Sie kicken anders
Auch die Europameisterschaft der Strassenfussballerinnen findet dieses Jahr in der Schweiz statt. Alles, was Sie darüber wissen müssen.
Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass

Editorial
Erst zweifeln, dann rennen
Ein Montagabend beim Hafen in Basel, gleich beginnt auf dem Soccer Court das Training. Sandra erzählt mir, was ihr am Strassenfussball so Freude macht. Zwei andere sagen auch sofort Ja zu einem Interview, aber sobald das Training losgeht, sind sie alle auf dem Platz. Ich habe nichts zu tun und beobachte, wie sie sich aufwärmen, dann einen Match beginnen. Sie wirken konzentriert und doch – mal lachend, mal abklatschend – so entspannt, dass ich bereue, keine Sportkleidung eingepackt zu haben.
Eine Woche später. Heute habe ich auch Sportschuhe dabei, ausgeliehen von meiner Mitbewohnerin und ein wenig zu klein. Klar darf ich auch mitspielen, heisst es, und während ich mir die Schuhe schnüre, werde ich doch ein bisschen unsicher. Mein Herz schlägt schneller. Sie sind alle so eingespielt, und ich? Ist wohl ein halbes Leben her, seit ich Fussball gespielt habe. Okay, einfach kurz durchatmen. Einen Pass zur Mitspielerin spielen, rennen, den Pass annehmen und Richtung
4 Aufgelesen
5 Na? Gut! Rechte für Fussballerinnen
5 Vor Gericht Überwachen und strafen
6 Verkäufer*innenkolumne Bitte Teams mit allen Geschlechtern!
7 Sozialzahl 10-Millionen-Schweiz?
8 Team Habiba Khalili gründet eine Mannschaft
14 Fakten und Zahlen Wie Strassenfussball funktioniert
16 Empowerment Leistung und Erfolg, anders gesehen
Tor schiessen. Und nochmal von vorne. Nach der kurzen Trinkpause stellt sich heraus: Ich bin die Einzige, die bei dieser Übung kein einziges Goal geschossen hat. Zermürbende Gedanken über das eigene Können, die eigene Leistung? Sind jetzt weit weg.
Mehr als ein paar «Ja, ich bin frei» und «Achtung, da kommt wer» haben wir nicht ausgetauscht, trotzdem denke ich: Mit diesen Frauen könnte man jederzeit Pferde stehlen. Wir haben gemeinsam masslos über jedes Tor gejubelt und uns nach verpassten Chancen wieder angespornt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre bei diesem Schwerpunktheft zum Frauenstrassenfussball – und kann Ihnen sehr ans Herz legen, am 21. und 22. Juni bei der Women’s Streetfootball EURO im Leichtathletik-Stadion St. Jakob mitzufiebern und mitzujubeln.
LEA STUBER Redaktorin

20 Erfahrungen Frauenfussballerinnen erzählen

26 Veranstaltungen
27 Tour de Suisse Pörtner in Uznach
28 SurPlus Positive Firmen
29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren
30 Surprise-Porträt «Nun ist es Zeit, das zu machen, was ich will»
Auf g elesen
News aus den über 90 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Kein bezahlbarer Wohnraum
Wie in anderen Teilen der USA herrscht im Bundesstaat Oklahoma ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum zum Mieten. Laut der Nichtregierungsorganisation National Low Income Housing Coalition fehlen über 84 000 günstige Mietwohnungen. 74 Prozent der Mieter*innenhaushalte in Oklahoma leben in extremer Einkommensarmut und leiden unter zu hohen Kosten. Ein Vier-Personen-Haushalt hat demnach nicht mehr als rund 30 000 US-Dollar im Jahr zur Verfügung. Viele dieser Haushalte geben mehr als die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Sie sind zudem eher gezwungen, weitere lebensnotwendige Ausgaben für Dinge wie gesunde Ernährung und Gesundheitsversorgung zu opfern – und sie sind häufiger von instabilen Wohnsituationen wie Zwangsräumungen betroffen.




Mehr Denunziationen
Die deutsche Bundesagentur für Arbeit stellt seit dem Frühjahr ein Online-Formular mit dem Titel «Hinweise zu einem möglichen Leistungsmissbrauch» zur Verfügung. Dort können namentlich oder auch anonym Verdachtsfälle von sogenanntem «Leistungsmissbrauch» gemeldet werden.

Mehr Hass
474 Übergriffe gab es im Jahr 2023 in Österreich gegen Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zur LGBTIQ-Community. Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahlen stammen aus dem österreichischen Innenministerium.
Rechte für Fussballerinnen
Es ist eine wegweisende Veränderung für die Rechte professioneller Fussballerinnen. Der deutsche Verein TSG Hoffenheim, der die aktuelle Saison in der Bundesliga auf Platz 6 beendet hat, wird ab der kommenden Saison den Vertrag verlängern, wenn eine Fussballerin schwanger wird. In einer Mitteilung nennt der TSG Hoffenheim das ein «Ausrufezeichen zur Vereinbarkeit von Profisport und Familie».
Der Verein will bei einer Schwangerschaft im letzten Vertragsjahr den Vertrag zu mindestens gleichbleibenden Konditionen um ein weiteres Jahr verlängern. Der Leiter des Frauen- und Mädchenfussballs bei der TSG, Ralf Zwanziger, sagt: «Dieser Schritt ist für uns als Club folgerichtig, denn in den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Profifussballerinnen für die Gründung einer Familie entschieden.»
Eine automatische Vertragsverlängerung um ein Jahr bei einer Schwangerschaft gibt es seit April auch in Norwegen. Und zwar nicht nur bei einem Verein, sondern in der ganzen Liga. Ligachefin Marianne Solheim sagte: «Es soll für professionelle Fussballspielerinnen in Norwegen sicher sein, schwanger zu werden.» Man wolle ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Spielerinnen nicht zwischen Fussball und ihrer Lebensentscheidung wählen müssen.
Die Schweiz ist davon weit entfernt, denn wirkliche Profifussballerinnen gibt es in der Women’s Super League kaum, geschätzt können gerade mal zwanzig Spielerinnen vom Fussball leben. LEA

Vor Gericht
Überwachen und strafen
Ein glasklarer Fall denkt, wer die Anklageschrift liest: Der junge Mann hat seine damalige Partnerin, mit der er während eines halben Jahres eine Beziehung führte, überwacht, verfolgt, in ihrer Wohnung eingesperrt, geschlagen, ihr das Mobiltelefon weggenommen. Aus Eifersucht, aus Kontrollwahn. Ein Stalking-Fall wie aus dem Lehrbuch. «Sie konnte nicht mehr ihre Freunde treffen, nicht mehr zu ihren Eltern gehen, ihren Hobbies [sic] nicht mehr nachgehen und hatte keine Zeit mehr für ihren alten Hund», heisst es in der Anklageschrift. Aber es gibt noch eine zweite Anklageschrift: In dieser wird nicht der junge Mann, sondern die Frau belastet. Durch mehrfache Suizidandrohungen habe sie bei dem damals 26-Jährigen Panikattacken und Angstzustände verursacht. Zudem habe sie ihn genötigt, zu einer Sexarbeiterin zu gehen, um seiner Erektionsstörungen Herr zu werden.
spruchte, wie er, der in dieser Zeit arbeitslos war, nicht tolerierte, dass sie ihre Freund*innen und Familie traf. Wie eine «Belagerung» habe es sich angefühlt, «die Luft zum Atmen» habe er ihr genommen. Dann wechseln sie die Plätze und der junge Mann wird befragt. «Das ist eigentlich meine Geschichte, die sie zu ihrer macht», erklärt Nico dem Einzelrichter. Anna habe ihn psychisch so manipuliert, dass er «kein Gespür mehr hatte für richtig und falsch». Wie einen «Gummiball» habe sie ihn behandelt, «abhängig» sei er gewesen, und ein «Wrack». «Dass ich ihr nachgestellt habe, stimmt. War es richtig? Nein.» Geschlagen und fixiert habe er sie auch, aber «aus Eigenschutz»: «Sie stellt sich hier als feine Frau dar, ist aber kräftig.» Es könne nicht sein, dass er für diese «sehr toxische Beziehung» nun die ganze Schuld tragen müsse.
An dieser Stelle berichten wir über positive Ereignisse und Entwicklungen.
Die beiden Verfahren gegen die 36-jährige Anna und den inzwischen 28-jährigen Nico (beide Namen geändert) werden vereint geführt, im Saal des Bezirksgerichts Aarau ist an diesem Dienstagnachmittag aber jeweils nur eine Person physisch zugegen; die andere verfolgt das Geschehen an einem Bildschirm in einem Nebenzimmer. «Es war normal, dass er mein Handy wegnahm», sagt Anna bei der Befragung. Sie erzählt, wie sich ihre Beziehung nach einem guten Anfang rapide verschlechterte. Wie der Beschuldigte gegen ihren Willen in ihre Nähe zog, sie konstant bean -
Im Publikum sitzt hinter Nico dessen Entourage, darunter drei muskelbepackte Männer, die bei jeder Anspielung von Nico auf das Sexualleben von ihm und Anna mit unterdrücktem Prusten reagieren und die Aussagen von Anna mit vieldeutigen Blicken und Augenrollen quittieren. Anna wird unter anderem von ihren Eltern begleitet. Die 36-Jährige, die heute in Mexiko lebt und zwei Suizidversuche hinter sich hat, sagt, sie habe sich lange gegen eine Anzeige gesträubt. «Ich will ihm und seiner Familie nichts Böses. Ich will nur Ruhe und Sicherheit.» Die Verhandlung wird Mitte Juni fortgesetzt.
WILLIAM STERN ist Gerichtsreporter aus Zürich.

