Snowactive | Dezember 2025 DE

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Das offizielle Verbandsmagazin von

Dezember 2025

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Die schönste Zeit des Jahres steht bevor.

Nicht nur der Winter mit all dem Schnee, den er hoffentlich bringt, sondern diese besonderen Momente, in denen wir zuhause sind: eingekuschelt auf dem Sofa, vor dem Fernseher, eine heisse Tasse Tee daneben, allein oder gemeinsam mit Freunden und Familie. Wir fiebern mit, halten den Atem an, jubeln und leiden – geschützt von vier Wänden, sicher vor Wind, Wetter und der Welt da draussen.

Ein sogenannter safe space: ein Raum, in dem wir uns sicher fühlen. Wo wir loslassen können und in dem Sport an einem Samstagvormittag plötzlich zum Wichtigsten der Welt wird. Den Wettkampf, die Fahrt meiner Lieblingsathletin oder gar einen historischen Sieg zu verpassen? Für manche geradezu unvorstellbar.

Ein kleines Sportdrama, das sich im eigenen Wohnzimmer abspielt – im Zeitalter wo wir am Fernseher einfach zurückspulen können.

Die Zeit zurückspulen müssten wir auch können, wenn es um das Thema Frauen im Sport geht.

Ein solcher sicherer Raum hat im Leistungssport nämlich lange gefehlt. Die Athletinnen hätten ihn gebraucht, um Vertrauen zu fassen und offen über ihren Zyklus und die Auswirkungen ihrer Periode auf ihre Leistung sprechen zu können. Erst seit kurzem wird dieses Thema nun endlich aktiv angegangen: Swiss-Ski lanciert das Projekt «Female Athletes’ Performance in Snowsports», das wir in dieser Ausgabe vorstellen.

Projektleiterin Marine Oberson erzählt, wie schambehaftet dieses Thema heute immer noch ist. Nicht nur gegenüber den Trainern, sondern auch unter den Athletinnen selbst. Jetzt sollen alle sensibilisiert werden: Athletinnen, Trainerinnen und Trainer, Betreuende.

Ein überfälliger Schritt.

In dieser Ausgabe richten wir den Blick aber auch auf die Fans und deren Umgang mit dem Freiraum unserer

Heldinnen und Helden. Denn auch Marco Odermatt oder Wendy Holdener wünschen sich manchmal nichts sehnlicher als einen Raum, in dem sie einfach in Ruhe gelassen werden – nicht angesprochen, geschweige denn angefasst.

Ein Raum, der ihnen gehört und respektiert wird.

Zuhause bleiben, sich erholen, Kraft schöpfen – wir alle wissen, wie entscheidend das ist. Genau deshalb trainieren auch die Freeski-Athletinnen und -Athleten zunehmend in der Schweiz: Weil sie zwischen den Trainingscamps im eigenen Umfeld zur Ruhe kommen wollen. Die Erholung im vertrauten Zuhause.

Und während wir diese Momente der Ruhe und Geborgenheit geniessen, leben wir in einer Welt, die sich oft verrückt, laut und unsicher anfühlt. Umso deutlicher wird: Wir in der Schweiz kennen einen Luxus, der mancherorts nicht selbstverständlich ist.

Sicherheit. Stabilität. Das Privileg, Sport schauen zu können, ohne uns um Grundsätzliches sorgen zu müssen.

Vielleicht ist genau das einer der Gründe, warum unser kleines Land so viele aussergewöhnliche Sportlerinnen und Sportler hervorbringt: Weil sie in einem Umfeld aufwachsen, in dem sie sich zuhause sicher fühlen können, gefördert werden und sich – im Vergleich zu Menschen in vielen anderen Ländern der Welt – wohl kaum Sorgen um Grundsätzliches machen müssen. Ein Umfeld, das ihnen erlaubt, gross zu denken, mutig zu träumen und schliesslich Höchstleistungen zu erbringen.

Und vielleicht ist jetzt der richtige Moment, uns daran zu erinnern, was wir oft als selbstverständlich wahrnehmen: ein warmes Zuhause, ein Platz auf dem Sofa, ein funktionierender Fernseher – und die Freiheit, Sport einfach geniessen zu dürfen.

Viel Freude beim Lesen – in der wohligen Stube.

Lia Näpflin, Chefredaktorin

Impressum

Das offizielle Verbandsmagazin von Swiss-Ski, erscheint viermal pro Jahr

Ausgabe vom Dezember 2025, 60. Jahrgang

Herausgeber

Swiss-Ski

Home of Snowsports, Arastrasse 6, 3048 Worblaufen

T +41 31 950 61 11, snowactive@swiss-ski.ch

Redaktion

Lia Näpflin (lia.naepflin@swiss-ski.ch)

Roman Eberle (roman.eberle@swiss-ski.ch)

Freie Mitarbeit

Peter Birrer, Benjamin Steffen, Monique Misteli, Stephan Bögli, Philipp Schmidli, Manuel Haslebacher, Sarja Gauch, Daria Zwahlen, Pascal Amri, Sandro Anderes, Dominic Steinmann

Art Direction/Layout

LS Creative GmbH

Leander Strupler, Sandro Reist

Inserate/Advertorials

Swiss-Ski

Matthias Rietschin (matthias.rietschin@swiss-ski.ch)

Thomas Huser (thomas.huser@swiss-ski.ch)

Abonnemente

Jahresabo CHF 49.-, 4 Ausgaben (inkl. MWST)

Druck

AVD Goldach AG

Übersetzungen

Syntax Übersetzungen AG

Copyright

Swiss-Ski

Nachdruck nur mit ausdrücklicher

Genehmigung der Redaktion gestattet.

6 Jan Scherrer

Was macht eigentlich?

66 Benjamin Weger

Umgang mit den Fans

Trotz

Jan Scherrer (31) fährt Snowboard in der Halfpipe. Kein anderer Schweizer Wintersportler hat zuletzt so viele Widerstände erlebt. Bilder: Sarja Gauch

allem

Olympiabronze, Vaterschaft, Verletzungen, Krankheit der Ehefrau, Trennung: Der Snowboarder Jan Scherrer hat aufwühlende vier Jahre hinter sich. Nun kehrt er in die Halfpipe zurück – und möchte wieder mehr sich selber sein.

Die Bronzemedaille liegt in einem Schrank. Zwei-, dreimal im Jahr kommt es vor, dass Jan Scherrer sie für sich allein herausholt. Der Snowboarder schaut sie an, zehn Minuten vielleicht, er und die Medaille, legt sie wieder zurück. «Es sind Momente, in denen ich wieder einmal einen SelbstwertgefühlBooster brauche.»

Ein Selbstwertgefühl-Booster. Für einen dreifachen Olympiateilnehmer in der Halfpipe, Bronzemedaillengewinner 2022, Erfinder des Tricks namens Switch Alley-Oop Double Rodeo 1080 Indy to Nose. 47 Zeichen lang, Leerzeichen inklusive. Kurz: Jan-Tonic. Neun Zeichen. Wenig für viel.

Vielleicht ein Vorbote dafür, was das Leben bereithielt: so wenig Zeit für so viel. Kein anderer Schweizer Wintersportler hat in den letzten Jahren so viele Widerstände erlebt, so vieles, das müde macht und an der Hoffnung zehrt.

Ein Fersenbruch. Geht ja noch.

Ein Knorpelbruch an den Rippen. Selten, kompliziert, schmerzhaft.

Die Krebserkrankung seiner Frau, mit der Scherrer seit 2022 eine Tochter hat.

Die Nachricht, dass die Krankheit besiegt ist.

Die Trennung von seiner Frau.

Zu viel, um alles zu fassen. Zu viel, um alles in neun Zeichen unterzubringen.

«Ich wünsche mir momentan nichts mehr als einfach mal ein gemütlicheres Leben.»

Jan Scherrer

«Mit intensiven Drucksituationen kann ich unglaublich gut umgehen, obwohl ich es noch viel mehr hasse, als dass ich gut bin darin.»
Jan Scherrer

Im Gespräch Ende Oktober 2025 sagt Scherrer: «Ich wünsche mir momentan nichts mehr als einfach mal ein gemütlicheres Leben.» Und ein andermal: «Die letzten beiden Jahre waren so intensiv, wie sie es niemals hätten sein dürfen…»

Und nun steht Jan Scherrer wieder auf dem Brett, er peilt die Olympischen Spiele im Februar 2026 an. Als sei Spitzensport etwas «Gemütlicheres»; als habe es keinen Bruch gegeben in Scherrers Leben und keine Brüche; als sei es eine Linie, die sich fortsetzt. Aber es ist ja so: Scherrers Leben verlief oft etwas anders. Er war nie angepasst. Fast nie.

Denken und reden, sanft und klar

«Angepasst» – ein schwieriges Wort. Als dürften wir nicht uns selber bleiben. «Man hat halt so seine Eigenschaften», sagt Scherrer. «In der Kindheit nehmen wir alles auf wie ein Schwamm. Und nachher? Können wir so gut wie möglich probieren, so zu bleiben, wie wir sind. Oder uns anzupassen. Aber die eigene Persönlichkeit ist immer irgendwo.» Er sagt, mit Kollegen frühmorgens durch den Tiefschnee zu

boarden, habe ihn immer genauso erfüllt wie Runs vor Punktrichtern. Doch er stellte sich immer wieder den Punktrichtern. Und der Konkurrenz.

Ein NZZ-Text im Februar 2020 zeichnete Scherrers Karriere nach: dass ihn die Schweizer Sporthilfe 2011 zum «Nachwuchssportler des Jahres» wählte; dass sich Scherrer nach und nach verbesserte, «den grossen Durchbruch» aber nicht schaffte; dass andere Schweizer im Rampenlicht standen. Scherrer sagte: «Ich schaute den anderen Fahrern zu und dachte: Du musst mehr werden wie sie. Ehrgeiziger, konkurrenzorientierter. Aber diese Gefühle lassen sich nicht einfach so bestellen.» Er habe nicht den Drang, sich mit anderen zu vergleichen – «manche meiner Kollegen wollen sogar aus der Zubereitung von Mahlzeiten einen Wettkampf machen. Mir sagt das ewige Kräftemessen nichts.»

Aber er passte sich an. Er ist «mehr wie sie» geworden. Auch deshalb kehrt er vor die Punktrichter zurück, zum ewigen Kräftemessen. Weil er sehen will, ob er es schafft, wieder mehr zu sein wie er. Scherrer sagt, er sei verbissen geworden in den Jahren bis zur Olympiamedaille 2022;

und er möchte noch einmal erleben, wie es sich anfühlt, mit weniger Verbissenheit Wettkämpfe zu fahren, mit mehr Genuss. Wenn die Karriere von heute auf morgen zu Ende wäre, sagt Scherrer, «könnte ich gut leben mit den Resultaten – aber irgendwie würde es mich auch ‹kratzen›, weil ich ab 2019 so viel Energie in Resultate gesteckt habe».

Scherrer denkt, bevor er redet. Und denkt noch, wenn er redet. Und es ist kaum auszudenken, wie viel er vorher gedacht und gefühlt hat. Er spricht mit sanfter Klarheit. «Mein grösster Ansporn besteht darin, mich selber zu verbessern.» Stille. Denken. Reden. «Und gleichzeitig geniesse ich meine Komfortzone unglaublich.» Er bewegt sich zwischen Polen. «Ich brauche beides», sagt er. «Den Wettkampf. Und die Zeit danach.» Er hat den Mut und die Risikobereitschaft, einen verrückten Halfpipe-Trick zu erfinden oder in Ponte Brolla mit einem Salto von einem 15-Meter-Felsen zu springen. Und sehnt sich nach Gemütlichkeit.

In diesem Zwiespalt hüpft er hin und her. Er hasst Druck. Aber er ist gut darin, ihn auszuhalten. Wobei er es selber differenzierter formuliert. Scherrer

Weniger Verbissenheit, mehr Genuss: Dieses Gefühl möchte Jan Scherrer noch einmal im Wettkampf erleben.
Jan Scherrer hasst Druck. Aber er ist gut darin, ihn auszuhalten.

sagt: «Mit intensiven Drucksituationen kann ich unglaublich gut umgehen, obwohl ich es noch viel mehr hasse, als dass ich gut bin darin.»

Bereits im Moment des Olympia-Erfolgs wies er darauf hin, wann er am besten ist. Die Geburt der Tochter stand bevor, er habe «so viel um die Ohren, so grosse Pläne», sagte er im Februar 2022 auf SRF. Aber: «Ich habe herausgefunden, dass ich besser funktioniere, wenn ich keinen Spielraum habe, um Sachen zu hinterfragen.» So rapportierte es damals die NZZ, als Scherrer noch gar nicht ahnte, wie viel Selbstwertgefühl-Booster er demnächst brauchen würde. Plötzlich blieb ihm gar kein Spielraum, gar keine andere Wahl mehr, als zu reagieren. Kein Platz für Leerzeichen.

Es kommt vor, dass er mit jüngeren Teamkollegen zusammensitzt und hört, was sie beklagen, worüber sie jammern –bis Scherrer sagt und fragt: «Was habt ihr eigentlich für Probleme?» Manchmal fragt er sich selber, was er früher eigentlich in all dieser Unbeschwertheit und dieser Zeit machte, die er heute nicht mehr hat.

Als die Welt sich öffnete

Weit weg sind die Zeiten, als Scherrer hoffte, andere Menschen mit den Privilegien nicht eifersüchtig zu machen. Er war noch Primar- und Sekundarschüler, als er hin und wieder schulfrei bekam, um Wettkämpfe zu besuchen. Er war früh ein begeisterter Snow- und Skateboarder. «Die schönste Zeit meines Lebens», so beginnt er eine Erzählung, «die schönste Zeit seines Lebens» seien die Sommerferien mit 10, 11 Jahren gewesen. Mit einigen Kollegen bestieg er Ferienmorgen für Ferienmorgen in Ebnat-Kappel den Bus, 7 Uhr 50, sie fuhren nach Wattwil, wo es einen Skatepark gab. Dort verbrachten sie den Tag mit Rollbrett, Tricks und wohl auch Tratsch und Zmittag aus dem nahen Supermarkt. Nur Training, kein Druck. Sommer und Sonne, Disziplin und Freiheit – und das Bewusstwerden, dass Freiheit

auch Verantwortung bedeutet. Der Anfang eines Lebens auf Brettern. Und die Vorbereitung auf all das, was niemand will. Ernst des Lebens. Anpassung.

Mit dem Snowboard nahm Scherrer mit 13 Jahren am Kids-Event der US Open teil, er reiste mit dem Vater in die USA. Die Welt öffnete sich. Und mit ihr ein Gefühl, das ihn bis heute trägt: dieser Moment, in dem alles stimmt, Körper und Können, Haltung und Höhe. Es hatte stets geheissen, die Kids in den USA seien viel besser. Swiss kid Scherrer belegte Rang 2. Heute sagt er dazu einfach: Das «Lustige» sei, dass alle Podestfahrer dieses US-OpenKids-Events später auch auf dem «richtigen» US-Open-Podest standen: der Sieger Scott James, der Drittplatzierte Ben Ferguson, Scherrer. Und ebenso «speziell»: Alle schafften es später an Olympischen Spielen mindestens unter die ersten vier. James gewann 2018 und 2022 Olympiamedaillen, Ferguson belegte 2018 den vierten Rang; Scherrer sicherte sich 2022 – dank Jan-Tonic, neun Zeichen – Bronze.

Selbstwertgefühl-Booster-Bronze. Aber seither: nur sechs Wettkämpfe –mit drei Podestplätzen. Der letzte Start im Januar 2024. Danach der Fersenbruch, die Rippenverletzung. Ein Arzt sagte zu SRF, eine solche Verletzung sehe man vielleicht zwei-, dreimal im Leben. Zwei weggebrochene Rippen sind mit zwei Platten und 18 Schrauben fixiert worden. Scherrer weiss, dass ein weiterer Sturz noch mehr kaputt machen könnte, als ohnehin schon kaputtgegangen ist. «Am Anfang war die Angst vor dem Umfallen noch gross», sagt Scherrer, aber mittlerweile fahre er wieder im Idealzustand. «Was bei mir immer war – und ich bin unglaublich froh, dass es so ist: Sobald es mir gut geht und ich auf dem Board stehe, vergesse ich alles.»

Aber es brauchte viel, bis es ihm gut ging, verhältnismässig gut vermutlich, weil «Anpassung» ab einem gewissen Punkt im Leben dazugehört; nicht die «Anpassung» an die Teamkollegen, an deren Verbissenheit und Stil. Sondern: die «Anpassung»

Auf dem Board vergisst er alles – dort beginnt für Jan Scherrer Leichtigkeit. Bild: Mike Dawsy

an das Umfeld, das man sich aus Liebe selber schuf; «Anpassung» an die Familie, an die gemeinsamen Bedürfnisse und die einzelnen.

Zwischen den Polen, alles und nichts

Das Leben mit der Fragilität der Körper, mit existenziellen Fragen, die Krankheit von Ehefrau Sasha, die Verletzungen von Jan: Es schweisste die beiden so sehr zusammen, dass sie sich als Paar verloren. Gefühle lassen sich nicht einfach so bestellen. Sasha unterstützt ihn aber weiterhin, damit es Jan möglich ist, von Wettkampf zu Wettkampf zu reisen.

Als Scherrer sagt: «Die letzten beiden Jahre waren so intensiv, wie sie es niemals hätten sein dürfen…» – da spricht er weiter: «Und das hat uns irgendwie kaputt gemacht – und uns beide auch verändert. Wir haben überlebt, als Team, aber nicht als Paar.» Wie hat es ihn verändert? Es folgt ein Scherrer-Satz, zwischen den Polen, alles und nichts: «Letztlich sehr stark und letztlich auch nicht, oder? Ich bin noch die genau gleiche Person. Aber mein Blick auf viele Sachen hat sich vergrössert. Ich bin viel dankbarer unterwegs.»

