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die ernährung wirtschaft economy
Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft
Volume 45 | 01. 2021
Gut verankert Trends: Das tut sich in der Lebensmitteltechnologie Seite 46 © Adobe Stock – pressmaster
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volume 45 | 01. 2021 ERNÄHRUNG | Nutrition Abstracted in CHemical Abstracts abstracted in scopus
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Höchste Qualität von der Saat bis zum Öl
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ERNÄHRUNG | Nutrition volume 45 | 01. 2021
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3 inhalt content
inhalt —
Liebe Leserin, lieber Leser,
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Wirtschaft economy
zum Jahresbeginn richten wir den Blick nach vorne: Diese Ausgabe von DIE ERNÄHRUNG steht unter dem Motto Trends. Wie wichtig diese sind, um zukunftsfit zu bleiben, weiß Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe. Zum 130-jährigen Jubiläum seines Unternehmens spricht er über Erfolgsfaktoren und Innovation.
04 Gut verankert 08 Welche Trends haben Zukunft? 11 Expertenforum 17 Covid und das Zeitalter der Veränderung
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Technik Spezial technology special
Gesellschaftliche und technologische Entwicklungen beeinflussen die Welt von morgen. FoodtrendForscherin Hanni Rützler nimmt den Wandel unserer Esskultur unter die Lupe. Spannende Einblicke in die Innovations-Forschung liefert DI Sabrina van den Oever. Die Gewinnerin des Wissenschaftspreises DER ALIMENTARIUS 2020 beschäftigt sich mit Polyaminen und deren Eigenschaften.
II Nachhaltig und forschungsorientiert IV Wasserqualität auf höchstem Niveau VI Luftreinigung in der Lebensmittelindustrie VIII Das HACCP-Konzept mit Software umsetzen XII IFS Version 7: Das müssen Sie wissen XVI Hygiene durch mobile Reinigungsroboter
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Wissenschaft science 39 Transformation von Futter in tierische Lebensmittel 42 UHPLC-Analytik von freien Aminosäuren und Polyaminen in Sojabohnen 46 Trends: Das tut sich in der Lebensmitteltechnologie 49 Ernährungsmitbedingte Erkrankungen im Fokus – ein Update
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recht law 52 Insekten (bald) in aller Munde?
54 Impressum
Innovationen sind für den Standort und heimische Arbeitsplätze in der Branche unverzichtbar. Das erfordert ein positives Wirtschaftsumfeld. Daher bleibt das unbeirrte Festhalten des Landwirtschaftsressorts an den Auflagen einer Herkunftskennzeichnung nur für unsere heimischen Hersteller unverständlich. Statt unsere Lebensmittelindustrie gerade jetzt, in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945, zu unterstützen, werden ihr mit Gold Plating Hürden und Bürokratie in den Weg gelegt. Wer übernimmt dafür die politische Verantwortung? Erfolgreiche Agrarpolitik schaut anders aus.
Katharina Koßdorff
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Gut verankert Interview Die Ernährung sprach mit Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe, über starke Marken, DAS FIRMENJUBILÄUM, BäckerKnow-how, Auswirkungen von Corona auf ein traditionelles Unternehmen, Trends, den Standort Österreich und geplante Entwicklungen. Oskar Wawschinek
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ie Ernährung Sie feiern heuer mit Ankerbrot 130 Jahre – ein stolzes Jubiläum! Was ist das Erfolgsgeheimnis? Walter Karger: Mutige Entscheidungen zu treffen, das hat die Firma Ankerbrot schon immer ausgezeichnet, und das haben schon unsere Gründer bewiesen. Sie haben investiert und es als Erste geschafft, das Bäckerhandwerk zu automatisieren. Auch wir müssen – gerade in dieser schwierigen Zeit – investieren und mutige Entscheidungen treffen, denn das liegt in der DNA unseres Unternehmens. Wie sagt man so schön, was einen nicht umbringt, macht einen stärker – in diesem Sinn kommen starke Marken oftmals noch stärker aus einer Krise wieder heraus. Ein zweites Erfolgsgeheimnis ist unser unglaubliches Personalkapital. So haben wir beispielsweise über 80 Bäckerinnen und Bäcker bei uns beschäftigt, die teilweise schon Jahrzehnte im Unternehmen sind und die ein unglaubliches Knowhow in die tägliche Arbeit einbringen. Die meisten haben wir auch selber ausgebildet. Aktuell sind es rund 20 Bäckerlehrlinge, die bei uns ihre Ausbildung durchlaufen und die auch regelmäßig bei Wettbewerben gewinnen. Insofern
ist eine Bäckerausbildung bei Ankerbrot ein echtes Gütesiegel, auf das man stolz sein kann. Auch der wertschätzende Umgang miteinander ist ein ganz wichtiger Aspekt. Wir bei Ankerbrot begegnen einander auf Augenhöhe mit flachen Hierarchien und pflegen trotz unserer Unternehmensgröße einen fast familiären Umgang miteinander. Wie haben Sie im Unternehmen die Coronakrise bisher erlebt? Sie haben ja eigene Filialen und liefern zusätzlich an Kunden. Was hat sich verändert? Karger: Das Geschäft der Ankerbrot Gruppe baut auf drei Säulen auf: Unserem Filialgeschäft, der Zusammenarbeit mit dem Lebensmittelhandel sowie dem Bereich Gastronomie/Hotellerie, den wir über unsere Submarke Linauer beliefern. Natürlich spüren wir eine drastisch geringere Kundenfrequenz in unseren Filialen, das betrifft besonders stark Standorte an Verkehrsknotenpunkten oder in Einkaufszentren. Auch die Schließung unserer Kaffee-/Gastronomiebereiche in sämtlichen Filialen führt ebenso zu massiven Umsatzeinbußen. Einige Filialen mussten wir aufgrund gänzlich ausbleibender Kundenfrequenz vorübergehend komplett schließen, z.B. die Filiale am
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WU-Campus oder am Flughafen. Wir haben aber auch 2 neue Filialen im letzten Jahr eröffnet – eine im 9. Bezirk in der Alserbachstraße bei der Markthalle und unsere Flagship-Filiale mit einem komplett neuen Filialauftritt in der Kärntnerstraße/Ecke Walfischgasse. Was den LEH betrifft, so sahen wir uns als einer der wichtigsten österreichischen Brot- und Gebäck-Partner für den LEH ganz zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen mit einer leicht verstärkten Nachfrage durch vermehrte Vorratskäufe konfrontiert. Das hat sich aber sehr schnell wieder auf einem durchschnittlichen Niveau eingependelt. Auch als Lieferant für die Gastronomie und Hotellerie sind wir natürlich stark betroffen. Hier sind wir derzeit – wie viele andere auch – mit einem massiven Einbruch dieses Geschäftszweigs konfrontiert. Wie gehen Sie als Ankerbrot mit Trends um? Wie reagieren Sie auf diese? Karger: Ankerbrot war immer schon Trendsetter und ein Pionier der Bäckereibranche. Besonders stolz sind wir auf unsere Natursauerteiganlage, die Ankerbrot 1978 als erstes Bäckereiunternehmen entwickelt und in 14 Ländern patentiert hat.
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© katharina schiffl
about
Zum Unternehmen —
Die Ankerbrot Gruppe betreibt rund 130 Bäckereifilialen mit Schwerpunkt auf den Großraum Wien und ist damit der größte Bäckereifilialist Österreichs. An den beiden Standorten in Wien-Favoriten und Lichtenwörth wird täglich frisches Brot und Gebäck für die eigenen Filialen und den österreichischen Handel gebacken. Die Ankerbrot Gruppe beschäftigt rund 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Umsatz betrug 2020 rund 95 Millionen Euro. Weitere Informationen finden Sie unter www.ankerbrot.at
© ankerbrot
Dabei wird seit über 40 Jahren durch ein Rohr kontinuierlich Roggenmehl und Wasser gepumpt und ohne jegliche Zusatzstoffe zu Natursauerteig verarbeitet. Dieses Herzstück der Ankerbrotbäckerei wird von erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund um die Uhr 365 Tage im Jahr gehegt und gepflegt. Nichts wird dem Zufall überlassen, gilt es doch, die etwa 300 speziellen Aromen, die sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt haben, durch die Steuerung der Temperatur je nach Brotsorte perfekt zu entfalten. Unsere Bäcker und Bäckerinnen wissen – mehr Kälte bedeutet mehr Säure im Endprodukt, mehr Wärme führt zu einem milderen Ergebnis. Hier sind Fingerspitzengefühl und Know-how gefragt. Das Filialgeschäft hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Eine Bäckereifiliale ist nicht mehr in erster Linie der Ort, wo man einfach nur Brot und Semmeln einkauft. Es geht vielmehr darum, den Ort in seinem Grätzel zu finden, wo man sich wohlfühlt, wo es noch eine persönliche Beziehung zwischen Verkäuferin oder Verkäufer und Kunde oder Kundin gibt, wo das angeboten wird, was aktuellen Konsumbedürfnissen entspricht. Saisonalität spielt bei uns ebenfalls eine große Rolle. Regionalität ist ein Kernthema. So beziehen wir unsere Rohstoffe, soweit es nur irgendwie möglich ist, aus Österreich, bei Mehl sind es 100 Prozent. Als Filialist heißt Regionalität für uns aber auch Präsenz vor Ort, in jedem Grätzel. Wir sind sehr stolz auf unseren nunmehr 130 Jahre langen Beitrag zur Lebensqualität der Menschen in und außerhalb von Wien. Mit dem neuen Bäckereistandort werden wir mutig, wie unsere Gründer, in die nächsten 130 Jahre gehen. Mit unserer starken Marke, unserem Know-how, mit neuen Pionierleistungen. Für den Lebensmittelhandel sind wir wie immer ein verlässlicher Partner, der nicht nur volle Versorgung sicherstellt, sondern zukünftig auch noch flexibler mit Mehrwertkonzepten und -produkten vor allem unter der Marke ANKER auf Kundenwünsche eingehen kann. Worin sehen Sie die Herausforderungen für die Branche insgesamt und für Ihr Unternehmen im Speziellen?