Verkäufer*innenkolumne
Bitte Teams mit allen Geschlechtern!
Ich habe eine Idee, einen Vorschlag: Die Fussballer, also die männlichen, die sollten sich ein Beispiel nehmen an uns. An unseren Strassenfussballteams, an den Teams im Behindertensport. Sie sollten Frauen in ihre Teams aufnehmen. Teams mit allen Geschlechtern, sind toll. Egal, wer mitspielt: Wir akzeptieren einander, wie wir sind. Und wir haben Freude am Spiel. Genau darum würde es doch eigentlich gehen im Fussball. Aber schaut euch mal diese Profis an, in den grossen Ligen. Einige von ihnen verdienen Millionen und das Geld steigt ihnen in den Kopf. Und alles sieht bei denen irgendwie gleich aus. Sie jubeln sogar gleich, rutschen auf den Knien über den Rasen, als hätte es ihnen jemand befohlen.
So oder so schaue ich viel lieber Frauenfussball. Irgendwie ist das interessanter, spannender. Ich habe das Gefühl, die haben noch wirkliche Freude an dem, was sie machen, spielen mit Herz und mit Liebe zum Fussball. Klar, was die Männer zu viel kassieren, verdienen sie zu wenig.
Aber das Geld verdirbt doch einfach den Charakter. Die Frauen machen zum Beispiel bei Fouls nicht so ein Affentheater, wälzen sich nicht herum, bis der Schiri pfeift, um dann aufzustehen und sogleich wieder rumzurennen wie ein Rehlein. Wie gesagt: gemischte Teams wären die Lösung. Dann würden die Männer vermutlich merken, wie kindisch sie sich anstellen. Und die Frauen könnten ihnen zeigen, worum es wirklich geht.
Die aktuelle NatiSpielerin Livia Peng kommt übrigens wie ich aus Ems. Und sie spielt ja im Tor, wie ich. Ist aber die Nummer zwei, bei der EM darf sie vielleicht gar nie spielen. Bei uns, im Strassenfussball, da wechseln wir uns ab. Ist ja blöd, nur auf der Bank zu sitzen. Klar möchten wir auch gewinnen, aber ehrlich: Es geht doch ums Spielen.
Also, Herr Infantino: Teams ganz einfach mischen. Mit Jasmina zum Beispiel spiele ich gern zusammen im Unihockey vom Behindertensport. Die kann so schlecht
verlieren. Und beim letzten Turnier spielte ich in der zweiten Mannschaft, und plötzlich war sie meine Gegnerin und wollte mir unbedingt ein Tor reinhauen, aber das hat sie nicht geschafft. Tja, aus Ems kommen eben die guten Goalies.
Und übrigens: Livia Peng hat die ersten Jahre beim FC Ems mit den Jungs zusammen gespielt.
HEINI HASSLER, 66, verkauft Surprise in Chur und Zürich. Seine Gegner*innen sind froh, dass er nicht Schiedsrichter ist, denn er durchschaut Simulant*innen sofort.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und dem Autor Ralf Schlatter erarbeitet. Die Illustration entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
10-Millionen-Schweiz?
Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat im Mai 2025 die neuen Bevölkerungsszenarien für den Zeitraum 2025–2055 publiziert. Dabei handelt es sich nicht um Prognosen, wie das BFS betont, sondern um plausible Entwicklungen der ständigen Wohnbevölkerung in den nächsten drei Dekaden. Wie sich die Bevölkerungszahl in der Schweiz in den kommenden Jahren verändern wird, hängt von drei Faktoren ab: der Geburtenhäufigkeit, der Sterblichkeit und den Wanderungsbewegungen.
Je nachdem, mit welchen Hypothesen über die Entwicklung dieser drei Faktoren man arbeitet, ergeben sich höhere oder tiefere Bevölkerungszahlen. Dabei offenbart das BFS erstaunlich grosse Unsicherheit. So ist zum Beispiel die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. 2024 erreichte sie einen Tiefstwert von 1.28. Trotzdem ergeben sich aus Sicht des BFS «keinerlei Hinweise darauf, welche Entwicklung in den nächsten Jahren am plausibelsten ist». So könnte die Geburtenhäufigkeit wieder ansteigen, gleichbleiben oder gar weiter sinken. In europäischen Ländern zeigt sich ein gemeinsamer Trend: Die Geburtenrate sinkt, selbst in Frankreich und in den skandinavischen Ländern. Im Referenzszenario geht das BFS trotzdem davon aus, dass die Anzahl der Kinder pro Frau konstant bei 1.4 liegen wird.
Auch die Entwicklung der Sterblichkeit in den nächsten Jahren ist ungewiss. Die Lebenserwartung könnte ebenfalls entweder rasch ansteigen oder auf dem aktuellen Stand bleiben. «Auf der Grundlage der heute verfügbaren Informationen gibt es keine Anhaltspunkte, welche der beiden Möglichkeiten eintreten wird», schreibt das BFS. Im Referenzszenario wird die Lebenserwartung nach der Übersterblichkeit der Corona-Jahre wieder ansteigen, wobei sich die Zunahme verlangsamen wird.
Auch beim Wanderungssaldo gibt es nur bedingt Anhaltspunkte, wie sich dieser in den kommenden Jahrzehnten verändern wird. Auf der einen Seite hängt die Zahl der einwandernden Personen stark von der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Ausbau des Service Public (Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen) ab. Hier darf man von einem kontinuierlichen Wachstum der Arbeitsplätze ausgehen.
Bei der Auswanderung spielt vor allem die Rückkehr zahlreicher ausländischer Arbeitskräfte, die nun ins Rentenalter kommen, in ihre Herkunftsländer eine Rolle. Das Bundesamt geht im Referenzszenario von einem längerfristig konstanten Wanderungssaldo von 45 000 Personen aus.
Orientiert man sich trotz aller Unwägbarkeiten am Referenzszenario, offenbart sich ein zentrales Moment um das Jahr 2035. In diesem Zeitfenster wird die Zahl der Geburten erstmals unter jene der Todesfälle fallen. Der sogenannte Geburtenüberschuss geht in den negativen Bereich, es kommt zu einem wachsenden Überschuss an Todesfällen. Käme es dann zu keiner Nettozuwanderung, würde die Bevölkerungszahl in der Schweiz rasch sinken. Dies wird nicht der Fall sein. Aber selbst im Referenzszenario wird die Bevölkerung im Jahr 2050 nur knapp grösser als 10 Millionen sein.

Bilanz der ständigen Wohnbevölkerung gemäss dem Referenzszenario
PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

«Eigentlich spiele ich in der Verteidigung, aber manchmal bin ich plötzlich auch im Sturm.» Am Ball vergisst Habiba Khalili alles andere.
«Ich fragte mich: Warum gibt es hier kein Team?»
HABIBA KHALILI
Die Macherin
Team Als sie in Graubünden kein Strassenfussballteam fand, gründete Habiba Khalili kurzerhand selber eines. Heute trainiert die 23-Jährige den FC Surprise Chur und pfeift als Schiedsrichterin Junior*innenspiele. Von einer, die sich so schnell nicht aufhalten lässt.
TEXT NATALIA WIDLA FOTOS DÉSIRÉE GOOD
In der Halle des Schulhauses Daleu nicht weit vom Bahnhof Chur trainiert auch an diesem Freitagabend der Strassenfussballclub FC Surprise Chur. Obwohl das offizielle Training erst nach 20 Uhr beginnt, sind drei junge Männer schon früher da und kicken kraftvolle Schüsse auf das an die Wand gemalte Tor. «Unser Goalie muss noch etwas üben, weil er noch nicht so lange dabei ist», sagt Habiba Khalili, deshalb seien die drei schon früher gekommen. Und weil es im Strassenfussball oft zu unerwarteten Positionswechseln kommt, übt der Goalie jetzt auf Torschüsse. Am Tag darauf spielt das Team ein Strassenfussballturnier in Zürich, das zweite der aktuellen Saison. Wirklich nervös wirkt hier aber niemand, eher freudig, ausgelassen.
Als Habiba Khalili die kleine Sporthalle betritt, ist sofort klar, dass sie ein unersetzlicher Teil dieses Teams ist. Die drei Männer pausieren ihr Training, begrüssen Khalili, fragen, wie sie bei der Vorbereitung der Aufwärmübungen helfen können. Nach und nach treffen auch die anderen Teammitglieder ein, klatschen einander ab, ziehen sich mit Anekdoten auf oder sprechen über die Arbeit. Khalili fängt derweil an, kleine Hütchen in einem Slalom auf dem Boden zu verteilen. Auch wenn die 23Jährige das selbst vermutlich nicht so unterschreiben würde: Der FC Surprise Chur ist in gewisser Art und Weise Habiba Khalilis Club. Sie hatte die Idee, sie hat Anfang Jahr die Initiative ergriffen und den Verein gegründet. «Eigentlich spiele ich in der Verteidigung, aber manchmal bin ich plötzlich auch im Sturm», sagt Khalili.
Als Kind durfte sie noch mit den Jungs kicken
Habiba Khalili kam im afghanischen Herat als das mittlere von fünf Kindern zur Welt. Als sie ein Jahr alt ist, flieht die Familie aufgrund der politischen Unsicherheit nach Teheran. «Im Iran waren wir Bürger*innen zweiter Klasse», erinnert sich Khalili. «Wir hatten keine Papiere und wir Kinder durften nur die Grundschule besuchen.» Die systematische Bildungsbenachteiligung, die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung afghanischer Menschen im Iran ist gut dokumentiert. Die Familie schlägt sich durch, Habibas Vater arbeitet in der Landwirtschaft, die Mutter zieht die Kinder gross.
Schon früh interessiert sich Khalili für Sport. Sie beginnt mit Handball, entdeckt aber schnell ihre Freude am Fussball. «Als ich acht oder neun war, durfte ich noch mit den Jungs kicken – aber das ging bald nicht mehr. Vor allem nicht im Verein.» Iranische
Eine offizielle Trainerin hat der erste und bisher einzige Bündner Strassenfussballclub nicht – Khalili ist als erfahrenste Spielerin diejenige, die anleitet, vormacht, organisiert. Und wenn sie etwas erklärt, hören die anderen zu. Auf die Frage hin, ob sie hier das Sagen hätte, lächelt Khalili nur verlegen. «Nein, wir sind alle Freunde, ich spiele einfach schon am längsten Strassenfussball.» Manchmal fliegt ein ungeplanter Ball quer durch die Halle, jemand macht einen Witz, es wird viel gelacht. Doch als Khalili mit den Aufwärmübungen anfängt, richten sich wieder alle Augen auf sie. Konzentriert dribbelt sie durch einen kleinen Parcours, führt den Ball eng an ihrem Fuss, sagt zwischendurch die nächste Übung an und verfolgt zugleich den Fortschritt ihrer Teamkolleg*innen. Diese stille Autorität, die Khalili bei ihren Teamkollegen geniesst – bis auf ihre Schwester und sie sind es momentan allesamt Männer –, kommt nicht von irgendwoher: Sie ist eine begabte und passionierte Fussballerin. Wenn Khalili am Ball ist, vergisst sie das Drumherum – sprintet, übt Tricks, zeigt ihr Können. Dass ihr das eines Tages in dieser Form möglich sein würde, schien lange undenkbar.

