zu schwingen, wie er möchte; und ohne es zu merken, macht er das, was sein Körper gerade noch zulässt, und er stösst auch immer wieder an die gleichen Limiten. So hat ein chronischer Slice beispielsweise nicht immer nur technische Ursachen, sondern körperliche – der Spieler kann noch so lange versuchen, seine Technik zu verbessern, wenn sein Körper dazu nicht vorbereitet ist.
Thierry Moser ist Mitglied der Swiss PGA und Headpro in der Academy des Golfpark Moossee.

Deshalb arbeiten TPI und Mosers Academy nach dem in Golf Suisse 2/09 vorgestellten 12-Punkte-Programm mit den wichtigsten Schwungfehlern (im Kasten nochmals wiederholt). Die Videoaufnahmen meiner paar Bälle, die mich Thierry Moser hat schlagen lassen, werden sofort auf dem grossen Bildschirm an der Wand analysiert, und im Gespräch ergeben sich auch gleich logische Zusammenhänge zu den Ergebnisses des Fitness-Tests. Das tönt in meinem Fall so: «Ich habe eine limitierte Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, was meine Schulterdrehung limitiert. Deshalb tendiere ich im Backswing zum allzu starken Anheben der Arme und des rechten Ellenbogens. Wegen beschränkter Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbel kann ich die Körperhaltung (Posture) durch den Schwung hindurch nicht halten, sondern richte mich sowohl im Backswing wie auch im Durchschwung auf. Ich rotiere die Schultern auf einer zu flachen Ebene. Zusammen mit anderen, kleineren Mängeln zwingt mich das, den Club mit den Händen zu steuern, um überhaupt den Ball zu treffen. Mangelnde Kraft und Stabilität im Gesäss und in der Rumpfmuskulatur könnten die Ursache für viel zu unruhige, instabile Beine sein; als Folge davon schwinge ich mit einem leichten Reverse Pivot. Schliesslich lasse ich den Club zu früh laufen (early Release) und habe auch einen Over-the-Top-Schwung». Steht alles in der Analyse von myTPI.com…
Dramatisch, nicht? Thierry Moser ist erstaunt darüber, dass ich schon nur den Ball treffe; geschweige denn, dass ich in der Lage sein soll, diesen auch an einen bestimmten Ort hin zu spielen. (Ich habe ihn vor der Session von der Verpflichtung befreit, mit mir diplomatisch umzugehen – schliesslich handelt es sich um eine journalistische Recherche.)
Das Programm läuft…
Der Pro geht also mit dem Kandidaten für einen besseren Schwung – aus dem dann mit ein paar flankierenden Massnahmen wie Chippen und Putten auch ein besseres Golfspiel werden sollte – durch die Analyse und erklärt ihm die Zusammenhänge nochmals im Detail. Das alles passiert auf der Range, so dass gleich auch ausprobiert werden kann; dabei merkt der «Patient» schnell, dass ihm tatsächlich da und dort ein paar Kleinteile fehlen. Hier ein Müskelchen, da ein paar Zentimeter mehr Flex: das summiert sich dann zum oben beschriebenen Krisen-Swing. Wie geht es jetzt nun aber weiter? Parallel zum TechnikTraining mit gelegentlichen Checks beim Pro mache ich im Rahmen des Fitness-Programms von myTPI dreimal in der Woche meine Übungen. Denn ich habe ein Mail mit für mich zusammengestellten Übungen zugestellt bekommen, 31 an der Zahl, und zum Programm gehört pro
Übung jeweils ein genauer Beschrieb mit einer kurzen Videosequenz, die mir nicht nur erklärt, wie sie gemacht wird, sondern auch, für was die Übung genau nützlich ist. Man kann sich dieses persönliche Trainingsprogramm ausdrucken; besser ist es aber, wenn man es die ersten paar Male vor dem eingeschalteten Compi, also direkt online, absolviert. Das dauert vielleicht eine gute Stunde pro Mal; aber so kann man das Video laufen lassen und die Übung gleich richtig kopieren. Wenn man sie einmal kennt, dann geht es rascher. Viele dieser Übungen sind extrem golf-spezifisch; man macht also auch gleich technische Fortschritte, auch wenn man keinen Ball haut. Nach sechs Wochen sieht das Programm den nächsten Fitness-Test vor; da wird sich dann zeigen, ob es mir gelungen ist, einige dieser wichtigen «Kleinteile» in meinen Body einzubauen.
Fitness und Golf, das ist die ganz heisse Geschichte dieser Tage. Nicht nur die Spieler in den Tours, sondern auch die Amateure in den ASG-Kadern sind heute Vollblutsportler, die Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit als Hilfsmittel für ein besseres Golfspiel verstehen. Es ist niemandem verboten, sich eine ebensolche Philosophie für sein eigenes Golfspiel zurecht zu legen. Was Tour- und Kaderspieler in Trainingslagern oder bei renommierten Coaches lernen, das müssen wir Clubgolfer uns allerdings selber beschaffen – sei es das Coaching oder auch nur das Knowhow über die Zusammenhänge. Dazu eignen sich Kurse in einer Golf Academy hervorragend. Dort stehen alle benötigten Strukturen und technischen Hilfsmittel zur Verfügung; ihre Benützung ist im Pauschalpreis selbstverständlich inbegriffen, und die dort arbeitenden Pros sind auf den betreffenden Apparaten geschult und können Computer und Software bedienen. Wenn man Glück hat, bekommt man es zudem nicht nur mit einem guten Pro, sondern mit einem guten Spieler zu tun, der selber auch austrainiert ist.
Golf Academies wie diejenigen im Golfpark Moossee gibt es auch in der Schweiz zahlreiche. Warum also nicht zum Beispiel eine Woche Ferien an einem schönen Ort in der Schweiz mit einem Kurs in einer solchen Academy verbinden, anstatt während der ganzen Woche täglich die übliche Runde abzuspulen?
■ Urs Bretscher
Die «Big Twelve»
Das sind die häufigsten Fehler der Golfspieler undspielerinnen
• Falsche Körperhaltung: S-Posture (25,3% )
• Falsche Körperhaltung: C-Posture (33,1%)
• Aufgeben der richtigen Körperhaltung während des Schwungs (64,3%)
• Zu flache Schulterebene (45,2%)
• Zu frühes Aufrichten (64,3%)
• Over the Top (43,5%)
• Sway (Schieben der Beckens nach vorne, 37,2%)
• Slide (unstabile Beine, 31,4%)
• Reverse Spine Angle (38,5%)
• Hanging back (32,3%)
• Casting («Auswerfen», zu früher Release, 55,9%)
• Chicken Wings (35,6%)
Zusammengestellt vom Titleist Institute of Performance

