Tee-Geschichten Leseprobe

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CIP - Titelaufnahme der deutschen Bibliothek Fabian Schefold Herr T, Tee-Geschichten Monica Schefold, Collagen ISBN 978 3 944201 96 2 © 2016 by Sujet Verlag Satz und Layout: Monica Schefold, Madjid Mohit Druckvorstufe; Sujet Verlag, Bremen Printed in Europe 1. Auflage 2016 www.sujet-verlag.de


Herr T Tee-Geschichten Fabian Schefold Monica Schefold Collagen


Tank Ich hätte einfach ein Gramm mehr nachdenken sollen. Dieses eine Mal nicht die routinierten Bewegungen ausführen sollen, nur dieses eine Mal eine Sekunde verharren, überlegen. Und es dann nicht tun. Die Tür schließen, sie aber nicht verschließen. Weil das beim Tanken nicht Not tut. Man bleibt ja beim Auto und hat’s immer im Blick. Gut, im Film werden manchmal Autos auf der Tankstelle geklaut. Im Leben nie, nicht da. Der Rest ist schnell erzählt. Die Zentralverriegelung gab genau in diesem Moment ihren Geist auf. Nur ein bisschen zwar, aber ein entscheidendes. Die Kopplung der Zentralverriegelung mit der Tankdeckelverriegelung war in eben dieser Sekunde verreckt. Im Arsch. Abgekackt. Entschuldigung. Türen offen, Tank leer, Tank zu. Ich probierte alles, aufmachen, zumachen, aufmachen, zumachen. Türen gingen auf und zu, Tankdeckel nicht. Absolut verschlossen, für immer und ewig. Naja, für jetzt halt. Ausgerechnet. Ein winziger Draht wahrscheinlich. Und mein Leben. Dieser Jobtermin war eminent wichtig, nicht wie die früheren Jobtermine, die ich aus Gründen, die ich nicht in der Hand hatte, nicht wahrnehmen konnte, die waren auch wichtig gewesen, aber nicht so wichtig. Nicht 16


so wichtig für mich. ‚Können Sie bei dieser Kundenvisite mal kurz für den Chef einspringen, aber sie wissen ja, Sie können sich keine falschen Versprechungen mehr leisten.’ Wusste ich, wusste ich. Nur nicht, dass dieses Ungetüm von Auto ausgerechnet in dem Moment ... Ich konnte mir kein besseres Auto leisten, dafür hätte ich eine bessere Stelle gebraucht. Gestatten, bin 53, man hat mich gerade wegen Unzuverlässigkeit gefeuert, aber den Job bei Ihnen hätte ich trotzdem gerne. In Wirklichkeit bin ich nämlich ein netter Mensch, ich hab nur manchmal Pech. Haha. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Autobahntankstelle: Trampen. Es gab auf dieser unauffälligen Tankstelle an dieser wenig befahrenen Strecke zu dieser selten zum Autofahren genutzten Tageszeit kein einziges weiteres Auto. Aber bestimmt ein Telefon. Der Tankstellenmann war ein sehr netter Mensch. „Wir haben grade Probleme mit der Telefonleitung, die Telekom wollte eigentlich gestern Nachmittag vorbeikommen. Hat wohl nicht geklappt, die haben ja auch jede Menge Arbeit jetzt mit dem ganzen ISDN und dem anderen neuen Kram.“ „Nein, ich habe kein eigenes Auto, mit dem Bus geht das total schnell hierher, und ist viel billiger und zuverlässiger.“ „Das tut mir leid, ich geb Ihnen einen Kaffee aus, es kommt bestimmt gleich wer, der 17


Sie mitnehmen kann.“ Der Kaffee war schön stark. Immerhin konnte ich so in Ruhe die Uhr studieren. Die Zeiger bewegten sich. Die Uhr ging, das Telefon nicht. Die Uhr ging viel zu gut. Ich musste was unternehmen. Ich schlug die Beine übereinander. Ich würde mich einfach selbstständig machen. Ein schnuckliges kleines Gewerbe eröffnen, irgendwas ohne Termine; vor allem ohne Auto. „Lebende Kleiderpuppe zu vermieten, standfest und billig.“ Prima. Sehr lustig war ich heut wieder. Kommt bestimmt gleich wer. Scheißuhr. Dann, endlich, fuhr dieser Brummi auf die Tankstelle. LKWs sind langsam, aber sie haben keine Zentralverriegelung. Diese alten bestimmt nicht. Pech ist nur die Kehrseite von Glück. „Ja klar, ich kann Sie dahin mitnehmen. Ich find’s sowiese schade, dass heutzutage kaum noch getrampt wird. Oben reden sie von Umweltschutz. Ich sag immer: Sollen Sie doch Tramper-Mitnehmen zur Pflicht machen. Gesetze machen können die doch sonst auch. Ich zahl‘ noch schnell.“ 18


Ein Glück. Er fuhr an. Alles typisch LKW; Fahrer, lauter bunte Bildchen an die Verkleidung gepinnt. Er war ein bisschen rot im Gesicht. Außerdem roch es irgendwie merkwürdig. Und dann überall diese PinUps. Lauter nackte Männer. Nackte ältere Männer. Irgendwie eklig.

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