Er freue sich «unglaublich fest» auf die Saison, sagt Scherrer. Das Wort «unglaublich» braucht er oft, als gelte es unbewusst vor Augen zu führen, dass kaum zu glauben ist, was zuletzt erlebt und überlebt, geschafft und verarbeitet worden ist. Ist er nicht müde, erschöpft von den vergangenen Jahren? Scherrer sagt: «Ja, voll. Und gleichzeitig genau das Gegenteil.» Er denkt, redet, sagt noch einmal, dass er sich momentan nichts mehr wünsche «als einfach mal ein gemütlicheres Leben, aber…»

… Stille… «… es ist ja auch so, dass ich mich körperlich gut fühle, und deshalb…»

… Stille… «wenn Sie fragen, ob ich nicht erschöpft sei von allem: Ja, irgendwie –aber gleichzeitig fühle ich mich auch wie ein Trichter für alles Positive.» Er breitet die Hände aus, als wolle er jeden Moment nutzen, um Positives aufzufangen, auch jetzt, morgen, übermorgen.

Den Jan-Tonic – den Switch AlleyOop Double Rodeo 1080 Indy to Nose –hat er, Stand Ende Oktober, noch nicht wieder gewagt. Scherrer staunt, dass sich noch kein anderer Fahrer weltweit an den Sprung gewagt hat. Aber vielleicht ist es gar nicht so schwierig zu erklären: weil nur Scherrer weiss, was sich darin verbirgt, wie viel Arbeit, wie viel Hingabe, wie viel Frust und Lust, wie viel Leben und Liebe, wie viel in so wenig.

Die vergangenen beiden Jahre hätten ihn gelehrt, darauf zu vertrauen, dass

es gut kommt. Und als rede er über einen guten Freund, sagt Scherrer über Jan-Tonic: «Ich weiss: Wenn ich ihn brauche, ist er da.»

Und wenn er doch zweifelt, an der Freundschaft oder an sich, gibt es den Schrank mit der bronzenen Auszeichnung. Und wenn er sie betrachtet, sieht er keine Medaille. Sondern vielmehr sich selber und seine Geschichte. Das gibt Kraft. Das genügt.

Text: Benjamin Steffen

«Mein Blick auf viele Sachen hat sich vergrössert. Ich bin viel dankbarer unterwegs.»

Mit uns gewinnt der Sport.

Vanessa Kasper (28), Riesenslalom-Spezialistin aus Celerina, wurde aus dem Swiss-Ski-Kader gestrichen – und hat sich nun zurück in den Weltcup gekämpft. Bilder: Philipp Schmidli

Als Vanessa Kasper aus dem SwissSki-Kader fiel, hätte sie aufhören können. Stattdessen machte sie weiter – allein, ohne Unterstützung, aber mit ungebrochener Leidenschaft. Heute ist sie zurück im Weltcup, stärker und dankbarer als je zuvor.

Im Frühling 2024 wurde Vanessa Kasper aus dem Kader von Swiss-Ski gestrichen, im Sommer war sie auf sich allein gestellt und im Winter 2024/25 schliesslich, dem schwierigsten ihrer Karriere, ohne Verband im Rücken, ohne all die Stützen, fuhr sie die beste Saison ihrer Karriere.

Ohne Verband – mit Erfolg

Wollerau am Zürichsee Anfang November: Etwas ausserhalb des Dorfes schwingt sich Vanessa Kasper auf ein Pferd, ein Fotograf schiesst Bilder, am Rand wartet ein Reporter. Zwei Wochen zuvor, vor dem Saisonstart in Sölden, erschien im «Tagesanzeiger» ein Text über das «Ski-Phänomen» Vanessa Kasper und ihre «turbulente Karriere».

Vanessa Kasper ist zurück. Zurück im B-Kader von Swiss-Ski, zurück im Weltcup. Letzte Saison holte sie sich in der Gesamtwertung des EuropacupRiesenslaloms den zweiten Rang. Sie sicherte sich damit einen Fixplatz im diesjährigen Weltcup. Es ist ein Erfolg für die 28-Jährige. Und für eine, die in der letzten Saison jeden Flug, jedes Hotelbett selbst gebucht hat, eine Erleichterung.

«Nun kann ich mich wieder voll und ganz aufs Skifahren konzentrieren, aufs Training und auf die Erholung», sagt Kasper. Sie schöpfe nun aus zwei Töpfen: der

Erfahrung des letzten Jahres und dem Rückhalt des Verbands, auf den sie diese Saison wieder zählen kann. Ihre Ambitionen verhehlt sie nicht. Im Riesenslalom von Sölden Ende Oktober fuhr Kasper im zweiten Lauf ins Ziel, bremste und schlug sich mit beiden Händen auf den Helm. «Ich bin sehr zufrieden mit dem ersten Lauf – obwohl ich nicht ganz am Limit fuhr», sagt die Engadinerin. «Im zweiten dann hats nicht gepasst.» Am Ende reichte es für den 29. Platz. Über diese zwei gewonnenen Punkte zum Saisonauftakt freut sie sich sehr.

Zumal Kasper weiss, wie das ist, wenn plötzlich wegbricht, was man für selbstverständlich gehalten hat. Sie hatte das Knie kaputt, dann den Fuss, sie hatte das Schien- und Wadenbein gebrochen –und als sie 2023 den gerissenen Meniskus geflickt hatte, wurde sie ein knappes Jahr später aus dem Kader von Swiss-Ski geworfen. Und jetzt: trotzdem das Comeback.

Wie schafft man das? Und was lehren einen diese Rückschläge?

Ausgleich im Sattel

Nachdem die Bilder an diesem Novembermorgen im Kasten sind und das Pferd zurück im Stall ist, führt Vanessa Kasper in die Dachstube der Pferdesportanlage Wollerau. Ein kleines Restaurant, lange Holztische, auf der Theke stehen Pferdeköpfe, die aussehen wie übergrosse Briefbeschwerer, an den Wänden Ölgemälde von Pferden im Seitenprofil.

Kasper reitet, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie reitet im Engadin, wo ihre Eltern leben oder hier im Kanton Schwyz, wo sie eine Wohnung hat zusammen mit ihrem Freund. «Ein Pferd», sagt Kasper, «merkt sofort, wenn du gestresst bist». Gerade deshalb sei Reiten ein idealer Ausgleich zum Skifahren. «Es gibt nur dich und das Tier.»

Kasper verströmt eine Leichtigkeit, wenn sie reitet, ihr Oberkörper auf- und abgleitet im Takt der Hufe. Überhaupt wirkt sie unbekümmert, auch wenn sie

Sie hielt die Zügel selbst in der Hand: Eine Saison bestritt Vanessa Kasper auf eigene Faust – ohne fixes Team, ohne geregelte Unterstützung des Verbandes.

über sich spricht. Sie esse zu viel Süsses, sagt sie einmal, aber sie habe nicht die Disziplin, darauf auch noch zu verzichten. Dann lacht sie.

Die Rückschläge, die sie in den letzten Jahren hinnehmen musste: Kasper ist an ihnen gewachsen.

Es begann mit Verletzungen. Die gröbste: Schien- und Wadenbeinbruch, Kasper war 21-jährig. Lange noch spürte sie einen Schmerz im Wadenbein. Nicht zuletzt deshalb sagt sie: «Nach einer Verletzung kommst du nicht unbedingt stärker zurück.» Die Operationen, das Vertrauen wieder aufbauen, das Gefühl auf dem Schnee, alles braucht Zeit. Doch Kasper wäre nicht Kasper, wenn sie nicht auch in einer Verletzung Positives sähe. Nach ihrem Schien- und Wadenbeinbruch fokussierte sie sich auf ihre Kondition. Sie habe enorme Fortschritte gemacht, sagt sie heute. «Ohne die Verletzung wäre mir das kaum gelungen.» Später, nach einer weiteren Verletzung, beginnt sie, gezielt mit einer Mentaltrainerin zu arbeiten.

Von null auf neu beginnen

Es ist April 2024, als Kasper erfährt, dass sie nicht mehr Teil des Swiss-Ski-Kaders sein wird. Im vorangehenden Winter fuhr sie einzig im Europacup und punktete dort zu selten. Wie einschneidend diese Veränderung ist, merkt Kasper in den nachfolgenden Wochen und Monaten. Sie verliert finanzielle Unterstützung, administrative Unterstützung, sportliche Unterstützung. «Es riss mir den Boden unter den Füssen weg.»

Von einem Tag auf den anderen muss sie sich um alles selbst kümmern: Flüge für die Skitage in Übersee, Unterkünfte, Servicemann. «Anfang Winter habe ich gemerkt: Mein Auto hat gar keinen Platz für all die Ski.» Kasper sitzt aufrecht am Tisch, als sässe sie zu Pferd, manchmal spielt sie mit den Ringen an ihren Fingern. «Wenn du im Kader bist, ist der rote Teppich für dich ausgerollt. Alles wird dir organisiert, die Sponsoren übernehmen die Kosten, ohne dass du was für sie tun musst, die Trainer stecken dir am Morgen einen Lauf, und weiss Gott wie viel Tage vorher wässern sie die Piste.»

Mit starken Leistungen im Europacup erkämpfte sich Vanessa Kasper einen Fixplatz für den diesjährigen Riesenslalom-Weltcup. Bild: Keystone-SDA

Sie sei dankbar, dass sie die Erfahrung ohne Kaderstatus machen durfte, sagte Kasper im Sommer in einem Interview. Als die Strukturen von Swiss-Ski für die Bündnerin wegfielen, musste sie selbst anpacken. Im Sommer machte sie ihre Ski selbst, später stand ihr der erfahrene Servicemann Marco Pilatti zur Seite. Den einen oder anderen Kniff schaute sie sich bei ihm ab, so dass sie auf kurzen Reisen auch ohne Servicemann zurechtkam. Für Kasper war aber auch klar, dass sie – wenn sie schon all das Geld aufwirft – beim Material keine Abstriche machen will, zumal auf den eisigen Weltcup-Pisten. Zeitweise war sie aber auch mit Swiss-Ski unterwegs, wo sie immer jemanden fand, der ihr weiterhalf, wenn ihr eigener Servicemann nicht dabei war.

Auch fürs Training hat sich die Engadinerin meist einem anderen Team angeschlossen, je nachdem wer gerade vor Ort war. Im Herbst trainierte sie mit den Schweizerinnen auf der Diavolezza, im Winter dann hangelte sie sich von Woche zu Woche. Mal war sie mit ihrem Vater unterwegs, mal mit einem Trainer, mal mit dem Servicemann – und doch gab es gewisse Konstanten. So arbeitete Kasper in den Trainings wiederholt mit dem ehemaligen Weltcup-Sieger Giorgio Rocca, ein fixes Team hatte sie jedoch nicht.

«Wenn du im Kader bist, ist der rote Teppich für dich ausgerollt.»
Vanessa Kasper

Selbst ist die Athletin

80'000 Franken habe sie der letzte Winter gekostet, konnte man lesen. «Das ist die Zahl, nach der die Journalisten immer fragen, aber es sind so viele Kosten, die auf einen zukommen. Und rechnet man den Lebensunterhalt dazu – oder lässt man ihn weg?» Kasper sagt, die Zahl stimme schon ungefähr – ohne Lebensunterhalt. Auch einen Teil ihres Ersparten opferte sie für ihren Traum.

Warum?

Manchmal, wenn Vanessa Kasper nachdenkt, blickt sie hoch zur Decke. Und manchmal blinzelt sie schnell nacheinander, zwei, drei Flügelschläge. «Warum sollte ich irgendeinen Verband entscheiden lassen, wann ich aufhöre Ski zu fahren? Es ist ja meine Leidenschaft.»

Sie lacht. Ein weiterer Grund: Kasper kam in der Saison 2023/24 von einer Verletzung zurück. «Ich wusste: Das war noch nicht alles. Ich kann mehr.»

Irgendwann während des Gesprächs in diesem kleinen Restaurant mit den Pferdeköpfen auf der Theke und den Pferdegemälden an den Wänden, erwähnt Kasper das Bild, das sie vor Augen hat, wenn sie an ihre Kindheit denkt. Sie ist vier, vielleicht fünf Jahre alt, jeden Tag geht sie in die Skischule in Celerina. Sie hat einen Skihelm mit Hasenohren. Immer will sie diesen Helm tragen, immer.

Vielleicht ist es diese Mischung aus Entschlossenheit und Unbekümmertheit, die Kasper auszeichnet. Sie blickt noch einmal hoch zur Decke. «Ich habe ein schönes Leben. Es ist ein Privileg, Ski fahren zu können –heute, nach der Erfahrung, die ich machen musste, weiss ich das zu schätzen.»

Text: Pascal Amri

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SWISS SKI 2025/26

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FÜR ALLE FOLGEN DES LEBENS

Für sie entsteht das Projekt: Junge Sportlerinnen, die im Leistungssport ihren Weg gehen – und künftig besser begleitet, verstanden und unterstützt werden sollen. Bild: Yoan Reymond

Ein altes Tabu gerät in Bewegung

Mit dem Projekt «Female Athletes’ Performance in Snowsports» schlägt Swiss-Ski unter der Leitung von Marine Oberson ein neues Kapitel auf – und spricht Themen an, über die im Schneesport lange geschwiegen wurde: jene, die speziell Athletinnen betreffen.

Während 40 Prozent der 364 SwissSki-Kaderathleten weiblich sind – im Ski Alpin gibt es sogar mehr Frauen als Männer –, hinkt das Wissen über frauenspezifische Trainingsaspekte hinterher. Bis heute stützt sich der Grossteil sportwissenschaftlicher Forschung fast ausschliesslich auf männliche Probanden. Und das ist auch im Schneesport spürbar. Mit dem neuen Projekt «Female Athletes’ Performance in Snowsports» («Leistungsförderung von Athletinnen im Schneesport») will Swiss-Ski dieses Ungleichgewicht nun systematisch angehen.

Der Startschuss für das Projekt fiel an der Ski-WM im vergangenen Februar in Saalbach. Auf Initiative von Walter Reusser, Co-CEO Sport von SwissSki, versammelten sich neun Expertinnen und Experten zu einem Round Table. Die Stossrichtung war klar: Swiss-Ski braucht eine verbandsweit gültige Strategie für geschlechterspezifische Themen im Leistungssport. «Das hätte man schon vor fünf oder zehn Jahren machen können», sagt Marine Oberson, die als einzige Frau in der Runde sass. «Aber jetzt ist die Zeit reif.»

Die richtige Frau für dieses Projekt

Dass sie später die Projektleitung übernehmen würde, war kein Zufall. Oberson war nicht nur die einzige Frau in

der Forschungsgruppe mit dem passenden Profil – sie wusste auch aus eigener Erfahrung, wie es ist, als Athletin ohne dieses Wissen und diese Begleitung aufzuwachsen. Ihre fachliche Kompetenz und ihre persönliche Geschichte machten sie zur idealen Besetzung.

Marine Oberson (33) leitet das Projekt «FAPS». Die ehemalige Skirennfahrerin und Sportwissenschafterin weiss, was Athletinnen brauchen. Bild: Sandro Anderes
«Wir wollen nicht einfach Wissen vermitteln, sondern wirklich sensibilisieren und begleiten.»

Die 33-Jährige vereint in ihrer Rolle als Projektleiterin eine vielseitige Kombination aus Erfahrung und Fachwissen. Die ehemalige Skirennfahrerin und ausgebildete Skilehrerin studierte Sportwissenschaften und arbeitete drei Jahre lang als Athletiktrainerin der Männer im Nationalen Leistungszentrum in Brig. Heute ist sie zu 100 Prozent beim Bundesamt für Sport in Magglingen angestellt und leitet als «Embedded Scientist» für Swiss-Ski die Leistungsdiagnostik im Ski Alpin. Seit diesem Jahr gehört auch die Projektarbeit zu «Female Athletes’ Performance in Snowsports», kurz «FAPS», zu ihrem Aufgabenbereich.

Im Dezember geboren und im Schnee zuhause: Marine Oberson wuchs in einer Skifamilie auf. Ihr Vater, selber leidenschaftlicher Skifahrer, engagierte sich als Familientrainer und im Skiclub Alpina Bulle. «Im Wollpullover habe ich mein erstes Nachwuchsrennen gewonnen», erzählt Oberson mit einem Schmunzeln. Ihre Eltern seien überrascht gewesen, dass ihre Tochter mithalten konnte – und unterstützten von da an ihre Leidenschaft für den Skirennsport. Oberson schaffte es bis ins C-Kader von Swiss-Ski und nahm an drei Weltcup-Rennen teil. 2013 fiel sie aufgrund ausbleibender Resultate aus dem Kader, trainierte danach noch ein Jahr lang selbständig – und beendete mit 23 Jahren an den Schweizer Meisterschaften ihre aktive Karriere.

Es folgte ein bewusster Neuanfang – ohne dem Skisport den Rücken zu kehren. Zuerst arbeitete Marine Oberson im Verkauf bei Ochsner Sport, danach absolvierte sie in Zermatt die Ausbildung zur Skilehrerin, mit der sie sich das Studium der Sportwissenschaften in Lausanne finanzierte. «Ich wollte verstehen, was ich in all den Jahren eigentlich trainiert hatte», sagt sie. Deshalb sei sie keine Sportlehrerin geworden, sondern Sportwissenschafterin.

Über Menstruation, Zyklus und weibliche Bedürfnisse im Sport wurde lange geschwiegen. Das Projekt soll das Schweigen brechen. Bild: Keystone-SDA

Drei Säulen für einen nachhaltigen Change

Was in Saalbach seinen Anfang nahm, hat inzwischen klare Konturen. Nicht im Büro, sondern dort, wo Leistung entsteht. Wo Athletinnen, Trainerinnen und Trainer sowie das medizinische Team täglich zusammenarbeiten. Und genau dort soll das Projekt wirken: bei den Athletinnen selbst.