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Karger: Die große Unbekannte ist die Zeit nach der Coronakrise – wann immer das auch sein mag. Wir können derzeit noch nicht abschätzen, wie sich die Kundenfrequenz und das Konsumentenverhalten dauerhaft verändern werden. Denn das Einkaufsverhalten hat sich durch die Lockdowns und die Homeoffice-Tätigkeit verändert. Die „kleinen“ Einkäufe auf dem Weg hin oder von der Arbeit fallen weg. Man geht weniger oft einkaufen, und kauft dafür eher mehr auf einmal ein. Auch das One-stop-Shopping hat sich durch Corona verstärkt. So stellen wir auch eine Verschiebung hin zu abgepackten Produkten aus dem Supermarkt fest. Dazu kommt, dass wir als Unternehmen ja bereits intensiv an der Verlagerung des Produktionsstandorts arbeiten. Ein sehr großes und herausforderndes Projekt – das uns aber gleichzeitig den Weg in die Zukunft weist. Wo sehen Sie Chancen für Innovationen? Karger: Wir beobachten derzeit den starken Wunsch nach Vertrautem, nach dem Geschmack, den man schon seit Kindheit kennt. Deshalb suchen wir oft nach alten Rezepten im eigenen Haus oder übersetzen gelernte Geschmäcker in moderne Produktformate. Ein gutes Beispiel sind unsere Wiener Mehlspeisen – das sind Neuinterpretationen für unterwegs in Form von Germknöderl, Mohnnudeln, Buchteln oder auch Kaiserschmarren. Allesamt in der praktischen Muffinform. Sie planen einen kompletten Neubau – warum ist eine Übersiedlung notwendig? Wie ist der Zeitplan? Karger: Wie gesagt, trotz Covid arbeiten wir mit Hochdruck an der Realisierung unseres neuen Standorts. Aus jetziger Sicht können wir den Zeitplan einhalten und planen den Spatenstich für Anfang 2022. Grund für den Neubau ist, dass sich die Anforderungen hinsichtlich Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit und Produkte geändert haben. Am neuen Standort können wir energieeffizienter produzieren und Markttrends flexibler umsetzen. Im Vertrauen auf die solide Basis der jahrzehntelangen guten Zusammenarbeit mit dem Lebensmittelhandel investieren wir in dieses ambiti-
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onierte und zukunftsweisende Projekt. Damit schaffen wir neue Möglichkeiten, die uns auch viel mehr Spielraum geben, hochqualitativ auf Kundenwünsche und -bedürfnisse eingehen zu können. Welche technologischen Veränderungen hat es in den letzten Jahren gegeben? Was werden Sie im Zuge des Neubaus ändern, was wird bleiben? Karger: Während es früher vor allem um Quantität ging, ist der Anspruch heute ein ganz anderer. Es geht um Qualität, Nachhaltigkeit und Saisonalität mit spannenden neuen Zutaten unter Einhaltung höchster Hygienebedingungen. Dies muss eine moderne Bäckerei auch technisch umsetzen können. In unserem geplanten Neubau können wir noch besser auf modernste Standards antworten. Ein gutes Beispiel, was neue Technologien angeht, ist der Verpackungsbereich, wo in Zukunft mit entkeimter Luft gearbeitet werden soll. Damit wird die Haltbarkeit der Backwaren auf natürliche Weise verlängert. Welche Bedeutung haben im Unternehmen Qualitätsmanagement und Zertifizierungen? Karger: Eine sehr große Bedeutung – wir haben eine hochqualifizierte Abteilung im Bereich Qualitätsmanagement. Zertifizierungen wie IFS, AMA, Bio usw. sind heute Standard für viele Produktbereiche. Wie sehen Sie die Diskussion um Zucker, Fett und Salz im Zusammenhang mit Übergewicht? Karger: Bei unseren Produktentwicklungen ist dieses Thema allgegenwärtig. Unser Anspruch ist es, einen „gesunden“ Kompromiss zwischen der Reduktion von Zucker, Fett und Salz einerseits und dem Geschmack andererseits zu finden. Wie gehen Sie mit den Themen Gluten und Zöliakie um? Welche Bedeutung hat „vegan“ im Sortiment? Karger: Bei echter Glutenunverträglichkeit, also Zöliakie, muss die oder der Betroffene auf Gluten komplett verzichten und ausschließlich zu glutenfreien Produkten greifen. Da in diesem Fall selbst Spuren von Gluten zu heftigen Reaktionen des Körpers führen, ist die Produktion von glutenfreien Produkten in einer herkömm-
person
Zur Person — Biographie Walter Karger wurde 1962 geboren. Er ist in Wien-Favoriten aufgewachsen und wurde so bereits seit Kindheitstagen vom Duft des frisch gebackenen Brots in der Ankerbrotbäckerei begleitet. Nach seiner Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur hat er seine berufliche Karriere im Controlling bei Unilever/Eskimo-Iglo gestartet und in Summe 18 Jahre im Konzern verbracht. Nach der Rolle des CFO bei Avanti und des Geschäftsführers bei Forstinger wurde er 2011 zum Geschäftsführer der Austro Holding bestellt und ist für diverse Beteiligungen federführend verantwortlich. Seit 2013 ist er im Aufsichtsrat von Ankerbrot, seit 2018 operativ als Geschäftsführer der Ankerbrot Gruppe tätig.
lichen Produktion nicht umsetzbar. Die Produkte können auch nur verpackt angeboten werden. Was uns betrifft, so setzen wir auf Methoden zur besseren Bekömmlichkeit – Vorteige, Quellstücke oder Langzeitführungen des Teiges sind konkrete Beispiele. Was das Thema vegan angeht, so waren wir die Ersten die alljährlich zur Faschingssaison einen veganen Krapfen anbieten, eindeutig erkennbar durch seine quadratische Form. Auch Mehlspeisklassiker wie das Ribiseltascherl, das es seit den 1970er Jahren in unseren Filialen gibt, sind vegan. Mit unseren gefüllten Weckerln bieten wir einen bunten Mix an Produkten für Vegetarier, Veganer, aber natürlich auch für Fleischtiger an. Wie wichtig sind für Ihr Unternehmen Herkunftskennzeichnung und Regionalität? Wie gehen Sie damit um? Karger: Der Fokus auf regionale Herkunft wird in Zukunft sicherlich eine noch größere Bedeutung für die Kaufentscheidung der Konsumentinnen und Konsumenten haben. Für uns bei Ankerbrot war und ist das aber immer schon eine
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Selbstverständlichkeit. Wir verarbeiten ausschließlich österreichisches Mehl und setzen auch bei den restlichen Rohstoffen, wann immer es möglich ist, auf österreichische Herkunft. Welche Bedeutung hat für Sie der Standort Österreich insgesamt? Karger: Wir sind im Herzen Wien. Das betrifft sowohl unseren Produktionsstandort wie auch unsere Filialen. Fast 90% unserer ANKER-Filialstandorte befinden sich in Wien. Zusätzlich ist Ankerbrot auch ein wichtiger Partner des Lebensmitteleinzelhandels, der besonderen Wert auf österreichische Qualität legt. Was ist Ihr Lieblingsgericht? Karger: Besonders gerne esse ich das ANKER-Briochekipferl, ab und zu gönne ich mir auch unsere Riesen-Nussschnecke. Klassiker sind generell ganz oben auf meiner Hitliste – zum Beispiel Rindsrouladen mit Bandnudeln, die hat meine Oma immer ganz besonders großartig gekocht.
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Welche Trends haben Zukunft? Im Bereich der Lebensmittelproduktion und Ernährung entstehen immer wieder neue Methoden und Technologien, Innovationen und Trends. Einerseits werden gesellschaftliche Tendenzen abgebildet, wie bei der verstärkten Nutzung von Pflanzen für die menschliche Ernährung, andererseits sind auch groSSe Entwicklungen, wie der Klimawandel und damit die Frage der Verringerung von CO2-Emissionen, Treiber der Veränderungen. Ein Überblick. Oskar Wawschinek
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in schon seit längerer Zeit bestehender Trend ist die Diskussion über die verstärkte Nutzung von Pflanzen für die menschliche Ernährung. Dabei geht es in verschiedene Richtungen: einerseits die Nutzung der Pflanzen selbst und andererseits in Richtung Ersatzprodukte, meist für Fleisch oder andere tierische Lebensmittel wie Butter oder Milch. Ein Treiber dieser Entwicklungen ist die Diskussion um den CO2-Ausstoß. Zumeist wird argumentiert, dass tierische Lebensmittel einen höheren CO2-Fußabdruck haben. Das beruht darauf, dass Tiere Futter bekommen, das Menschen auch direkt als Nahrung dienen könnte (Getreide, Soja etc.). Die Umsetzung im tierischen Körper führt zu weiteren Umsetzungsverlusten. Andererseits ist tierisches Eiweiß aus Sicht der biologischen Verwertbarkeit hochwertiger. Beachtet man daher noch weitere Parameter wie die Nutzung von Biomasse (Gras etc.) durch Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen), zeigt sich, dass es zu einem positiven Effekt kommt, weil der Mensch die Zellulose dieser Pflanzen nicht direkt aufschließen kann.
Zwei Studien1, 2 des FiBL Schweiz (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) zeigen, dass auf weltweit zwei Dritteln allen für die Ernährung genutzten Landes, das heißt auf 3,4 Milliarden Hektar Dauerwiesen und -weide, kein Pflügen und damit auch kein Ackerbau möglich ist. Aus Sicht der nachhaltigen Ernährung macht es keinen Sinn, diese Flächen nicht mit Wiederkäuern zu nutzen. In einer der beiden Studien heißt es: „Zwar würden – und das sagen Veganer zu Recht – 10 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Lands, auf welchem heute Mais, Soja und Getreide für die Tierfütterung angebaut werden, für die direkte menschliche Ernährung frei. Das darauf wachsende Getreide könnte viermal so viele Menschen ernähren. Aber eben, es bleibt eine kleine Fläche von nur 390 Millionen Hektar, die zusätzlich direkt für die menschliche Ernährung gewonnen würde. Und das reicht nicht aus, um die Energie und das Protein, welche durch die Veredlung des Grünlands durch die verschiedenen Wiederkäuer-Arten gewonnen werden, zu ersetzen.“ Die andere Studie kommt zu der Erkenntnis: „Eine nachhaltige Ernährung verändert
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auch die Nutzung der monogastrischen Tiere wie Schwein und Geflügel. Konsequent zu Ende gedacht, werden diese vor allem mit den Nebenprodukten des Ackerbaus sowie von Abfallstoffen aus der Industrie gefüttert. Dringend ist es auch, die Kreisläufe zwischen den Haushalten und der Tierfütterung wieder zu schließen, welche durch die BSE-Krise verlorengegangen sind. Dabei können rein pflanzliche Abfälle direkt und effizient wieder in die Tierfütterung zurückgebracht werden, vorausgesetzt, dass die getrennte Sammlung und Aufbereitung funktioniert. Oder sie können auch über eine Fütterung von Insekten (zum Beispiel die Schwarze Soldatenfliege, Hermetia illuscens) zu Futtermitteln für Schweine und Hühner verarbeitet werden. Solche Verfahrensprozesse können mittlerweile mit einer günstigen Klimabilanz gestaltet werden.“
Insekten Solche Konzepte werden auch bereits in Österreich umgesetzt. Dabei werden Insekten gezüchtet, die Biomasse verwerten und dann entweder als Tierfutter oder
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direkt für die menschliche Ernährung eingesetzt werden. In unserem Kulturkreis stellt es immer noch eine gewisse Hürde dar, Insekten direkt zu verzehren. Der Trend zu Insekten ist daher zwar seit Jahren da, aber die Steigerungsraten sind nicht so hoch wie vorhergesagt. Das kann auch daran liegen, dass Fleisch immer noch so billig zu haben ist, dass ein Umstieg nicht ohne weiteres gelingt. Auch soziale und kulturelle Hintergründe sind möglich.
Milch Ersatzprodukte für tierische Lebensmittel wie Milch sind immer wieder in Diskussion. Erst vor kurzem gab es eine Entscheidung des Europäischen Parlaments, wonach die Bezeichnung „Milch“ weiterhin nur für das Produkt der Milchdrüsen von Tieren verwendet werden darf. Damit sind Bezeichnungen wie „Weizenmilch“ etc. verboten. Aber keine Regelung ohne Ausnahme: Bereits übliche und verwendete Namen wie Kokosmilch oder Erdnussbutter dürfen weiterhin verwendet werden. Ob hier eine Gefahr der Irreführung vor-
liegt, wird kontrovers diskutiert. Gerade verbraucheraffine Gruppen, die rasch mit Kritik an der Kennzeichnung von Lebensmitteln aktiv werden, sehen in diesem Fall interessanterweise weniger Anlass zu Kritik. Viele Molkereien weltweit haben begonnen, ihre Angebotspalette tierischer Produkte aus Milch um ein Sortiment aus pflanzenbasierten Alternativen zu erweitern. Der nun beginnende „Kampf um Regalplätze“ im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wird einen Hinweis geben, wie groß die Akzeptanz bei den Verbrauchern ist. Denn wenn Produkte im Praxistest zu wenig nachgefragt werden, ersetzt der LEH diese sehr rasch gegen „schneller drehende“.
Fleisch Bei Fleischersatzprodukten dürfen im Gegensatz zu Milch weiterhin Begriffe wie Burger, Hamburger, Steak, Schnitzel oder Wurst verwendet werden. Das EU-Parlament verwarf den Antrag des Agrarausschusses für ein Verbot, dass Fleisch ersatzprodukte, z. B. aus Soja, mit den
klassischen Begriffen werben dürfen. Ein Veggie-Burger oder Soja-Schnitzel darf also weiterhin so heißen und steht somit in direkter Konkurrenz zu gleichnamigen Produkten aus tierischen Rohstoffen. Auch in diesen Fällen gibt es den Trend zu Ersatzprodukten schon lange. Trotz medialer Befeuerung und milliardenschwerer Investitionen ist aber die Entwicklung eher schleppend. Wurst und verschiedene Bratlinge sind im Lebensmitteleinzelhandel schon länger in eigenen Kühlvitrinen verfügbar. Vor allem Burger aus verschiedenen Hülsenfrüchten wie Linsen und Erbsen, aber auch aus Pilzen werden seit letztem Jahr verstärkt beworben und angeboten. Bis allerdings Textur und Geschmack dieser Produkte vergleichbar mit den Originalen aus Fleisch sind, müssen aufwändige Forschungen und Erprobungen durchgeführt werden. Viele technologische Schritte und Zusatzstoffe sind notwendig, um ein möglichst ähnliches Ess-Erlebnis zu erreichen. Zum Trend „Clean Eating“ (nur unverarbeitete und naturbelassene Lebensmittel) passen diese Produkte dann weniger. Auch hier ist zu beobachten,
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dass es kaum Kritik verbraucheraffiner Gruppen gibt, die sonst langen Zutatenlisten gegenüber sehr kritisch auftreten.