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Frauen durften zwar im Hijab auch in Vereinen spielen und an offiziellen Spielen teilnehmen, erklärt Khalili, «als Afghanin ohne Papiere war mir das verboten.» Also verfolgt sie den Fussball vor allem vor dem Bildschirm. Bis heute ist sie Fan von Real Madrid. «Ich weiss, letzte Saison lief’s nicht so gut.» Der Club hat eine durchwachsene Saison 24/25 hinter sich; auf die vielen Siege kamen auch bittere Niederlagen – Habiba hält trotzdem zu ihrem Lieblingsverein.
Als die afghanische Minderheit im Iran mehr und mehr diskriminiert und entrechtet wird, beschliesst die Familie 2021 –Habiba ist da 19 Jahre alt –, das Land zu verlassen. Habiba ist von den Kindern die Älteste, als sie mit ihren Eltern, ihrer Schwester Masuma, 16, und ihrem Bruder Abul, 14, aufbricht; ihre zwei älteren Brüder leben bereits in Skandinavien.
Die Flucht dauert zweieinhalb Jahre. Sie führt über die Türkei und die griechische Insel Lesbos, dann nach Tripoli. Den grössten Teil der Zeit verbringt die Familie aber in einem Camp auf Lesbos. Die Ausfertigung der Papiere dauert, Khalilis Vater bekommt schwere Rückenschmerzen. Sie entscheidetn die beiden jüngsten Geschwister allein weiterreisen zu lassen. Es fällt Khalili schwer, ihre Geschwister gehen zu lassen. «Aber in Lesbos konnten sie nichts lernen. Es gab keine Schule, keine Perspektive – das wäre nur verlorene Zeit gewesen.»
Sie selbst bleibt als älteste Tochter zurück, kümmert sich um den kranken Vater, lernt Englisch und arbeitet als Übersetzerin im Camp. «Ich musste etwas tun – sonst wartet man ja nur.»
Nach ihrer Ankunft in der Schweiz wird die Familie wiedervereint und wohnt zuerst in St. Gallen, dann in Chur. Später finden die Eltern eine Wohnung in Thusis. Khalili zieht 2024 in eine eigene Wohnung nach Bonaduz, das liegt näher von Rhäzüns, wo sie in einem Architekturbüro Hochbauzeichnerin lernt.
Hartes Training für eine einmalige Gelegenheit
Im Deutschkurs hört Khalili zum ersten Mal vom Surprise Strassenfussball. Die Schwester einer Klassenkameradin spielt im Frauenteam in Basel. «Sie sagte: ‹Wenn du Fussball magst, mach mit!›» Die kommenden Monate fährt Khalili mit ihrer Schwester ein bis zweimal im Monat nach Basel ins Training, spielt erste Turniere und nimmt 2024 mit dem Surprise Frauennationalteam am Homeless World Cup in Seoul teil. Zur Vorbereitung trainiert sie – weil es in der Nähe kein Strassenfussballteam gibt – beim FC Untervaz.
In Seoul beindrucken sie die Teams aus den USA, Mexiko und Australien. «Ich konnte mir einiges abschauen – wie sie miteinander kommunizieren, ihr Feld schützen, ihre Ressourcen aufteilen.» Beim ersten Spiel tritt ihr andere Spielerin auf den Fuss, eine Sehne reisst, der Nagel löst sich. Trotzdem spielt Khalili weiter, bandagiert den Fuss vor jedem Spiel neu. «Ich dachte gar nicht daran aufzugeben, schliesslich hatte ich diese unglaubliche Möglichkeit, und dann ziehe ich das auch durch.» Nach ihrer

Auf Lesbos gab es keine Perspektive –die Familie traf einen schwierigen Entscheid.
Rückkehr nach Graubünden steht für Khalili fest: Sie will ein eigenes Team gründen. «Zum einen war es natürlich etwas mühsam, ständig nach Basel zu fahren, zum anderen fragte ich mich: Warum gibt es hier kein Team? In Glarus gibt es eins, warum nicht auch bei uns?» Sie bespricht ihre Idee mit den Verantwortlichen für den Surprise Strassenfussball in Basel. Surprise mietet eine Halle in Chur an und Khalili beginnt mit der Rekrutierung von Spieler*innen. «Zuerst fragte ich meine Freundinnen in der Berufsschule – aber die hatten kein Interesse. Dann fragte ich meine Geschwister und deren Freund*innen. So wurden wir immer mehr.»
Wer kam, brachte neue Leute mit. Anfangs seien manche skeptisch gewesen: «Die wollten lieber traditionellen Fussball spielen, viele verstanden nicht, dass es beim Strassenfussball andere Regeln gibt.» Das Feld ist kleiner, die Tore ebenso, die Spielzeiten sind kürzer und es gelten spezielle Strafraumregeln (siehe Infografik S. 14/15). Dafür werden pro Turnier gleich mehrere Spiele gespielt. Khalili sagt: «Ich ziehe Strassenfussball dem klassischen Fussball vor.» Man müsse strategischer denken, und weil nur vier Spieler*innen auf dem Platz stehen, zähle wirklich jede Person auf dem Platz. «Man hat mehr Verantwortung, mehr Einfluss.»
Im Training des FC Surprise Chur ist jede*r willkommen, manche kommen nur wenige Male, andere bleiben und bringen Freund*innen mit. Im Kernteam – zu dem neben Khalili auch ihre Schwester Masuma und ihr Bruder Abul gehören – sind sie momentan zu elft. «Wenn andere dabei sind, sprechen wir deutsch. Aber wenn wir wie heute nur Afghan*innen sind, sprechen wir normalerweise persisch.»
Seit sechs Monaten trainiert der FC Surprise Chur in der Sporthalle des Schulhauses Daleu. Einmal im Monat fahren Khalili und
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DIE BESCHTE HITS


ihre Schwester Masuma weiterhin nach Basel zum Training mit dem Offenen FrauenfussballTreff, auch wenn Khalili sagt: «Ich mag das gemischte Team bei uns in Chur – man lernt schneller, wird mehr gefordert.» Einmal habe eine andere Spielerin sie gefragt, warum sie so hart kicke. Khalili lacht. «Weil ich vor allem mit Männern spiele.» Was sie besonders stolz macht: Ihre Schwester Masuma tritt in ihre Fussstapfen und nimmt an der diesjährigen StrassenfussballWeltmeisterschaft in Norwegen teil.
Neben dem Strassenfussball hat Khalili im letzten Jahr auch eine Ausbildung zur Schiedsrichterin gemacht und wird an der Women’s Streetfootball EURO zum ersten Mal nicht als Spielerin, sondern als Schiedsrichterin teilnehmen. Heute pfeift sie alle zwei Wochen ein Spiel der CJuniorinnen und Junioren. «Vor dem ersten Spiel hatte ich richtig Angst. Ich sagte: ‹Ich schaffe das nicht.› Aber mein Vater meinte: ‹Doch, du gehst. Du kannst das.›» Die bestärkenden Worte halfen.
Nach über fünfzehn Spielen ist das Lampenfieber mittlerweile verflogen. Was sie aber nach wie vor irritiere, sei der Umgangston, den sie manchmal am Spielfeldrand mitbekommt. «Ich sehe, wie manche der Trainer*innen mit den Junior*innen sprechen, streng, fordernd, manchmal sogar herablassend – das gefällt mir nicht.» Beim FC Surprise Chur kommunizieren sie respektvoll –Austausch statt Anweisung. Der Teamgeist ist ihr wichtiger als Perfektion oder Siege. «Wir sind Freund*innen – und wir sind auf Augenhöhe.»
Für Khalili sind Rivalität und Vergleichsdenken ohnehin blosse Zeitverschwendung. «Wenn, dann vergleiche ich mich nur mit mir selbst», sagt sie. «Ich denke daran, wie ich im Iran nicht Fussball spielen konnte. Und jetzt werde ich jeden Tag ein wenig besser.»
Siege sind der angehenden Hochbauzeichnerin nicht wichtig. Und Rivalität sei doch blosse Zeitverschwendung.

«Im gemischten Team lernt man schneller.»
HABIBA KHALILI
Der Jahrtausend-Kick
Fakten und Zahlen Im Jahr 2001 hatten zwei Stassenmagazin-Macher eine gute Idee. Bald fand die erste Fussball-Weltmeisterschaft von Obdachlosen statt. Wie es weiter ging – und was man über Strassenfussball sonst noch wissen sollte.
TEXT SARA WINTER SAYILIR INFOGRAFIK BODARA
22 × 16 Meter
gross ist das Strassenfussballfeld
2 × 7 Minuten
dauert ein Spiel
13 Teams
nehmen an der Women’s Streetfootball EURO 2025 teil
Beim Internationalen Treffen der Strassenzeitungen INSP in Kapstadt präsentieren Mel Young (Big Issue North) und Harald Schmied (Megaphon, Graz) erstmals die Idee einer Fussball-Weltmeisterschaft der Obdachlosen.
2001
2005 wird das Projekt mit dem UEFA Charity Cheque ausgezeichnet. Der mit 1 Million Franken dotierte Scheck wird am 26. August von Ronaldinho an die Ideengeber Harald Schmied und Mel Young überreicht.
2002 2005 2008
18 Monate später findet in Graz das erste Turnier statt, ab da gibt es eine jährliche Veranstaltung mit wechselnden Austragungsorten; Surprise ist von Anfang an mit Mixed-Teams dabei.
Erstes Frauen-Turnier in Melbourne
Seit 2010 findet jedes Jahr sowohl ein Männer- als auch ein Frauenwettkampf statt.
3
3
pro Team
«FC Surprise – Mehr als ein Spiel», SRF-Dokumentarfilm (2024) Der Regisseur Dieter Gränicher begleitete das Team des FC Surprise Zürich während drei Monaten im Training und an die Turniere. Die Spieler*innen erzählen, was ihnen der Strassenfussball bedeutet. Produktion: momenta film GmbH. SRF 1 strahlt den Film erneut am Dienstag, 24. Juni um 23.40 Uhr aus. Via QR-Code kann man ihn ebenfalls sehen.
4 Wechselspielerinnen pro Team 1 Goalie pro Team
Von 2020 bis 2022 finden wegen der Covid-19-Pandemie keine Wettkämpfe statt.
Surprise stellt beim Homeless World Cup (HWC) in Seoul erstmals auch ein reines Frauenteam.
Wird erstmals eine Frauen-Afrikameisterschaft unter dem Dach des HWC ausgetragen, die Auswahl Ugandas gewinnt das Turnier.
Findet die diesjährige Women’s Streetfootball EURO statt
21. – 22. 06. 2025

Held*innen, aber echt
Emp owerment Im Strassenfussball prallen Prä g un gen und Haltun gen aufeinander. Und Erfolg, Leistung, Druck werden neu definiert.
TEXT DIANA FREI ILLUSTRATIONEN KLUB GALOPP