Die Strategie steht auf drei Pfeilern: Erstens der Sensibilisierung und Begleitung der Athletinnen, zweitens der Schulung von Trainerinnen und Trainern, drittens der (Weiter-)Entwicklung digitaler Tools wie «My Swiss-Ski», um frauenspezifische Themen – etwa den Menstruationszyklus – gezielt zu erfassen und auszuwerten.

«Wir wollen nicht einfach Wissen vermitteln, sondern wirklich sensibilisieren und begleiten», betont Oberson. Der Fokus liegt zunächst auf den Nachwuchsathletinnen der U18- und U21Kategorien. Die Eliteathletinnen sind bereits fortgeschritten in ihrer Entwicklung, weshalb ihnen eine individuelle Beratung empfohlen wird. «Der grösste Impact entsteht beim Nachwuchs», sagt Oberson.

Mehr als nur Menstruation

Das Projekt soll sich nicht nur auf den Zyklus der Athletinnen beschränken. Es gebe Bereiche wie mentale Gesundheit, Ernährung oder Coaching-Methoden, die geschlechterübergreifend seien und alle Athletinnen und Athleten betreffen. «Das Projekt soll die Frauen in den Fokus rücken, aber niemanden ausschliessen», sagt Oberson.

Die Herausforderung: Jede Sportart stellt andere Anforderungen. «Eine Langläuferin möchte vielleicht wissen, wie sich der Zyklus auf ihre Ausdauerleistung auswirkt. Eine Freeskierin dagegen fragt sich, ob Ängste während der Menstruation ihr Selbstvertrauen bei grossen Sprüngen beeinflussen.» Deshalb ist der Austausch mit den Athletinnen zentral. Bis im kommenden Frühling will Oberson eruieren, welche Fragen die jungen Sportlerinnen beschäftigen. Darauf basierend werden die SensibilisierungsWorkshops konzipiert, die ab dem neuen Olympia-Zyklus jährlich stattfinden sollen. Die Strategie ist auf vier Jahre angelegt – nach zwei Jahren wird ein erstes Evaluationsgespräch geführt, um die Wirksamkeit der Strategie zu überprüfen und mögliche Anpassungsmassnahmen zu identifizieren.

Genau diese vielen Fragen rund um Frauen im Leistungssport treiben Marine Oberson heute an. Sie will den jungen Athletinnen vermitteln, was mit dem Körper im Spitzensport passiert und welchen Einfluss ihr Geschlecht darauf hat. Ob ihr dieses Bewusstsein als Athletin gefehlt

Der weibliche Zyklus kann die sportliche Leistung beeinflussen. Deshalb setzt Swiss-Ski auf Aufklärung und Sensibilisierung – auch bei Trainerinnen und Trainern. Bild: Yoan Reymond

hat? «Es war einfach kein Thema», sagt sie. «Wir haben das für uns behalten – es kam schlicht nicht in Frage, mit den Trainern darüber zu sprechen.»

Doch der Zeitgeist hat sich verändert. «Die neue Generation geht mit diesem Thema viel offener um», beobachtet Oberson. Andere Sportarten seien bereits vorangegangen. Ihre Vision: Dass kommende Generationen schon sensibilisiert in den Verband eintreten – idealerweise, weil sie in der Schule, im Elternhaus oder im Regionalverband früh damit in Kontakt gekommen sind. Was in ihrer aktiven Zeit noch undenkbar war, soll für die nächste Generation selbstverständlich werden.

Herausforderungen und nächste Schritte

Marine Oberson arbeitet derzeit mit drei Botschafterinnen von Swiss-Ski aus den Bereichen Ski Alpin, Ski Nordisch und Freestyle zusammen. Dazu gehören Selina Gasparin, ehemalige Biathletin und heutige Sportartenentwicklerin Langlauf und

«Wir haben das für uns behalten –es kam schlicht nicht in Frage, mit den Trainern darüber zu sprechen.»

Marine Oberson

Biathlon, Isabelle Jud, Trainerin Snowboard Freestyle und Verantwortliche Ausbildung Snowboard, sowie Paola Cavalli, Skitrainerin und Konditionstrainerin der Alpin-Frauen auf Europacup-Stufe. Gemeinsam werden sie die Drei-SäulenStrategie kritisch hinterfragen, um daraus konkrete Massnahmen abzuleiten.

Als erster Schritt in der Umsetzung sind jährliche Sensibilisierungs-Workshops in den Nationalen Leistungszentren in Brig, Engelberg und Davos geplant – für U18- und U21-Athletinnen, geleitet von Fachpersonen. Parallel dazu entsteht ein Netzwerk aus Expertinnen – Gynäkologinnen, Sportärztinnen und

Physiotherapeutinnen –, an das sich Athletinnen mit spezifischen Fragen wenden können. Nach vier Jahren soll eine erste Zwischenbilanz gezogen werden.

Mit dem Projekt «Female Athletes’ Performance in Snowsports» betritt SwissSki Neuland – es ist gleichzeitig ein überfälliger Schritt. Moderne Leistungssportförderung heisst heute auch: wissenschaftliche Lücken schliessen und Tabus brechen. Für Marine Oberson ist es mehr als ein Job oder eine Projektleitung – es ist die Chance, jungen Athletinnen das zu geben, was sie selbst erst spät erkannt hat.

Text: Monique Misteli

Der Preis der Fanliebe

Preis Fanliebe

Wendy Holdener und Marco Odermatt lächeln, geben Autogramme, nehmen sich Zeit – bis die Nähe kippt. Wo Fanliebe endet, beginnt der Kampf um Respekt.

Ein Stift, ein Blatt Papier, die Hoffnung in den Händen. Was für Athletinnen und Athleten zum Alltag gehört, wird für Fans zu einer Erinnerung, die bleibt. Seinem Idol zu begegnen; ein magischer Moment. Doch Magie hat selten Zeitfenster – und manchmal gar keins. «Natürlich würde ich gerne allen Fans gerecht werden.» Ihnen ihren Wunsch erfüllen. «Aber seid mal ehrlich – wie soll das gehen?»

Marco Odermatt ist Skirennfahrer – das ist sein Beruf. Dieser Beruf besteht längst nicht mehr nur aus schnellen Schwüngen und Siegen. In der Schweiz ist Odermatt mehr als ein Skirennfahrer. Er ist eine Identifikationsfigur – ein Symbol für das, was das Land gerne von sich selbst sieht: Bescheidenheit, Fleiss, Bodenständigkeit, Ehrlichkeit.

Erfolg ohne Allüren.

Er sowie alle anderen Athletinnen und Athleten über die 11 Sportarten von Swiss-Ski tragen ein stilles Versprechen – eines, das sie nie unterschrieben, aber unausgesprochen akzeptiert haben: Den Fans nah zu sein.

Die Fans erwarten keine Skandale, keine Distanz, keine Kälte. Nur das, was sie in den Athletinnen und Athleten sehen wollen: Helden zum Anfassen.

Ihre Art, etwas zurückzugeben

«Es gibt Fans, die nicht verstehen, dass der Athlet ein fremder Mensch ist und kein Bekannter – nur weil sie ihn aus dem TV kennen.» Zoé Chastan betreut seit 2018 die Schweizer Weltcupfahrer und ist Kommunikationsverantwortliche Ski Alpin bei Swiss-Ski. Sie koordiniert Medientermine, achtet auf den Zeitplan und bringt die Athleten während der

Jubel und Enge liegen nah beieinander – manchmal ein schmaler Grat zwischen Begeisterung und Überforderung. Bild: Keystone-SDA

Früher reichte eine Autogrammkarte, heute braucht es mehr – Nähe zum Athleten ist 2025 selbstverständlich.

Bild: Severin Nowacki

«Jedes Kind, dem du absagen musst, ist frustriert – das spüre ich.»

Marco Odermatt

Rennen von A nach B. «Ich habe noch nie erlebt, dass ein Athlet sagt: Ich habe keine Lust, Autogramme zu geben», sagt Chastan. Egal, in welcher Stimmung sie sind – sie nehmen sich immer Zeit für die Fans. Es ist ihre Art, etwas zurückzugeben für all die Treue, das Mitfiebern, die Begeisterung.

Doch wenn die Zeit drängt und der nächste Termin ruft, muss Chastan eingreifen – auch mal die «Böse» spielen, wie sie sagt – freundlich, aber bestimmt. Dann heisst es: weitergehen, Fokus halten, auch wenn dich grosse Kinderaugen anstarren. Augen voller Hoffnung, die bitten, ohne

Die Treue der Fans begleitet jede Saison – weshalb die Athletinnen und Athleten auch etwas zurückgeben möchten. Bild: Keystone-SDA

Die meisten Fans sind freundlich und respektvoll – doch bei manchen hat sich die Haltung in den letzten Jahren drastisch verändert. Bild: Severin Nowacki

ein Wort zu sagen. Und genau das macht es so schwer – jedes Weitergehen fühlt sich dann ein bisschen an, als würde man jemanden zurücklassen.

Ein paar Unterschriften und Selfies gingen immer, sagt Marco Odermatt. Aber dann warten noch 50 andere, die leer ausgehen – «und das macht dich fast verrückter, als es dich glücklich macht.» Er weiss, dass jedes Nein enttäuscht. «Jedes Kind, dem du absagen musst, ist frustriert – das spüre ich. Es perlt nicht einfach ab. Manchmal hallt das nach, weil es gegen mein Naturell geht. Aber ich weiss auch, dass ich mit meinem Skifahren hunderten Menschen eine Freude mache. Und trotzdem muss ich lernen, öfter Nein zu sagen.»

Schutz statt Selfie

Nicht nur ein Nein, sondern ein klares Stopp braucht es, wenn es zu eng wird. In Sölden etwa reichte ein einziger Ruf, auf dem Weg zur Startnummernausgabe – «Da ist Marco!» – und innert Sekunden stand er mitten in einer Menschenmenge. Plötzlich kippt die Stimmung von freundlich zu voll. Normal weiterlaufen? Keine Chance.

In diesem Moment gilt nur eines: den Athleten schützen. Chastan drängt sich dazwischen, macht den Weg frei, versucht, Distanz zu schaffen, wo keine mehr ist. Und dabei geht es auch um die Gesundheit der Athleten – eine dichte

Menschenmenge wird rasch zur Virenfalle. Und wenn an Heimrennen wie in Adelboden oder Wengen Termine im VIPZelt anstehen, sind sie nie allein unterwegs. Fünf bis zehn Sicherheitsleute – je nach Anzahl Athleten – begleiten sie, während sich die Polizei auf dem Weg durch die Menge ihren Weg bahnen muss und dabei selbst weggeschubst wird.

Diese Erwartung, den Helden zum Anfassen zu sein, sie entsteht nicht über Nacht, sondern durch Wiederholung. Über Jahre baut sich Vertrauen auf – jedes sympathische Interview, jedes Siegerlächeln, jeder bodenständige Auftritt fügt ein Stück hinzu. Und irgendwann wird Bewunderung zu Besitz: unser Odi. Ein Mensch, den man in der Schweiz nicht einfach anfeuert, sondern mit dem man sich verbunden fühlt.

Nähe, die Kraft gibt

Wenn fremde Menschen sich mit dir verbunden fühlen – das kennt auch Wendy Holdener. Auch sie: unsere Wendy. Es gäbe Frauen, die fragen, ob sie sie umarmen dürfen. «Das berührt mich – sie sind extrem herzig, voller Dankbarkeit. Manche sagen einfach: Merci für alles, was du machst.» Gerade junge Frauen im Teenageralter seien oft besonders emotional. «Viele erzählen mir, dass ich sie inspiriere, weil ich nie aufgegeben habe. Das ist unglaublich schön – das gibt mir selbst Kraft.»

Solche Begegnungen sind für Holdener kein flüchtiger Moment, sondern etwas, das bleibt. Sie spricht auch von unzähligen Briefen, von Fanpost, die sie noch immer sorgfältig liest. Etwas vom Grössten für sie – «diese Wertschätzung, dass ich mit meiner Art so vielen Leuten helfen konnte und sie mir das schildern.»

Diese Worte tragen sie, auch an Tagen, an denen es nicht läuft. Dann, wenn sie viel unterwegs ist, müde oder enttäuscht, blättert sie durch diese Briefe – und findet darin, wie sie sagt, «so viel Liebe, dass es einfach guttut».

«Viele erzählen mir, dass ich sie inspiriere, weil ich nie aufgegeben habe. Das ist unglaublich schön.»
Wendy Holdener

Als Technikspezialistin hat Holdener in der Schweiz keine Heimrennen – den grossen Fanansturm wie bei Odermatt erlebt sie deshalb seltener. Sie erzählt, wie sie während des Trainings in der Schweiz angesprochen wird, wie sie auch schon mal in der Intervallpause, schwer schnaufend und kaum fähig zu sprechen, abwinken musste. «Wenn man mich lieb fragt, bin ich eigentlich immer bereit, eine Unterschrift zu geben oder ein Selfie zu machen.» Und wenn es gerade nicht passt, motiviert sie die Fans, im Ziel auf sie zu warten – damit sie ihren Trainingslauf zuerst konzentriert fahren kann. Oder einfach, um wieder zu Atem zu kommen.

Hände weg

Der Atem stockt jedoch, wenn die Fans handgreiflich werden – etwas, das sowohl Holdener als auch Odermatt immer wieder erleben. Wie Zoé Chastan beobachtet, seien zwar die meisten Fans lieb und herzlich, doch ein Teil verhalte sich zunehmend aggressiver und respektloser. Früher konnte man noch Nein sagen, und es war gut. Heute gebe es Situationen, in denen sie hinterherrennen, am Arm zerren oder reklamieren, weil sie kein Selfie bekommen haben. Noch vor ein paar Jahren habe sie das nie erlebt, dass Athletinnen und Athleten gepackt und gezogen werden. «Das sind auch nur Menschen, die Raum zum Atmen brauchen – und nicht betatscht werden wollen.»

Menschen, die nicht betatscht werden wollen – und doch passiert genau das. Marco Odermatt hat diese Erfahrung gemacht, einst in Sun Valley. In

einer Bar – eine Frau – hat ihm auf den Hintern gehauen. Für das habe sie, wie sie lachend sagte, gerade 5000 Dollar gewonnen. «In der heutigen Zeit geht das einfach nicht. Stell dir den Skandal vor, wenn es umgekehrt wäre. Für sie war’s lustig – für mich absolut gar nicht.» Solche Momente zeigen, wie schnell Grenzen verschwimmen.

Odermatt sieht die Verantwortung aber nicht nur bei den Fans. Er sagt, Social Media habe vieles verändert – die Gesellschaft und auch die Wahrnehmung der Athletinnen und Athleten. «Wir sind ein Stück weit selbst schuld. Wir geben mehr Privatsphäre preis, teilen viel von uns auf Instagram. Didier Cuche damals war weit weg – er fuhr Ski, und das war’s. Heute wissen die Leute so viel über uns, dass sie denken, wir seien ihre Freunde.»

Früher reichte eine Autogrammkarte. Heute braucht es ein Selfie, ein Video, eine persönliche Grussbotschaft. Nähe, sagt Odermatt, sei zur Selbstverständlichkeit geworden – Respekt dagegen seltener.

Und doch gibt es Momente, die alles vergessen machen. Begegnungen, die zeigen, worum es eigentlich geht. Die beste Autogrammstunde, die Odermatt je hatte, war in einem Heim mit Beeinträchtigten, in der Stiftung Weidli in Stans. «Das war die gesittetste und ruhigste Autogrammstunde meines Lebens.» Er erzählt von Menschen, die geduldig anstanden, sich bedankten, lächelten – und das immer wieder. «Es war so schön.» Für Odermatt sind es genau diese Begegnungen, die bleiben.

«Bei betrunkenen Erwachsenen geht es oft nur ums Foto, ums Zeigen. Für Kinder – und für Menschen mit Beeinträchtigung – bedeutet es wirklich etwas.» Da, wo die Geste zählt, nicht das Beweisbild, spürt er, warum Nähe trotzdem schön sein kann.

Der Wunsch nach Respekt

Was sich unsere Wendy und unser Odi von den Fans wünschen?

Dass das Handy bereit ist, wenn’s um ein Selfie geht.

Dass die Fahne schon gespannt ist, wenn sie unterschreiben sollen.

Dass niemand sie ungefragt anfasst.

Dass man versteht, wenn sie weiter müssen.

Dass sie beim Essen in Ruhe gelassen werden, im Ausgang nicht beobachtet und im Privatleben nicht verfolgt.

Und vielleicht, dass man sich an der Tankstelle kurz überlegt, wie man sie anspricht – und nicht einfach fragt: «Warum bist du nicht am Skifahren?» Im Hochsommer.

Vielleicht ist genau das die grösste Leistung der Athletinnen und Athleten –nicht die Geschwindigkeit auf der Piste, sondern die Ruhe daneben. Die Ruhe, freundlich zu bleiben, wenn der Körper müde ist. Die Ruhe, geduldig zu lächeln, wenn hundert Hände nach einem greifen. Die Ruhe, Abstand zu wahren, ohne kühl zu wirken.

In einem Land, das seine Helden liebt, weil sie bleiben, wie sie sind – echt, nahbar, menschlich.

Text: Lia Näpflin

Marco Odermatt

Vierfacher Gesamtweltcup-Sieger im Ski alpin

Jetzt an 2050 denken

Gibt es Schneesport im Jahr 2050 noch? Swiss-Ski hat sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt und geht die Herausforderungen, die mit dem klimatischen und gesellschaftlichen Wandel einhergehen, proaktiv, weitsichtig und verantwortungsbewusst an.