Convenience Ein weiterer Trend hat sich durch die Coronasituation ergeben: Viele Menschen waren längere Zeit als sonst zu Hause und hatten daher die Chance (oder die Notwendigkeit), Mahlzeiten selbst zuzubereiten. In den Verkaufsstatistiken hat sich das auf verschiedene Arten bemerkbar gemacht. Einerseits gab es einen Anstieg der Verkäufe von Lebensmitteln, die wenig Aufwand für die Zubereitung erfordern. Dazu zählen Tiefkühlprodukte und Dosen sowie Convenience-Lebensmittel insgesamt. Andererseits wurden Produkte wie Hefe und Mehl stark nachgefragt, was auf ein vermehrtes Zubereiten von Produkten hinweist, die sonst fertig gekauft werden (Brot).
Regionalität Regionalität ist ein weiterer Trend, der von den Diskussionen im Zusammenhang mit den Einschränkungen im ersten Lockdown angestoßen wurde. Die Frage war, welche Produkte ohne grenzüberschreitende Transporte noch verfügbar wären. Allerdings ist auch diese Thematik vielschichtig. Österreich als Alpenland verfügt eben nicht ganzjährig über alle Produkte aus eigener Produktion. Manche Lebensmittel wie Südfrüchte und Gewürze können gar nicht hierzulande produziert werden. Eine Konsequenz dieser Überlegungen wäre, zu einem Ernährungsstil wie zu Zeiten der vorigen Jahrhundertwende zurückzukehren, womit neben Regionalität auch Saisonalität zu beachten wäre. Im Winter gäbe es dann neben Kohl, Kraut und Erdäpfeln nur ein überschaubares Angebot. Daneben noch Obst wie hauptsächlich Äpfel und verschiedene Nüsse. Bei Paradeisern wird es schon ein wenig differenzierter: Eine wissenschaftliche Studie der BOKU hat gezeigt, dass der Transport aus Sizilien aus Klimasicht besser sein kann, als in Österreich zur Beheizung von Glashäusern fossile Brennstoffe einzusetzen.
Selbstversorgung „Garteln“ ist ein daraus abgeleiteter Trend. Die Idee besteht darin, im eigenen Garten, am Balkon oder in kooperativen
Landbewirtschaftungsformen eigenes Gemüse und Kräuter zu ziehen. Auch hier treten unerwartet rasch Limitationen auf. So fein „Urban Gardening“, „Vertical Farming“ und „Aquaponik” klingen, zeigt sich rasch, dass neben Know-how auch viel Platz und Zeit notwendig sind, bei Aquaponik auch viel Technik. Eine ganzjährige, unkomplizierte Versorgung für Menschen, die voll im Berufsleben stehen, ist nicht ohne weiteres umsetzbar. Äußere Einflüsse wie Trockenheit und Nässe, Pilze und Insekten erfordern u. a. die Beschäftigung mit Pflanzenschutz und Düngung. Da ist der Griff ins Supermarktregal, ev. dafür aus biologischem Anbau, die stressfreiere Variante.
Glas, PET oder Karton? Wie wurden diese Verpackungen hergestellt, transportiert, und wie werden diese letztlich entsorgt oder recycelt? Sind Transport, Reinigung und Wiederbefüllung von Glasverpackungen in Summe ökologisch wirklich besser als re-PET? Und woher kommt der Strom, der für den Betrieb von Kühlschrank oder Gefriertruhe im trauten Heim zur Lagerung notwendig ist, um nicht durch Verderb und damit Food Waste einen Totalverlust zu erleiden? Dann wurde viel CO2 freigesetzt, ohne dass ein Bissen genossen wurde.
Ernährungsstile
Es ist es also gar nicht so leicht, bewusst und verantwortungsvoll einzukaufen und zu essen. Gerade in Zeiten wie diesen wäre aber ein wenig Bescheidenheit und Dankbarkeit angebracht, dass wir in Österreich in der privilegierten Situation sind, immer und überall ausreichend sichere Lebensmittel höchster Qualität bekommen zu können. Dieser Überfluss und seine Verlässlichkeit ermöglichen erst viele der Überlegungen. Denn Hunger und Mangel verschieben Perspektiven. Das Wichtigste darf jedenfalls nicht verlorengehen: Die Freude am gemeinsamen Einkaufen, Kochen und Genießen von Lebensmitteln!
Zu guter Letzt hat sich die Vielzahl unterschiedlicher Ernährungsstile nochmals erweitert. Neben vegan, vegetarisch und Flexitariern, Frutariern, Paläo und Clean Eating, um nur einige zu nennen, kam noch „klimaneutral“ oder „sustainable“ hinzu. Die Idee besteht im Wesentlichen darin, den CO2-Fußabdruck von Lebensmitteln zu minimieren. Auch dabei wird es rasch schwierig und komplex: Auf eine Südfrucht mit vielen Flug-Kilometern zu verzichten, mag da noch der einfachste Ansatz sein. Aber selbst bei Produkten „aus der Nähe“, also vom Bauernmarkt oder Direktvermarkter, ergeben sich viele Fragen. Wer mit dem PS-starken SUV wegen einer Packung Freilandeier und einem Kilo Kartoffeln 50 Kilometer fährt, packt einen vollen CO2-Rucksack mit ein. Mit dem Fahrrad entwickelt sich dieser Einkauf zum Tagesausflug. Das spart CO2 und verbessert die Fitness, ist aber aus Gründen der (Zeit)-Ökonomie zu überdenken. Da ist der Wochenend-Einkauf beim nächsten Supermarkt schon eine Überlegung wert. Ergänzt man diese Überlegungen noch um die Aspekte, dass die Traktoren heimischer Bauern mit fossilem Diesel aus Saudi-Arabien oder Russland betrieben werden, die Düngerherstellung energieintensiv ist und dann noch der Transport bis aufs Feld dazukommt, sieht ein CO2-Fußabdruck schon anders aus. Wie und womit sind die Lebensmittel verpackt? Folien, Netze,
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Fazit
Welche Trends und Entwicklungen sehen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen? Wir haben für Sie gefragt! Lesen Sie den Bericht auf den Seiten 11–16. Literatur [1] Schader, C., Müller, A., Scialabba, N.E., Hecht, J., Isensee, A., Erb, K.H., Smith, P., Makkar, H.P.S., Klocke, P., Leiber, F., Schwegler, P., Stolze, M., Niggli, U. (2015): Impacts of feeding less food-competing feedstuffs to livestock on global food system sustainability. J. R. Soc. Interface 12, 20150891. [2] Müller, A., Schader, C., Scialabba, N.E.H., Bruggemann, J., Isensee, A., Erb, K.H., Smith, P., Klocke, P., Leiber, F., Stolze, M., Niggli, U. (2017): Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture. Nat. Commun. 8 (1290), DOI: 10.1038/s41467-01701410-w.
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Drei Fragen an LEBENSMITTELEXPERTEN ©
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Oskar wawschinek
Walter Scherb, Geschäftsführer S. Spitz GmbH
1. Welche Trends erkennen Sie bei Lebensmitteln/ Ernährung/ Kulinarik?
2. Hat sich durch die Coronakrise etwas geändert und wenn ja, in welcher Hinsicht?
3. Im Green Deal der EU ist von „sustainable food systems“ die Rede. Welche Änderungen muss es Ihrer Meinung nach geben, um Nachhaltigkeit zu erreichen?
Zum einen wäre da die Regionalität. Konsumenten legen beim Einkauf bereits seit geraumer Zeit großen Wert darauf, dass die Produkte aus der Region kommen. In diesem Zusammenhang ist auch die Transparenz zu einem wichtigen Faktor und damit auch Trend geworden. Kurze Transportwege und das Wissen über Herkunft sowie Verarbeitung schaffen Authentizität und Vertrauen. –– Die Nachfrage nach heimischen bzw. regionalen Lebensmitteln hat sich verstärkt, was auch eine Studie der Agrarmarkt Austria (AMA) bestätigt hat. Diese hat zudem ergeben, dass Qualität und Saisonalität eine große Rolle spielen, oft noch vor dem Preis. Zudem hat die Krisenzeit bestätigt, wie wichtig Sicherheit bzw. Unabhängigkeit der österreichischen Lebensmittelindustrie ist. Es hat sich gezeigt, dass wir uns auf die heimische Lebensmittelindustrie verlassen können – daher sollte diese, so wie die gesamte österreichische Wirtschaft, künftig auch noch mehr gestärkt werden. –– Ein zentrales Thema des EU Green Deals ist die „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie (Farm to Fork Strategy), der weitgehend allen Herausforderungen bei „sustainable food systems“ übergeordnet begegnet werden sollen. Konkret heißt das, dass Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nicht mehr abgegrenzt, sondern holistisch betrachtet werden sollen – bis hin zum nachhaltigen sowie verantwortungsvollen Konsum. Wir haben erkannt, dass es nicht mehr rein um das Entwickeln, Produzieren und Vermarkten wettbewerbsfähiger sowie hochqualitativer, wohlschmeckender Produkte geht. Alle Dimensionen, die Gesamtauswirkung der Produkte und alle Handlungen, die es erfordert, sie zu produzieren, müssen verantwortungsvoll betrachtet und in Geschäftsentscheidungen einbezogen werden. Der Erfolgsfaktor wird aber sein, dass Unternehmen nicht rein auf politische Vorgaben warten, sondern ihre Unternehmen mit dem Nachhaltigkeits-Gedanken infiltrieren und danach arbeiten.
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Dr. Marlies Gruber, Geschäftsführerin forum. ernährung heute Die großen Themen Gesundheit, Nachhaltigkeit, Qualität und Genuss begleiten uns schon seit vielen Jahren, sind miteinander verbunden und werden auch weiterhin die Basis bilden. Das Essverhalten im Alltag ist bei den meisten Menschen aber ein sehr konservatives und die zugrundeliegenden Werte ändern sich nur langsam. –– Die Krise ist ein Verstärker und hat den Stellenwert des Essens verdeutlicht: für die physische wie für die mentale Gesundheit. Essen wurde wieder verstärkt als Taktgeber im Alltag wahrgenommen. Es wurde klar, wie viel Zeit und Know-how in Speisen steckt. Manchen wurden eigene Lücken in der Versorgungskompetenz bewusst, manche haben die Krise als Chance genutzt, ihre Fähigkeiten auszubauen. DIY hat zumindest anfänglich hohen Zuspruch erfahren. Eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Einkauf und der Zubereitung hat den Bezug zu Lebensmitteln und deren Hersteller gestärkt und ein neues Qualitätsbewusstsein geschärft. Außerdem wurde klar – die gesamte Versorgungslieferkette funktioniert. Auch im Ausnahmezustand. Die Wertschätzung für Lebensmittel sowie für gemein sames Essen und Genießen ist gestiegen. –– Beim Thema nachhaltiges Essen stehen wir nicht nur vor planetaren Limits, sondern auch vor gesellschaftlichen Grenzen. Es braucht neben verändertem Handeln der Einzelnen auch passende Rahmenbedingungen: Politik, Institutionen und Multi plikatoren, die Verantwortung übernehmen und Veränderungsprozesse anstoßen, eine veränderte Kultur und Bildung im Sinne von Ernährungs- und Allgemeinbildung, aber auch im Sinne einer Bildung einer neuen Kultur. Es braucht Vernetzung, Kooperationen und Partnerschaften, um verschiedene Perspektiven zusammenzubringen, Wissen auszutauschen, voneinander zu lernen, unterschiedliche Positionen zu erfahren, einander zu verstehen, Komplexität zu managen und an einem Strang zu ziehen. Es muss also eine breite, offene und faktenbasierte Diskussion geben, um angemessen an den richtigen Hebeln zu drehen.
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Mag. Martin Darbo, Geschäftsführer A. Darbo AG
1. Welche Trends erkennen Sie bei Lebensmitteln/ Ernährung/ Kulinarik?
2. Hat sich durch die Coronakrise etwas geändert und wenn ja, in welcher Hinsicht?
3. Im Green Deal der EU ist von „sustainable food systems“ die Rede. Welche Änderungen muss es Ihrer Meinung nach geben, um Nachhaltigkeit zu erreichen?