Die offiziellen Anforderungen an die Spieler*innen am Homeless World Cup lauten folgendermassen: Die Teilnehmer*innen müssen mindestens 16 Jahre alt sein, noch nicht an einem früheren Homeless World Cup (HWC) teilgenommen haben und mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen:
1. Sie waren im letzten Jahr zu irgendeinem Zeitpunkt obdachlos, entsprechend der Definition von Obdachlosigkeit in ihrem Land.
2. Sie verdienen ihr Haupteinkommen als Strassenzeitungsverkäufer*innen.
3. Sie sind Asylsuchende im Verfahren mit irregulärem Aufenthaltsstatus oder ehemalige Asylsuchende.
4. Sie sind aktuell in einem Suchtprogramm und waren im vergangenen Jahr einmal obdachlos.
Diese Teilnehmer*innen haben ihre Ziele – keine sportlichen, sondern solche im Leben. Wer aus der Arbeitsintegration kommt, möchte den Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt standhalten können. Wer in einem betreuten Wohnen lebt, möchte womöglich in eine Wohngemeinschaft wechseln, Geflüchtete wollen vielleicht eine Ausbildung machen, ein eigenständiges Leben führen können. «Meistens haben sie diese Ziele bereits innerhalb ihrer Programme gefasst», sagt David Zenhäusern, seit sechzehn Jahren Schweizer Nationalcoach beim Surprise Strassenfussball. «Dann sagen wir: Okay, was könntest du in den paar Monaten bei uns lernen, das dir dort helfen könnte? Wir wissen von allen Spieler*innen, was in ihrem Leben gerade die aktuellen und wichtigen Themen sind.» Zenhäusern verfolgt bei der Teamzusammensetzung ein ungeschriebenes Gesetz: Vielfalt auf allen Ebenen. Sowohl junge Spieler*innen als auch ältere sollen vertreten sein, ebenso verschiedene Regionen der Schweiz. Und idealerweise ist eine geflüchtete Person dabei. Sowie eine mit Suchterkrankung. Dazu eine, die mit psychischer Instabilität zu kämpfen hat. Vielleicht bezieht sie IV, vielleicht ist sie in einem Arbeitsintegrationsprogramm. «Konflikte sind so natürlich vorprogrammiert, aber es gibt sie praktisch nur neben dem Spielfeld, nie im Spiel selber», sagt Zenhäusern. «Die Konflikte provozieren wir auch ein bisschen. Wir möchten, dass es im Trainingslager schon mal geknallt hat, damit wir diesen Prozess vor dem Homeless World Cup bereits einmal durchgemacht haben.»
Konflikte provozieren, wie geht denn das?
«Wir schicken sie zusammen einkaufen, kochen, Wäsche waschen.» Hier prallen Wertvorstellungen, Prägungen, Lebenseinstellungen aufeinander. Dazu gehören auch wiederkehrende Themen. Zenhäusern kennt sie unterdessen: Dem jungen Geflüchteten, dessen Leben bedroht war, will es nicht in den Kopf, wie ein Schweizer seinen Körper mit Drogen kaputtmachen kann. Der Suchtkranke, in dessen Kindheit die Weichen irgendwann so gestellt wurden, dass das Leben ihn aus der Bahn warf, kämpft gegen die Stigmatisierung. Neid. Vorwürfe. Ein Badetuch, das am Boden liegen bleibt, wirft plötzlich ganz grundsätzliche Fragen von Verantwortung und Rücksichtnahme auf. Mit Sport und speziell mit Fussball verbinden wir TV-Über-
tragungen, millionenschwere Transfers, Tausende von Augenpaaren, die auf die Spieler*innen gerichtet sind. Erfolg, Leistung, Druck – das sind alles Dinge, die nur die Besten, die Stärksten liefern beziehungsweise aushalten können.
Es gibt aber auch den anderen Fussball. Den man draussen spielt, im Park, auf der Strasse, auf dem Parkplatz. Unkompliziert, als Gemeinschaftserlebnis. Strassenfussball: ein Ball, ein paar Freund*innen.
Die Organisation
Diesem Strassenfussball hat die Vereinigung Homeless World Cup (HWC) 2003 ein Konzept und ein Reglement gegeben mit dem Ziel, auf internationaler Ebene die Obdachlosigkeit zu bekämpfen, sie ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Einmal im Jahr findet ein internationales Turnier statt mit Teams von Kolumbien bis Japan. Im Strassenfussball nach den Regeln des HWC sind die Teams klein (1 Goalie, 3 Feldspieler*innen) und das Tempo ist hoch (2 Halbzeiten à 7 Minuten). Das Spielfeld ist klein (16 × 22 Meter), damit es mobil ist. Es lässt sich überall aufstellen. Mitten in der Stadt, mitten in der Gesellschaft. Auch die Schweiz ist jeweils vertreten – mit dem Team von Surprise Strassenfussball. Als nationales Angebot organisiert Surprise in der Schweiz jährlich eine Liga mit etlichen Turniertagen. Aus dieser Liga, es sind etwa 30 Teams in der ganzen Schweiz und ca. 250 Spieler*innen, werden die Nationalteams zusammengestellt, inzwischen sind es zwei: ein Frauen- und ein Männerteam. Das ist erst seit zwei Jahren so, lange waren die Fussballerinnen zu wenige, um ein eigenes Team zusammenstellen zu können, manchmal reichte es für ein gemischtes. Die Frauen spielen nun bei der Women’s Streetfootball EURO 2025 in Basel, die im Juni stattfindet, im August reisen Frauen wie Männer an den Homeless World Cup in Oslo.
Die Surprise Strassenfussball-Liga entsteht in Zusammenarbeit mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Organisationen, Vereine, Institutionen, die im sozialen Bereich tätig sind: Gassenküchen, Asylzentren, Arbeitsintegrationsstellen.
Die Tierkarten
Erfolg und Leistung: Es gilt, diese Begriffe umzudeuten, neu zu interpretieren. Im Strassenfussball finden sich Ansätze, die weder mit Spieltaktik oder Kondition, noch mit Muskelaufbau zu tun haben. Das Spieler*innentagebuch zum Beispiel. Es ist ein Mittel der Selbstbeobachtung, um Muster zu erkennen, den Umgang mit Enttäuschungen und Erfolgsgefühlen zu trainieren. Emotionen einzuordnen. Oder der Steckbrief, den die Spieler*innen von sich erstellen, ähnlich wie in den Freundschaftsbüchern in der Primarschule: um über sich selber reden zu lernen. Die eigenen Fähigkeiten benennen.
Und dann gibt es noch die Tierkarten, die im Trainingslager irgendwann auf dem Tisch ausgelegt werden. Alle sollen sich eine nehmen, die zu ihnen passt. «Da geht es darum, sich zu überlegen: Welches sind die Stärken dieses Tiers?», sagt Zenhäusern. «Und dann natürlich auch: Welches sind meine Stärken? Und was könnte im
Fussball eine Stärke sein, die dazu passt?» Die Giraffe hat die grosse Übersicht. Sie hat auch im Blick, was alle anderen tun, was grundsätzlich so läuft. Der Delphin, der gute Kommunikator. Oder der Gorilla, dem das Körperliche wichtig ist. Der Adler mit dem guten Auge. Der aktive Gepard. Es geht darum, die eigenen Qualitäten zu benennen, über sich zu reden.
Das Spiel und das Leben «Wir versuchen mit allen Spieler*innen ein sehr konkretes Ziel zu vereinbaren», sagt Zenhäusern. Es gibt diejenigen, die sagen: Ich möchte von zwei Päckchen Zigaretten pro Tag auf eines runterkommen. Oder: Ich will wieder regelmässiger gesünder essen, mich öfter bewegen. Spazieren gehen, einem Verein beitreten. Wieder andere sagen, sie möchten lernen, anders mit den Leuten in ihrem Umfeld zu kommunizieren. Und sehr oft sagen Spieler*innen: Ich will lernen, meine Bedürfnisse zu teilen. Es sind sehr grundlegende Dinge, die Menschen verlernen können, wenn das ganz normale Leben von schwerwiegenden Problemen verschüttet wird. «Sportliche Ziele legen wir mit einzelnen Spieler*innen nicht fest. Wir machen praktisch keine Einzelkritik», sagt der Nationaltrainer. Es gibt immer wieder Spieler, vor allem jene, die frü-
her mal in einem Juniorentraining waren, die sagen: «David, du musst uns viel mehr zusammenscheissen und kritisieren! Du musst uns sagen, was wir schlecht machen!» Zenhäusern lacht. «Das hören sie aber nie von mir.» Sportliche Ziele bespricht man nur im ganzen Team. Wieso haben wir im letzten Match drei Goals mehr bekommen als sonst? Woran lag es, was können wir anders machen? Was wollen wir zusammen probieren? Es sind mentale Ziele. Zenhäusern sagt: «Man lernt dabei, dass man sich immer auf Dinge vorbereiten kann. Egal, ob es darum geht, ein Goal zu schiessen, in eine WG zu ziehen, zu verreisen oder in ein Gespräch mit einem Freund zu gehen, mit dem ich einen Streit hatte. Die Frage ist immer: Wie gehe ich da jetzt hin?» Im Fussball lernt man: Den Gegner und das Wetter kann ich nicht beeinflussen, aber ich kann auf mich selber Einfluss nehmen. «Ich denke, bei unseren Spieler*innen geht es oft darum, eine Scham zu überwinden. Das Gefühl, allein zu sein mit seinen Problemen. Das ist das Schöne am Teamsport – dass man sagen kann: Wir gehen zusammen auf diesen Platz und wir gehen zusammen wieder heim.» Oder dass man weiss, es lohnt sich, auf Kollegen, Freund*innen zu setzen. Und dann: Mit diesen Gewissheiten aufs Feld zu gehen. Abrufen können, was man im Training gelernt hat. Den Druck