Als Folge des Klimawandels sind die Wintertemperaturen in der Schweiz seit Messbeginn 1864 um circa 2,4 Grad gestiegen. Die Nullgradgrenze ist im Vergleich zu 1960 um 300 bis 400 Meter höher – bis 2050 wird sie sich um weitere rund 300 Meter nach oben verschieben. Für die kommenden 25 Jahre wird zudem eine weitere Abnahme der natürlichen Schneedecke um 10 bis 30 Prozent vorausgesagt.

Dank der einmaligen Dichte an hochgelegenen Skigebieten ist die Schweiz jedoch privilegiert. 29 Skigebiete, so viele wie in keinem anderen Alpenland, übersteigen hierzulande 2800 Meter über Meer. «Unsere Hochalpengebiete werden auch in Zukunft schneesicher sein», sagt Walter Reusser, Co-CEO Sport von Swiss-Ski. Skifahren, Langlaufen und Snowboarden würden weiterhin Jung und Alt begeistern, so der Berner. «Das Fundament für die sportlichen Ziele und das Geschäftsmodell von Swiss-Ski wird sich bis 2050 zwar verändern, aber bestehen bleiben. Wir arbeiten gemeinsam mit unseren Partnern aktiv an unserer Zukunftsfähigkeit.»

Marlen Marconi, Verantwortliche Nachhaltigkeit und Klima bei Swiss-Ski. Bild: Swiss-Ski

Im Interview erläutert Marlen Marconi, Verantwortliche Nachhaltigkeit und Klima bei Swiss-Ski, wie der Verband den Schneesport nicht nur zukunftsfähig, sondern zukunftssicher gestalten will.

Immer häufiger ist von Seiten von Swiss-Ski der Ausdruck «Schneesport 2050» zu hören und zu lesen. Was genau ist damit gemeint?

Marlen Marconi: «Schneesport 2050» ist die Anpassungsstrategie von Swiss-Ski an die klimatischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Als Schneesportlerinnen und Schneesportler sind wir besonders stark und direkt vom Klimawandel betroffen. Der Zeithorizont 2050 ist so gewählt, dass über den Tellerrand hinausgeschaut und die Langfristigkeit im Blick behalten wird. Einzelne Massnahmen, damit Schneesport auch in 25 Jahren noch bestmöglich betrieben werden kann, wird man nicht von heute auf morgen umsetzen können, insbesondere nicht im Bereich Infrastruktur. Gleichzeitig ist das Jahr 2050, was künftige wissenschaftliche Modelle und die vorhandene Datenlage anbelangt, bereits greifbar.

Auf welchen wissenschaftlichen Daten beruhen denn die Ausführungen und Prognosen innerhalb dieses Strategiepapiers? Die Basis ist ein Faktenpapier von Seilbahnen Schweiz. Dieses wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, Klimaexperten wie ETH-Professor Reto Knutti und MeteoSchweiz erstellt.

Was war der Auslöser, die Anpassungsstrategie «Schneesport 2050» zu erarbeiten?

Der finale Auslöser war der Winter 2023/24. Jene Saison war geprägt von hohen Temperaturen, die vielerorts eine geringe Schneemenge zur Folge hatten. Entsprechend herausfordernd war der Winter damals für die Veranstalterinnen und Veranstalter der verschiedenen Swiss-Ski-Events,

Seine Events entwickelt Swiss-Ski in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit weiter – und investiert in innovative Produkte. Bild: Keystone-SDA

Swiss-Ski setzt sich dafür ein, dass der Schneesport auch von den nächsten Generationen als begeisterndes Kulturgut wahrgenommen wird. Bild: Marius Tausch

Detaillierte Informationen zu den fünf Schwerpunktthemen von Swiss-Ski für die Zukunft des Schneesports

gerade im Nachwuchs- und Breitensport-Bereich. In den Köpfen der SkiFans hängen geblieben ist natürlich auch das Bild vom Weltcup in Adelboden 2023 mit dem weissen Band inmitten einer grünen Wiese. Allgemein kam in den letzten zehn Jahren vermehrt die Frage auf, ob man in zehn Jahren überhaupt noch Skifahren könne. Darauf müssen wir als nationaler Verband eine fundierte Antwort geben können.

Womit beschäftigt sich «Schneesport 2050» konkret? Innerhalb des Strategiepapiers wurden fünf Schwerpunktthemen definiert. Einerseits geht es um die Erarbeitung eines Masterplans für den Trainings- und Wettkampfbetrieb, der eine strategische Grundlage schafft, indem er klimatische Szenarien, infrastrukturelle Entwicklungen und sportartspezifische Bedürfnisse vereint.

Ein zweites Schwerpunktthema ist, dass Swiss-Ski seine Events in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit –ökologisch, sozial und ökonomisch – weiterentwickelt und in innovative Produkte investiert. Swiss-Ski setzt sich drittens dafür ein, dass der Schneesport auch von den nächsten Generationen als begeisterndes Kulturgut wahrgenommen wird. Unser Verband leistet – als vierter

Schwerpunkt – zudem einen Beitrag zu einem ökologisch nachhaltigeren Schneesport, und zwar von der Anreise über die Infrastruktur bis hin zum Eventbetrieb. Und fünftens geht es darum, dass Swiss-Ski die Destinationen in ihren Bemühungen begleitet, die Schneesport-Infrastruktur zukunftssicher zu gestalten.

Gibt es Massnahmen in Bezug auf die genannten Schwerpunktthemen, die bereits umgesetzt wurden?

In diesem Zusammenhang erwähnt werden kann die strategische Partnerschaft mit Zermatt und die damit einhergehende strategische Sicherung des dortigen Gletscherskigebiets als Sommertrainingsstützpunkt. Der Betrieb der Trainingsinfrastruktur auf dem Theodulgletscher obliegt seit diesem Jahr vollumfänglich Swiss-Ski. In Bezug auf Nachhaltigkeit bei Events hat Swiss-Ski innerhalb des Organisationskomitees der Ski-WM 2027 in Crans-Montana eine Führungsrolle übernommen. Künftig soll Swiss-Ski beim Thema Nachhaltigkeit die Schweizer WeltcupVeranstalter beratend unterstützen können. Beratend wirkt Swiss-Ski zudem auf die verschiedenen Schneesportclubs ein, wenn es darum geht, sich zukunftssicher aufstellen zu können. Zuletzt wurde «Schneesport 2050» anlässlich des «Innovation Day» im Oktober in Aarau den Vertreterinnen und Vertreter der Regionalverbände vorgestellt. Nach und nach geht es darum, sämtliche betroffene Gruppen, nicht zuletzt die Athletinnen und Athleten, an Bord zu holen.

Du hast das «weisse Band auf grüner Wiese» erwähnt. Werbung für den Schneesport ist das jeweils nicht. Das «weisse Band auf grüner Wiese» ist ein Bild, das nicht mehr verschwinden wird. In aller Regel ist es eine Touristenpiste, die auch für die Rennen genutzt wird – und nicht etwa umgekehrt. Das ist heute so und wird auch in Zukunft so sein.

Was entgegnest du Leuten, die sagen, Schneesport sei – unter anderem aufgrund technischer Beschneiung und CO2-Emmissionen –nicht nachhaltig?

Oftmals frage ich sie, wo der Schneesport ihrer Meinung nach in Bezug auf CO2-Emmissionen am wenigstens nachhaltig ist. In der Tat ist es so, dass der grösste Anteil an CO2-Emmissionen auf die An- und Abreise entfällt. Bei einem Skitag machen die Reisen mit dem Auto rund 70 bis 80 Prozent der CO2-Emmissionen aus, weshalb durch die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln jede und jeder einen Beitrag zu einem nachhaltigeren Schneesport leisten kann. Was die technische Beschneiung betrifft, ist es so, dass diese in der Schweiz gesetzlich streng reguliert ist und nur im Einklang mit dem Gewässerschutzgesetz erfolgen darf. Moderne Beschneiungsanlagen sind sehr energieeffizient. Basis der technischen Beschneiung ist ein reines Gemisch aus kalter Luft und Wasser. Letzteres gelangt über die Schneeschmelze in den natürlichen Kreislauf zurück, der Natur wird somit kein Wasser entzogen. Es fliesst unverschmutzt zurück, ohne das Ökosystem zu beeinträchtigen.

Der Schneesport wird sich vermehrt auf Gebiete in höheren Lagen konzentrieren. Die Wege werden damit weiter, weshalb zu befürchten ist, dass die Anzahl Schneesport-Clubs abnehmen wird. Bei Swiss-Ski gehen wir davon aus, dass die Clubs nicht verschwinden, sondern sich weiterentwickeln werden. Möglicherweise entwickeln sich im Unterland einzelne Clubs weg von einem reinen Skiclub und beispielsweise hin zu einem Ski- und Mountainbike-Club. Off-Snow-Aktivitäten und -Angebote ausserhalb der Wintersaison dürften für die Clubs an Bedeutung gewinnen.

Aufgezeichnet: Roman Eberle

Diego Züger, Mitglied der Geschäftsleitung, Co-CEO; Sue Piller, Athletin B-Kader; Dieter Jermann, Brand Director Audi Schweiz; Peter Barandun, Präsident

Audi Schweiz fördert den SkiAlpin-Nachwuchs von Swiss-Ski mit 200'000 Franken

Audi Schweiz unterstreicht sein Engagement für den Schweizer Spitzensport und die nächste Generation von Skistars: Dieter Jermann, Brand Director Audi Schweiz, hat einen Förderbeitrag von 200’000 Franken offiziell an Peter Barandun, Präsident Swiss-Ski, übergeben. Der Betrag stammt aus dem Verkauf des Sondermodells Audi Q4 e-tron «Edition SwissSki», bei dem pro Fahrzeug ein grosszügiger Betrag in die Nachwuchsförderung fliesst. Die Unterstützung kommt direkt dem Elite Nachwuchskader Ski Alpin zu Gute– und legt so die Grundlage für zukünftige Weltcup-Erfolge. Audi Schweiz unterstützt Swiss-Ski mit moderner und nachhaltiger Mobilität. Bereits mehr als die Hälfte der Swiss-Ski Flotte ist elektrifiziert.

Wo Motivation auf Förderung trifft

Bei der Übergabe des symbolischen Checks in The Hall in Dübendorf im Rahmen der Swiss-Ski Werbewoche stand neben Dieter Jermann und Peter Barandun, Präsident Swiss-Ski, auch Nachwuchsathletin Sue Piller im Zentrum. Die 20-jährige Seislerin aus dem Kanton Freiburg stieg letzte Saison ins B-Kader auf und zählt zu den vielversprechendsten Talenten des Schweizer Elite Nachwuchskaders und betont: «Dank der Unterstützung von Audi Schweiz und Swiss-Ski haben wir Zugang zu professionellen Strukturen, hochwertigem Material und optimalen Trainingsbedingungen.

Das motiviert uns, jeden Tag alles zu geben, uns Schritt für Schritt an die Weltspitze heranzutasten und den Traum vom Weltcup wahr werden zu lassen.»

Elite Nachwuchskader mit klarer Mission

Der von Audi mitfinanzierte Elite Nachwuchskader umfasst aktuell 38 Athletinnen und Athleten, die bis zu 180 Tage pro Jahr unterwegs sind – mit internationalen Rennen, Schneetrainings auf Schweizer Gletschern sowie Vorbereitungs-Camps im Ausland. «Dank des wertvollen Beitrags kann Swiss-Ski zusätzliche

Swiss-Ski (vlnr).

Athletinnen und Athleten im Nachwuchsbereich unterstützen und ihnen ein professionelles Umfeld ermöglichen. So dürfen die zukünftigen Skitalente von besten Trainingsbedingungen und einer hochprofessionellen Betreuung profitieren und sind so perfekt auf die zukünftigen Anforderungen vorbereitet», sagt Peter Barandun, Präsident Swiss-Ski.

Technologie,

die Vertrauen schafft –auf und neben der Piste

Die Grundlage für diesen Förderbeitrag liefert ein Modell, das Innovation, Sportlichkeit und alpine Tradition verbindet: der Audi Q4 45 e-tron quattro «Edition Swiss-Ski». Das Sondermodell überzeugt mit bis zu 518 Kilometern Reichweite (WLTP), einer maximalen Ladeleistung von 175 kW und dem fortschrittlichen Allradantrieb quattro, der auch auf verschneiten Strassen für Stabilität und Sicherheit sorgt. Mit seiner elektrischen Maximalleistung von 210 kW (286 PS) bietet der sportliche SUV eindrucksvolle Fahrdynamik – und lädt in nur 28 Minuten von 10 auf 80 Prozent. Optisch setzt die Sonderedition markante Akzente: Microfaser

Dinamica-Sportsitze mit roten Ziernähten, tangorote Schlüsselblenden und die exklusive Integration des Swiss-Ski Logos an der C-Säule unterstreichen den Charakter dieses einzigartigen Modells, das sowohl im urbanen Umfeld als auch in den Bergen zuhause ist.

«Der Audi Q4 e-tron ‘Edition Swiss-Ski’ verbindet sportliches Design mit nachhaltiger Mobilität und unserer tiefen Verbundenheit zum Schweizer Wintersport. Dass wir mit jedem verkauften Modell auch direkt den Nachwuchs fördern, ist für uns ein besonderes Anliegen», sagt Dieter Jermann, Brand Director Audi Schweiz.

Nachhaltige Mobilität für eine nachhaltige Partnerschaft

Audi Schweiz unterstützt Swiss-Ski nicht nur finanziell, sondern auch mit moderner und nachhaltiger Mobilität. Audi stellt dem Verband diverse Modelle zur Verfügung, von denen bereits die Hälfte elektrifiziert sind. Mehr als ein Drittel der Athletinnen und Athleten haben sich bewusst für ein vollelektrisches Modell

entschieden. Der A6 e-tron zum Beispiel bietet eine Reichweite von bis zu 756km und ermöglicht so müheloses Fahren auch auf längeren Strecken. Damit reisen die Athletinnen und Athleten komfortabel, sicher und nachhaltig von Training zu Training und von Wettkampf zu Wettkampf.

Start frei für alpine Höchstleistungen

Der Audi Q4 e-tron «Edition SwissSki» bleibt auch weiterhin bestellbar. Damit ist garantiert, dass die Nachwuchsförderung Ski Alpin langfristig gestärkt wird. Für Audi Schweiz ist die Partnerschaft mit Swiss-Ski mehr als ein Sponsoring – sie ist ein Bekenntnis zu Präzision, Leidenschaft und Fortschritt. Audi Schweiz wünscht allen Athletinnen und Athleten von Swiss-Ski eine erfolgreiche Saison 2025/2026, sichere Fahrten auf und neben der Piste und unvergessliche Gänsehautmomente. Gemeinsam mit Swiss-Ski trägt Audi Schweiz dazu bei, dass die Schweiz auch in Zukunft Ski-Nation Nummer 1 bleibt – und dass aus den Talenten von heute die WeltcupStars von morgen werden.

Zwischen Bag und Berg

Die Freeski-Teams von Swiss-Ski stellen sich neu auf und trainieren vermehrt in der Schweiz. Rund um Snowfarming, Airbag-Training und heimische Parks entsteht ein System, das Nachhaltigkeit und Effizienz vereint. Eine Saisonvorbereitung, die sich vom Jetlag verabschiedet und vom Fortschritt lebt.

Ein schmales weisses Band zwischen. Fels und Gras – im Oktober ein Symbol des Fortschritts. Bilder: Daria Zwahlen

Ein schmales, weisses Band zieht sich durch braune Hänge – Schnee zwischen Fels und Gras. Ein Anblick, an den sich Schneesportfans längst gewöhnt haben. Doch dieses weisse Band hat je nach Jahreszeit eine andere Bedeutung: Im Januar steht es für knappe Ressourcen, während es im Oktober Fortschritt zeigt – als sichtbaren Beweis dafür, dass Snowfarming funktioniert. Der Winter beginnt später als noch vor zwanzig Jahren, und die Branche befindet sich aus vielen Gründen im Wandel. Es gibt neue Ansätze, die Herausforderungen als Chance zu nutzen und sich weiterzuentwickeln.

Auch für die Freeski-Teams von Swiss-Ski bedeutet das: umdenken. Anstatt für die Vorbereitung um die halbe Welt zu reisen, etwa wie früher nach Neuseeland, wollen die Teams vermehrt in der Schweiz bleiben – aus ökologischen Gründen, aber auch, weil die Infrastruktur dank eigener Initiative und Projekten, die Swiss-Ski angestossen oder unterstützt hat, immer besser wird.

Bag-Sessions in Leysin, Slopestyleund Big-Air-Training in den Parks von Zermatt und Saas-Fee sowie dieselben Möglichkeiten am Corvatsch und am

Schilthorn dank Snowfarming: Gemeinsam bilden sie seit zwei Jahren das neue Rückgrat der Vorbereitung – insbesondere für das Nationalteam. «Es entsteht ein System, das es den Athletinnen und Athleten erlaubt, länger zu Hause zu bleiben und sich einfacher zu erholen, bevor die Reiserei mit dem Weltcup beginnt», sagt der Trainer Grégory Tüscher. Und dies unter Trainingsbedingungen, die dem internationalen Topniveau entsprechen.

Sarah Höfflin ist mit 34 Jahren die älteste und erfahrenste im Team. Sie weiss genau, welche Belastung die ständige Reiserei mit sich bringt und wie lange ein Jetlag nachhallen kann. Die kurzen Wege innerhalb der Schweiz seien ein Vorteil, sagt sie – doch für sie reicht die neue Strategie darüber hinaus. «Als Nationalteam haben wir auch eine Vorbildfunktion», sagt Höfflin. Indem die Besten vermehrt in der Schweiz trainieren, entstehe eine Signalwirkung: Die jungen Athletinnen und Athleten sehen, dass selbst jene, die sich auf Weltcups und Olympische Spiele vorbereiten, an denselben Orten trainieren können wie sie. «Sie merken: Wir müssen nicht ins Ausland reisen, um gute Trainingsbedingungen zu haben.»