Zwangsläufig hat sich der Konsum weg vom Außer-Haus-Verzehr hin zur fast vollständigen Deckung des Bedarfs aus dem Lebensmitteleinzelhandel verlagert. Das schnelle Frühstück unterwegs, vielfach auch die Kantinenverpflegung und natürlich auch ein abendlicher Restaurantbesuch bleiben uns offensichtlich noch länger verwehrt. Älter als die Pandemie sind hingegen Trends wie etwa, dass man mehr über sein Essen wissen will und sich intensiver damit befasst als noch vor ein paar Jahren. Herkunft, Zusammensetzung, Anbaubedingungen – all das zählt mittlerweile für viele Menschen mindestens gleichviel wie etwa der Geschmack eines Lebensmittels. –– In unsicheren Zeiten scheint man eher vertrauten Dingen anzuhängen. Man greift zu dem, was man kennt oder viel mehr noch: Zu jenen Lebensmitteln, denen man vertraut. Starke und bekannte Marken profitieren und legen im Marktanteil zu. Gerade jetzt zahlen sich die Investitionen in die Marke aus. Einerseits in die Kommunikation hin zur Öffentlichkeit – kurz in Werbung und Marketing – aber unverzichtbar auch in die handfeste Qualität des einzelnen Produkts. Wer sich im Lauf der Zeit das Vertrauen der Konsumenten erworben hat, kann gerade jetzt darauf bauen. –– Entscheidend ist, dass wirtschaftliche Nachhaltigkeit ökologische Nachhaltigkeit voraussetzt: Ein Geschäftsmodell, das langfristig erfolgreich sein soll, muss auch in Zukunft Zugriff auf jene Rohstoffe haben, auf die es bereits heute zurückgreift. Bei Lebensmitteln sind dies immer Naturprodukte. Globale Veränderungen etwa des Klimas haben Einfluss auf die Versorgung mit Rohstoffen und bedrohen somit potentiell die Branche. Eine zunehmend kritische Öffentlichkeit scheint verstärkt Druck aufzubauen, wodurch auch immer mehr Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen. Auch gesetzgeberische Maßnahmen zielführend sein, solange sie einzelne Verpflichtungen gerecht verteilt und eine tatsächliche Verbesserung zum Ziel hat.
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Dr. Michael Blass, Geschäftsführer Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH. Ein Blick auf die Details der RollAMA verrät: Produkte zur Bevorratung und zum Kochen waren die Renner im Ausnahmejahr 2020. Lockdown und veränderte Lebensbedingungen haben den Trend zu Convenience-Produkten weiter verstärkt. Gefragt ist alles, was Einkauf, Kochen und Konsum vereinfacht. Das zeigt sich unter anderem daran, dass mehr Wurst in der Selbstbedienung und mehr Scheiben- und Reibkäse gekauft werden. Außerdem sind Fleischarten wie Faschiertes, Hühnerbrust und vormariniertes Schweinefleisch zum Kurzbraten besonders gefragt. Abseits des klassischen LEHs erfreut sich die Direktvermarktung zunehmender Beliebtheit. –– Aktuelle Daten einer RollAMA-Motivanalyse lassen die steigende Nachfrage nach regionalen Produkten erkennen. Für zwei Drittel der fast 2.000 befragten Panelteilnehmer haben Regionalität und heimische Herkunft beim Einkauf an Bedeutung gewonnen. Außerdem spielen Faktoren wie bäuerliche Produktion, Tierwohl und Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle bei der Kaufentscheidung. Die Coronakrise ließ den Bedarf nach länger haltbaren Lebensmitteln und nach kurzen Einkaufswegen steigen. –– „Nachhaltige“ Nachhaltigkeit entsteht, wenn alle Stufen der Produktion und die Konsumenten über diesen Wert Bescheid wissen und partnerschaftlich agieren. Wenn sich die Menschen bewusstmachen, dass ihre Lebensmittel nicht im Supermarkt wachsen, werden sie ihnen und der Arbeit im Stall, auf den Feldern und Äckern sowie den Verarbeitern die gebührende Wertschätzung entgegenbringen. Im Green Deal bekommen Ziele wie Digitalisierung, Ökologie, Resilienz ein besonderes Gewicht. All das passt perfekt in Österreichs Strategie, die zu einer autonomen Grundversorgung über regionale Kreisläufe beitragen möchte und aus der nachhaltiges Wirtschaften entstehen kann.
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Mag. Alfred Berger, Vorstand NÖM AG
Die drei großen Trends sind weiterhin Protein, Bio und Regionalität. Und diese Trends sind jeweils wieder mit Erweiterungen um Untergruppen zu sehen wie Superfruits, weitergehende Zuckerreduktion und Vegan. Dabei ist „Vegan“ deswegen keiner der drei großen Trends, weil das Volumen noch zu klein ist. Bei Kulinarik merken wir einen Trend zu „Vereinfachung“. Die Haute Cuisine mit extrem verspielten Ansätzen ist hingegen „out“. –– Corona hat sicher nachhaltig die Essensgewohnheiten verändert. Viele To-go-Artikel werden länger brauchen, um an alte Werte wieder heranzukommen. Home cooking hat einen höheren Stellenwert vor allem bei den Jüngeren erreicht. Es ist wieder „in“, etwas zu Hause zu kochen. Gastro-Besuche werden selektiver stattfinden und der Weinkonsum zu Hause mit teureren Flaschen hat sich mehr als verdoppelt. –– Echte Nachhaltigkeit ist mehr als nur Bio oder Regionalität. Hier hat der Handel sehr viel Verantwortung, weil er ja das Angebot für die Konsumenten bestimmt. Und so lange Schnitzelfleisch um 2–3 Euro in Aktion ist, werden viele Menschen dieses Angebot konsumieren, und in Sachen Veränderung ist wieder mal gar nix passiert. Die Politik muss hier auch sinnvolle und betriebswirtschaftlich intelligente Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Der aktuelle Plastik-Wahnsinn und die Mehrweg-Glas-Tendenzen sind ein gutes Beispiel für politischen Willen und Druck – was zu unausgegorenen und in keinster Weise nachhaltigen Lösungen führt.
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Mag. Gerald Hackl, Vorstandsvorsitzender VIVATIS Holding AG Gesundes Essen wird immer zentraler. Mehr Regionalität und Tierwohl, weniger Zucker, Salz und Fett sind die künftigen Anforderungen. Der produzierte Müll spielt eine immer größer werdende Rolle, dieser soll so gering wie möglich sein. Marken mit Qualitäts- und Genussversprechen haben sich positiv entwickelt, Marken sind und bleiben Vertrauensanker. –– Die Branche ist aufgrund der Versorgungssicherheit wieder mehr im Fokus. Nicht zuletzt durch Corona wird gesunder Ernährung mit regionalen Rohstoffen mehr Stellenwert eingeräumt. Ernährung soll dazu beitragen, gesund zu bleiben und die Abwehrkräfte zu stärken. Ritualen rund um Essen und Trinken wird in Krisenzeiten wieder mehr Bedeutung geschenkt. –– Es werden Produktauszeichnungen am Verkaufsregal, mit CO2-Abdruck und Klimalabel, notwendig sein, um den Konsumenten mehr Orientierung beim Kauf zu geben. Marken dienen als Vorbilder. Ehrlichkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Lebensmittelkette werden immer wichtiger.
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DI Herbert Schlossnikl, Geschäftsführer Vöslauer Mineral wasser GmbH Gesundheit und Wohlbefinden sind Werte, die wir nachhaltig und mit unseren Produkten verkörpern, das ist Teil unserer Verantwortung. Und diese Haltung sehen wir auch bei unseren Konsumenten, gerade jetzt ist das Gesundheitsverständnis enorm gewachsen. Dazu gehört für uns auch der bewusste Umgang mit Zucker, was bedeutet, dass wir alle unsere Produkte mit sehr wenig oder gar keinem Zucker entwickeln. Worauf wir völlig verzichten, ist Zuckerersatz, und viele unserer Getränke sind vegan. Weitere wichtige Parameter sind die Regionalität und Natürlichkeit von Lebensmitteln. Und zu guter Letzt darf man das Thema Nachhaltigkeit nicht vergessen. Konsumenten achten auch auf die Verpackung. –– Die Menschen sind flexibler geworden, sie müssen viele Dinge unter einen Hut bringen, wie Homeschooling und Job. Wir sehen auch deutlich, dass die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit enorm in den Vordergrund gerückt sind. Es gibt eine höhere Sensibilität für mehr Umweltbewusstsein und Klimaschutz. Auch das Gesundheitsbewusstsein ist gewachsen und damit der Wunsch, sich bewusster zu ernähren, ohne dabei den Genuss zu verlieren. Die Pandemie zeigt eine höhere Preissensibilität für kaufkraftschwächere Gruppen und das Belohnungsthema, also das kleine Hocherlebnis zwischendurch. Wir richten uns mit unserem Angebot nach den Bedürfnissen unserer Konsumenten und achten darauf, dass alles, was wir tun und entwickeln, auch umweltschonend und nachhaltig ist. –– Eine wesentliche Rolle spielen Regionalität, Biodiversität und BIO, außerdem sollte der Fleischkonsum drastisch gesenkt werden, ist er doch mit Abstand die ressourcenintensivste Art der Ernährung. Auch die Förderung des Tierwohls ist hier bedeutend. Ein weiteres wichtiges Thema ist die nachhaltige Produktion. Lebensmittel sollten vermehrt sozial, ethisch und umweltfreundlich produziert werden. Bei Vöslauer tun wir das schon lange, weil uns gesunde und nachhaltig erzeugte Lebensmittel sehr am Herzen liegen.
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Mario Pulker, Obmann im Fachverband WK NÖ, Hotel Residenz Wachau
1. Welche Trends erkennen Sie bei Lebensmitteln/ Ernährung/ Kulinarik?
2. Hat sich durch die Coronakrise etwas geändert und wenn ja, in welcher Hinsicht?
3. Im Green Deal der EU ist von „sustainable food systems“ die Rede. Welche Änderungen muss es Ihrer Meinung nach geben, um Nachhaltigkeit zu erreichen?
Es ist nicht zu übersehen, dass der Trend ganz klar zu hochwertigen regionalen und saisonalen Produkten/Lebensmitteln führt. Nicht nur der Konsumenten achtet darauf, was im Einkaufskorb landet bzw. auf den Teller kommt, auch die heimische Gastronomie ist längst auf diesen Zug aufgesprungen und bietet mittlerweile eine breite Palette von Gerichten mit Produkten aus regionaler Landwirtschaft an. –– Ich glaube, dass die Coronakrise durchaus dazu beigetragen hat, das Bewusstsein für nachhaltige Produkte und Lebensmittel in der Bevölkerung weiter zu stärken. Die Tatsache, dass viele Menschen dazu gezwungen sind, mangels Alternativen selbst zu Hause zu kochen, hat sicher das Bewusstsein für Lebensmittel verstärkt in den Fokus gerückt. Menschen beschäftigen sich viel mehr mit Lebensmitteln, achten verstärkt darauf, was sie essen und woher die Zutaten kommen bzw. wie sie produziert wurden. –– Nachhaltigkeit bedeutet für mich nicht nur Schonung vorhandener Ressourcen, sondern auch einen möglichst sinnvollen Einsatz. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln ergibt sich eine breite Palette an Möglichkeiten. Das beginnt damit, den Einkauf regionaler und somit CO2-freundlicher Lebensmittel zu fördern. Das erreicht man nicht durch einen gesetzlichen Zwang zur Herkunftskennzeichnung, sondern nur durch eine bestmögliche und möglichst unbürokratische Förderung freiwilliger Maßnahmen. Eine sorgfältige und vorausschauende Kalkulation beim Lebensmitteleinkauf und der Lagerhaltung sind ein wesentlicher Punkt, um Lebensmittelabfälle so gering wie möglich zu halten. In der Küche selbst gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um Energie einzusparen. Oftmals sind es Kleinigkeiten, die vielen gar nicht so im Bewusstsein sind, die aber über einen längeren Zeitraum eine durchaus große Auswirkung, auch finanzieller Natur, haben können.
