JusKnacker - Ausgabe 18, Juni 2014

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Gedanken zum Jus-Studium Wir sind eben doch etwas besonderes. Wenn ich mich mit KollegInnen anderer Studienrichtungen über das Jus-Studium unterhalte, sind diese immer höchst verwundert, dass man in den ersten sechs Semestern des Studiums keine einzige wissenschaftliche Arbeit schreiben muss – während sie zu diesem Zeitpunkt schon fast ein Dutzend Seminararbeiten hinter sich haben. Eine/ ein Jus-StudentIn soll dann ohne wirkliche Schreiberfahrung aus dem Stegreif eine Diplomarbeit hinlegen – wie viel besser würden Diplomarbeiten ausfallen, wenn man die ersten Gehversuche beim Schreiben bereits vorher hinter sich bringen könnte? Oft frage ich mich, wo im Jus-Studium sich der wissenschaftliche oder methodische Teil verbirgt – haben andere Studien einen klaren Methodenblock, passiert die Methodenlehre bei uns überall und doch nirgends. Wenn man dann zum Kern eines Rechtsproblems vordringt, ist dann natürlich doch wieder Argumentation gefragt – leider muss hier der Hausverstand herhalten, denn was Argumentationstheorie betrifft, gibt das Studium nur wenig her – obwohl das eigentlich Kernfach sein müsste. Wahrscheinlich wären diesbezüglich Philosophen die besseren Juristen, denn sie lehren wie man argumentiert. Auch vermisse ich einen Rhetorikunterricht im Studium – gute JuristInnen ohne rhetorische Fähigkeiten sind nicht vorstellbar. Auch Ethik müsste Fach im Jus-Studium sein – auch wenn man von einem Rechtspositivismus ausgeht: Wo bleibt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gerechtigkeitsbegriff? Dass diese nötig wäre, erkennt man schnell, wenn man bedenkt, in welchem Ausmaß Recht in das Leben der Menschen hineinwirkt. Hier heißt es dann, dass Argumentationstheorie, Rhetorik und Ethik ja als Wahlfächer besucht werden könnten – doch das ist genau so, als würde man einem angehenden Mathematiker sagen, er solle Arithmetik als Wahlfach in seiner Freizeit belegen. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie diese Fächer im Jus-Studium Platz hätten, wenn dieses jetzt schon übervoll ist? Würde sich das Jus-Studium anstatt auf Details, die man ein halbes Jahr nach

STUDIUM stv-juridicum.at

dem Lernen ohnehin wieder // David vergessen hat, auf allgemei- Unterberger ne Prinzipien konzentrieren, wäre genug Platz im Studium David Unterberger frei! Auch würde das Studium studiert das Diplomstudiso international an Wert ge- um Rechtswissenschaften. winnen. Er ist Sachbearbeiter im Dass der Zugang des Studi- JusKnacker-Referat der Stuums so wenig wissenschaft- dienvertretung Juridicum. liche und kritische Elemente enthält, lässt sich vermutlich historisch erklären: Als in vordemokratischerer Zeit der grundlegende Aufbau des Jus-Studiums erdacht wurde, ging es wohl eher darum, Nachschub für den Verwaltungsapparat des Fürsten heranzuzüchten als um reflektierte Akademiker. Bei all diesen Gedanken darf nicht vergessen werden, dass ein großer Teil der Studierenden an einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung rund um Recht gar nicht interessiert ist, sondern im Studium nur eine Ausbildung zur Tätigkeit im juristischen Bereich sieht. Wenn das Jus-Studium schon nicht wissenschaftlich ist, ist es dann wenigstens praxisnah? Wir kennen alle die Antwort auf diese Frage. Vielleicht sollte es zwei Jus-Studien geben: Eines an der Fachhochschule für jene, die nur Berufsausbildung suchen und ein wissenschaftliches an der Universität für jene, die sich tiefer mit der Sache beschäftigen möchten. Irgendwas muss sich in dieser Richtung jedenfalls grundlegend ändern, denn so wie jetzt ist das Studium weder Fisch noch Fleisch: nicht wissenschaftlich, aber auch nicht praxisnah. Wissenschaft oder Praxis – wohin führt die universitäre Ausbildung?


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