umlenken, ihm die Sicherheit entgegensetzen: Ich habe mich vorbereitet. Auch neben dem Spielfeld, im echten Leben. Auch wenn Mexiko immer stärker ist. Vorbereitet sein. Das ist Erfolg.
Das echte Leben bleibt im Strassenfussball immer wichtiger als der Sport. Wobei das echte Leben auch in den Spielregeln steckt. «Zwei Coaches werden mit einem Preis für Fair Play für die Art und Weise ausgezeichnet, wie sie ihre Teams unterstützen und ermutigen und ihnen Fairness und Teamgeist vermitteln», steht im Reglement des Homeless World Cup. «Wir definieren auch nie fixe Captains», sagt Janosch Martens, Leiter Surprise Strassenfussball und ausgebildeter Sozialarbeiter. «Dem Team vorauszulaufen aufs Spielfeld, Handshake mit den Schiedsrichter*innen, Platzwahl, dem gegnerischen Team ein Geschenk übergeben, im Teamkreis eine kleine Ansprache halten: Das sind alles Dinge, auf die die einen brennen, andere würden sich nie freiwillig dafür melden.» Trotzdem, die Führungsrolle sollen alle einmal haben. Es geht nicht um Leistung. Sondern um die eigene Kraft, die eigene Stärke. Empowerment statt power performance. Leistung, neu definiert, heisst Selbstermächtigung.
Die Drehbuchstruktur
Der Homeless World Cup ist eine Einmal-im-Leben-Erfahrung, auch das steht im Reglement. Dahinter steht das Ziel, dass möglichst viele Obdachlose oder Armutsbetroffene diese Erfahrung machen können. Es schafft aber auch Held*innen. Ein bestimmtes Storytelling: Du hast einmal im Leben die Chance, so etwas zu erleben und zu dieser persönlichen Reise aufzubrechen. Durch diese vier bis sechs Monate zu gehen, in denen du dich neu kennenlernst, in denen du Selbstvertrauen entwickelst und innere Ressourcen neu entdeckst. Du erreichst Ziele, von denen du nie gedacht hättest, dass du sie erreichen kannst. Dass du sie überhaupt hast. Dass du Ehrgeiz entwickeln kannst. Dass menschliche Begegnungen so wichtig sein können. Zusammen mit der tatsächlichen Reise an einen Ort auf dieser Welt, wo das Turnier stattfindet, wird das Konzept einer sogenannten «Heldenreise» kreiert – im Dreiakter. Erster Akt, Ausgangslage: Du steckst fest und bist abgehängt in der Gesellschaft. Real oder gefühlt. Zweiter Akt: Konfrontation. Mit den anderen, dir selber, deinen Zielen. Es stellen sich etliche Hürden, Konflikte im Trainingslager, Rückschläge und Enttäuschungen. Aber man lernt sich kennen, entwickelt sich weiter, auf dem Feld und im Leben. Dritter Akt, Auflösung: Das Turnier, der Höhepunkt. Auf dem Weg hierher ist dein Verständnis von Erfolg, Leistung und Druck ein anderes geworden. Deine Sicht aufs Leben hat sich gewandelt, du selber hast dich verändert. Eine klassische Drehbuchstruktur mitsamt dem zugehörigen Charakterbogen. Erstaunlich ist es nicht, dass unter dem Titel «The Beautiful Game» unterdessen auch ein Netflix-Spielfilm über den HWC entstanden ist. Das Schöne daran ist: Es ist nicht bloss Fiktion. Der HWC und die länderspezifischen Stras senfussballProjekte haben konsequent Sport mit sozialer Arbeit vermischt – und es damit geschafft, dass die einzelnen Spieler*innen Teil einer grösseren Erzählung werden.



Die Fotografien in diesem Beitrag sind von Lea Marti und Jonas Schenk. Sie entstanden im Vorfeld der Women’s Streetfootball EURO in Basel.

LEA MARTI, 24, studiert Fotografie an der Schule für Gestaltung in Bern und interessiert sich für Themen der sozialen Gerichtigkeit.

JONAS SCHECK, 39, studiert an der Schule für Gestaltung in Bern und Biel und arbeitet freiberuflich für verschiedene Medien als Fotograf.

Unser Spiel
Erfahrungen Früher trainierten sie mit den Männern zusammen, jetzt haben die Strassenfussballerinnen ihr eigenes Training.
Fünf Frauen erzählen – über ihr Leben und was ihnen der Fussball bedeutet.
AUFGEZEICHNET VON LEA STUBER FOTOS LEA MARTI UND JONAS SCHECK
Mariia Bazhiv, 32
Seit 2024 beim Surprise Strassenfussball, nahm 2024 am Homeless World Cup in Seoul teil
«Es ist einfacher, die ganze Woche Deutsch zu lernen, wenn ich weiss: Am Montag gehe ich Fussball spielen, und das wird gut. Es gibt wenige Dinge, die mich so glücklich machen wie das Fussballspielen. Ich bin oft müde, aber für Fussball habe ich immer Energie. Die B2-Prüfung habe ich bestanden, jetzt habe ich keine Kurse und keine Finanzierung mehr. Ich möchte gerne die C1-Prüfung machen, aber wann? Keine Ahnung. Alles im Selbststudium zu lernen, ist herausfordernd.
Auf dem Platz gebe ich alles, um ein Tor der Gegner*innen zu verhindern. Aber gewinnen ist nicht das Wichtigste, nein! Wenn wir verlieren, finde ich es kurz schade. Aber es können ja nicht beide Teams gewinnen. Vielleicht hat das andere Team mehr investiert und besser trainiert. Bald beginne ich ein Praktikum im Service. Es ist mir unangenehm, darüber zu reden, und ich möchte nicht undankbar wirken. Aber ich bin 32 Jahre alt, eine erwachsene Frau, und mache ein Praktikum! Ich habe Erfahrung in der Gastronomie – als Studentin habe ich in der Ukraine im Service gearbeitet, ich habe Soziologie studiert. Ich muss das nicht lernen, ich brauche kein Praktikum. Ich brauche Arbeit. Aber ich finde keine.
Seit bald zwei Jahren werde ich bei der Arbeitssuche unterstützt. Doch anscheinend ist mein Lebenslauf immer noch nicht gut, heisst es. Zu Beginn wurde die Hälfte der Angaben aus der englischen Version, die ich aus dem Ukrainischen übersetzt hatte, einfach gelöscht. Das brauche es nicht, hiess es. Mein neuer Berater sagt nun, dass die Infos, die am Anfang drinstanden, genau jene sind, die im Moment fehlen.
Die letzten vier Jahre in der Ukraine habe ich in einem Kinderspielzentrum gearbeitet. Ich musste schauen, dass die Kinder nicht miteinander stritten, wegliefen oder sich sogar verletzten.
Als ich selber ein Kind war, spielten wir oft an den Abenden auf der Strasse im Dorf Fussball. Oder in der Schule. Als ich erwachsen wurde, fand ich keine anderen Frauen mehr, die Fussball spielen wollten. Und die Männer wollten nicht mit mir spielen – sie hätten Angst, mich zu verletzen, sagten sie. Ich fand kein Team. Und dann hatte ich andere Dinge im Kopf, ich hatte Arbeit und vergass den Fussball.
In der Schweiz dann, als ich nach ein paar Jahren endlich erfuhr, dass es hier Frauen- und Mixed-Fussballteams gibt und ich als Zuschauerin ein Turnier bei der Kaserne in Basel besuchte, kam Carmen, die Surprise-Trainerin, auf mich zu. Ohne zu wissen, warum ich zuschaue, ohne mich zu kennen, fragte sie mich, ob ich mit ihnen Fussball spielen wolle. Ja, natürlich!»
Roya Rezai, 34
Seit 2021 beim Surprise Strassenfussball, möchte im August am Homeless World Cup in Oslo teilnehmen
«Als ich zum ersten Mal einen Fussball vor mir hatte, dachte ich: Das kann ich nicht. Ich hatte Angst. Dann sagte ich mir: Mach einfach Schritt für Schritt. In Afghanistan, wo ich aufgewachsen bin, ist es Mädchen und Frauen verboten, Fussball zu spielen.
Mein Ziel ist es, im August mit der Strassenfussball-Nati nach Oslo an den Homeless World Cup zu fahren. Für die zehn Tage, die ich weg wäre, habe ich aber noch keine Betreuung für meine Kinder gefunden, sie sind dreizehn und elf Jahre alt. Ich habe ein paar Freundinnen gefragt, alle sagten: Wir sind beschäftigt, wir haben eigene Pläne. Jetzt, wenn ich im Training bin, sind meine Kinder daheim. Für ein paar Stunden ist okay, aber für einen ganzen Tag oder mehrere Tage geht natürlich nicht. Ich bin alleinerziehend, der Vater lebt nicht in der Schweiz, wir haben keinen Kontakt. Oft bin ich am Abend müde. Denn es gibt viel zu tun. Ich muss Deutsch lernen, eine Arbeit suchen, meine eigene Zukunft planen und die meiner Kinder. Ich besuche gerade einen Deutschkurs, der dauert noch zwei Wochen. Danach suche ich eine Lehrstelle.
Schweizerdeutsch verstehe ich oft nicht ganz, aber ich versuche es. Ich trainiere in der Damenriege Binningen, jeden Donnerstagabend treffen wir uns zu Gymnastik und Fitness. Alle sprechen schweizerdeutsch, ich bin die Einzige, die hochdeutsch spricht. Die Frauen sind alle schon älter, aber sie sind sehr fit! Ich bin auch fit, aber diese Frauen schaffen viel mehr Sit-ups und Liegestütze.
Wenn ich keinen Sport mache, kommen all die negativen Gedanken in mir hoch. Jetzt, nach dem Fussballtraining, fühle ich mich ausgeglichen und habe weniger Stress. Sport ist mein Medikament. Vor kurzem machte ich einen Schwimmkurs – ich konnte vorher gar nicht schwimmen. Am Anfang hatte ich Angst vor dem Wasser, jetzt liebe ich Schwimmen und kann mit meinen Kindern ins Schwimmbad gehen. Einmal habe ich einen Yoga-Kurs gemacht, aber das kostet leider viel. Ich jogge auch. Und wenn ich nicht viel Zeit habe, mache ich Sport mit Youtube-Videos, tanzen zum Beispiel. Ich würde gerne einen Zumba-Kurs machen, ich interessiere mich einfach dafür. Beim Schwimmen war es am Anfang auch so: Oh, wie geht das? Also probiere ich es mal aus.»
Vanessa Rippstein, 21
Seit 2022 beim Surprise Strassenfussball, nahm 2024 am Homeless World Cup in Seoul teil
«Beim Fussball muss man Vertrauen haben können. Ich weiss: Wenn ich an den Ball gehe, sind die anderen auf ihrer Position. Und wenn man das Vertrauen beim Sport aufgebaut hat, geht das auch im Privaten viel einfacher. Wir – Jasmin, Amélie, Saskia und ich – waren letztes Jahr zusammen am Homeless World Cup in Seoul und sind wirklich gute Freundinnen geworden. Als wir zusammen im Tessin im Ferienhaus meiner Eltern Ferien machten, konnte ich mich darauf verlassen, dass es läuft. Meine Rolle ist vielleicht so etwas wie die einer Hirtin: Ich schaue, dass wir zusammenbleiben, und wo wir hingehen. Amélie ist eher wie ein Mami für uns – sie schaut, dass wir zu essen und zu trinken haben. Und so sind wir dann auch auf dem Platz ein eingespieltes, harmonisches Team. Ich bin auch Trainerin. Noch ohne Ausbildung zwar –die beginne ich im September. Als Trainerin finde ich Verlieren gar nicht schlimm. Trainerin sein ist mega ent -
spannt. Das Aufwärmen muss ich nicht mitmachen, beim Match bin ich auch nicht dabei, ich bin die Aussenstehende, die beobachtet und analysiert, wo man was noch besser machen könnte. Wenn die Kinder mal keine Lust haben, muss ich sie motivieren, schauen, dass sie dabei bleiben. Es ist herzig, die Kinder haben Freude an mir, sie wollen mir zeigen, welche Fortschritte sie gemacht haben. Dass ich so jung bin, ist auch für die Kinder cool, sie finden mich vielleicht spannender. Ich dachte immer, ich habe nicht gerne Kinder, aber ich habe doch gerne Kinder. Seit Januar verdiene ich mit dem Fussball Geld. Der Stundenlohn ist tiptop, nur kann dich kaum ein Club 100 Prozent unter Vertrag nehmen, so viele Junior*innen-Teams haben sie gar nicht.
Es wäre schon cool, wenn ich voll als Trainerin arbeiten und Geld damit verdienen könnte, vielleicht gleichzeitig bei mehreren Clubs. Fussball hat mich aus schlimmen Zeiten rausgeholt, hat mich aus der Depression rausgeholt. Vor zwei Jahren, als ich mit dem Fussball anfing, ging es mir dreckig, ich lebte im Obdachlosenheim. Der Fussball hilft mir. Ich muss im Training erscheinen. Die Kinder haben Freude, wenn ich dort bin. Und mir macht es Freude, gebraucht zu werden. Dass ich den Meitli etwas beibringen kann, Tricks und Jonglieren zum Beispiel. Als Kind hatte ich es nicht gut zuhause, ab zehn musste ich in ein Heim. Dann Selbstverletzungen, Kokain, Alkohol. Überdosen, Spital. Ich habe meine Lehrstelle verloren und bin aus dem Heim geflogen.
Ich habe gemerkt: Wenn ich keinen Alkohol getrunken habe, kann ich besser Fussball spielen. Ich kann den Ball annehmen und wirklich mitspielen. Ich sah, wie ich besser wurde. An guten Tagen ist diese Zeit weit weg, an schlechten denke ich: Mist, es kann schnell gehen, dass ich wieder im Obdachlosenheim bin. Aber eigentlich bin ich schon relativ weit. Ich habe eine eigene Wohnung und seit zwei Jahren eine Hündin, sie heisst Golda.»