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Jürgen Brettschneider, Geschäftsführer Mautner Markhof Feinkost GmbH Wie in vielen anderen Bereichen sind Bio und Regionalität wichtige Trends, die auch wir in der Lebensmittelindustrie sehen. Zudem kommt sowohl in den Themen Beschaffung, Verpackung und Produktion der ganze Bereich der Nachhaltigkeit, der bei uns 360° gesehen werden muss. Dies betrifft also alle Bestandteile unserer Lebensmittel, vom Anbau über die Produktion, Verpackung, Transport bis hin zum bewussten Lebensmittelkonsum und dem Thema Food Waste. –– Bedingt durch Homeoffice und Homeschooling sowie die geschlossene Gastronomie kochen die Österreicher zu Hause wieder mehr selbst. Zudem steigt das Bedürfnis nach Sicherheit und Transparenz. Davon profitieren natürlich die Marken, denen die Konsumenten ein hohes Vertrauen entgegenbringen. Was wir allerdings auch sehen, ist, dass zum einen Marken profitieren, die den Kunden eine wahrgenommen gute Qualität bieten und sich mit einem ausgewogenen Preis-Leistungs-Verhältnis präsentieren, zum anderen aber auch durch die schwierige Wirtschaftssituation Billigmarken stark wachsen. –– In der Gesellschaft muss sich das Bewusstsein für Lebensmittel ändern. Wir haben ein Überangebot an und auch einen Überkonsum von Lebensmitteln. Nachhaltig und ressourcenschonend hergestellte Lebensmittel müssen im Vergleich zu reiner Billigware einen höheren Preis wert sein bzw. mit entsprechenden Förderungen gestützt werden.
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Ao. Univ.-Prof. i. R. DI Dr. nat. techn. Emmerich Berghofer, Universität für Bodenkultur
Langfristig wird durch technische Disruptionen (Online-Handel, Drohnenzustellung etc.) die Lebensmittelversorgungskette aufgebrochen – Primärproduzenten und Lebensmittelhersteller können direkt unter Umgehung des Handels mit Konsumenten interagieren. Das latente Unbehagen gegenüber den von fremder Hand zubereiteten Lebensmitteln wird weiter steigen. Clean-Label-Tendenzen werden daher zunehmen. Der Überdruss im Überfluss wird zu einem weiteren Ansteigen von „Ernährungsreligionen“ führen. Der Preis wird aber auch weiterhin für die meisten Menschen das entscheidende Kriterium beim Lebensmitteleinkauf bleiben. Trotz aller gegenteiliger Angaben bei der Befragung der Konsumenten. Abgefragtes und tatsächliches Verhalten stimmen nicht überein. –– Langfristig wird die Pandemie aufgrund des Kurzzeitgedächtnisses der Menschen (Verdrängen von schlechten Ereignissen) keinen großen Einfluss haben. Außer-Haus-Verpflegung und Hauslieferung könnten aber einen weiteren Anschub bekommen. Die gezwungenermaßen entstandenen Geisterküchen (ghost kitchens) in Kombination mit ausgefeilten Lieferservices könnten eine bleibende Einrichtung werden. Eine Rücknahme der Globalisierung im Bereich der Lebensmittelversorgung wird sich – wenn überhaupt – in Grenzen halten. –– Im Green Deal wird die Biodiversität angesprochen, damit aber nur die allgemeine genetische Erosion gemeint. Die erschreckende Einschränkung bei genutzten Pflanzen- und Tierarten für die menschliche Ernährung wird nicht angesprochen. Nur mehr mit ca. 30 Pflanzenarten decken wir weltweit etwa 90 % unseres Nahrungsenergiebedarfs, wobei nur mehr drei Getreidearten (Mais, Weizen, Reis) wiederum die Hälfte ausmachen. Bei den wenigen noch genutzten Pflanzenarten dominieren immer weniger Sorten. Die gesteckten Ziele werden unerreichbar bleiben, wenn nicht auch bei den Konsumenten ein Umdenken erfolgt.
Klaus Hraby, Geschäftsführer efko, Frischfrucht und Delikatessen GmbH Die aktuellen Marktentwicklungen zeigen, dass sich die Lebens- und Essgewohnheiten der Konsumenten verändern. Menschen greifen immer häufiger zu qualitativ hochwertig und nachhaltig produzierten Lebensmitteln, und auch der Außer-Haus-Konsum wird weiter wachsen. Das Thema Frische und Convenience hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und hält noch viel Potenzial bereit. So wächst zum Beispiel der Markt für ultra frische Salat- und Gemüse-Convenience-Produkte rasant, und frische Salate liegen voll im Trend. Aus diesem Grund investiert efko in Zukunft stark in diese Bereiche. Auch Nachhaltigkeit und heimische Rohstoffe werden für Konsumenten immer wichtiger. Um diese Verfügbarkeit auch in Zukunft zu gewährleisten, sind gemeinsame Lösungen von Politik, Handel und der Industrie gefragt. Unsere neueste Produktinnovation – der efko Wintersalat – verbindet gleich zwei Trends in der Ernährung: Frische und Nachhaltigkeit. –– Die Pandemie hat aufgezeigt, wie wichtig die Sicherstellung der Grundversorgung in einem Land ist. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs stand von Anfang an ganz oben in den Prioritätenlisten. Die Lebensmittelindustrie – also auch wir als efko – trägt dabei eine große Verantwortung. In der gesamten Gruppe mussten wir mit höchster Flexibilität lernen, uns an die neuen Erfordernisse in vielen Bereichen anzupassen. Angefangen von noch verschärfteren Hygienerichtlinien und Homeoffice bis hin zum geänderten Einkaufsverhalten unserer Kunden. Letzteres stellte uns vor große Produktions- und Lieferengpässe. Und das Bewusstsein für heimische und nachhaltige Lebensmittel ist bei den Konsumenten stark gewachsen. –– Im Zentrum des Green Deal steht die Strategie „Biodiversity“ für ein neues und besseres Gleichgewicht zwischen Natur, Nahrungsmittelsystemen und Biodiversität. Als führender heimischer Lebensmittelhersteller sind wir seit nunmehr 80 Jahren traditionell eng mit der Natur verbunden. Wir sind uns unserer großen Verantwortung für Mensch und Natur bewusst. Nachhaltige Landwirtschaft ist seit jeher einer der Grundpfeiler unseres Erfolgs. Es gehört großes Fachwissen über den Boden und die natürlichen Kreisläufe der Natur dazu, um Lebensmittel von bester Qualität zu produzieren. Unser Erfolg basiert nicht zuletzt auf ökologisch und ökonomisch ganzheitlich durchdachten Produktionsstrategien, die einerseits unsere Umwelt schonen und andererseits die regionale Wirtschaft fördern. Wir arbeiten beständig an nachhaltig regional eng vernetzten Wertschöpfungsketten vom Feld oder Baum bis zum Konsumenten. Es braucht ein ganzheitliches Denken, das immer Mensch und Natur berücksichtigt. Von der Aussaat auf dem Feld bis zum fertigen Produkt in den Regalen der Geschäfte stehen bei efko ökologische, soziale und ökonomische Überlegungen gleichermaßen im Fokus. Nur ein ökologisch nachhaltiger Anbau sowie verantwortungsvolle Maßnahmen zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, zur Konservierung der Nährstoffe in den Böden, zur Förderung der Biodiversität sowie aktiver Erosionsschutz lassen auch in Zukunft Obst und Gemüse von bester österreichischer Qualität auf den heimischen Böden gedeihen. Die kurzen Transportwege sichern nicht nur die Frische der Produkte, sondern reduzieren CO2-Emissionen. Auch ein achtsamer Umgang mit vorhandenen Ressourcen wie Maßnahmen zur Eindämmung des Wasser- und Energieverbrauchs und zur Abfallreduktion steht im Zentrum der Nachhaltigkeitsstrategie. So wird zum Beispiel die gesamte Produktion mit eigenem Wasser aus mehreren Brunnen versorgt. Mit ehrlicher Wertschätzung für die Menschen – ob Landwirt, Mitarbeiter oder Konsument – und für die Natur sowie dem achtsamen Umgang mit Ressourcen leistet efko täglich einen wertvollen Beitrag für morgen und damit für nachfolgende Generationen. Gepaart mit ihrer Vorreiterrolle in Qualität und Technologie schafft die efko Unternehmensgruppe somit die notwenigen Rahmenbedingungen, um auch in einer globalisierten Lebensmittelproduktion Nachhaltigkeit zu sichern. volume 45 | 01. 2021 ERNÄHRUNG | Nutrition
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Mag. Johannes Mayr, Geschäftsführer KeyQUEST Marktforschung GmbH
1. Welche Trends erkennen Sie bei Lebensmitteln/ Ernährung/ Kulinarik?
2. Hat sich durch die Coronakrise etwas geändert und wenn ja, in welcher Hinsicht?
3. Im Green Deal der EU ist von „sustainable food systems“ die Rede. Welche Änderungen muss es Ihrer Meinung nach geben, um Nachhaltigkeit zu erreichen?
Convenience in jeder Form wächst. Dabei werden alle Vereinfachungen gerne angenommen, z.B. aufgeschnittene Wurst und Käse, Fertigprodukte. Bio wächst seit mehr als 20 Jahren kontinuierlich. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate liegt bei ca. 8 %. Regionalität und Herkunft sind ca. 2007 in den Fokus der Konsumenten gerückt und bleiben eine Gegenreaktion auf die zunehmende Globalisierung. Sinkender Haushaltskonsum und steigender Außer-Haus-Konsum sind ein seit vielen Jahren anhaltender Trend, der allerdings im Jahr 2020 durch Corona abrupt gestoppt wurde. –– Der Lockdown hat das Einkaufsvolumen der privaten Haushalte im LEH in den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 um rund 14 % steigen lassen, im zweiten Quartal waren die Umsätze laut RollAMA sogar um 22 % höher. Besonders gesteigert haben sich die Warengruppen Gemüse, Haltbarprodukte und Fertiggerichte. Bei den genutzten Einkaufsquellen gab es eine leichte Verschiebung in Richtung Fachhandel und Ab-Hof-Verkauf. In der RollAMA überschritt der Bioanteil gesamt erstmals die 10 %-Marke. Bio ist damit deutlich stärker gewachsen als der restliche Markt. Damit einhergehend konnten wir auch eine steigende Bedeutung von regionalen Produkten bzw. Produkten mit klar nachvollziehbarer Herkunft beobachten. –– Versteht man unter Nachhaltigkeit das Ziel einer krisenfesten europäischen Lebensmittelversorgung von der Landwirtschaft bis zum Konsumenten, so sehe ich folgende Punkte als entscheidend: Erhaltung einer vielfältigen Betriebsstruktur sowohl im landwirtschaftlichen als auch im Verarbeitungsbereich. Gleiche Rahmenbzw. Produktionsbedingungen für innerhalb der EU produzierte Lebensmittel wie für importierte Produkte. Besserer Schutz vor Imitaten und Fake-Produkten durch durchgehende Herkunftskennzeichnung.
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Univ.-Prof. Dr. Jürgen König, Leiter Department für Ernährungswissenschaften Universität Wien Neben den ohnehin allseits bekannten und auffälligen Trends zu Fleischersatzprodukten auf der Basis von Hülsenfrüchten und Pilzen sowie dem (aus ernährungsphysiologischer Sicht unnötigen) Trend zur Proteinanreicherung, liegt für mich ein langfristiger Trend in der zunehmenden Individualisierung von Lebensmitteln. Dieser wird sich zunächst im Fertiglebensmittelbereich weiter abzeichnen, sich wohl aber auch auf andere Bereiche ausdehnen. –– Schwer zu sagen, da es kaum zuverlässige Daten dazu gibt. Vermutlich hat sich die Lieferung von Lebensmitteln und fertigen Speisen stark erhöht. Ob die häufig kolportierte Häufigkeit des Kochens zugenommen hat, würde ich eher bezweifeln, wenn überhaupt, dann nur kurzfristig. –– Reduktion von Lebensmittelverpackungen insbesondere Verbundverpackungen, Reduktion von Transportwegen, erneuerbare Energien – insgesamt also eher Änderungen auf übergeordneter Ebene. Beim Ernährungsverhalten sehe ich wenig Möglichkeiten zu einem nennenswerten Beitrag zur Nachhaltigkeit.