Der Trainer Grégory Tüscher spricht beim Heimtraining von einem Systemwechsel, der Effizienz und Nachhaltigkeit vereint.

Im öffentlichen Pända-Snowpark in Mürren trainieren Elite und Nachwuchs Seite an Seite.

Snowfarming für alle

Ein solcher gemeinsamer Ort, nah von zuhause, ist der Pända Snowpark am Schilthorn in Mürren – heuer bereits zum zweiten Mal. Im schattigen Engetal trainieren nicht nur die Schweizer Freeski- und Snowboard-Teams, auch der Breitensport hat Zugang. Im Mai wurden dafür rund 80'000 Kubikmeter Schnee zusammengestossen, mit einer speziellen Abdeckung geschützt und Anfang September wieder freigelegt. 65'000 Kubikmeter blieben übrig, aus denen die Schilthornbahn gemeinsam mit SwissSki wie schon im Jahr zuvor einen Freestyle-Park für alle formten. Zwei Schlepplifte sowie verschiedene Rail-Linien und Sprünge der Grösse M ermöglichten dem Nationalteam Trainingstage mit bis zu 30 Fahrten. «Das kannst du sonst nirgends», betont Grégory Tüscher und hebt die Effizienz des Snowparks hervor.

Der Pända Snowpark bietet zwar kein Weltcup-Setup, ermöglicht aber extrem viele Fahrten – kombiniert mit Saas-Fee entsteht ein effizienter Trainingsmix.

Mit der Saisonvorbereitung in der Schweiz will das Team ein Zeichen setzen – in seiner Vorbildfunktion für die nächste Freeski-Generation.

Die Session am Schilthorn dauerte den gesamten Oktober und fand parallel zur Stomping-Ground-Session in SaasFee statt, wo der Park auf Weltcup-Niveau Sprünge der Grössen L und XL sowie eine Halfpipe bietet. Stomping Ground ist ein privates Projekt der renommierten ParkBauer Charles Beckinsale, Jeremy Carpenter und Brandon Dodds. Privat bedeutet: Zugang haben ausschliesslich Profis. Seit 2020 bietet Saas-Fee im Sommer und Herbst keinen öffentlichen Freestyle-Park mehr auf dem Gletscher an. «Die Nachfrage war zu klein, der Aufwand zu gross und wir mussten uns daher auf die professionellen Trainingsgruppen konzentrieren», erklärt Emmanuel Rossi, Direktionsassistent der Saastal Bergbahnen AG. In Zermatt dagegen wird bereits im Sommer ein Park mit Sprüngen der Grösse M und verschiedenen Rail-Linien angeboten – zugänglich für alle.

Neben dem Bag-Training bleibt Schnee unverzichtbar – hier findet Freeski wirklich statt, auch wenn auf dieser Höhe eigentlich noch gar kein Winter herrscht.

Warum Bag-Training zwei Seiten hat

Das Schweizer Freeski-Team hat entsprechend im Sommer teilweise in Zermatt trainiert und ist im Oktober zwischen Mürren und Saas-Fee gependelt. Zugleich hat das Sommertraining auf Schnee in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend an Bedeutung verloren. Viel wichtiger geworden ist das Training auf dem Airbag.

In Leysin steht dem Team ein Bag mit zwei unterschiedlich grossen Sprüngen zur Verfügung; in Österreich sind es sogar vier verschieden grosse Bags und Schanzen sowie ein Sidehit für das PipeTraining. Für Grégory Tüscher ist klar, warum die Bedeutung des Bag-Trainings massiv gestiegen ist: «Die Tricks werden

immer schwieriger und technischer.» Um diese anspruchsvollen Rotationen und Grabs sicher zu beherrschen, brauche es unzählige Wiederholungen – weit mehr, als sie im Schnee möglich wären. «Auf dem Bag kannst du immer trainieren –bei Regen, bei Schnee, egal.» Der Aufbau von Sicherheit und Selbstvertrauen sei dadurch viel effizienter. Oder wie Tüscher es zusammenfasst: «Es ist simples Eins-pluseins-gibt-zwei: Je öfter du springen kannst, desto besser wirst du.»

So effektiv das Training auf dem Bag ist, bringt es auch Nachteile mit sich. «Die Freestyle-Sportarten finden nun einmal auf Schnee statt, und das Skigefühl auf den Dryslopes der Bag-Anlagen ist nicht dasselbe – Fahrtechnik und Kantengefühl leiden darunter.» Tüscher sieht darin vor allem ein Problem für den Nachwuchs.

Während es früher normal war, dass junge Athletinnen und Athleten ihren Weg zum Freestyle über Ski Alpin fanden, fehlt heute vielen eine saubere technische Basis.

Zusammengefasst eignet sich das Bag-Training vor allem für ältere und erfahrene Athletinnen und Athleten, die Tricks mit höheren Schwierigkeitsgraden zeigen müssen. Für den Nachwuchs hingegen braucht es vermehrt Schnee unter den Ski. «Genau deshalb gewinnen Projekte wie der Pända-Snowpark in Mürren an Bedeutung», sagt Dominik «JP» Furrer, Cheftrainer Park & Pipe bei Swiss-Ski. «Dort können Junge auf ihrem Niveau trainieren – und dabei genau das festigen, was sonst leicht verloren geht: ein sauberes Kantengefühl und Sicherheit auf Schnee.»

Das Training auf dem Airbag in Leysin gewinnt an Bedeutung, weil die Tricks immer komplexer werden. Bild: Fondation Leysin Big Air Bag

Verkürzte Wege, mehr Regeneration: Das Freeski-Team setzt auf Schweizer Infrastruktur und Heimtraining statt Fernreisen.

Winterstart am Corvatsch

Frühling und Sommer bedeuten BagTraining in Leysin, der Herbst gehört dem Schneetraining in Zermatt, Mürren und Saas-Fee. Und dank eines weiteren Snowfarming-Projekts gelingt seit zwei Jahren auch der fliessende Übergang zum Winterstart im November am Corvatsch. Dort konnte Swiss-Ski in Zusammenarbeit mit den Bergbahnen einen Freestyle-Park mit Sprüngen und Rail-Lines auf WeltcupNiveau realisieren. In den nächsten zwei Jahren soll zusätzlich eine Halfpipe dazukommen, damit auch die Pipe-Teams ihre komplette Vorbereitung in der Schweiz machen können.

Die letzten Vorbereitungen für den Saisonstart mit dem Slopestyle im Stubaital absolvierte das Nationalteam direkt vor Ort, weil Trainingseinheiten auf dem Weltcup-Kurs möglich waren. Danach führt der Weltcup-Kalender das Team nach China, anschliessend weiter nach Amerika, über die Feiertage kurz zurück nach Hause, dann erneut nach Nordamerika, zurück in die Schweiz für den Heim-Weltcup in Laax – und für jene Athletinnen und Athleten, die eingeladen werden, geht es wieder nach Amerika zu den X-Games. Trotz aller Bemühungen rund um Nachhaltigkeit und optimale Erholung bleibt der Wettkampfkalender, wie auch in anderen Disziplinen, ein Thema.

Text: Lia Näpflin

Weniger Reiserei, mehr Fokus: Dank Training in der Schweiz sparen die Athletinnen und Athleten Energie – und investieren sie dort, wo sie zählt.

Januar

Sa. 10. Wildhaus

So. 18. Schönried Sa.

Eine Strecke für alle

Auf der Cross-Strecke in Saas-Fee zählt nicht, wer im Rollstuhl sitzt oder wer einen Weltcup-Sieg hat. Hier trainieren Para- und Europacup-Teams Seite an Seite. Ihr gemeinsamer Alltag im Schnee zeigt, wie Inklusion im Leistungssport funktionieren kann.

Wenn die Bedingungen stimmen, wird Saas-Fee jeden Sommer zum CrossParadies. Dann zieht das Schweizer Skicross-Team mit schwerem Gerät in den Schnee und baut eine vielseitige Strecke, die es in sich hat: Drei Starts, wobei zwei davon in dieselbe Linie führen. Weiter unten dann verzweigt sich der Kurs wieder. Fünf Fahrvarianten – gespickt mit Elementen, wie sie typisch für Skicross oder Snowboardcross sind.

Auch das Snowboardcross-Team von Swiss-Snowboard schaufelt mit: Die Coaches helfen bei der Installation der Startgates, beim Bau von Wellen, Sprüngen und Kurven, beim Unterhalt der Strecke. Ein riesiger Aufwand, der Jahr für Jahr betrieben wird – und der sich lohnt. Die Strecke ist begehrt, kann gemietet werden, auch von anderen Nationen. Doch das Teilen hört hier nicht auf. Seit drei Jahren trainiert das Snowboardcross-Europacup-Team von Swiss-Snowboard gemeinsam mit dem Swiss Para Snowboard Team von PluSport – im selben Schnee, auf derselben Strecke, mit demselben Ziel: besser zu werden.

«Wir brauchen eine Strecke und Konkurrenz, die zu uns passt», sagt Silvan Hofer, Nationaltrainer des Swiss Para Snowboard Teams von PlusSport. «Und das haben wir im Europacup-Team gefunden.»

Dass seine sechs Athletinnen und Athleten mit unterschiedlichen körperlichen Beeinträchtigungen vom Training auf dieser Strecke profitieren, liegt auf der Hand. Eine Infrastruktur wie in Saas-Fee, wo sich alles auf höchstem Niveau bewegt, findet man in Europa kaum ein zweites Mal zu dieser Jahreszeit.

Freiheit auf einem Brett

Doch für zwei seiner Athleten ist das Training mit dem EuropacupTeam besonders wertvoll: Aron Fahrni (27) lebt seit einem Unfall mit einer

Einschränkung am linken Arm, Fabrice von Grünigen (24) mit einer Vorfussamputation am rechten und einer Bewegungseinschränkung am linken Fuss – ebenfalls nach einem Unfall. Ihr Niveau entspricht dem der EuropacupAthleten, sagt Hofer.

Eine der prägendsten Figuren im Team ist Romy Tschopp. Die 32-Jährige wurde mit einem offenen Rücken (Spina bifida) geboren und lebt seither mit einer Teillähmung in den Beinen. Ihren Alltag meistert sie im Rollstuhl. Wie es möglich ist, als Rollstuhlfahrerin Snowboard zu fahren – und erst recht Snowboardcross? Diese Frage hört Tschopp oft. Ihre vordere Oberschenkelmuskulatur und ihr Rumpf sind stark genug, um viele Einschränkungen in den Beinen zu kompensieren. Auf dem Schnee arbeitet sie intensiv mit Oberkörper und Armen, um das

Gleichgewicht zu halten. Stabilität geben ihr ein harter Schuh, Sportorthesen und eine feste Bindung, die sie aufrecht auf dem Brett stehen lassen.

«Snowboarden ist für mich einfacher als Gehen», sagt Tschopp. Auf dem Brett fühlt sie sich frei – und für einen Moment unabhängig von allem, was sie sonst einschränkt.

Während Romy Tschopp vor allem vom technischen Training auf der CrossStrecke profitiert und dort ihre Bewegungen verfeinert, spielt für andere Para-Athletinnen und -Athleten die direkte Konkurrenz eine grössere Rolle. Für Aron Fahrni etwa ist das Training mit dem Europacup-Team eine entscheidende Ergänzung. Die gemeinsamen Heats fordern ihn technisch wie mental – sie geben ihm Tempo, Präzision und Vertrauen in die Bewegungsabläufe.

Wenn Aron Fahrni (links) und Fabrice von Grünigen mit EuropacupAthlet Leandro Buntschu (rechts) diskutieren, verschwinden Teamgrenzen. Bilder: Manuel Haslebacher

In Saas-Fee gilt: Jeder Coach hilft allen. Das Wissen wird geteilt, damit alle profitieren.

Silvan Hofer sorgt dafür, dass sein Para-Team optimale Trainingsbedingungen hat – sportlich, organisatorisch und menschlich.

Mehr als Trainingspartner

Im Parasport, erklärt er, sei das Fahren weniger berechenbar: Manche Gegner seien unsicherer, machen plötzliche Bewegungen, verlieren ihre Linie. «Bei uns musst du einander manchmal fast aus dem Weg gehen – so gut es geht», sagt Fahrni. Im Europacup-Team dagegen wisse er genau, wie sich die anderen auf der Strecke verhalten. Das ermöglicht ihm, näher an seine Grenzen zu gehen – und sich sportlich weiterzuentwickeln.

Sind Fahrni und Von Grünigen mit dem Europacup-Team in Saas-Fee, dann sind sie längst mehr als Trainingsgäste. Sie wohnen in derselben Unterkunft, stehen gemeinsam früh auf, kochen für das ganze Team und liefern sich am Abend Pokerrunden samt Bluff.

Fahrni nennt das Europacup-Team augenzwinkernd seine Abled-Buddys, im Gegensatz zu ihm und seinen DisabledBuddys. Manchmal nennt er sie schlicht die Normalos – oder, wie er anfügt, «die Langweiler». «Bei denen ist ja alles normal», witzelt er und grinst breit.

«Wir machen das für den Sport und die Athletinnen und Athleten. Jeder soll von dem profitieren können, was wir haben.»
Christian «Gigi» Thoma

Am Ende zählt nicht, wer welche Voraussetzungen mitbringt, sondern dass alle denselben Sport lieben – genau so, wie es Snowboardcross-Cheftrainer Christian Gigi Thoma sieht: «Wir machen das für den Sport und die Athletinnen und Athleten. Jeder soll von dem profitieren können, was wir haben.»

Teil der Swiss-Ski-Familie

Die Para-Athletinnen und -Athleten starten nicht nur im Snowboardcross, sondern auch im Banked Slalom, einer Disziplin, die an den Riesenslalom erinnert, mit Steilwandkurven und flüssigen

Gemeinsam lachen, unterstützen –das funktioniert bei ihnen ganz selbstverständlich. «Mir ist sehr wichtig, dass sie wissen, dass sie Platz haben bei uns», betont Thoma. Ob eine Person mehr oder weniger dabei ist, spiele keine Rolle. Gerade dieser natürliche Umgang miteinander macht die Zusammenarbeit so besonders – und letztlich auch so erfolgreich.

Mit dem Engagement aller Trainer – allen voran Christian «Gigi» Thoma – wird in Saas-Fee möglich, dass Teams verschiedener Sportarten und Levels gemeinsam trainieren.

Eine stützende Hand am Start, ein Lächeln im Ziel – es sind die kleinen Gesten der Unterstützung, die den Unterschied machen.

Wie das Para- und Europacup Team in Saas-Fee gemeinsam trainieren, ist im Video zu sehen

Übergängen. Skicross-Trainer Enrico Vetsch hat gemeinsam mit Silvan Hofer in diesem Jahr eigens für das Para-Team eine solche Strecke gebaut. Aron Fahrni ist in dieser Disziplin amtierender Vizeweltmeister und Vorjahressieger in der Weltcup-Gesamtwertung, Fabrice von Grünigen gewann in seiner ersten Saison 2023/24 die Gesamtwertung im SnowboardcrossEuropacup und Romy Tschopp, die erste und bislang einzige Schweizer Para-Snowboarderin an den Paralympics, holte zuvor in Molina WM-Silber im Snowboardcross (2023).

Gemeinsam bilden sie das Herz des Swiss Para Snowboard Teams – und sind längst Teil der Swiss-Ski-Familie. Nicht offiziell auf dem Papier, aber ganz sicher auf dem Schnee.

Romy Tschopp erzählt, wie ihr am Start und im Ziel von anderen Athletinnen und Athleten geholfen wird. Trainer Silvan Hofer beschreibt die Blicke, wenn jemand zum ersten Mal Fabrice von Grünigens halben Fuss sieht – und wie schnell daraus Normalität wird. Und Aron Fahrni sagt, dass ihr Team die anderen, «die Normalos», immer wieder erdet: Wenn man die Paras fahren sieht, wirkt die eigene kleine Verletzung plötzlich gar nicht mehr so schlimm.

Die gemeinsame Nutzung der CrossStrecke in Saas-Fee ist mehr als eine logistische Lösung. Sie ist ein Bekenntnis zur Inklusion im Leistungssport. Snowboardcross-Trainer Thoma und Para-Trainer Hofer verbindet ein unkompliziertes, professionelles, freundschaftliches Verhältnis. «Wir haben keine grossen Vereinbarungen, wir machen einfach. Im Sinne des Sports und des Menschen – ganz egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung», sagt Thoma.

Text: Lia Näpflin

Kästle Kids Cup: Skifahren mit Herz und Speed

Der Cup startet im Februar 2026 in eine neue Runde. Bei drei spannenden Veranstaltungen mit jeweils rund 150 Teilnehmenden der Jahrgänge 2010 bis 2020 wird die nächste Skigeneration sichtbar –und das in einer für die Schweiz einzigartigen Kinder-Skirennserie.

Seit fast vier Jahrzehnten organisieren die Skiclubs Laax, Klosters und Malbun diesen traditionsreichen Wettbewerb. Der Kästle Kids Cup hat sich als feste Größe im Nachwuchs-Rennkalender etabliert und begeistert Jahr für Jahr Kinder, Eltern und Zuschauer gleichermaßen.

Kästle ist stolzer Hauptsponsor der Veranstaltungsreihe. Für das österreichische Traditionsunternehmen mit Sitz

im benachbarten Vorarlberg ist der Cup ein echtes Herzensprojekt. Denn bei Kästle stehen nicht nur die Weltcupstars im Rampenlicht – auch die gezielte Nachwuchsförderung steht im Fokus.

