Liebesspiel «Um Zungenküsse reisse ich mich nicht» Liebe vorzugaukeln ist nicht einfach. Weder im richtigen Leben noch auf der Bühne. Ein Gespräch mit der Basler Schauspielerin Charlotte Heinimann über Mittel und Wege, das Publikum von der innigen Verliebtheit der Protagonisten zu überzeugen. VON MICHAEL GASSER (INTERVIEW) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)
Charlotte Heinimann, gibt es Schlimmeres, als eine Liebesszene spielen zu müssen? Schlimmer ist, wenn bei einer Produktion die Chemie nicht stimmt. Selbst die beste Rolle macht keine Freude, wenn man sich mit dem Regisseur oder den Kolleginnen und Kollegen nicht versteht. Das kann ganz schrecklich werden und ziemlich traurig stimmen. Man weiss, die ganze Sache hätte so toll werden können, aber es gelingt einfach nicht. Wie gerne spielen Sie denn Liebesszenen? Genauso gerne wie andere Szenen auch. «Romeo und Julia» gilt für viele ja als das Liebesstück par excellence, auch für Schauspielerinnen und Schauspieler. Wollten Sie früher auch unbedingt mal die Julia geben? Einmal habe ich die Julia gespielt, zumindest ein ganz klein wenig. In einem Stück namens «Shakespeares sämtliche Werke – leicht gekürzt». Da war ich aber schon viel zu alt für die Julia. Meine Wunschrollen waren nie die Julia oder Goethes Gretchen. Schon als Kind waren Prinzessinnen nie mein Ding, die böse Hexe faszinierte mich weit mehr. Eigentlich habe ich schon immer zu den «komischen Alten» tendiert. Oder zu den grossen tragischen Rollen.
Luki Frieden, legte grosse Sorgfalt an den Tag. Das zeigte sich etwa daran, dass die Szene nicht gleich zu Beginn der Dreharbeiten aufgenommen wurde, sondern erst, als man mit der Crew und den Kollegen vertraut war. Von den rund 20 Filmleuten waren dann nur die anwesend, die wirklich nötig waren, alle anderen mussten raus. Das ganze Drumherum war sehr liebevoll. Was war der beste Tipp, den Sie in Sachen Liebesszene jemals bekommen haben? Glaub dir selbst! Eine Liebesszene muss einfach überzeugen. So wie jede andere Szene auch. Meine Einstellung bleibt immer dieselbe: Ich nehme die Sache ernst. Egal, ob ich nun einen Wutanfall oder eine Kussszene spiele. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten gespielten Kuss? Jessas, das weiss ich nun wirklich nicht mehr. Werden Liebesszenen mit den Jahren zum Klacks? Beim Schauspielern darf nie etwas zum Klacks werden. Jede Szene soll eine Herausforderung bleiben. Natürlich, wenn man seinen Bühnenoder Filmpartner bereits kennt, dann ist das Spielen zuweilen schon einfacher. Und woran denken Sie, wenn Sie eine Liebesszene spielen? In solchen Momenten habe ich meine Denkhilfen. Ich rufe Erinnerungen ab, mit deren Hilfe ich mich in die gewünschte Stimmung versetze. In diesem Fall löst sie dann das Gefühl der Verliebtheit in mir aus. Es
Sie haben eine Schauspielausbildung genossen. Stand da auch auf dem Programm, wie man sich auf der Bühne oder vor der Kamera richtig küsst? Früher hat man sich nicht direkt auf den Mund geküsst, sondern knapp daneben. Doch «Die Bettszene mit dem Nachbarsjungen machte mir Angst. seither hat sich einiges verändert, unsere GeMein Partner war 17 und ich über 40.» sellschaft oder unsere Moralvorstellungen. Wenn sich zwei auf der Bühne oder öffentlich küssen, geht heute nicht mehr gleich das Gerücht um, die hätten etwas kann auch sein, dass ich mir dabei gewisse Farben, Gerüche oder Ummiteinander … Um Zungenküsse auf der Bühne reisse ich mich aber gebungen vorstelle. So baut sich ein inneres Fantasiebild auf. Es bleibt nicht. Vor allem, wenn ich mein Gegenüber nicht sonderlich appetitlich aber stets bei einer professionellen Distanz zu meinem Partner, selbst finde. wenn das im Idealfall nach Liebe ausschaut. Das ist auch gut so. Wie wichtig ist denn der Regisseur für eine Liebesszene? Ganz wichtig. Vor allem auch bei Szenen, die im Bett landen. Da ist das Vertrauen zum Regisseur enorm wichtig, denn da ist man ja im wahrsten Sinne des Wortes nackt. Nicht, dass ich da über besonders viel Erfahrung verfügen würde. Vor gut zehn Jahren hatte ich im Film «November» eine Bettszene mit einem ganz jungen Mann. Der Regisseur, SURPRISE 229/10
Haben Sie sich beim Spielen einer Liebesszene schon mal verliebt? Ja. (lacht) Gehen Sie heute eine Liebesszene anders an als vor 25 Jahren? Sicher, ich spiele heute alles anders als vor 25 Jahren. Inzwischen habe ich einen Rucksack an Erfahrungen. Vielleicht gehe ich ein wenig
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