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Covid und das Zeitalter der Veränderung Warum wir den Wandel der Esskulturen mithilfe von Foodtrends auch nach der Pandemie besser verstehen können
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as Coronavirus verändert die Welt. Kurzfristig erleben wir das spätestens seit März 2020. Aber wird die Krise auch langfristig unser Leben verändern? Wie beeinflusst sie unser Ernährungssystem, unsere Lebensmittelproduktion und unsere Esskultur? Werden wochen-, ja monatelang zwangsweise neu erprobte Verhaltensweisen auch nach der Krise unser Konsumverhalten und unsere Lebensstile prägen? Werden Produzenten, die Lebensmittelindustrie, Handel und Gastronomie aus den im Zuge der Lockdowns gemachten Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen, um in Zukunft resilienter aufgestellt zu sein, um auch der Klimakrise gewachsen zu sein, die durch das Coronavirus zwar etwas aus dem Fokus geraten, aber deshalb nicht abgesagt ist? Wer sich, wie ich, seit vielen Jahren intensiv mit dem Wandel der Esskultur beschäftigt, kommt um diese Fragen aktuell nicht herum. Die Covid-19- Pandemie hat in einer noch nie da gewesenen globalen Gleichzei-
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tigkeit nicht nur die Wirtschaft lahmgelegt, sondern sämtliche Systeme der Gesellschaft in die Knie gezwungen. Jedes Teilsystem verändert sich gerade, manche tiefgreifend und einige nur an der Oberfläche, aber jeder Bereich der Gesellschaft ist wechselwirksam mit den anderen verbunden. Der tiefgreifende Wandel, den die Gesellschaften durch Corona erleben, wirkt auch auf die Wirtschaft zurück. Denn mit der Verschiebung von Werten verändert sich auch die Wertschöpfung. Auf die Zeit der großen Unsicherheit folgt eine Zeit, in der plötzlich möglich wird, was vorher undenkbar war. Die Krise und ihre tiefen Verwerfungen eröffnen neue Möglichkeitsräume (vgl. Harry Gatterer 2020). Deshalb ist ein tiefes Verständnis von Foodtrends eine gute Basis, den aktuellen Wandel besser abzuschätzen und darauf rasch reagieren zu können. Was aber macht Foodtrends zu brauchbaren Instrumenten, den Wandel zu verstehen? Dafür ist es, zunächst wich-
tig zu wissen, dass sich mein Verständnis von Trends von positivistischen, statistisch begründeten Trend-Definitionen unterscheidet, wie sie in der Ökonomie und Marktforschung üblich sind, wo man unter einem Trend eine sich fortdauernd in die gleiche Richtung verändernde Entwicklung versteht, die sich quantitativ messen lässt. Mein Zugang dagegen lässt sich eher als hermeneutisch beschreiben: Mich interessiert nicht nur, ob und dass sich etwas so entwickelt, wie es sich entwickelt, sondern vor allem das Warum. Dieses Warum aber lässt sich nicht mit statistischen Methoden erheben: Es lässt sich nicht messen, sondern nur verstehen. Trendforschung besteht im Wesentlichen darin, „schwache Signale“, die am Beginn jeder Trendentwicklung stehen, erkennen und darin soziokulturelle Verschiebungen lesen zu können und sie in einen übergreifenden Kontext einzuordnen. Dabei gilt es, unterschiedliche Ebenen des Wandels im Blick zu haben. Für die Analyse des Wandels der Esskulturen bilden
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Quelle: Hanni Rützlers Foodreport 2021
Die neue Food-Trend-Map 2021 dient als Grundlage, um Orientierung und einen Überblick zu den zahlreichen Foodtrends zu schaffen.
gesellschaftliche Megatrends die Basis, die sogenannten „Blockbuster“ des langfristigen Wandels, die für alle Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft prägend sind, wie etwa die Globalisierung und die Digitalisierung, aber auch der Gender Shift (der grundlegende Wandel von Rollenmustern und aufbrechende Geschlechterstereotype), die Individualisierung (die auch im Entstehen neuer „Wir“-Kulturen zum Ausdruck kommt), New Work (der radikale Wandel der Arbeitswelt im Übergang von einer Industrie- zu einer Wissensgesellschaft) oder Neo Nature (das wachsende neue Umweltund Klimabewusstsein). Megatrends haben prinzipiell einen globalen Charakter, auch wenn sie nicht überall gleichzeitig stark ausgeprägt sind. Um den Wandel der Esskulturen genauer zu analysieren und mögliche Szenarien für die Zukunft zu entwickeln, sind darüber hinaus mittelfristige Veränderungsprozesse, die von den Lebensgefühlen der Menschen im sozialen und technischen Wandel geprägt werden, von zentraler Bedeutung. Auf dieser Ebene des Wandels sprechen wir von soziokulturellen Trends (mit einer Halbwertszeit von 10 bis 15 Jahren) und Konsumtrends (mit einer Halbwertszeit von 5 bis 10 Jahren). Auf diesen beiden Ebenen bewegen sich auch jene Trends, die wir zur Beschreibung des Wandels unserer Esskulturen heranziehen: Die Foodtrends. Esskulturen haben sich natürlich schon immer gewandelt. Aber erst seit der Wende
zum 21. Jahrhundert versuchen wir, diesen Wandel mithilfe von Foodtrends zu beschreiben und zu analysieren. Dies liegt daran, dass sich Esskulturen seit den 1990er Jahren deutlich schneller verändern und ausdifferenzieren: Einer immer größeren Zahl von Menschen ist es heute möglich, befreit von Mangel, Traditionen und sozialen Normen, über ihr Essen und die Wahl ihrer Lebensmittel selbst zu entscheiden. Essen – so ist der deutsche Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder überzeugt – ist sogar „so wichtig geworden, dass Ernährungsstile an die Stelle von Lebensstilen getreten sind“ (Hirschfelder 2018). Nach dem Motto: Du bist, was du isst. Oder – heute angesichts zahlreicher, bestimmte Lebensmittel ausschließender Essstile (vegan, gluten- oder laktosefrei, paleo etc.) noch präziser: Du bist, was du nicht isst. Diese neue Freiheit ist aber nicht nur ein Geschenk. Sie zieht auch ein großes Stück Informations- und Entscheidungsarbeit nach sich. Foodtrends können hier Orientierung bieten und wichtige Entscheidungshilfen sein. Sie ermöglichen es, wie es der Konsumsoziologe Thomas Schröder formuliert, „dem Einzelnen, durch eine komplexe Alltagswelt voller Wahlfreiheiten und Entscheidungszwänge zu navigieren“ (Schröder 2016). Foodtrends sind daher Phänomene sogenannter „Wohlstandsgesellschaften“. Sie gedeihen naturgemäß erst in gesättigten Märkten, in denen weder Mangel noch sozial normiertes Verhalten
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bestimmend sind, sondern in denen der Überfluss individuelle Suchbewegungen auslöst, die sich auch in thematischen Clustern („Wir“-Kulturen wie etwa Veganer) weiter entwickeln. Kurz: An die Stelle von Traditionen, sozialen Normen sowie von religiösen und auch wissenschaftlichen Ernährungsempfehlungen sind Foodtrends getreten. Sie bieten Anknüpfungspunkte für Identifikationsprozesse, die Essentscheidungen erleichtern. Wer sich etwa um den Klima wandel sorgt, findet im „Plant Based Food“-Trend kulinarische Antworten; wer durch die Globalisierung und durch die Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion die Qualität der Lebensmittel bedroht sieht, für den eröffnen Foodtrends wie „Meet Food“, „Transparency“, „Clean Food“ oder „Brutal Lokal“ Alternativen (vgl. dazu auch Rützler/Reiter 2020). Und – um ein weiteres Beispiel zu nennen – wem ethische Standards besonders wichtig sind, der orientiert sich im Essalltag an Foodtrends wie „Fair Food“ oder „Flexitarier“. Foodtrends sind also – anders als gesellschaftliche Megatrends – nicht ubiquitär, sie wirken nicht auf jeden einzelnen Menschen und umfassen nicht alle Ebenen der Gesellschaft. Sie sprechen unterschiedliche Zielgruppen an und werden von unterschiedlichen Akteuren getragen. Um zu wachsen, braucht ein Foodtrend eine kri-
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tische Masse an Menschen, die ihm folgen und ihn leben. Damit er sich durchsetzt, benötigt er zudem einen flexiblen Markt, der neue, von Trend-Followern nachgefragte Produkte und Services bereitstellt. Mit diesen Entwicklungen einher geht eine Erweiterung der Zielgruppen, die von bestimmten Trends angesprochen und damit selbst zu Akteuren, zu Trägern von Trends werden. Das gilt sowohl für Konsumenten als auch für Produzenten. Bei Letzteren sind meist Start-ups oder Early-Stage-Companys die treibenden Player. Sie reagieren zeitnäher auf Trend-Dynamiken, können schneller Innovationen auf den Markt bringen und wecken damit auch Interessen und Bedürfnisse, die Konsumenten davor noch nicht artikulieren konnten. Sie bereiten diesen unbewussten Wünschen neue Wege und Möglichkeiten, sich zu entfalten – und lösen durch ihr Handeln wiederum Veränderungen aus. Denn ein Trend steht immer in Wechselwirkung mit allen Akteuren. Trends erfüllen nicht einfach nur existierende Bedürfnisse, Wünsche und Werte der Konsumenten, sondern gehen über sie hinaus, sie „sprengen“, erweitern und treiben sie voran.
Entscheidend für die Qualität der Trendforschung ist die richtige Verknüpfung und Vernetzung isolierter Trendbeobachtungen. Denn Trends sind weniger singuläre Beobachtungen, sondern vielmehr komplexe Gebilde, die in Verbindung zu vielfältigen und -schichtigen Veränderungen stehen. Qualitativ hochwertige Trendforschung bedeutet, wie erwähnt, „schwache Signale“, die am Beginn jeder Trendentwicklung stehen, zu erkennen und vor allem: darin soziokulturelle Verschiebungen zu lesen und in den übergreifenden Kontext einzuordnen. Trendforschung ist im Kern eine Kulturwissenschaft. Sie ist keine „Phänomenologie des Neuen“, die bloß einzelne Produkte und Innovationen beschreibt, sondern ist den Ursachen von Veränderungsprozessen auf der Spur. Mit der Coronakrise erlebt unsere Welt nicht nur eine kollektive Entschleunigung, sondern vor allem eine gigantische Rekonstruktion des Alltags mitsamt seiner wirtschaftlichen Wechselbeziehungen. Mit Homeoffice, Homeschooling und der Schließung von Restaurants und Betriebskantinen ist davon vor allem auch unser Essalltag betroffen.
Um Veränderungen bzw. Entwicklungen als Foodtrends zu erkennen und zu benennen, müssen sie – nach meinem Verständnis – folgende Kriterien erfüllen: • Sie müssen Antworten auf aktuelle Probleme im Zusammenhang mit unserer Ernährung oder unserer Nahrungsmittelproduktion geben d. h. Lösungsvorschläge offerieren und/oder sinnvolle Alternativen präsentieren. • Sie müssen kulturspezifische Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse widerspiegeln. • Sie müssen für bestimmte Werte stehen und Anknüpfungspunkte für Identifikationsprozesse bieten und damit Orientierungshilfen bei unseren täglichen Essentscheidungen. Für die Lebensmittelindustrie sind sie daher auch als Hilfestellungen für strategische Entscheidungen und konzeptionelle Ausrichtungen von Unternehmen in der Lebensmittelproduktion zu sehen.