Freude, Fairness und Förderung

Der Cup bietet Kindern zwischen 6 und 16 Jahren die Möglichkeit, sich auf einem gesteckten Riesenslalomkurs sportlich zu messen. Pro Veranstaltung gibt es eine Einzelwertung, deren Ergebnisse in die Gesamtwertung des Kästle Kids Cups einfließen.

Dabei geht es nicht nur um Zeiten und Platzierungen: Im Zentrum stehen die Freude

Termine 2026 & Anmeldung

Der Kästle Kids Cup 2026 findet an folgenden Daten statt:

07.02.2026 Klosters

14.02.2026 Laax

07.03.2026 Malbun

Die Anmeldung ist ab sofort offen

an der Bewegung, der Spaß am Skifahren und das Miteinander auf und neben der Piste. Kästle möchte junge Menschen dafür begeistern, ihre Leidenschaft für den Skisport zu entdecken und weiterzuentwickeln – ob als ambitionierte Athlet:innen oder einfach aus purer Freude am Fahren.

Im Rahmen der (Nachwuchs-) Förderung bietet Kästle bei jedem Event auch einen öffentlich zugänglichen Skitest-Stand an. Dort können sowohl die aktuellen Kästle-Skimodelle für Kinder und Erwachsene als auch die Jugend-Rennski kostenlos getestet werden – für Eltern, Begleitpersonen und junge Talente, die das passende Material für ihre Bedürfnisse suchen.

Von Talenten zu Champions

Nicht wenige Schweizer Skiasse, die heute auf höchstem Niveau um Weltcuppunkte kämpfen, haben in ihrer Kindheit und Jugend Rennerfahrungen bei dieser traditionsreichen Veranstaltungsreihe gesammelt. So auch Kästle-Athletin und Weltmeisterin Jasmine Flury, die einst selbst am Start des Kids Cups stand:

„Ich erinnere mich gerne an die aufregende Zeit mit meinen Freunden am Rennen und den Sieger-Ski, obwohl ich nie einen gewonnen habe (lacht). Die positiven Erinnerungen und die Freude am Skisport bleiben mir aber für immer.“

1 Neuer Wachstruck für

das Biathlon-Team

Das Schweizer Biathlon-Team startet mit einem neuen, hochmodernen Wachstruck in die Saison 2025/26. In Davos wurde das rollende Servicezentrum Anfang November im Beisein der WeltcupEquipe offiziell eingeweiht – ein weiterer Schritt in Richtung noch professionellerer Infrastruktur.

Was in grossen Biathlon- und Langlauf-Nationen längst Standard ist, zieht nun auch bei Swiss-Ski ein: Ein mobiler Arbeitsplatz, der dem Serviceteam sowie den Athletinnen und Athleten optimale Bedingungen bietet. Der neue Truck misst 13,6 Meter in der Länge und 5 Meter in der Breite – insgesamt 62 Quadratmeter Arbeitsfläche, unterteilt in sechs (erweiterbar auf acht) Stationen. Dank Boden- und

Dachheizung, Kondensationssystemen und effizienter Belüftung herrschen darin stets ideale Bedingungen – egal ob bei Schneesturm oder Sonnenschein.

Doch der Truck ist mehr als nur Werkstatt: Er ist Treffpunkt, Analysezentrum und Rückzugsort zugleich. Eine kleine Küche und ein Aufenthaltsraum bieten Platz, um Rennen zu besprechen, sich auszutauschen und gemeinsam Emotionen zu teilen.

«Der Wachstruck ist ein weiterer bedeutender Schritt, um unseren Biathletinnen und Biathleten die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten», sagt Jürg Capol, Nordisch-Direktor von SwissSki. Nach dem erfolgreichen Einsatz eines ähnlichen Modells im Langlauf seit 2021 hat nun auch das Biathlon-Team seine eigene mobile Basis – pünktlich zum Start der Olympia-Saison. (ree)

2 «She Who Flies»

– Mathilde Gremaud hebt ab

Die erfolgreichste Schweizer Freeskierin Mathilde Gremaud steht im Mittelpunkt des neuen Dokumentarfilms «She Who Flies». Der 46-minütige Film von Regisseur Matt Pain erzählt die Geschichte einer Athletin, die den Freestyle-Sport bereits in jungen Jahren geprägt und immer wieder neu definiert hat – und zugleich zeigt, wie dünn der Grat zwischen Triumph und innerer Leere sein kann.

Von La Roche im Kanton Freiburg an die Weltspitze: «She Who Flies» begleitet die 25-Jährige auf ihrem Weg zu drei Weltcup-Kristallkugeln, X-GamesTiteln und olympischem Edelmetall in Gold, Silber und Bronze. Der Film beleuchtet Gremauds beispiellose Karriere, ihren Mut, Grenzen zu verschieben –etwa mit dem legendären Switch Double Cork 1440 – und ihren unermüdlichen Drang, besser zu werden.

Doch hinter den Erfolgen steckt mehr als Technik und Talent. Nach ihren Olympia-Medaillen erlebt Gremaud ein mentales Tief. Sie spricht offen über den Moment, in dem das Hochgefühl des Siegens einer unerwarteten Leere weicht: «Du hast Gold gewonnen, und das ist ein riesiges Hochgefühl. Irgendwann kommt dann der Moment, in dem du dich leer fühlst – und du fragst dich, was als Nächstes kommt.»

Mit Ehrlichkeit, familiärer Unterstützung und der Bereitschaft, an sich zu arbeiten, findet sie ihren Weg zurück – und ihre Freude am Sport. «She Who Flies» endet bei den Heim-Weltmeisterschaften in St. Moritz 2025, wo Gremaud erneut alles geben will – trotz Rückschlägen, trotz Zweifel. (lnn)

Hier geht’s zum Film

Bild: Flavio Schlegel
Bild: Red bull

3 «Skifahren als Rennsport boomt»

Der neue Weltcup-Winter hat begonnen – und Swiss-Ski blickt vor dem Olympia-Winter 2026 sowie den Heim-Weltmeisterschaften in CransMontana 2027 auf intensive Monate mit wichtigen strategischen Weichenstellungen zurück.

Im Video-Interview spricht Walter Reusser, CEO Sport von Swiss-Ski, über die sportliche Entwicklung der letzten Jahre, die aktuell grössten Herausforderungen des Verbandes und die Bedeutung der neuen Zusammenarbeit mit dem Sommerskigebiet Zermatt. (LNN)

Jetzt das ganze Interview ansehen

4 Biathlon-WM für nachhaltiges Engagement ausgezeichnet

Grosse Ehre für das OK der BiathlonWeltmeisterschaften 2025 in Lenzerheide: An der «Night of Biathlon» in München wurde das Organisationskomitee um CEO Jürg Capol und Luana Bergamin für sein Engagement im Bereich Nachhaltigkeit ausgezeichnet.

Die WM setzte auf umweltverträgliche Lösungen – von angepassten Streckenführungen über eine neue Wildruhezone im Gebiet Gôt la Tgoma–Bual bis hin zur Förderung von Anreisen mit dem öffentlichen Verkehr. Auf temporäre Bauten ohne Nachnutzung wurde bewusst verzichtet.

Mit der Auszeichnung würdigt der Biathlon-Weltverband IBU den Vorbildcharakter der WM in Lenzerheide, die zeigt, dass Spitzenleistung und ökologische Verantwortung zusammenpassen. (ree)

5 Neue KWO-Website 2.0

Die Kommission für Wettkampforganisation (KWO) sorgt das ganze Jahr dafür, dass alle Swiss-Ski-Wettkämpfe reibungslos stattfinden. Nun reagiert sie auf die veränderten Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer – mit der rundum erneuerten KWO-Website 2.0.

Die Plattform zeigt sich in einem modernen, übersichtlichen Design und bietet zahlreiche digitale Verbesserungen. Neu erfassen Veranstalter ihre Wettkämpfe direkt online, auch Bewerbungen für Ausbildungen laufen vollständig digital, und regionale Cupwertungen können direkt im System erstellt werden. Zudem gilt ab dieser Saison für alle offiziellen Rennen –ausser Volks- und Clubrennen – eine Einschreibepflicht. Das sorgt für eine einheitliche Online-Anmeldung und zuverlässiges Live-Timing. Ein Online-Handbuch sowie Telefonsupport erleichtern zusätzlich die Nutzung.

Seit dem 1. Juni 2024 steht Hanspeter Valer an der Spitze der Kommission – er ist seit über 30 Jahren im KWO-Bereich tätig und hat die IT-Struktur massgeblich mitentwickelt. (LNN)

Hier geht's zur neuen Webseite

Bild: IBU
Bild: swiss-ski

Vorfreude ist die schönste Freude

Beste Aussicht am Chuenisbärgli: die Sunrise Lounge mit direktem Blick

Und die ist bei Sunrise gross – aus gutem Grund: Der Eventkalender im Dezember und Januar verspricht eine Wintersaison voller Highlights für alle Schneesport-Enthusiasten in der Schweiz. Als Main Partner von Swiss-Ski ist Sunrise natürlich wieder mittendrin – und freut sich, diese sportlichen Ereignisse mit seinen Kundinnen und Kunden zu teilen.

Ob Weltcup-Feeling, Skisprung-Magie oder Skicross-Action: Vor Ort warten exklusive Erlebnisse und spannende Einblicke, die das Wettkampfgeschehen noch ein Stück besonderer machen. Lust auf einen kleinen Vorgeschmack?

Adelboden: Das grosse Spektakel am Chuenis

Wenn sich die weltbesten Skirennfahrer am legendären Chuenisbärgli messen, verwandelt sich Adelboden in einen brodelnden Hexenkessel. Sunrise Kundinnen und Kunden

haben die Möglichkeit, die Rennen aus der zweistöckigen Sunrise Lounge auf der Haupttribüne zu verfolgen – mit bester Sicht auf den steilen Zielhang, eigener Bar und VIP-Zugang zum Weltcup-Gelände.

Eine weitere Attraktion ist das neue «House of Sunrise» im Chuenis-Dörfli, wo kulinarischer Genuss auf sportliche Emotionen trifft, und Programmpunkte wie die Startnummernauslosung sowie die Siegerehrung der Athleten in exklusivem Rahmen stattfinden.

Wengen: Gänsehaut am Hundschopf

Die mitreissenden Lauberhornrennen in Wengen ziehen jedes Jahr zehntausende begeisterte Zuschauende ins Berner Oberland. Um das unvergleichliche Flair dieses Weltklasse-Skirennens zu unterstreichen, bringt Sunrise rund 50 Kundinnen und Kunden direkt an den Hundschopf – jenen legendären

Streckenabschnitt, wo die Spannung greifbar wird und die Abfahrt so nah wie sonst nirgends miterlebt werden kann.

Die exklusive Plattform bietet nicht nur spektakuläre Sicht, sondern auch eine urchige Verpflegung und eine Atmosphäre, die lange in Erinnerung bleibt. Wer danach noch feiern möchte, ist in der Sunrise Lounge am Dorfplatz genau richtig – inklusive Blick auf die Siegerehrung vom Balkon und der Chance, Stars wie Marco Odermatt oder Franjo von Allmen persönlich zu treffen.

Veysonnaz: Skicross trifft Walliser Gastfreundschaft

Wenn die Skicross-Elite auf der Piste de l’Ours in den Heats alles gibt, sind packende Duelle garantiert. Sunrise ergänzt das Renngeschehen mit einer exklusiven Führung durch die Strecke und der Möglichkeit, Athleten wie

auf den legendären Zielhang.

Ryan Regez oder Alex Fiva persönlich kennenzulernen. Abseits der Piste wartet ein gemütlicher Walliser Abend mit Raclette-Papst Eddy Baillifard – ein kulinarischer Abschluss, der Genuss und Geselligkeit perfekt verbindet.

Engelberg: Hoch hinaus auf der Gross-Titlis-Schanze

In Engelberg sorgen die Höhenflüge der Skispringerinnen und -springer jedes Jahr für Staunen. Sunrise Kundinnen und Kunden geniessen das Spektakel von der VIP-Terrasse mit direktem Blick auf die Schanze. Dazu gehören ein 3-Gänge-Gourmetbuffet mit Weinbegleitung, ein Älpler-Zvieri sowie eine geführte Schanzenbesichtigung, die spannende Eindrücke hinter die Kulissen des Skispringens vermittelt.

Noch mehr mit Sunrise Moments erleben

Das ist nur ein kleiner Einblick in die Winterwelt von Sunrise. Darüber hinaus gibt es auf und neben der Piste viele weitere Angebote, die begeistern:

• Reduzierte Tickets und Verlosungen von VIP-Erlebnispackages für Schweizer Weltcup-Veranstaltungen

• 25% Rabatt auf Skitickets für zahlreiche Schweizer Bergbahnen (z. B. Arosa-Lenzerheide, Adelboden-Lenk, Andermatt, Laax, Stoos – und viele mehr)

• Exklusive Angebote für die IIHF Eishockey-Weltmeisterschaft 2026 in Zürich und Fribourg

• Vergünstigte Tickets für Winterevents wie das SunIce Festival presented by Sunrise in St. Moritz

• Adventskalender mit 24 Gewinnchancen auf attraktive Preise wie ein iPhone 17 Pro, Stöckli Ski oder Tickets für ein Hockeyspiel am Spengler Cup in Davos

Hoch hinaus auf der VIP-Terrasse in Engelberg: Skisprung-Action direkt an der Schanze verfolgen.

Näher am Hundschopf geht nicht: Auf der Sunrise Plattform wird der legendärste Sprung im Weltcup greifbar.

Noch nicht bei Sunrise?

Dann wird’s höchste Zeit, Teil des Sunrise Speed Teams zu werden und von attraktiven Mobileund Internetangeboten zu profitieren.

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Streckenführung beim Skicross-Weltcup in Veysonnaz – exklusiv begleitet von Ryan Regez und Alex Fiva.

Crans-Montana

Unvergesslich. Unerzählt.

Der junge Schnaufer und seine Rennpferde

Wie Markus Murmann als Abfahrtstrainer der Schweizer Frauen die denkwürdigen WM-Tage 1987 in CransMontana erlebte – und warum er besondere Genugtuung empfand.

Markus Murmann blickt aus dem Auto den Hang hinauf. «Dort war meine Position», sagt der 68-Jährige und deutet auf eine Stelle oberhalb des Zielhangs. «Ich hatte beste Sicht auf die Fahrerinnen. Und rund um mich herum sorgte das Publikum für Stimmung.»

Dieser Ort ist ihm vertraut, er kennt jeden Fleck und gefühlt jede zweite Person, die hoch über Sierre daheim ist – jeder Besuch löst wieder Emotionen aus. Mit Crans-Montana und der Piste Mont Lachaux verbindet ihn ein Stück Schweizer

Sporthistorie, geschrieben 1987 – an den denkwürdigen Weltmeisterschaften, an denen der Oberwalliser das Speed-Team der Schweizerinnen als Trainer betreute. An diesem Tag im Oktober sitzt er in einem Café im Dorf und erzählt die Geschichte, die auch sein Leben geprägt hat.

Skeptische Stimmen melden sich

Murmann übernimmt den Poste 1984 – damals als «junger Schnaufer», wie er selbst sagt: «Ich war noch keine 27 Jahre alt.» Er kommt aus dem Nachwuchs mit dem Ruf, ein guter Ausbildner zu sein. Doch er registriert auch kritische Stimmen und nasenrümpfende Beobachter: Ist ein so Junger wie er, der kaum über Erfahrung

verfügt und auf dieser Ebene sogar ein NoName ist, dieser Aufgabe überhaupt gewachsen? Murmann stört das nicht, im Gegenteil: Es spornt ihn an. Und seine Unerschrockenheit hilft ihm dabei.

Als der Grossanlass naht, weiss er: Diese Abfahrtsstrecke bringt keine Zufallsweltmeisterin hervor. Zu anspruchsvoll ist sie für Aussenseiterinnen, «das Kitzbühel der Frauen» nennt Murmann die Piste Mont Lachaux. Und er weiss auch: Seine Fahrerinnen sind gewappnet. Er hat eine Gruppe beisammen, in der er niemanden aus den Reserven locken muss. «Wie Rennpferde» kommen sie ihm vor, die nichts lieber tun, als Wettkämpfe zu bestreiten. Und die sich schon im Sommertraining gegenseitig anstacheln.

Egal, wer zuoberst steht: «Hauptsache, wir gewinnen»

Murmann bildet mit seinem Assistenten Ernst «Furli» Gisler und Physiotherapeutin Liselotte Schlumpf ein starkes Trio. Und er findet den Draht zu seinen ehrgeizigen Athletinnen, weil er ein feines Gespür für Menschen hat und ein positiver Zeitgenosse ist. Auf dieser Basis entsteht ein gegenseitiges Vertrauen. Als die WM noch in weiter Ferne ist, setzt sich «Murmi», wie er gerufen wird, mit Maria Walliser und Michela Figini an einen Tisch und erklärt den beiden Leaderinnen: «Mir spielt es keine Rolle, wer von uns zuoberst steht. Hauptsache, wir gewinnen.» Wir, die Schweiz. Die Lust, den maximalen Erfolg

Die Abfahrtsstrecken von 1987, still und unscheinbar – niemand ahnte damals, welche Schweizer Erfolge hier gefeiert würden. Bild: Hervé Deprez

Mit 26 Jahren war Markus Murmann Abfahrtstrainer der Schweizerinnen an der Heim-WM 1987. Heute, mit 68, blickt er mit Stolz auf diese prägenden Zeit zurück. Bilder: Stephan Bögli

als Team zu feiern, treibt ihn an. Er betont: «Ich habe nie jemanden bevorzugt und mit dieser Strategie bin ich gut gefahren.»

