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Tour nach zur Crans Tour
Langsam steuert die nationale Turniersaison wieder ihrem Höhepunkt zu – das Omega European Masters in Crans-Montana steht vor der Tür. Dieses Datum ist in den Agenden der meisten Schweizer Golf-Fans dick angestrichen, und es ist im Terminkalender vieler europäischer Tour-Spieler ebenfalls vorgemerkt. Was bringt uns «Crans 2008»? Nicht zuletzt wieder eine spannende Auseinandersetzung um den Sieg, in dem auch Stars wie Lee Westwood, Miguel Angel Jimenez oder Robert Karlsson mitmischen werden. Noch ist die Teilnehmerliste nicht definitiv (Meldeschluss eine Woche vor dem Turnier); doch es ist, wie im letzten Jahr, damit zu rechnen, dass sich kurzfristig noch grosse Namen für einen Trip nach CransMontana entscheiden werden. Denn gleichzeitig findet in den USAdie dritte Runde des FedEx Cup statt – nur noch die besten 70 der Punkteliste startberechtigt, alle andern sind ausgeschieden. Was heisst: Zeit für Switzerland! Man darf sich also überraschen lassen…

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Miguel Angel Jimenez, Lee Westwood, Robert Karlsson, Oliver Wilson, Graeme McDowell – das waren die Top-5 der Order of Merit in der European Tour Mitte Juli. Vier dieser fünf Cracks haben ihre Zusage für einen Start am Omega European Masters dieses Jahres bereits zu diesem frühen Zeitpunkt gegeben, nur McDowell hat sich noch nicht entschieden!





Der Trip ins Wallis ist aber nicht nur bei denjenigen Spielern beliebt, die sich um den Sieg in der Jahreswertung und um einen Platz im europäischen Team für den Ryder Cup bewerben. Wie üblich wird das Turnier seitens der Pros überbucht sein, und es wird sich erst im letzten Moment entscheiden, wer von der Warteliste noch ins Turnierfeld rutscht und wer nicht. So oder so: grossartiger Sport ist garantiert, und nicht erst jetzt, sondern jedes Jahr herrscht der altbekannte Optimismus in Bezug auf das Wetter. 2006 war es warm, letztes Jahr war es eher kühl, aber die Sonne scheint einfach immer, auf dem Haut-Plateau. Das ist für Deutschschweizer nahezu unverständlich; doch es gibt Erklärungen dafür.
Da sind zum einen die meteorologischen Statistiken, welche das Mittelwallis als die sonnenreichste Region der Schweiz ausweisen. Hier scheint die Sonne sogar häufiger als im Tessin! Der September ist zudem der erste Herbstmonat, und da sind auch die Farben der Natur am schönsten, so dass die Spaziergänge entlang der Fairways für jeden Besucher auch Erholung und Refreshment für die Seele ist, welche im Sommer der Alpennordseite viel zu oft in einer grau-grauen Kulisse leiden musste.
Doch da ist auch Gaston A. Barras, der Präsident des Organisationskomitees, der grosse alte Mann des Golfclubs Crans-sur-Sierre – ihm werden die entscheidenden Kontakte zum obersten Chef des Wetters (dessen Name Petrus ist...) nachgesagt. Was wenig verwundert, in einem katholischen Kanton; das müssen wir dürren Protestanten neidlos anerkennen.

Aber wie dem auch sei: Sonnenschein am Omega European Masters, das hat eine so unglaubliche Tradition, dass man kaum Argumente dagegen findet. Deswegen müssen nicht nur die Spieler, sondern auch die Zuschauer Sonnenschutz einpacken, weil es sonst rasch einmal zu einer Überdosis UV-B kommt.