Was aber wird davon bleiben, wenn wir die Krise einmal überwunden haben werden? Was wird die globale Krise mit den Foodtrends machen, die Produzenten, Handel, Gastronomie, Konsumenten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geleitet und inspiriert haben, und mit denen wir den Wandel unserer Esskultur gut beschreiben und analysieren konnten? Sind sie nun obsolet? Schwächen sie sich ab oder verstärken sie sich? Und wenn ja, wie schnell und in welche Richtung verändern sie sich? Als Trendforscherin interessieren mich aber vor allem folgende Fragen: Welche Foodtrends bieten auch in chaotischen, ungewohnten Zeiten Orientierung? Und gibt es Foodtrends, die schon vor der Krise Antworten auf Probleme enthalten haben, die nun – in und durch die Krise – erst richtig virulent werden? Wenn – im Sinne des italienischen Philosophen Antonio Gramsci – eine Krise darin besteht, dass das Alte stirbt und das Neue (noch) nicht geboren werden kann, gilt es, sich auf die Suche nach den Keimen des Neuen zu machen und danach zu fragen, wie und wodurch diese zum Wachsen und Gedeihen gebracht
Wie aber lassen sich solche Trends feststellen und analysieren? Trendforschung beginnt mit Beobachtung, die auch auf der Analyse von Statistiken zur Marktentwicklung beruht, sie endet hier jedoch nicht.
werden können. Darin liegt der Schlüssel, um den Wandel der Esskulturen mithilfe von Foodtrends auch nach der Pandemie besser verstehen können. Die Lockdowns haben Entwicklungen befördert, die nicht reversibel sind. Entwicklungen, die die Wirtschaft wieder deutlicher in die Gesellschaft einbinden und die ursprüngliche Funktion des Wirtschaftens, nämlich die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, wieder in den Vordergrund rücken. Und das gilt insbesondere für die Lebensmittelwirtschaft. Jenseits der reinen Profitmaximierung werden Herkunft und Qualität der Ausgangsprodukte, die Rezeptur, die Herstellungsbedingungen, die Verarbeitungsqualität, der Gesundheitswert, der CO2-Abdruck, die Informationspolitik, das Geschmackserlebnis, das Recycling und die Entsorgung zu zentralen Themen, die von vielen, sich schon vor der Krise entwickelnden Foodtrends aufgegriffen wurden. Trends, in denen sich nicht nur die Sehnsüchte vieler Konsumenten spiegeln, sondern die auch Lösungsansätze für die Lebensmittelwirtschaft des Post-Corona-Zeitalters skizzieren, in dem das klassische Effizienzdenken zu Ende gehen wird, zugunsten eines Wirtschaftens, das von mehr Sinn und Verantwortungsbewusstsein geprägt sein wird. Mag. Hanni Rützler, Gründerin und Geschäftsführerin des futurefoodstudio, Wien Literatur – Harry Gatterer (Hg): Wirtschaft nach Corona. The Next Generation of Business, Frankfurt 2020 – Gunther Hirschfelder: Facetten einer Ernährungs-Globalgeschichte. In: bad.de, 5.2.2018 – Hanni Rützler/Wolfgang Reiter: Hanni Rützlers Foodreport 2020, Frankfurt 2019 – Hanni Rützler/Wolfgang Reiter: Was essen wir morgen? Trends und Zukunftsszenarien für die Ernährung. In: Nachrichten aus der Wissenschaft, Köln 2/2020 – Hanni Rützler/Wolfgang Reiter: Hanni Rützlers Foodreport 2021, Frankfurt 2020 – Thomas Schröder: Ernährungstrends im Kontext von Individualisierung und Identität. In: Haushalt in Bildung und Forschung, 3/2016, S. 127–136
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20 firmenbericht company report
Xeikon sorgt für den richtigen Druck Xeikon White Paper gibt Antworten zur Lebensmittelsicherheit von digital gedruckten Verpackungen.
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as Migrationsverhalten von digitalen Farbsystemen spielt bei der Auswahl einer Digitaldruckmaschine eine entscheidende Rolle. Das neue Xeikon White Paper von Dr. Lode Deprez, Vice President Technology, beantwortet die Frage, warum es nicht das „eine“ Farbsystem geben kann, das allen Anwendungen im digitalen Verpackungsdruck gerecht wird. Es zeigt die äußerst komplexen Anforderungen an Farbsysteme auf, die sich in ihrem Migrationsverhalten unterscheiden und deren Lebensmittelsicherheit ein ganz wesentliches Kriterien für die Auswahl eines Maschinensystems ist. Zudem müssen die eingesetzten Farbsysteme die gesetzli-
chen Anforderungen erfüllen. Vor diesem Hintergrund zeigt es auf, wie groß der Einfluss der chemischen Zusammensetzung der digitalen Farbsysteme auf das Migrationsverhalten ist. Indem es auf den
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unterschiedlichen Aufbau von Trocken- und Flüssigtoner sowie UV-Inkjet Farben eingeht, stellt es die Vorteile des jeweiligen Farbsystems für die unterschiedlichen Anwendungen heraus. Als Fazit daraus ergibt
sich ein klares Bild, in welchen Anwendersegmenten die digitalen Farbsysteme ihre Stärken haben. www.xeikon.com
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Nachhaltig und forschungsorientiert Seite II
IFS Version 7: Das müssen Sie wissen Seite XII
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Nachhaltig und forschungsorientiert VFI ist ein familiengeführtes Unternehmen und einer der bedeutendsten heimischen Anbieter pflanzlicher Öle. Matthias Lachner, Geschäftsführer F&E, Qualität und Finanzen, im Gespräch mit Alois Burgstaller.
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ie Ernährung: VFI ist Marktführer bei Speiseölen in Österreich. Seit kurzem nennt sich das Unternehmen „VFI Oils for Life“ und auch das Firmenlogo wurde geändert. Wie kam es dazu? Matthias Lachner: VFI Oils for Life hat sich in den letzten Jahren zu einem spezialisierten Hersteller mit Fokus auf Weiterverarbeiter in der Lebensmittelindustrie entwickelt. In diesem Kreis möchten wir national und international bekannter werden. Wir wachsen vor allem bei Industrie und Gewerbekunden mit Ölen in speziellen Qualitäten. Gleichzeitig bleiben wir für den Lebensmittelhandel mit unseren bekannten Marken Kronenöl, Bona, Osolio Frivissa und Ceres der bewährte Partner mit Ölen und Fetten für Haushalt und Gastronomie und stellen auch Eigenmarken des Handels her. Der Name „Oils for Life“ soll unsere Kompetenz in der Herstellung von Ölen für Lebensmittelanwendungen in allen Qualitäten zum Ausdruck bringen. Sie haben eine starke Ausrichtung auf Bio. Wenn ich Ihnen zwei Öle präsentiere, würden Sie das biologische herausfinden? Lachner: Bei Bio-Produkten geht es um Verantwortung für die Umwelt, um eine nachhaltige Produktion, die nach klar festgelegten Regeln abläuft.
Bei vielen Bio-Lebensmitteln lässt sich ein sensorischer Unterschied zu konventionell erzeugter Ware nicht oder kaum feststellen. Konsumenten kaufen Bio primär aus der Überzeugung, dass Bio-zertifizierte Lebensmittel nachhaltig erzeugt sind und dass sie keine synthetischen Pflanzenschutzmittel enthalten. VFI erzeugt vor allem Bio-Öle in raffinierter Qualität, die als Zutat in der Produktion von Bio-Lebensmitteln eingesetzt werden oder als Brat- und Frittieröl. Anders als bei kalt gepressten Ölen ist bei diesen Ölen ein neutraler Geschmack erwünscht. Gibt es auch keine Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung? Lachner: Wenn das Öl von der gleichen Pflanzenart stammt, gibt es chemisch keine Unterschiede. Die Fettsäure struktur einer Bio-Sonnenblume ist exakt die gleiche wie die einer konventionellen Sonnenblume der gleichen Sorte. Da bei der Bio-Sonnenblume aber kein Kunstdünger und keine synthetischen Herbizide und Pestizide eingesetzt werden, ist der Ertrag des Bio-Landwirts deutlich geringer. Dafür wird der Boden geschont und die Biodiversität erhalten. Was ist im Augenblick das heißeste Thema in der Öl-FettForschung? Lachner: Es gibt großes Interesse bei den Kunden für
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Ersatzlösungen für Palmöl. Wir forschen stark in diesem Bereich und haben gemeinsam mit Kunden palmfreie Varianten für verschiedene Einsätze entwickeln können. Das Charakteristikum von Palmöl ist, dass es vielseitig einsetzbar ist und dazu noch günstig. Das in europäischen Lebensmitteln verwendete Palmöl stammt zum allergrößten Teil aus nachhaltigem Anbau. Palmöl ist als Frittierfett, für die Herstellung von Füllcremen, von Haselnussaufstrichen und als Backfett nach wie vor beliebt. Allerdings macht der Palmölverbrauch für Lebensmittel in Europa nur 4 % der globalen Palmölproduktion aus. Ein wesentlicher größerer Teil geht in die Biodieselerzeugung weltweit, vor allem in den Erzeugerländern. VFI hat für viele Anwendungen Alternativen entwickelt. Lebensmittelhersteller können damit die Vorgaben von Private-Label-Kunden erfüllen, die in einigen Fällen auf Rezepturen ohne Palmöl in bestimmten Markenportfolios bestehen. Ein weiterer Forschungshot spot sind besonders schadstoffarme, raffinierte Öle und Mischungen für spezielle diätische Anwendungen wie Säuglingsnahrung. Wir forschen hier gemeinsam mit der FH Wels im Rahmen des österreichischen Lebensmittelkompetenzzentrums FFoQSI.
Wie haben sich die Ernährungsgewohnheiten verändert, und wie wirkt sich das auf die VFI aus? Lachner: Mit gesellschaftlichen Veränderungen kamen auch die Ernährungsgewohnheiten in Bewegung. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten wird heute wesentlich mehr außer Haus gegessen und es werden wesentlich mehr Convenience-Produkte verzehrt. Das führt zu einem rückläufigen Verbrauch an Grundnahrungsmitteln im Einzelhandel, aber zu einer Steigerung bei Gastronomieprodukten und bei verarbeiteten Lebensmitteln. Gleichzeitig gibt es einen Trend, weg von gesättigten Fettsäuren und Transfetten hin zu ungesättigten Fetten. Für vom Handel erwünschte Lebensmittel mit langer Haltbarkeit braucht es sehr stabile Öle, die traditionell viel gesättigte Fette oder gehärtete Fette enthielten. Heute liefern wir an Lebensmittelhersteller zunehmend sehr stabile ölsäurereiche Öle aus speziellen Sonnenblumen und auch Raps, die die gesättigten Fette vor allem aus Palmöl zunehmend ersetzen. Tierische Fette wie Rindertalg oder Schweine schmalz kommen heute nur noch für wenige Spezialsortimente zum Einsatz. VFI verarbeitet keine tierischen Fette. VFI hat direkt mit Bauern Verträge?
III technik spezial technology special
© VFI
Lachner: VFI hat eine Produktionspartnerschaft mit österreichischen Landwirten für zertifiziert gentechnikfreien Raps aus Österreich. Raps öl aus diesem Vertragsanbau wird von der AMA zertifiziert und unsere Traditionsmarke Kronenöl kommt zu 100 % aus diesem österreichischen Vertragsanbau. Ebenso haben wir Anbauverträge mit BioBauern in ganz Europa. Woher beziehen Sie Ihre Bio-Rohstoffe? Lachner: Was möglich ist, kaufen wir in Österreich. Da das Aufkommen von BioSonnenblumen, Bio-Raps und Bio-Soja in Österreich mengenmäßig nicht ausreichend ist, beziehen wir Bio-Ölsaaten zusätzlich aus ganz Europa. Welchen Anteil hat Bio am Geschäft der VFI? Lachner: Bio-Öle sind das am schnellsten wachsende Segment des VFI-Geschäfts. Etwa ein Fünftel unseres Absatzes von insgesamt 200.000 Tonnen generiert der Biobereich.
Nachhaltigkeit wird bei VFI wie gelebt? Lachner: Wir achten in unseren Beschaffungsprozessen und in unserer Verarbeitung auf Nachhaltigkeit. Wir haben gerade eine große Photovoltaikanlage am Dach unseres Hochregallagers in Betrieb genommen, die grünen Strom für den Betrieb und für unseren Elektroauto-Fuhrpark liefert. Photovoltaikanlagen auf Hallendächern wie bei uns beeinträchtigen das Landschaftsbild nicht und verbrauchen keine Grünflächen. Eben haben wir auch eine hochmoderne, integrierte Anlage zur Wäsche und Befüllung unserer MehrwegPalettentanks in Betrieb genommen. Palettentanks – auch IBCs genannt – sind jene 1.000l-Gebinde, in denen das verarbeitetende Gewerbe Öle bezieht. Die neue Anlage arbeitet mit minimalem Ressourcenverbrauch und spart viele LKW-Fahrten mit leeren Tanks zur Wäsche und zurück ein. Mit einem Pfandsystem halten wir
die Palettentanks lange im Kreislauf. Wie rechnen Sie, wird sich der Speiseölmarkt in Zukunft entwickeln? Lachner: Die Glaskugel wäre hier gefragt. Heuer ist ein extremes Jahr. Missernten in wichtigen Anbaugebieten auf der Welt haben am Weltmarkt zu starken Preissteigerungen bei Pflanzenölen geführt. Trotz der Verknappung wird weiterhin Pflanzenöl Kraftstoffen als „Bioenergie“ zugemischt. Das lässt die Preise weiter steigen. Im Laufe des kommenden Jahres werden die steigenden Preise auch für Konsumenten spürbar werden. In wohlhabenden Ländern ist das verkraftbar, für Entwicklungsländer sind solche plötzlichen Preissteigerungen katastrophal. Wie hat sich Covid-19 auf das Geschäft von VFI ausgewirkt? Lachner: Lebensmittel werden trotz der Krise gekauft, auch Speiseöle. Aller-
Steckbrief VFI Oils for Life — Gegründet: 1972 Eigentümer: Familie Rauch Mitarbeiter: 210 Produkte: Speiseöle, Speisefette, Lecithin, Presskuchen von Ölsaaten Produktionsstandorte: Wels/OÖ, Ennsdorf/NÖ Absatz: 160.000 Tonnen Umsatz: 200 Mio.
dings ist Österreich ein Tourismusland, und Millionen fehlender Gästeübernachtungen und lange geschlossene Gastronomiebetriebe führen zu deutlich weniger Konsum in der Gastronomie. Frittierfette und Öle für Großverbraucher sind ein wichtiger Geschäftszweig, VFI ist aber ausreichend diversifiziert mit Kunden im LEH und der Industrie, um mit der Situation zurechtzukommen.