Die Schweizerinnen beziehen ihr WM-Quartier mitten in Crans. Und im Bergrestaurant Merbé, nahe an der Strecke, mieten sie für die gesamte Dauer der Titelkämpfe eine ganze Etage für sich. Die Fahrerinnen können sich dorthin zurückziehen, sich verpflegen oder ausruhen. «Jeder Wunsch ist uns von den Augen abgelesen worden», sagt Markus Murmann. Das gilt auch für den Transport nach Leukerbad, wo die Schweizerinnen abseits des Trubels ungestört trainieren können – sie fliegen jeweils mit einem Helikopter dorthin.

«Madonna!» – und schon ist Murmann ein Fasnachtssujet

Mit seinem geschulten Auge sieht er sofort, wenn jemand von der Ideallinie abkommt. In einem Training ist das der Fall, und er behält sein Erstaunen über die gewählte Linie nicht für sich. «Madonna! Madonna!», ruft Murmann. Und liefert

eine unfreiwillige Vorlage für die Fasnacht. Zuschauer haben aufgeschnappt, wie Murmann die Fahrt kommentiert hat. Ein paar Wochen später ist ein Restaurant in Susten mit Bildern der Madonna und Markus Murmann tapeziert An einem Fasnachtsumzug im Lötschental ist Murmann ein eigenes Sujet gewidmet.

Zwei Tage vor der Spezialabfahrt herrscht plötzlich Aufregung, weil das Selektionsverfahren kurzfristig geändert wird. Maria Walliser und Michela Figini sind aufgrund ihrer Leistungen in den Wochen zuvor gesetzt, aber Cheftrainer JeanPierre Fournier ordnet für den Samstag noch einmal eine Qualifikation an – Unterstützung erhält er von Slalomtrainer Philippe Chevalier. Die Technikerin Erika Hess, gerade erst Kombinationsweltmeisterin geworden und in starker Form, soll eine Chance bekommen, sich zu empfehlen.

Brigitte Oertli, die eigentlich mit einem Startplatz gerechnet hat, stürzt und verpasst das Rennen am 1. Februar 1987. Die «NZZ» schreibt danach: «Damit hat Fournier nicht nur das Vertrauen der Zürcherin verspielt, auch Abfahrtstrainer Markus Murmann musste sich übergangen

fühlen. (...) 40 Stunden vor einem Rennen einer Athletin mitzuteilen, es sei nun wieder alles ganz anders, sie müsse sich erst qualifizieren, ist unfair.»

Die Nebengeräusche werden aber übertönt, weil die Schweizerinnen liefern: Walliser fährt vor Figini zu Gold. Die beiden Favoritinnen erfüllen die Erwartungen. Erika Hess (7.), Zoë Haas (11.) und Heidi Zurbriggen (14.) komplettieren das Glanzergebnis. Die Festspiele von Crans erreichen ihren nächsten Höhepunkt nach dem Kombi-Gold für Erika Hess und dem vierfachen Triumph der Schweizer Abfahrer am Vortag.

Der Doppelsieg der Abfahrerinnen löst die Anspannung bei Markus Murmann. Er hat zwar nie an der individuellen Klasse gezweifelt, aber sehr wohl ist ihm bewusst gewesen: Sollte nicht mindestens ein Podestplatz herausschauen, wäre das – gelinde gesagt – eine Niederlage. «Der Puls stieg schon ziemlich. Wir wollten die Skination Schweiz ja nicht enttäuschen.» Den Moment, in dem an der Siegerehrung die Schweizer Hymne ertönt, hat Murmann als Moment für die Ewigkeit gespeichert. «Es läuft mir jetzt noch kalt

Doppelsieg für die Schweiz in der Abfahrt: Maria Walliser (rechts) holt Gold und Michela Figini Silber. Bild: Hervé Deprez

Alte Zeitungsartikel erinnern an seine Zeit als Abfahrtstrainer – an Tage, die Schweizer Skigeschichte geschrieben haben.

den Rücken hinunter, wenn ich an diese Minuten denke», sagt er. «Diese Euphorie, diese Menschenmassen – ich fragte mich: Woher kommen die alle?»

Die grosse Genugtuung

Aber der eng getaktete Zeitplan lässt nicht zu, dass die Nacht zum Tag gemacht wird. Am Abend liegt ein Bier drin, vielleicht sind es auch zwei, dann geht es zurück an die Arbeit. Als Nächstes wartet

der Super-G, den Markus Murmann ausstecken darf. Erneut ist ihm klar: Die Piste «Chetzeron» ist auf Topleute zugeschnitten – auf Fahrerinnen wie Walliser und Figini, die solche Herausforderungen am besten meistern.

Der Trainer erlebt am 3. Februar den nächsten Coup der Schweizerinnen. Das Duo, das die Abfahrt dominiert hat, klassiert sich im Super-G wieder in derselben Reihenfolge. Das wühlt Murmann an der Piste emotional auf. Da ist sie wieder, diese

«Mir spielt es keine Rolle, wer von uns zuoberst steht. Hauptsache, wir gewinnen.»

Markus Murmann

Unvergesslich. Unerzählt.

tiefe Genugtuung. Der junge Schnaufer hat die nächste Bestätigung erhalten: «Ich habe nicht alles falsch gemacht.» Das Gefühl wiederholt sich zwei Tage später, als Vreni Schneider den Riesenslalom gewinnt und Maria Walliser sich Bronze sichert. Wieder geniesst Murmann in der Masse die Hymne: «Es ist schön, sie im Weltcup nach einem Schweizer Erfolg zu hören. Aber an einer WM hat das eine ganz andere Qualität.»

«Jetzt aber volle Kanne!»

Nach vier Jahren im Amt endet die Zeit von Markus Murmann beim Schweizerischen Skiverband. Er beginnt mit der Ausbildung zum Helikopterpiloten und will sich einen Bubentraum erfüllen. Die Lizenz erhält er jedoch nicht, weil eine Form von Farbenblindheit festgestellt wird. Der Lötschentaler gibt ein Comeback als Trainer: Drei Jahre übernimmt er das Speed-Team der Amerikanerinnen. Danach zieht er sich aus diesem Business zurück, wird Einsatzleiter bei der Air Zermatt – und Funktionär beim Weltverband FIS.

Seine Expertise ist ab 2005 auch in Crans-Montana gefragt, und das in verschiedenen Rollen. Er baut die Piste Nationale und die Piste Mont Lachaux und hilft mit, dass Crans-Montana wieder auf der Weltcup-Karte erscheint. Die Gemeinde wird in den 17 Jahren, die er dort arbeitet, seine zweite Heimat: «Sie ist mir ans Herz gewachsen.»

Jetzt naht 2027, das Grossereignis WM. Markus Murmann fährt auf die Baustelle im Zielbereich, auf der Bagger und Lastwagen im Dauereinsatz stehen. Für die WM 2027 wird das Zielgelände der WM 1987 renoviert und erweitert. «Da muss noch einiges gehen», sagt Markus Murmann. «Jetzt aber volle Kanne!»

Text: Peter Birrer

Markus Murmann auf der Baustelle in Crans-Montana – wo 2027 neue Kapitel jener Geschichte entstehen, die er 1987 miterlebte.

Jetzt Vereinsprojekte einreichen!

Im Rahmen ihres Engagements für ein nachhaltiges, integratives und sinnstiftendes Vermächtnis ruft die Association Crans-Montana 2027 gemeinnützige Vereine zur Einreichung von Projekten auf.

Gesucht sind Initiativen, die rund um die FIS Alpinen Skiweltmeisterschaften 2027 einen positiven Beitrag leisten und mit den Werten der Veranstaltung im Einklang stehen – mit mindestens einem der folgenden Schwerpunkte:

Umwelt und Nachhaltigkeit – Inklusion und Barrierefreiheit – Jugend und Bildung –Gesundheit und Sport für alle – Alpinkultur und Kulturerbe.

Einsendeschluss ist der 31. Dezember 2025.

Alle Infos zur Bewerbung gibt’s hier

Dürfen

Mit jedem Sprung ein Stück näher an die Weltspitze: Lina Kozomara von der Freestyle Company Jumpin in Mettmenstetten gehört zum Aerials-B-Kader von Swiss-Ski. Bilder: Stephan Bögli

Was macht dich wütend?

Zuletzt wurde ich wütend wegen unserer Backofen-Uhr. In der Regel ist diese so eingestellt, dass sie immer etwa drei Minuten vorausläuft. Eines Tages war sie aber auf die tatsächliche Zeit eingestellt, weshalb ich plötzlich Stress hatte und beinahe den Bus verpasste.

Wann hast du zum letzten Mal geweint und warum?

Das war, als ich mir den Film «Inside Out» angesehen habe. Ich bin generell sehr nahe am Wasser gebaut, wenn ich Filme schaue und Bücher lese, die eine traurige, emotionale Handlung haben.

Was erzählst du von dir, wenn du jemanden beeindrucken willst?

Bei Menschen, die ich nicht kenne, bin ich eher zurückhaltend, wenn es darum geht, über mich zu reden. Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der ich mit einer spezifischen Aussage bewusst jemanden beeindrucken will.

«Ich bin sehr schlecht darin, nicht zu reden.»
Lina Kozomara

Da fühle ich mich unwohl. Natürlich habe ich schon davon erzählt, dass ich mit unserem Team eine WM-Medaille gewonnen habe, obschon ich zuvor noch nie im Weltcup gestartet bin. Das beeindruckt die Gesprächspartner oftmals schon in einem gewissen Sinn, aber es ist nicht meine Absicht.

Was möchtest du unbedingt noch lernen?

Ich möchte mental gerne noch etwas stärker sein vor einem Wettkampf-Sprung. Nach meinem Empfinden könnte ich in diesen Situationen meine Gedanken noch etwas besser unter Kontrolle bringen.

Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Auf den Sport bezogen war dies vor ein paar Wochen ein neuer Sprung – ein «Double-Full-Tuck», also eine Doppelschraube im ersten Salto gestreckt, gefolgt von einem Rückwärtssalto gehockt. Im Alltag wiederum war es der Beginn des Studiums – mit all den Begleiterscheinungen, dem Zurechtfinden in der neuen Umgebung mit vielen neuen Menschen.

Wo – wenn nicht in der Schweiz – würdest du leben wollen?

Da bin ich etwas zwiegespalten. Aufgrund der tollen Landschaft, insbesondere im Winter, wäre es Skandinavien, auf der anderen Seite mag ich aber auch die Wärme und das Meer, weshalb die Toskana ebenfalls in Frage käme.

Lina Kozomara

Noch nie im Weltcup gestartet – und schon WM-Bronze: Die AerialsAthletin Lina Kozomara flog an der Heim-WM im Engadin mit Noé Roth und Pirmin Werner direkt aufs Podest im Mixed-Team-Wettkampf.

Zuvor hatte die 20-jährige Zürcherin mit zwei 3. Rängen in Airolo ihre ersten beiden Europacup-Podestplätze erreicht. Kurz nach den Weltmeisterschaften feierte sie – ebenfalls in Airolo – ihren ersten Sieg im Europacup und wurde damit Gesamtzweite. Neben ihrer Sportkarriere hat Kozomara nach der Matura ein Studium in Angriff genommen. Sie studiert an der ETH in Zürich Gesundheitswissenschaften und Technologie im ersten Semester.

instagram.com/lina.kozomara

Was nervt dich an unserer Gesellschaft?

Das Herzliche fehlt mir manchmal. Wenn ich früh am Morgen unterwegs bin, wirken viele Leute etwas grimmig. Manchmal, das muss ich zugeben, gehöre ich auch zu diesen.

Bei was hast du deine Meinung fundamental geändert?

Ich habe kürzlich gemerkt, dass ich von einer Person, die ich während des Studiums kennengelernt habe, zunächst einen völlig falschen Eindruck hatte. Beim zweiten Anlauf habe ich dann festgestellt, dass es zwischen uns eigentlich ziemlich gut passt beim Zusammenarbeiten.

Worüber sprichst du nicht gerne?

Wenn ich mit Familie und Freunden zusammen bin, bin ich sehr schlecht darin, nicht zu reden. Ich bin dann jeweils diejenige, die sehr viel spricht – auch über persönliche Dinge. Bei Personen, die ich nicht kenne, bin ich zurückhaltender. Da äussere ich mich nicht gerne zu Themen, die mich beschäftigen.

Was war die letzte Lüge, die du erzählt hast?

Ich hatte kürzlich an einem Abend keine Lust mehr mit jemandem zu schreiben und organisatorische Dinge zu erledigen, weshalb ich mitgeteilt habe, dass ich schlafen gehe. In Wirklichkeit habe ich dann aber noch etwa eine Stunde gelesen. Grundsätzlich bin ich jedoch nicht gut beim Lügen – man sieht es mir sofort an, wenn ich nicht ehrlich bin.

Bei wem müsstest du dich eigentlich entschuldigen?

Aktuell bei meiner Familie. Wenn ich gestresst bin, beispielsweise wenn es vor längeren Abwesenheiten wegen Trainings oder Wettkämpfen ans Packen der Ausrüstung geht, lasse ich meinen negativen Gefühlen oftmals freien Lauf – und mein Umfeld kriegt meine schlechte Laune ab. Es nervt mich selbst, aber ich weiss nicht, wie ich besser mit solchen Situationen umgehen kann. Mein Umfeld weiss aber mittlerweile, dass meine Gefühle vor dem Saisonstart jeweils Achterbahn fahren.

Ist es besser, als Sportlerin geliebt oder gefürchtet zu sein?

Ich persönlich habe es lieber, wenn ich als Sportlerin geliebt werde – nur schon deshalb, weil die ganze Dynamik um mich herum dann besser ist. Ausserdem gilt man dann als faire Athletin. Der Ausdruck «gefürchtet» impliziert für mich, dass von einer Person Abstand gehalten wird.

Wovor drückst du dich am meisten?

Wenn ich Post erhalte, öffne ich diese zwar sofort und lese sie. Wenn ich aber feststelle, dass mich etwas nicht unmittelbar betrifft, schiebe ich es hinaus. Organisatorische und administrative Dinge stelle ich allgemein meist hintenan – da finde ich immer sehr viele Ausreden.

Wie lange hältst du es ohne Handy aus?

Ein Wochenende bestimmt, eine ganze Woche ist auch möglich. Es kommt immer auch auf die Situation an. Wenn alle um mich herum am Handy sind, ist es wie ein Reflex, selbst das Handy zu zücken. Oftmals lasse ich das Handy aber zuhause, wenn ich weiss, dass eine Begleitperson eines dabei hat und erreichbar wäre. Am meisten fehlen würde mir ohne Smartphone die Musik, weil ich sehr oft und gerne Musik höre.

Wenn jemand deine WebSuchverläufe sehen würde: Was wäre dir am unangenehmsten?

Ich habe in letzter Zeit während des Studiums oftmals im Web nachgeschaut, wie man Masseinheiten umrechnet. Irgendwie schaue ich immer das Gleiche nach, obwohl ich es längst wissen sollte.

Welche Freiheiten sind dir wichtig?

Wichtig ist mir, dass ich meine Gefühle offen zeigen kann und mich nicht verstellen muss. Eine Art von Freiheit ist für mich zudem, dass ich nach einer harten Trainingswoche zuhause runterfahren kann und für eine bestimmte Zeit nichts machen muss.

Wann hattest du so richtig Glück?

Es war damals nicht Glück allein, aber gleichwohl kommt mir hier der vergangene März in den Sinn. Damals hat mich unser Nationaltrainer Michel Roth für die WM im Engadin aufgeboten, obschon ich noch ohne Weltcup-Start war.

Ende März gewann Kozomara zusammen mit Pirmin Werner (links) und Noé Roth (rechts) im Mixed-Team-Wettkampf im Engadin WM-Bronze.

Ist es eine Illusion zu glauben, Erfolg verändere einen nicht?

Ich denke, zu einem gewissen Grad verändert respektive prägt einen Erfolg schon. Das Ganze geht nicht spurlos an einem vorbei, die Veränderung kann dabei ins Positive oder ins Negative gehen.

Welche Entscheidung in deinem Leben bereust du insgeheim immer noch?

Dass ich nach der Primarschule nicht ins Sport-Gymnasium gegangen bin. Auf dem Weg, den ich stattdessen eingeschlagen habe, hatte mein Körper dafür ohne zusätzliche Belastungen genügend Zeit zu wachsen.

Was würdest du gerne können, kannst es aber nicht?

Surfen. Ich möchte das sehr gerne mal in den Ferien ausprobieren. Ich habe schon so viel Tolles davon gehört. Zudem ist Wasser mein Element – ob flüssig oder gefroren.

Was glaubst du, denken andere über dich, wenn du den Raum verlässt?

Ich hoffe, dass sie mich als positive, aufgestellte Persönlichkeit wahrgenommen haben, und gehe davon aus, dass meine quirlige Art rübergekommen ist.

Du hast drei egoistische Wünsche frei, was wünschst du dir?

Verletzungsfrei bleiben, gut fliegen können und weiterhin Spass an dem haben, was ich tue.

Aufgezeichnet: Roman Eberle

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Der ehemalige Biathlet Benjamin Weger ist seit 2024 Inhaber und Geschäftsführer des Hallenbarter Sport Shops in Obergesteln. Bilder: Dominic Steinmann

Wenn das SportlerMindset noch immer durchdrückt

Nach seinem Rücktritt taten sich für Benjamin Weger jobmässig unverhofft zwei verschiedene Türen auf. Intensive Wintermonate erlebt der bislang erfolgreichste Schweizer Weltcup-Biathlet noch immer – nun als Geschäftsmann.