Auch wenn es am Ende nicht um Leistung und Erfolg geht: die Vorbereitungen auf das grosse Spiel laufen auf Hochtouren.


Das Strassenfussball-Angebot von Surprise
Surprise organisiert seit 2003 eine Strassenfussball-Liga mit rund fünf Turnieren pro Jahr und nimmt mit dem Schweizer Nationalteam am jährlichen Homeless World Cup teil. Damit bietet Surprise armutsbetroffenen und sozial ausgegrenzten Menschen nicht nur Spiel und Spass, sondern fördert auch Gesundheit, Teamgeist, Konfliktfähigkeit und Selbstvertrauen. Möchten Sie in einem Surprise-Team mitspielen oder ein eigenes Team für ein Turnier anmelden? Alle Infos unter surprise.ngo/strassenfussball. NICOLAS FUX
Sandra Van Aalst, 33
Seit 2023 beim Surprise Strassenfussball, nahm 2024 am Homeless World Cup in Seoul teil
«Wenn auch Männer auf dem Platz stehen, trauen sich viele Frauen nicht. Sie schämen sich, weil sie vielleicht denken, dass sie nicht so gut spielen. Viele Männer schauen nicht so auf die Frauen, sie haben härtere Schüsse und sind aggressiver. Deshalb ist es so toll, dass wir in Seoul zum ersten Mal mit einem eigenen Frauen-Nationalteam dabei waren.
Vor kurzem kam ich beim Einkaufen mit einer Frau ins Gespräch. Ich habe ihr gesagt: ‹Wir suchen noch Frauen. Komm doch ins Training!› Sie wirkte interessiert, dann sagte sie jedoch, dass sie leider nicht könne. Es ist recht schwer, Mitspielerinnen zu finden. Dabei sind alle Frauen willkommen, egal wie alt, egal, was sie im Leben machen. Aber klar, wenn man beim Surprise Strassenfussball mitmacht, legt man indirekt offen, dass man irgendeine Form von Problem hat – eine Lebenskrise, eine Sucht oder sowas. Viele schämen sich, das preiszugeben. Ich mich am Anfang auch. Jetzt stehe ich zu meiner Geschichte. Letztes Jahr, bevor ich mit der Nati nach Seoul reiste, gab ich dem Online-Medium Watson ein Interview. Da habe ich viel von meiner Geschichte erzählt: von meinen sechs Operationen, der Sozialhilfe, die ich beziehe, dem erfolglosen Kampf um eine IV-Rente.
Der Fussball zeigt mir, dass ich durchhalten kann, auch wenn es mal nicht einfach ist. Dass ich wieder aufstehen kann und es weitergeht. Auch nach einer Niederlage halten wir zusammen. Vanessa und ich waren zusammen in Seoul, und jetzt sind wir beide bei der Freestyle Football-Challenge dabei, einem Projekt des Kantons. Und im Herbst beginne ich eine Ausbildung zur Trainerin. Hier geht es weiter. Nur bei allem anderen komme ich nicht weiter. Jahrelang habe ich um eine IV-Rente gekämpft, schlug mich mit den Ämtern und der ganzen Bürokratie herum, jetzt habe ich keine Chance mehr, ich musste aufgeben. Obwohl ich Einschränkungen habe und nicht 100 Prozent arbeiten kann.
Ich bin ehrgeizig. Bei einem Turnier will ich Spass haben. Aber ich will natürlich gewinnen. Das wurde mir auch schon zum Verhängnis. Wenn wir als Team nicht gut zusammenspielten oder immer wieder derselbe Fehler passierte, wurde ich wütend. Das meine ich nicht gegen das Team oder jemanden persönlich, sondern mehr gegen mich selbst. Manchmal mache ich mir selber Druck. Gerade wenn ich ein Tor schiessen will und dann einfach nicht treffe. Mit jedem Schuss steigt der Druck. Man muss schon lernen, damit umzugehen.
In Seoul war jede mal Captain, dieses Übernehmen von Verantwortung hat mir geholfen, selbstsicherer zu werden. Bisher habe ich auch ein, zwei Mal zusammen mit Vanessa das Training geleitet. An der Women’s Streetfootball Euro wollte ich eigentlich mitspielen. Nun wurde ich aber angefragt, ob ich stattdessen Assistenztrainerin sein will. Und natürlich habe ich zugesagt.»
Monica Gomes, 40
Seit 2021 beim Surprise Strassenfussball, nimmt im August am Homeless World Cup in Oslo teil
«Für das Training heute habe ich mich auch angemeldet, aber jetzt sitze ich in Jeans daneben und schaue zu. Ich hatte 2023 einen Unfall, schon vorher habe ich eine IVRente bezogen. Mein Körper schmerzt, vom Nacken her. Mein ganzer linker Arm fühlt sich gerade wie elektrisiert an. Manchmal will ich den Schmerz nicht zeigen, ich will kein Mitleid. Medikamente sollten den Schmerz dämpfen, aber sie helfen nicht immer. Auf dem Motorrad spüre ich den Schmerz auch und fahre trotzdem. Ich versuche, mich nicht einschränken zu lassen.
Daheim habe ich ein Laufband und ein Rudergerät, auf dem ich trainiere. Und ich möchte abnehmen. Die Ärzt*innen sagen, dass ich eine Operation machen muss, eine Magenverkleinerung. Aber das ist ein Risiko, und ich habe Angst vor der OP. Ich will lieber viel Sport machen und so Gewicht verlieren.
An der UEFA Women’s EURO bin ich für die Schweiz und für Portugal. Ich bin hier geboren, meine Eltern sind aus Portugal. Als ich Kind war, lebten wir ein paar Jahre in der Schweiz, dann wieder in Portugal, und wieder in der Schweiz. Als ich zehn Jahre alt war, wollten meine Eltern für immer nach Portugal gehen. Ein paar Monate nach unserer Ankunft dort hatte mein Vater einen Unfall und ist gestorben. Das war schlimm. Danach wurde meine Kindheit schwierig, eine Zeit lang lebte ich sogar in einem Heim. Als Jugendliche ging ich so oft wie möglich nach draussen, meist mit einem Ball. Mit dreizehn habe ich angefangen, im Verein Fussball zu spielen. Gemeinsam spielen, sich vom Alltag ablenken, neue Tricks lernen – das interessiert mich bis heute.
Trotzdem überlege ich mir, mit dem Fussball aufzuhören. Es ist nicht mehr wie früher. Mit dem Alter steigt die Verletzungsgefahr, und die Heilung dauert länger. Aber zusammen mit den anderen zu spielen und neue Dinge zu lernen, macht mir halt schon Spass.»
Hintergründe im Live-Podcast: Radiojournalist Simon Berginz spricht mit Carmen Peter über ihre Arbeit. Sie ist Trainerin des StrassenfussballFrauennationalteams und fährt mit den Spieler*innen im August nach Oslo an den 20. Homeless World Cup. Die Episode wird am 13. Juni, am Erscheinungstag dieser Ausgabe, aufgenommen – und Sie können dieses Mal live dabei sein und Ihre Fragen stellen. Um 16 Uhr im Surprise Büro an der Münzgasse 16 in Basel. surprise.ngo/talk
Zusammenhalt und Zusammenspiel – beim Fussball geht es um Vertrauen, in sich selber und die anderen. Wie im richtigen Leben.


Gewinns p iel
Die UEFA Women’s EURO 2025 – live!
Vom 2. bis 27. Juli wird die UEFA Women’s EURO zum grössten Frauensportevent Europas – und Basel sowie Bern sind mittendrin. Basel ist mit dem Eröffnungs- und dem Finalspiel der Hauptaustragungsort des Turniers. Die Projektleitung erwartet fünf ausverkaufte Spiele und verspricht ein Fussballfest für alle. In den Fanzonen auf dem Barfüsserplatz und Messeplatz – täglich von 15 bis 23 Uhr geöffnet – können Public Viewing, Konzerte, Filme, Sportangebote (inkl. einer zehn Meter hohen Riesen-Rutsche) und eine Pokalausstellung besucht werden. So wird Basel zur Bühne für den Fussball.
Auch Bern feiert mit: Am Samstag, 5. Juli, lädt die Host City Bern gemeinsam mit Surprise zum «Berner Ballzauber» ein, einem Frauenturnier der Surprise Strassenfussball-Liga. Auf dem Waisenhausplatz wird unter dem Motto «Erlebnis statt Ergebnis» gekickt und gefeiert – mit mobilem Fussballfeld, Tribüne, Sommerlounge und der immersiven Filmshow «Unstoppable» zur Geschichte des Frauenfussballs. In der Fanzone auf dem Bundesplatz steht ein Riesenrad. Es gibt einen Monat lang Public Viewing, Konzerte und DJ-Sets – kostenlos und für alle offen. CLARA FASSE
Weitere Infos unter: weuro2025basel.ch und bernerballzauber.ch
Die Host City Basel verlost je 2 Tickets für das Eröffnungsspiel am Mittwoch, 2. Juli sowie für das Finalspiel am Sonntag, 27. Juli.
Die Host City Bern verlost je 2 Tickets für das Viertelfinalspiel am Freitag, 18. Juli.