Ferien in Crans-Montana
Auch dieses Jahr ist der Zeitpunkt des Omega European Masters günstig, um den Besuch als Zuschauer in ein paar Tage Ferien im Wallis einzubauen. Die Stars machen das, die anderen Spieler machen das, wieso sollen wir normalen Besucher das nicht auch tun? Die Organisatoren um Yves Mittaz haben sich auch für dieses Jahr Neues einfallen lassen: in den Restaurants und Bars in der Nähe des Golfplatzes – also mitten im Dorf – sollen zur Apero-Zeit Bands, Combos, Orchester und Barpianisten aufspielen. Mittaz will so aus ganz Crans eine grosse Feststadt machen; nach dem Besuch des Turniers trifft man sich zu einem Glas Weissen im Dorf.
Viel Spass ist also garantiert, gute Laune ist in Crans-Montana inbegriffen. Dabei gehört es hier zum festen Repertoire, dass sich auch die Spieler unter die Gäste mischen. Sie flanieren in den Strassen und setzen sich zum Nachtessen in irgend ein Restaurant. Wer hier Abendessen bestellt, der tut das vielleicht am Tisch neben demjenigen Spieler, den sie und er während der Runde intensiv beobachtet hat... Es ist eben gerade diese eigentümliche Mischung von Weltklasse-Turnier und fröhlicher Ferienstimmung, welche es hier am «Open» (wie die Einheimischen ihr Turnier liebevoll nennen) so besonders macht. Anderswo kann man knapp beobachten, wie die Spieler in Courtesy Cars vor dem Clubhaus vorgefahren und abgeholt werden; sie logieren irgendwo hinter den sieben Bergen. In Crans ist alles anders: der Ort befindet sich selber hinter den sieben Bergen. Alles ist hier kompakt, zu Fuss zu erfahren. Man leidet mit den Spielern, freut sich mit ihnen, flaniert mit ihnen, kurz: man ist mit ihnen hier oben in den Ferien.
Bis auf die Zähne bewaffnet
Aber das alles will natürlich nicht heissen, dass die 156 Teilnehmer des Omega European Masters sich ebenfalls ferienmässig-locker gebärden. Im Gegenteil. Sie geniessen es zwar, für einmal in einem Resort mit einer echten FerienAmbiance zu spielen. Aber sie spielen noch immer, um zu gewinnen; und weil nur einer gewinnen kann, geht es für alle anderen um eine möglichst gute Klassierung, um einen möglichst grossen Check und in vielen Fällen auch um die nackte Existenz.
Auch dieses Element trägt zur besonderen Atmosphäre für uns Zuschauer bei. Aus der sicheren Distanz hinter den weissen Seilen, welche die Fairways und Greens von den Zuschauerbereichen trennen, beobachtet man, wie diese Künstler des weissen Balles auf dem absolut besten Niveau Golf spielen, welches überhaupt existiert, und man nennt das «Spiel», obschon «Kampf» die treffendere Bezeichnung wäre.
Es geht wirklich voll konzentriert zur Sache, was für die Spieler diese extreme Nähe mit den Zuschauern manchmal schwierig zu ertragen macht. Ein Räuspern, ein Niesen, ein Flüstern oder – schauderbar – der Klingelton eines Handys können die Stimmung nachhaltig vergiften, können Fehlschuss und am Schluss das Verpassen des Cuts bedeuten. So ähnlich wie die berühmte Flügelschlag-Theorie in der Meteorologie...

Die Pros rücken mit allem, was die Industrie zu bieten hat, aus. Manch einer spielt mit Prototypen von Clubs oder Bällen, die vielleicht etwas kaschiert sind, dem geübten Auge aber trotzdem nicht entgehen. Das gilt vor allem für die Schäfte der Driver, aber auch für manches Eisen. Weil man sich dem Geschehen hier wirklich auf Greif-Distanz nähern kann, gibt es am «Omega» auch für den MaterialFetischisten etwas zu sehen.
Besonders im Fadenkreuz der Medien werden die Schweizer Teilnehmer stehen. Noch ist nicht bekannt, wer selektioniert wird; seitens der Swiss PGA werden es die führenden Pros in der Order of Merit sein, und auch die ASG verteilt die Einladungen ausschliesslich nach dem aktuellen Ranking.
Für die Pros der Swiss PGA ist dieses Turnier eine der allerbesten Gelegenheiten, sich auf einer nationalen Plattform einem breiten Publikum zu zeigen. Nach seinem 5. Rang an der Credit Suisse Challenge Mitte Juli hat Julien Clément ausdrücklich betont, das Omega European Masters sei einer seiner Saisonhöhepunkte – obwohl sein Check hier für die Challenge Tour nicht zählt. Neben ihm dürften auch Raphael de Sousa und Martin Rominger einen Platz im Feld auf sicher haben; für die restlichen beiden Plätze haben Damian Ulrich, Nicolas Sulzer, André Bossert, Frederik Svanberg und Tino Weiss die besten Karten – aber sie haben auch noch Zeit bis nach der nationalen Matchplay-Meisterschaft in Limpachtal Ende August, um ihren Punktestand zu verbessern.
Die ASG beansprucht dieses Jahr drei oder vier Plätze für die besten Amateure (wenn der Sieger der Internationalen Schweizer Meisterschaften 2007 in der Zwischenzeit Pro geworden ist, wird sein Platz wieder für einen anderen Amateur frei. Siehe hierzu auch das Gespräch mit ASG-Elitesportchef Markus Gottstein in dieser Ausgabe).

■ Urs Bretscher