Verkauf und Vermietung von Langlaufski, Schuhen und Stöcken, Materialservice, Langlauf-Schule und das Betreiben einer Bar: All dies vereint der Hallenbarter Sport Shop in Obergesteln, direkt am Loipennetz im Herzen des Goms. Seit vergangenem Jahr ist Benjamin Weger Inhaber und Geschäftsführer dieses Sportgeschäfts, das der ehemalige Top-Langläufer Koni Hallenbarter, 1983 Gewinner des legendären Wasalaufs, vor mehr als drei Jahrzehnten zusammen mit seiner Frau Clara aufgebaut hat. Die Verantwortung übertrugen sie später ihrem Neffen. Vor drei Jahren jedoch verstarb Simon Hallenbarter überraschend. Peter von Allmen, ehemaliger

Weltcup-Langläufer und derzeit Trainer des Langlauf-C-Kaders von SwissSki, übernahm daraufhin die Leitung des Sportgeschäfts zusammen mit Clara Hallenbarter interimistisch. Vor etwas mehr als zwei Jahren schliesslich konfrontierte er Benjamin Weger mit der Frage, ob er sich vorstellen könne, als Nachfolger seines verstorbenen ehemaligen BiathlonTeamkollegen die Verantwortung für das Sportgeschäft zu übernehmen.

Mittlerweile erlebt Benjamin Weger seinen zweiten Winter als Geschäftsmann. Dabei hatte der 36-Jährige nach seiner Aktivkarriere zunächst einen anderen Weg eingeschlagen. Aufgrund eines Personalengpasses sprang er zur Saison 2022/23 kurzfristig als Biathlon-Trainer bei Ski Valais ein. Weger fand schnell Gefallen daran, mit Jugendlichen zusammenzuarbeiten und sein Wissen weiterzugeben. Er beschloss daher, die Trainerausbildung in Angriff zu nehmen. «Meine künftige

berufliche Tätigkeit war eigentlich vorgezeichnet, doch dann tat sich unerwartet nochmals eine Tür auf.»

Eröffnet hat sich ihm diese Möglichkeit, nämlich die Übernahme des Hallenbarter Sport Shops, in seiner Heimat im Goms, quasi einen Steinwurf von Geschinen entfernt. Dort ist Weger aufgewachsen – und dort hat er kurz zuvor zusammen mit seinem Vater, einem pensionierten Schreiner, den Stall des Grossvaters zu einem Wohnhaus umgebaut. Den Rohbau nahmen sie im Sommer 2021 in Angriff, der Innenausbau erfolgte unmittelbar nach der Aktivkarriere von April bis November 2022. Federführend beim Innendesign war seine Freundin Jenny, mit der Weger bereits seit mehr als zehn Jahren liiert ist. «Wir konnten uns beide stark einbringen und gemeinsam etwas Einmaliges schaffen. Wenn man weiss, welche Arbeit und Geschichte dahinterstecken, dann schätzt man die eigenen vier Wände umso mehr.»

Keine Kompromisse, einfach nur Vollgas

Dass Wohn- und Arbeitsort nur einen Katzensprung auseinanderliegen, ist insbesondere in der Hochsaison zwischen Mitte November und Anfang April überaus hilfreich. «In dieser Zeit stehe ich jeden Tag im Geschäft, von früh morgens bis es nichts mehr zu tun gibt», so Weger. Neben der Führung des Unternehmens bringt er seine Expertise im Verkauf, in der Vermietung und im Service der HardwareProdukte (Ski, Schuhe, Stöcke) ein – und freut sich, ab und an Biathlon-Schnupperkurse geben zu dürfen. Derweil wird seine Freundin von Clara Hallenbarter, die sich innerhalb des Unternehmens primär um die Bereiche Kleider, Langlauf-Schule und Vasa Bar kümmert, nach und nach als Nachfolgerin aufgebaut.

«Jenny und ich freuen uns beide sehr, künftig den Karren gemeinsam zu ziehen», sagt Weger. Wer den viermaligen OlympiaTeilnehmer über sein Sportgeschäft reden hört, spürt sofort, mit welcher Leidenschaft er seiner neuen Tätigkeit nachgeht. «Wenn es ums Geschäft geht, gibt es keine Kompromisse, sondern einfach nur

Vollgas.» Während der Wintermonate sei es ein 120-Prozent-Job, dem es dann alles unterzuordnen gelte. «Das Ganze erinnert an den Lebensstil eines Sportlers.»

Zeit, das aktuelle Biathlon-Geschehen intensiv zu verfolgen, hat Benjamin Weger keine. Die Rennen finden mitten in seiner Arbeitszeit statt. Die Resultate studiert Weger jeweils am Feierabend – je nach Ergebnis fällt die Analyse dabei mehr oder weniger intensiv aus. Auf seine eigene Karriere, während der er unter anderem

fünf Weltcup-Podestplätze erreicht hat, schaut er noch heute mit grosser Genugtuung zurück. «Ich habe dem Sport stets alles untergeordnet und alles bis zum letzten Tag zu 100 Prozent und ohne Nachlassen durchgezogen. Auf diese Beharrlichkeit bin ich stolz.»

Der Entscheid, nach der OlympiaSaison 2021/22 aufzuhören, war bei Benjamin Weger über einen längeren Zeitraum gereift. Im Herbst seiner Karriere hatte er zunehmend gemerkt, wie ihm das

«Wenn es ums Geschäft geht, gibt es keine Kompromisse, sondern einfach nur Vollgas.»
Benjamin Weger
Mit fünf Weltcup-Podestplätzen in Einzelrennen und vier Olympia-Teilnahmen ist Benjamin Weger der bis dato erfolgreichste Schweizer Biathlet. Bild: Keystone-SDA

Wegers Sportgeschäft ist mehr als nur ein Laden – angeschlossen sind auch eine Langlaufschule und die gemütliche Vasa Bar.

Nach seiner Biathlon-Karriere baute Benjamin Weger den Stall seines Grossvaters zum eigenen Wohnhaus um.

Leben als Profisportler und das damit verbundene Zurückstecken privater Bedürfnisse Mühe bereitete. Selbst die wenigen Tage Freizeit, auf die er sich während der harten Vorbereitungsmonate eigentlich enorm gefreut hatte, konnte er letztlich nicht mehr vollends geniessen. «Ich habe nicht mehr wie ein Mensch leben können und eher wie eine Maschine funktioniert.»

Wenn, dann richtig

Neben seiner Fitness vermisst der Walliser aus seiner Aktivzeit vor allem das Soziale, den Austausch mit jenen Personen, die abseits der Loipen und Schiessstände Kollegen und Freunde geworden sind, wie etwa die kanadischen Brüder Scott und Christian Gow. Im vergangenen Sommer besuchte er deshalb mit seiner Freundin in einem umgebauten Camper ehemalige Weggefährten in Tschechien und Deutschland.

Solche Freiheiten und Möglichkeiten während der Sommermonate geniesst Benjamin Weger sehr. Er sagt, die Zeit, die er sich im Winter verdiene, könne er anschliessend im Sommer mit Reisen, Wandern oder Fischen einlösen. Er geht also jeweils in eine Art Vorleistung. Halbherzig packt Weger indes auch in seiner Freizeit nichts an. Wenn er etwas plant, dann richtig. Alles soll so gut vorbereitet und parat sein, dass die Aussicht auf Erfolg möglichst gross ist – sowohl im Job als auch in der Freizeit beim Fischen oder Jagen. «Der Sportler drückt immer noch durch», sagt Weger mit einem Schmunzeln – und gibt zu bedenken: «So verkehrt ist diese Einstellung nicht. Sie hat mich als Sportler erfolgreich gemacht – und nun hoffentlich auch als Geschäftsmann.»

Text: Roman Eberle

Im Geschäft wie im Sport: Bei Weger zählt Einsatz – und zwar Vollgas. Bild: Keystone-SDA
«Der Sportler drückt immer noch durch.» – sagt Weger, der seine Leidenschaft heute in sein Sportgeschäft steckt.

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Loïc MEILLARD

Die vereinigten Schneeflocken aus Rothrist

Das Leiterteam des Skiclubs Rothrist sorgt im vielseitigen Clubleben dafür, dass der Nachwuchs auf und neben der Piste in Bewegung bleibt. Bilder: zvg

Wie ein Skiclub aus dem Aargau wirksame Jugendarbeit betreibt – und warum nicht nur im Winter Betrieb herrscht: Präsidentin Jeannette Lussi erklärt den Skiclub Rothrist.

Die Entstehung des Vereins geht auf einen Frühschoppen zurück. So zumindest erzählt es die Chronik auf der Website. Drei Jünglinge ereiferten sich «über die grassierende Seuche der Lottoveranstaltungen». Sie wirkten diesem für sie unverständlichen Trend entgegen, indem sie als Sportbegeisterte die Idee eines Skiclubs umsetzten – eines Clubs, dessen Heimat nicht etwa in der Nähe von Bergen, sondern des Autobahnkreuzes A1/A2 liegt: in Rothrist. «Das ‹Unheil› nahm seinen Lauf…», steht da noch.

Und dann entwickelte sich ab 1977 ein Club, der von sich behaupten darf, etabliert und traditionsreich zu sein, aber auch innovativ und breit abgestützt. Das hat mit Menschen wie Jeannette Lussi zu tun, die seit rund 40 Jahren zu den aktiven Mitgliedern zählt und 2016 zur Präsidentin aufrückte.

Ein breit gefächertes Angebot

52-jährig ist die Immobilienbewirtschafterin, und wenn sie über die Herausforderung ihrer zeitintensiven Aufgabe in der Freizeit spricht, sagt sie: «Es braucht zwar viel Energie, aber ich ziehe auch viel Kraft daraus.» Man mag den Begriff «Herzensangelegenheit» manchmal voreilig benutzen – in ihrem Fall ist er fraglos passend.

Jeannette Lussi ist es ein grosses Bedürfnis, ein Angebot zu stemmen, das weit über die Skipiste hinausgeht: Joggen, Biken, Langlauf, Jassen, Wandern, Skifest – das Programm soll breit gefächert sein, um auch ausserhalb der Wintersaison ein aktives Vereinsleben zu gewährleisten und möglichst alle der 180 Mitglieder anzusprechen. Zu den Kernthemen gehören die Jugendarbeit und die Nachwuchsförderung. Auf der Website steht: «Im Wissen, dass ein Verein vom Nachwuchs lebt, wurde von allem Anfang an auf die Karte Jugend gesetzt.»

Wenn heute im Zusammenhang mit dem SCR von Jugend gesprochen wird, verzichtet man auf den Begriff «JO-Abteilung» – dieser hat mittlerweile etwas Staub angesetzt. Darum suchten die Aargauer eine frischere Bezeichnung – und kreierten die «United Snowflakes». Zu deutsch: «Vereinigte Schneeflocken».

Ein Skilager für fünf Gemeinden

Der Skiclub Rothrist organisiert einmal pro Winter ein regionales Skilager, das seit zwölf Jahren in Parpan GR durchgeführt wird und an dem Schülerinnen und Schüler der Gemeinden Rothrist, Brittnau, Vordemwald, Oftringen und Strengelbach teilnehmen. Das stösst auf Anklang: Rund 80 Teilnehmende sind jeweils dabei. «Unser Bestreben ist es, möglichst viele Junge auf die Piste zu bringen und ihnen Ski- oder Snowboardunterricht zu geben», sagt Jeannette Lussi.

Einmal pro Winter organisiert der Club ein Skilager –mit rund 80 Teilnehmenden aus fünf Gemeinden.

Das Leiterteam achtet bei den Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern darauf, ob sie sich als künftige Jugend+Sport-Leiter eignen würden. Die Schulabgänger bekommen eine Empfehlung, als Hilfsleiter aktiv im Skilager mitzuwirken. Inzwischen umfasst das Team bis zu 28 Personen: 22 Hauptleitende, dazu sechs Hilfsleitende. «Uns ist es wichtig, dass junge Leute im

Lager eine verantwortungsvolle Rolle übernehmen dürfen», erklärt die Präsidentin. «Sie und die Teilnehmenden bewegen sich auf Augenhöhe.» Wichtig ist ihr auch zu betonen, dass in diesen Tagen der Spass im Vordergrund stehen soll und nicht die Verbissenheit. «Die Kids sind sehr motiviert und machen schnell gute Fortschritte.»

Schneesportclubs starten durch

Die Club Zone von Swiss-Ski ist die zentrale Anlaufstelle für alle Schneesportclubs. Als Herzstück bietet die Toolbox Vorlagen, Leitfäden und Factsheets zu verschiedenen Themen wie Strategie, Kommunikation, oder Ethik. Ausserdem sind Informationen zu Aus- und Weiterbildungen zu finden sowie attraktive Clubangebote oder eine Übersicht aller Events für Schneesportclubs.

Bezahlte Ausbildung und Teambildung

Die Kosten für die Ausbildung übernimmt der Verein. Und wer sich bereit erklärt, eine J+S-Ausbildung anzufangen, erhält noch einen weiteren Anreiz. Um den Kitt innerhalb der Gruppe zu fördern, dürfen künftige Leitende einen Anlass organisieren, an dem es primär um Teambuilding geht. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen Sommerausflug mit dem Boot auf der Aare mit anschliessendem Grillplausch handeln. «Wir übernehmen die Kosten, die sich natürlich in einem gewissen Rahmen bewegen müssen», erklärt Lussi. «Uns ist es wichtig, dass sich die Jungen nicht nur einmal pro Jahr während einer Woche sehen, sondern vorher schon ein Austausch stattfindet. Die Rückmeldungen sind bis jetzt nur positiv.»

Ein ständiger Kampf ist dafür die Besetzung des Vorstandes, der mit fünf Personen vollzählig wäre. Vier sind derzeit dabei, angeführt von Jeannette Lussi, der es nicht in den Sinn käme, sich vom Skiclub Rothrist abzuwenden. Helfen ist für sie Ehrensache, weil der Verein in der Gemeinde und darüber hinaus von hoher Bedeutung ist. «Ich habe jahrzehntelang vom Angebot profitiert. Dafür bin ich dankbar. Und ich möchte dazu beitragen, dass Junge bei uns auch in Zukunft den Zugang zum Skisport haben.»

Text: Peter Birrer

Auch ausserhalb der Wintersaison ist beim Skiclub Rothrist einiges los – von Wandern über Biken bis zum gemeinsamen Jassen.

Gute Nacht –funktionieren Sie schon, oder leben Sie noch?

In vier Texten dieser «Snowactive»Ausgabe kommen die Begriffe «Nachhaltigkeit» oder «nachhaltig» vor.

Was war die letzte Lüge, die Sie erzählt haben?

Bei der Aerials-Athletin Lina Kozomara ist es so: Eines Abends hatte sie keine Lust mehr mit jemandem zu schreiben, teilte mit, dass sie schlafen gehe – und las doch noch etwa eine Stunde.

Wie nachhaltig war diese Lüge? Was ist, wenn der belogene Mensch – oder war es eine Maschine – das Interview mit Kozomara auf Seite 64 liest? Was heisst nachhaltig? Was ist der Unterschied zwischen Mensch und Maschine?

Der frühere Biathlet Benjamin Weger sagt, gegen Ende der Karriere habe er immer mehr gemerkt, wie viel Mühe ihm das Leben als Profisportler bereitete - «ich habe nicht mehr wie ein Mensch leben können und eher wie eine Maschine funktioniert» (S. 70). Heute führt Weger ein Sportgeschäft – und dabei gebe es «keine Kompromisse», sagt er, «sondern einfach nur Vollgas». Zwischen Mitte November

und Anfang April sei es ein 120-Prozent-Job, dem es alles unterzuordnen sei, «das Ganze erinnert an den Lebensstil eines Sportlers».

Was war die letzte Lüge, die Sie sich selber erzählt haben, ohne Kompromisse, Vollgas? Wann erinnert etwas Ganzes an den Lebensstil eines Sportlers: Sobald wir als Mensch funktionieren und eher wie eine Maschine leben?

«Wir wollen nicht einfach Wissen vermitteln, sondern wirklich sensibilisieren und begleiten», sagt Marine Oberson, die bei Swiss-Ski ein Projekt zu frauenspezifischen Trainingsaspekten begleitet (S. 23). Wie steht es bei heranwachsenden Frauen und Männern um das Wissen über den Vollgas-Lebensstil einer Profisportlerin oder eines Profisportlers? Bräuchte es einen 120-Prozent-Job für Sensibilisierung und Begleitung?

Der Skirennfahrerin Vanessa Kasper riss es «den Boden unter den Füssen weg», als sie im Frühling 2024 erfuhr, dass sie fortan nicht mehr zum Swiss-Ski-Kader gehört (S. 18). «Wenn du im Kader bist, ist der rote Teppich für dich ausgerollt. Alles wird dir organisiert», sagt Kasper. Bräuchte es Sensibilisierung und Begleitung für

Momente, wenn es den roten Teppich unter den Füssen wegreisst? Sensibilisierung und Begleitung, die nachhaltig sind? Nachhaltig? Brauchen wir diesen Begriff schon so oft, dass wir gar nicht mehr wissen, was er bedeutet, wie Maschinen statt Menschen?

«Es ist ein Privileg, Ski fahren zu können – heute, nach der Erfahrung, die ich machen musste, weiss ich das zu schätzen», sagt Kasper. Bis sie gegen Ende der Karriere vielleicht immer mehr merkt, wie viel Mühe ihr das Privileg als Profisportlerin bereitet – und sie etwas anderes Ganzes macht, Vollgas, ohne Lügen und Kompromisse.

Funktionieren Sie schon, oder leben Sie noch?

Gute Nacht. Es ist ein Privileg, schlafen zu können – trotzdem: Lesen Sie doch noch etwa eine Stunde (aber nicht weitersagen!).

Benjamin Steffen arbeitet für die Agentur GECKO Communication sowie als Kolumnist und Autor für «Snowactive». Bis im Frühling 2024 war der Berner Sportjournalist bei der NZZ, für die er unter anderem über Ski Alpin schrieb.

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