Mitmachen unter surprise.ngo/gewinnspiel602 oder mit dem Stichwort Tickets sowie Name, Adresse, E-Mail und Geburtsdatum per Post an Surprise, Münzgasse 16, 4051 Basel. Teilnahmeschluss ist der 27. Juni. Die Gewinner*innen werden schriftlich benachrichtigt. Mindestalter ist 16 Jahre, der Wohnort in der Schweiz. Ihre Adressen werden nicht an Dritte weitergegeben und ausschliesslich von Surprise für Marketingzwecke verwendet. Zur Einlösung der Tickets werden Namen und Mailadressen der Gewinner*innen an die Host Cities Basel und Bern kommuniziert.
Veranstaltungen
Winterthur /Sarnen
«Never Enough», Zirkusstück, Do, 26. bis So, 29. Juni, Kulturzentrum Gaswerk, Winterthur; Fr, 4. und Sa, 5. Juli, Theater Altes Gymnasium, Sarnen. e1nz.ch

Das Schöne an Sprache ist, dass man sie manchmal so körperlich verstehen kann. Oder umgekehrt, dass physische Vorgänge auch metaphorisch einen Sinn ergeben. «Gleichgewicht» ist so ein Wort – wir suchen vielleicht nach einem inneren oder nach einem der politischen Kräfte. Und niemand gerät gerne aus dem Gleichgewicht, weder in den täglichen Routinen noch auf dem Velo. Das sind Themen, die sich gut für ein Körpertheater eignen. In «Never Enough» geht es also um eben dieses Gleichgewicht, nicht nur in der artistischen Darbietung, sondern auch in der Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen: Esther und Jonas Slanzi setzen sich als Artistik-Duo ENZ mit den verschiedenen Facetten menschlichen Verlangens auseinander – sei es materielle Gier, das Streben nach Erfolg oder das Bedürfnis nach Anerkennung. Die Compagnie ENZ ist im zeitgenössischen Zirkus zu verorten, der Zirkuselemente mit anderen Kunstformen wie Tanz, Musik und Theater verbindet. Balanceakte und das Spiel mit der Gravitation gehören dazu, mitsamt Holzstäben, Gewichtsteinen, Netzen, Schnüren und Seilen. Auch die Musikerin Heidi Happy ist Teil des Stücks – sie hat eigens dafür Kompositionen geschrieben und ist bei (fast allen) Aufführungen als Live-Musikerin dabei. DIF
Zürich
«About Us!», Kulturfestival, Do, 26. bis So, 29. Juni, Münsterhof, Wasserkirche und Kulturhaus Helferei, Eintritt frei. about-us.ch
Der Zürcher Münsterhof wird zum Festivalgelände. Seit über 20 Jahren schreibt Anna Thommen in ihr Notizbuch Geschichten aus dem Leben, basierend auf ihren Begegnungen mit Menschen, denen sie die Haare schneidet – Menschen, die sich einen Haarschnitt nicht leisten könnten. So ist sie zur Chronistin mit Kamm und Schere geworden. «Haarig» heisst nun ihr Programm mit Akkordeonmusik. Zarina Tadjibaeva und Olima Nabizoda wiederum laden die Anwesenden zu Bibi Mushkilkusho ein, einem Ritual aus Zentralasien, das einen Raum für verborgene Sorgen
Basel
«Bildrausch Filmfest Basel», Mi, 25. bis So, 29. Juni, diverse Spielorte, Festivalzentrum Stadtkino Basel, Klostergasse 5. bildrausch-basel.ch «Hello Neighbour»! So heisst das Thema des diesjährigen Bildrausch Filmfestivals. Wir alle sind Teil von Nachbarschaften. Doch was macht diese Gemeinschaft mit und um uns herum eigentlich aus? Nachbarschaft wird durch ein komplexes Geflecht aus Regeln, Mauern und oft unsichtbaren Grenzen strukturiert. Das wird in vielen der Filme klar, die hier gezeigt werden. Die dokumentarischen Kurzfilme des britischen Filmemachers Marc Isaacs überraschen durch die Nähe zu seinen Protagonist*innen, die er an alltäglichen Orten findet. Oft allein filmend, bleibt Isaacs als Person in den Szenen präsent. Eröffnet wird das Festival unter anderem mit «Copan»:
Fribourg
«Belluard Bollwerk Festival», Theater/Kunst, Do, 26. Juni bis Sa, 5. Juli, diverse Spielorte, Festivalzentrum in der Belluard-Festung. belluard.ch
Das Belluard Festival widmet sich während zehn Tagen den Themen Land, Erde, Territorium und Untergrund, und dies mittels Performance, bildender Kunst, Tanz, Film, Musik, Installation und Diskurs in und um die stimmungsvolle Belluard-Festung. Amrita Hepi, Künstlerin und Choreografin aus dem Pazifikraum, hält eine
öffnet. Lubna Abou Kheir und ihre Gruppe zeigen uns, wie der Reihentanz Dabke geht – er wird an Familienfesten und auf Bühnen, in Wohnzimmern und unter freiem Himmel getanzt. Und auch Surprise ist vertreten: Die Stadtführer und -Verkäufer Nicolas Gabriel, Heini Hassler und Urs Habegger sind zu Stadtschreibern geworden und begleiteten im «Literarischen Tagebuch» den Münsterhof durch seinen Alltag. Die Surprise-Verkäuferinnen Yordanos Weldemicael, Tsion Yohans, Fana Tesfay und Yordanos Berhe tragen eritreische Gerichte auf (Tavolata am Do, 26. Juni ab 18 Uhr) und eigene Texte vor: Es geht unter anderem um den Duschvorhang im Asylzentrum und die Frage, wieso bei einer eritreischen Grossmutter Präsident Kennedy an der Wand hing – angeblich. Sonntag, 29. Juni, 12 bis 12.30 Uhr: Seien Sie dabei! DIF

Die brasilianische Filmemacherin Carine Wallauer beobachtet das Edifício Copan, ein gigantischer Wohnblock mit 32 Stockwerken im Zentrum von São Paulo. In dem pulsierenden Organismus wohnen 5000 Menschen, eine von ihnen ist Wallauer selbst. Sie zeigt das Leben der Bewohner*innen und die Arbeit der zahllosen Angestellten. Während sich drinnen der langjährige Verwalter gegen die Wahl seiner Nachfolgerin wehrt, tobt draussen der Wahlkampf um die Präsidentschaft des Landes. DIF

Lecture-Performance, in der sie erforscht, wie wir über Land sprechen, wie es uns prägt und wie wir es beeinflussen. Und Basel Zaraas, dessen immersive Installationen schon andernorts zu sehen waren, schafft in Fribourg mit einem ausgestatteten Flüchtlingszelt einen Raum jenseits von Besatzung und Vertreibung, das den natürlichen und kulturellen Reichtum Palästinas ehrt. Die Frage, wie das Aufwachsen in Palästina die Identität der Menschen prägt, steht im Zentrum der Choreografie von Samaa Wakim, begleitet von einer LiveKomposition von Samar Haddad King. Simone Truong wiederum beschäftigt sich in ihrer Choreografie mit Fürsorge und überträgt die Rolle der Pilze von Geben, Nehmen und Vermitteln im Ökosystem auf die Gesellschaft. Und die Theater- und Performancekünstlerin Azade Shahmiri verwebt in ihrer forschungsbasierten, cineastischen Performance Briefe zwischen Frauen, Archivmaterial, Klanglandschaften und dokumentarische Erzählungen und erinnert uns damit an vergessene Geschichten, die unter der Erde schlummern. In den Gärten dieser Welt. DIF

Pörtner in Uznach
Surprise-Standorte: Migros Zentrum Einwohner*innen: 6912
Sozialhilfequote in Prozent: 1,6
Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 31,0
Feuer: Vom 18. auf den 19. August 1762 brannte das Städtchen nieder –und mit ihm die Kirche, das Spital und 82 Häuser.
Der Hauptstrasse entlang reihen sich Gasthäuser und Hotels aneinander, viele sind aber nicht mehr als solche in Betrieb. Nur im Erdgeschoss werden noch Bars, Clubs und Lounges betrieben, auch das eine oder andere Restaurant.
An einem Montagmittag sind die Läden geschlossen: das Kleidergeschäft, das auch Bodenbeläge und Vorhänge anbietet, das Haushaltwarengeschäft mit einem Mixer für unterwegs im Schaufenster, ein Geschenk und ein FairtradeLaden. Dieser wirbt dafür, zum vor Kurzem ins Land gezogenen Muttertag Gutscheine zu schenken: ... sie weiss am Beschte was sie will!
Im Sportgeschäft, das vor allem Koffer anbietet, steht der Räumungsverkauf an. Hinter dem Haus geparkt ist ein Auto, an
dem Werbung für einen aufs rumänische Präsidentschaftsamt Kandidierenden angebracht ist. Hier ist auch der Garten einer an dem Tag ebenfalls geschlossenen Beiz und ein kleines, verwittertes Gebäude, das keine besondere Funktion zu haben scheint, ausser dass eine schöne alte Lampe daran angebracht ist, daneben ein Schild, das vor Lebensgefahr beim Berühren der Apparate und Leitungen warnt. Überhaupt gibt es noch viele alte Gebäude und nicht alle wirken totalsaniert, hier und da blättert die Farbe, bröckelt der Verputz, rostet ein Geländer.
Gleich drei Chöre begeben sich auf eine DreiStationenTour durch die Region: Amadeus rockt Beethoven. Der Eintritt ist frei. Sowohl im ehemaligen Gasthaus Rössli wie auch im gegenüberliegenden Haus sind Monatszimmer zu vermieten,
die angegebenen Telefonnummern weisen auf unterschiedliche Anbieter hin. Ob sich dieser Wettbewerb positiv auf die Preisgestaltung auswirkt, ist nicht bekannt.
Am Haus vor dem Burgplatz, von dem aus weit ins Land hinausgeschaut werden kann, wurde ein alter Post zum Privatbriefkasten umfunktioniert. Plaketten an der Garage erinnern an Oldtimertreffen, es ist anzunehmen, dass sich im Innern solche befinden.
Auf dem Gelände der Kantonspolizei ist ein Geviert von hohen, mit Stacheldraht versetzten Mauern umgeben. Möglicherweise ein Gefängnishof.
Unterhalb des Burgplatzes steht ein altes Fabrikgebäude. Auf dem Fabrikkamin nisten die Störche, genau wie auf dem Kirchturm. Hier wird nichts mehr fabriziert, das Gebäude ist ein riesiges EdelBrockenhaus, wie es in der Eigenwerbung steht. Weiter oben, an der Hauptstrasse, sind die Schaufenster dieses Geschäftes unter anderem dem Thema Camping und Garten gewidmet. Ob der BrockeChäller auch dazu gehört ist nicht klar, hier sind im Schaufenster die in diesem Jahr bereits getätigten Spenden aufgelistet, es sind mehrere tausend Franken.
Gegenüber steht eine moderne Siedlung mit robotergemähten Rasen und aufgeräumten Sitzplätzen.
Etwas rätselhaft wirkt das von der Strasse zurückversetzte Schaufenster, von dem aus das Fundament eines Hauses zu sehen ist. Das Wasserrohr ist verziert, daneben hängt ein abstraktes Kunstwerk, die Prospektständer sind leer.
Archäologie oder Architektur, das ist hier die Frage.

STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher
Schriftsteller Stephan Pörtner besucht
Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
Die 25 positiven Firmen
Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung.
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Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.
Lebensraum Interlaken GmbH
Scherrer & Partner, Basel
www.tanjayoga.ch, Lenzburg
Kaiser Software GmbH, Bern
Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur
Peter Deubelbeiss AG, Brandschutzberatung
Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti
Automation Partner AG, Rheinau
SVIT Zürich
Stiftung Litar
Gemeinnützige Frauen Aarau
BODYALARM - time for a massage
Zehnder Arbeitssicherheit, Zürich
Evangelisch-Lutherische Kirche Basel
Madlen Blösch, Geld & So, Basel
AnyWeb AG, Zürich movaplan GmbH, Baden
Hagmann-Areal, Liegenschaftsverwaltung
Maya Recordings, Oberstammheim
Neurofeedback-tzk.ch, Kirchberg SG
TYDAC AG, Bern
CPLTS GmbH
Beat Vogel, Fundraising-Datenbanken
Holzpunkt AG, Wila
InhouseControl AG, Ettingen
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Spendenkonto:
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SURPLUS – DAS
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Das Programm
Wie wichtig ist Ihnen Ihre Unabhängigkeit?
Eine von vielen Geschichten
Ricardo Da Costa verliess 2003 GuineaBissau, wo seine Familie immer noch lebt. Der Mechaniker arbeitete zuerst als Bauarbeiter in Portugal und Italien. 2013 kam er in die Schweiz. Wenige Tage nach seiner Ankunft wurden ihm alle Wertsachen gestohlen und er stand er ohne Papiere da. Auf der Gasse lernte er einen Strassenmagazin-Verkäufer kennen und verkauft seither auch. «Ich bin froh, bei Surprise zu sein», erzählt Ricardo. «Manchmal komme ich traurig ins Büro und gehe mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder raus.» SurPlus ist für ihn eine grosse Unterstützung: Das ÖV-Abo ermöglicht Mobilität beim Heftverkauf und bei Schwierigkeiten stehen ihm die Mitarbeitenden mit Rat und Tat bei.
Einige unserer Verkäufer*innen leben fast ausschliesslich vom Heftverkauf und verzichten auf Sozialhilfe. Surprise bestärkt sie in ihrer Unabhängigkeit. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie erhalten ein Abonnement für den Nahverkehr, Ferienzuschlag und eine Grundausstattung an Verkaufskleidung. Zudem können bei finanziellen Notlagen aber auch für Gesundheits- oder Weiterbildungskosten weitere Unterstützungsbeiträge ausgerichtet werden. Die Programmteilnehmer*innen werden von den Sozialarbeiter*innen bei Surprise eng begleitet.

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#Strassenma g azin
«Radikale Alternative»
Warum wagt es niemand, eine radikale Alternative zu der jetzigen, miserablen Weltordnung zu formulieren? Es ist doch klar, dass sie nur möglich ist, wenn generell der persönliche Besitz beschränkt wird – etwa erst einmal auf 1 Million. Und alle nach Einnahmen besteuert werden, um die Pflichten der Gemeinschaft zu finanzieren. Und die Versorgung Schwächerer oder Ärmerer gesellschaftliche Pflicht ist. Und Gesundheitsversicherung allen gratis geboten wird. Und jede Art Waffen zum Töten von Menschen radikal verboten wird, demnach auch keine Armee aufgebaut werden darf. Dass Staaten auf Regionen geografisch definierter Grenzen reduziert werden, in deren Verwaltung Nationalität, Religionszugehörigkeit und Ideologie als strikte Privatsache keine Erwähnung finden. Und jede Form des Liebeslebens strikte Privatsache ist ohne Pflicht einer Deklarierung in der Administration. Wenigstens als Konzept eines Ziels darf so etwas thematisiert werden.
#598: Aus den Au g en, auf den Teller «Aus ethischen Gründen»
Ich möchte Ihnen zu Ihrem jüngsten Artikel über die Massentierhaltung in der Schweiz gratulieren. Ihre klare und ehrliche Darstellung der miserablen Zustände, unter denen Nutztiere leben, hat mich tief berührt. Während wir unseren Haustieren ein liebevolles Zuhause bieten, werden Nutztiere häufig unter Bedingungen gehalten, die kaum als lebenswert bezeichnet werden können. Es ist alarmierend, dass viele Menschen nicht wissen oder nicht wissen wollen, wie unsere tierlichen Produkte tatsächlich auf den Teller kommen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es kein Problem ist, aus ethischen Gründen auf Fleisch zu verzichten. Erfolg würden wir bereits erzielen, wenn jeder Mensch ein wenig zurückstecken würde. Dadurch könnte viel Leid in der Massentierhaltung reduziert werden. Ich hoffe, dass Ihre Berichterstattung viele Leser*innen dazu anregt, über ihre eigenen Konsumgewohnheiten nachzudenken und sich für eine tierfreundlichere Zukunft einzusetzen. Ich möchte insbesondere auch allen Verkäufer*innen von Herzen ein riesiges Dankeschön übermitteln, die möglicherweise ihre Bedenken geäussert haben, weil solche Artikel die Verkaufszahlen der Zeitschrift negativ beeinflussen könnten. Ich hoffe, dass die Geschäfte dadurch nicht weniger gut gelaufen sind.
TANJA F., ohne Ort
#598: Verlorene Kindheiten «Sorgfältig recherchiert»
Herzliche Gratulation zu eurem immer spannenden, gut geschriebenen und sorgfältig recherchierten Magazin. Auch die neue Nummer zum Thema Weggesperrt ist der Hammer und berührt mich umso mehr, als ich seit einem Jahr eine Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan beherberge und weitere Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, Angola und der Türkei begleite. Ich werde jeweils beim Coop in Buchs drei neue Magazine kaufen, zwei davon weiterschenken und dafür Werbung machen. Vielleicht eine Idee, die man weiterverbreiten könnte.
PETER SUTTER, Buchs
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Surp rise-Porträt
«Nun ist es Zeit, das zu machen, was ich will»
«Im meinem Leben gab es schon etliche Hürden zu überwinden. Die erste grosse war die Schulzeit. Ich war ein lebhaftes Kind, wollte viel wissen. Und doch gelang es mir nicht, das zu lernen, was man mir beibringen wollte. Nach zwei Jahren Steinerschule wechselte ich in eine heilpädagogische Schule und später in eine Stiftung, die Jugendliche bei der beruflichen Integration unterstützt. Dort gefiel es mir aber gar nicht, ich fühlte mich nicht verstanden und fehl am Platz. Deshalb brach ich die Ausbildung ab.
Weil mir klar war, dass ich Geld verdienen musste, wenn ich auf eigenen Beinen stehen wollte, ging ich zu meinem Vater und sagte: ‹Hilf mir eine Stelle finden, ganz egal was für eine!› Durch die vielen Kontakte, die er hatte, fand ich schon sehr bald einen Job in einem Logistikzentrum von Coop. Die Arbeit war streng, viel Schleppen, Entsorgen von verdorbenen, stinkenden Lebensmitteln, stundenlanges Abwaschen der verschmutzen Transportkisten, umgeben von Dampf wie in einer Sauna, während es in anderen Bereichen kühl und zugig war. Aber ich war jung und blieb, denn ich wollte zeigen: Ich kann in der ‹normalen› Welt bestehen. Ganze 24 Jahre lang habe ich das durchgezogen.
Irgendwann habe ich gespürt, dass es nun an der Zeit ist, das zu machen, was ich will, und selbst zu bestimmen, wohin es geht. Ich kündigte meine Stelle und absolvierte den Pflegekurs vom Schweizerischen Roten Kreuz. Mit Bestnoten und einem bereichernden Praktikum in einer Rehaklinik schloss ich ab. Ich war so glücklich über die neue Berufung und meine erste abgeschlossene Ausbildung! Die Freude hielt jedoch nicht lange an. In meiner ersten Anstellung in einem Alters und Pflegeheim kam es zu massiven zwischenmenschlichen Problemen, auf die ich nicht weiter eingehen will. Jedenfalls verlor ich danach komplett den Boden unter den Füssen. Es ging so weit, dass ich Sozialhilfe und schliesslich auch eine IVRente beantragen musste.
Vor ein paar Monaten schlug mir jemand aus meinem Bekanntenkreis vor, mich doch mal bei Surprise zu melden, Hefte verkaufen und dabei unter Leute zu kommen – das könnte mir vielleicht guttun. Bei meinem ersten Anruf bei Surprise hiess es, ich könne jederzeit vorbeikommen, was ich auch bald darauf tat. Ein Mitarbeiter des Büros in Bern hat mir alles erklärt, und wenig später bin ich mit den Startheften unter dem Arm zu meinem Standort beim Coop Steinhölzli ins Liebefeld gefahren. Seither bin ich in der Regel Montag bis Freitag jeweils am Vormittag so zwei Stunden am Verkaufen. Ich finde Surprise eine richtig gute Sache,

Pascale Pohl ist Surprise-Verkäuferin beim Coop Steinhölzli im Liebefeld und eine leidenschaftliche Malerin.
deshalb erkläre ich den Leuten gerne, was ich ihnen da zum Kauf anbiete, wenn sie Surprise noch nicht kennen. Ich erzähle ihnen, welche Themen im Heft stehen und was Surprise sonst noch bietet, also der Chor, der Strassenfussball, die Sozialen Stadtrundgänge in Basel, Zürich und Bern.
Ich selbst bin mit Unterstützung des SurpriseTeams auch schon daran, meinen eigenen Stadtrundgang zu planen und gestalten. Dass eine solche Tür aufgehen würde, hätte ich bei meinem ersten Anruf ins Büro nie für möglich gehalten. Doch bis mein Rundgang fertig ist, dauert es noch einige Monate. Bis dahin steht der Heftverkauf im Vordergrund. Der finanzielle Zustupf bedeutet für mich mehr Lebensqualität. Ich kaufe mir damit Sachen, die ich mir sonst nicht leisten kann, im Moment sind das vor allem Ölfarben, Pinsel und Leinwand. Ich bin eine leidenschaftliche Malerin und Künstlerin, zudem schreibe ich gern. Bei allem Kreativen, das ich mache, spüre ich, dass etwas aus mir herausmuss. Ich will mich entfalten können.»
Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN

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