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Porträt Zwischen Religionen zuhause Shabnam Edith Barth ist eine Kämpfernatur. Früh verheiratet und wieder getrennt, hat sie zwei Söhne im Alleingang grossgezogen. Nun schliesst sie gerade ein spätes Theologiestudium ab. VON MARA W IRTHLIN ( TEXT) UND ROLAND SCHMID ( BILD)

meinsame Basler Haushalt war durch interreligiöse Toleranz geprägt. Zeitlebens behielt Barths Vater seinen muslimischen Glauben bei und unterstützte gleichzeitig, dass die Kinder christlich aufwuchsen. Was viele erstaunen mag, ist für Shabnam Edith Barth völlig selbstverständlich: «Ich glaube noch an das konstruktive Potenzial der Religionen.» Ihr Vater sei ein grosser Philosoph gewesen, der in seiner Denkweise immer einen Schritt über die Grenzen hinaus machte: «Er nahm die Religionen als unterschiedliche Manifestationen einer allgegenwärtigen Verbindung von Menschen und Gott wahr, die sich in ihrem Kern ähneln.» In ihrer Jugend lernte Barth auch das andere Extrem kennen. «Damals traf ich mich mit einer christlichen Jugendgruppe, die jedoch zunehmend fanatisch wurde, was mir ein ungutes Gefühl vermittelte.» Die Distanzierung von ihren damaligen Kameraden war eine einschneidende, schmerzhafte Erfahrung. Als Barth die evangelikale Gruppe schliesslich verliess, fühlte sie sich kurze Zeit wie eine Verräterin, danach aber «unendlich befreit». Rückblickend bezeichnet sie ihr weltoffenes, liebevolles Elternhaus als «wunderschönes Geschenk». Dennoch ist das Verhältnis zu ihrer iranischen Seite ambivalent. «Ich sehe das positive, konstruktive Potenzial des Islams», sagt sie. Trotzdem erwische sie sich selbst immer wieder dabei, wie sie die Religionszugehörigkeit ihres Vaters verheimliche und ihre Herkunft verschleiere: «Ich spreche meist von persischen Wurzeln, denn das finden immer alle sehr interessant. Wenn man aber von iranischen Wurzeln spricht, haben die Leute Vorurteile.» Schade, dass das negative Bild des Islams so weit verbreitet ist, findet sie, zumal die Fundamentalisten nur eine kleine Minderheit unter den Muslimen ausmachen. «Wir nehmen oft nur diejenigen wahr, die im Namen des Islams

«Innerhalb von kurzer Zeit verlor ich meinen Vater, dann meinen Bruder und schliesslich meine Mutter», sagt Shabnam Edith Barth. Die Todesfälle waren ein tiefer Einschnitt für sie. Ansehen kann man ihr die Belastung allerdings nicht, ebenso wenig wie ihr Alter. Barth wirkt wie der Zeit entrückt, als entspringe sie einer anderen Epoche oder einem Märchen. Vielleicht liegt es an der prinzessinnenhaften Erscheinung der Endfünfzigerin: weite Röcke und spitzenbesetzte Blusen zu locker zusammengeraffter Rosa-Luxemburg-Frisur. Tatsächlich ist Kleidung für Barth mehr als nur Körperbedeckung. «Nachdem ich zuletzt meine Mutter verlor, kleidete ich mich nur noch schwarz. Ich bin dafür extra einkaufen gegangen, denn zuvor trug ich immer helle Crèmetöne. Doch nach den extremen Verlusterfahrungen hat sich das einfach nicht mehr richtig angefühlt.» Ein wenig Abstand hat sie jedoch schon gewonnen. Jetzt im Frühling mischt sie langsam wieder hellere Farbtöne ins Schwarz. Und auch sonst merkt man ihr eine gewisse Aufbruchstimmung an, passend zur Jahreszeit. Dass sie sich gerade eine Auszeit von der Arbeit gönnt, scheint ihr gut zu bekommen. Seit über 30 Jahren arbeitet Barth bei Mission 21, damals hiess die Organisation noch KEM, Kooperation evangelischer Missionen und Kirchen. Dieses Jahr entschloss sie sich für eine halbjährige unbezahlte Pause, unter anderem um sich besser auf die Universität konzentrieren zu können. Seit über acht Jahren studiert Barth evangelisch-reformierte Theologie. «Das Fach hat mich schon immer fasziniert», sagt sie. Wer in Basel ihren Nachnamen hört, wundert sich darüber nicht. Tatsächlich gehört Shabnam Edith Barth zum Kreis der Nachlassverwaltenden von Karl Barth. Ihre Verbindung «Als Barth die evangelikale Gruppe schliesslich verliess, fühlte sie sich mit der renommierten Familie, zu welcher nekurze Zeit wie eine Verräterin, danach aber «unendlich befreit». ben dem berühmten Basler Theologen auch die bekannte Missionarin Marie-Claire Barth gehört, ist schnell erzählt: Bereits als Schülerin verliebte sie sich in eimorden und unterdrücken.» Wie viele ihr Leben friedlich verbringen nen Enkel Karl Barths. «Ich wollte eigentlich nie heiraten», erinnert sie «und oft gar nicht als Vertreter ihrer Religion wahrgenommen werden», sich, «aber der künstlerisch und intellektuell hochbegabte junge Mann darüber nachzudenken tut ihr weh. Dass sie nicht immer die Kraft hat, hatte mir völlig den Kopf verdreht!» Kurz nach der Hochzeit mit 20 Jahden Vorurteilen entgegenzutreten und zu ihrer Herkunft zu stehen, ärren bekam sie den ersten Sohn, wenig später den zweiten. Grossgezogert sie. «Eigentlich sollte es mir egal sein, was die Leute denken.» gen hat sie die beiden allerdings alleine, denn die Ehe scheiterte, als der Es ist die Spiritualität, aus der sie in solchen Momenten wieder LeKleine etwa ein halbes Jahr alt war. Ein Gefühl der Verbundenheit mit benskraft und Zuversicht gewinnt. «Die Verbindung mit einer göttlichen ihrem ehemaligen Ehemann ist trotz der Trennung geblieben, Barth trifft Schöpferkraft hilft mir, meine Mitmenschen und die Welt mit dem Herihn regelmässig. zen zu betrachten.» Dabei zieht die angehende Theologin ihre InspiraSobald ihr Studium abgeschlossen ist, will Barth in den Iran reisen. tion aus ganz unterschiedlichen Quellen. Besonders berührt sei sie von «Ich möchte unbedingt etwas von der alten persischen Hochkultur seder Mystik, in der sich Christentum, Judentum und Islam sehr nahe hen», sagt sie, «die Spuren davon sind ja direkt in der Bibel zu finden.» kommen: «Von den Zeilen des persischen Dichters Rumi über die GeIn den Iran reisen heisst für Barth aber auch, ihre Wurzeln zu erfordichte des deutschen Lyrikers Angelus Silesius bis zu den mündlichen schen. Ihr Vater stammte von dort, aus einer bekannten Familie schiitiÜberlieferungen der Kabbalah: Die tiefe Wahrheit in der Mystik schenkt scher Rechtsgelehrter, ihre Mutter war eine Schweizer Christin. Der gemir Frieden.» ■

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