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IV technik spezial technology special
Wasserqualität auf höchstem Niveau Aufbereitungsanlagen von Grünbeck sorgen bei der Brauerei Frastanz für optimiertes Brau- und Prozesswasser Seit Anfang 2019 nutzt die prämierte vorarlberger Brauerei Frastanz moderne Wasseraufbereitungstechnik der Firma Grünbeck. Frastanz freut sich seitdem über eine deutlich bessere Brauund Prozesswasserqualität, eine höhere Wirtschaftlichkeit, weniger Arbeitsaufwand und einen erheblich geringeren Reinigungsmittelbedarf.
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ie bereits im Jahr 1902 gegründete Vorarlberger Brauerei pflegt ihre Tradition, hat sich aber in den letzten Jahren auch als moderner Bierbraubetrieb einen Namen gemacht. So wird einerseits die Würze nach wie vor auf handwerkliche Art im Sudhaus nach dem klassischen Einmaischverfahren hergestellt und in offenen Gärbottichen vergoren. Anderseits zeugen Bio- und Craft-Biere, ein kompletter Marken-Relaunch, die Ausrichtung beliebter Festivals auf dem Brauereigelände und die Präsenz in sozialen Netzwerken vom Innovationsgeist und der modernen Ausrichtung der Brauerei. Ob traditionell oder modern – entscheidend ist für ein gutes Bier die Qualität der Ingredienzien. Da jedes Bier etwa zu 94 % aus Wasser besteht, ist dessen Qualität besonders entscheidend. In Abhängigkeit vom gewünschten Bierstil wird genau auf die Zusammensetzung und Eigenschaften des Brauwassers geachtet. Zu hartes Wasser (hoher Anteil an Calcium- und Magnesi-
um-Hydrogencarbonat) würde die enzymatische Wirkung im Sudhaus hemmen. Auch das Prozesswasser, das mengenmäßig beim Bierbrauen einen großen Anteil einnimmt und jeden Schritt des Brauprozesses direkt oder indirekt beeinflusst, muss möglichst weich sein. Altanlage mit vielen Tücken Frastanz setzt Brunnenwasser mit einer Ausgangshärte von ca. 16 bis 17 °dH (Gesamthärte) ein. Um gutes Bier zu brauen, wird jedoch
weicheres Wasser benötigt, bei Frastanz mit einer Gesamthärte von 3,5 bis 4° dH. Dafür sorgte bis 2018 unter anderem ein Kationenaustauscher, der allerdings einige Nachteile hatte. Bei dieser Wasseraufbereitungstechnik werden Kationen gegen Wasserstoff-Ionen ausgetauscht, die im Ausgangszustand an ein Austauscherharz gebunden sind. Für dessen Regeneration sind große Mengen an Salzsäure erforderlich. Technischer Leiter und Braumeister der Brauerei Frastanz, Anton Schels, erklärt:
© Grünbeck
Das Herzstück des Wasseraufbereitungssystems ist die Umkehrosmose anlage GENO-OSMO-RKF 12.500 von Grünbeck.
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„Mit der Salzsäure hantieren zu müssen, war nicht nur arbeitsintensiv und gefährlich, es kam auch vermehrt zu Korrosionen an Maschinen und Anlagen im gesamten Umfeld. Deshalb wollten wir gerne auf den Gefahrstoff Salzsäure verzichten. Außerdem war die bisherige, nicht automatisierte Anlage mittlerweile sehr unzuverlässig, so dass es neben dem hohen Verbrauch von Reinigungsmitteln auch immer wieder zu Qualitätsschwankungen kam. Zu den weiteren Schwächen der Altanlage gehörte ein Rieselentgaser und somit auch ein vergleichsweise großer Platzbedarf. Wasseraufbereitungssystem grundlegend geändert So trafen die Verantwortlichen den Entschluss, in eine neue Wasseraufbereitung zu investieren. Es wurden mehrere Anbieter verglichen, bevor sich die Brauerei Frastanz für eine Anlage von Grünbeck aus Höchstädt in Bayern entschied. „Neben der Lieferantennähe und dem guten Preis-/Leistungsverhältnis war es vor allem die hohe
V technik spezial technology special
Flexibilität und Kompetenz bei der Anlagenplanung und -konzipierung, die uns die Entscheidung leicht machte“, erzählt Schels und betont: „Außerdem wollten wir uns in Sachen Technik von Grund auf modernisieren, um alle Nachteile unserer alten Anlage zu vermeiden.“ Daher fiel die Entscheidung auf ein komplett zusammenhängendes Wasseraufbereitungssystem von Grünbeck, dessen Herzstück eine Umkehrosmoseanlage des Typs GENO-OSMO-RKF 12.500 ist. Anstatt mit Gefahrstoffen arbeitet eine Umkehrosmoseanlage rein physikalisch, das heißt mit einer Hochdruckpumpe. Semipermeable Membranen, die ausschließlich wasser-, nicht aber salzdurchlässig sind, werden in der Umkehrosmoseanlage eingesetzt. Neben der Erzeugung von qualitativ hochwertigem Permeat in der gewünschten Zusammensetzung und Menge – bei Frastanz sind es 12,5 m3/ Stunde – zeichnet die Umkehrosmose aus, dass sie auch Keime wie Bakterien oder Viren sowie gelöste organische Substanzen reduziert. Umkehrosmoseanlage überzeugt mit zahlreichen Vorteilen Die Anlage wurde in puncto Energiebedarf, Wasserverbrauch und Betriebssicherheit optimiert. So profitiert Frastanz von minimierten Abwasser- und Energiekosten und einem sicheren Anlagenbetrieb, ohne dass eine zyklische und arbeitsintensive Spülung der Anlagenteile wie der Membranmodule notwendig ist. „Das ist für uns ein wirtschaftlicher Vorteil und verhindert auch unnötige Ressourcenverschwendung. Außerdem ist der Automatisierungsgrad der Anlage so hoch, dass sie trotz ihrer Komplexität sehr einfach via
Touchscreen zu steuern ist und nur einen geringen Arbeitsaufwand erfordert. Zudem hat sie beim halben Platzbedarf einen doppelt so hohen Durchsatz im Vergleich zur vorherigen Lösung“, sagt Schels. Armin Eisenhofer, Branchenleiter Getränke- und Lebensmittelindustrie bei Grünbeck, berichtet: „Wir haben die Anlage passgenau auf die Kundenbedürfnisse und die Ausgangsbedingungen vor Ort wie etwa die Zusammensetzung des Brunnenwassers ausgelegt. So konnten wir bereits bei der Angebotserstellung für die Brauerei Frastanz eine deutlich erweiterte Gewährleistung auf die Membranmodule anbieten.“ Über dieses Entgegenkommen freut sich auch Schels, der aber vor allem von der Qualität des Brauwassers überzeugt ist: „Unsere Würze- beziehungsweise Bierqualität hat eindeutig gewonnen, da wir nun – im Gegensatz zur alten Anlage – keine Schwankungen mehr hinnehmen müssen.“ Diese Qualitätssteigerung hat Frastanz sogar schriftlich – so wurden drei Biere („frastanzer s’bio“, „frastanzer gold spezial“ und „frastanzer s’Klenne“) 2020 von der DLG mit Gold prämiert. Eine Auszeichnung, an der Grünbeck einen entscheidenden Anteil hat, ist sich Schels sicher: „Die Grünbeck-Wasser aufbereitungstechnik verhalf uns zu einem Quantensprung bei der Brau- und Prozesswasserqualität und trägt somit bedeutend zur Erfolgswelle bei, auf der wir gerade surfen.“ Neben dem Brauwasser wird das Mischwasser auch als Prozesswasser eingesetzt. So werden die am Brauprozess beteiligten Behältnisse, Gefäße und Leitungen geschont und müssen seltener gereinigt,
gewartet oder ausgetauscht werden. Schels dazu: „Mit der Umkehrosmoseanlage sparen wir 40 % an Reinigungsmitteln im Vergleich zum Kationenaustauscher ein. Außerdem haben wir so gut wie keine Verkalkung mehr an unseren Filtersystemen und Erhitzern.“ Zur Flexibilität der Anlage sagt er: „Seit diesem Jahr haben wir unser Portfolio um alkoholfreie Erfrischungsgetränke erweitert. Dafür konnten wir die Umkehrosmoseanlage problemlos anpassen, so dass sie uns mit Hilfe einer höheren Rohwasserverschneidung nun auch Wasser mit 8° dH Gesamthärte liefert. Dieses Wasser enthält somit mehr Mineralien und hat mehr ‚Körper‘, was für Limonaden besser ist.“ Vor- und nachbehandelnde Anlagen ergänzen die Umkehrosmoseanlage Um Härteausfällungen („Scaling“) in den Modulen der Umkehrosmoseanlage zu vermeiden, wird ihr eine Dosieranlage zur Härtestabilisierung vorgeschaltet. Ein sogenanntes „Antiscalant“, ein speziell auf die Lebensmittelindustrie ausgerichtetes Dosierchemikal, kommt hier zum Einsatz. Das aus der Umkehrosmoseanlage gewonnene Permeat ist zunächst nicht brauwassergeeignet und hat eine Härte von < 0,1° dH. Daher wird eine Verschneideeinrichtung benötigt, mit deren Hilfe das Permeat mit Brunnenwasser auf die für das Brau-, Limonadenund Prozesswasser gewünschte Resthärte aufgehärtet wird. Zur Reduktion von gelöstem Sauerstoff im Wasser kommt außerdem noch eine Membranentgasungsanlage ins Spiel. Mit Hilfe von so genanntem Strippgas – hier CO2 – wird unerwünschter Sauerstoff entfernt. Die Anlage verfügt über eine Leistung
von 3 m3/h und sorgt für einen Restsauerstoffgehalt von < 0,05 mg/Liter Wasser. Sie liefert das Wasser zum Anschwemmen des Bierfilters und zum Spülen von Produktleitungen. So kommt das Bier weder bei der Filtration noch bei der Abfüllung nochmal mit Sauerstoff in Kontakt – Geschmacksstabilität, Qualität und Haltbarkeit sind somit gewährleistet. In den nächsten Jahren wird die Brauerei Frastanz aufgrund der gestiegenen Nachfrage ihre Braukapazität erweitern. In diesem Zuge wird dann die Grünbeck-Anlage an einen anderen Ort verlagert. Armin Eisenhofer berichtet: „Um die hier geforderte Flexibilität zu gewährleisten und den Platzverhältnissen im neuen Gär- und Lagerkeller gerecht zu werden, haben wir sie extra kurz gebaut und auf einem Rahmengestell vormontiert.“ Anton Schels ergänzt: „Auch daran offenbart Grünbeck seine kundenorientierte Einstellung und Arbeitsweise. Fachkompetenz und guten Service stellen wir bei der ganzen Zusammenarbeit fest. Der Planungs- und Fertigungsprozess dauerte gerade mal vier Monate. Die Anlage wurde binnen einer Woche aufgestellt, die Inbetriebnahme inklusive aller nötigen Tests war in nicht einmal zwei Tagen abgeschlossen. Die erste Jahreswartung hat prima funktioniert und bei Fragen ist immer jemand schnell und kompetent zur Stelle. Die Anlage läuft von der ersten Sekunde an störungsfrei und mit großem Erfolg.“
www.gruenbeck.de
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VI technik spezial technology special
Luftreinigung in der Lebensmittelindustrie Ein Mensch kann im Notfall wochenlang auf Nahrung und sogar drei Tage auf Flüssigkeit (Wasser) verzichten. Bei Nahrungsmitteln können Menschen zudem mehr oder weniger frei wählen – bei Luft sieht das anders aus. Die Atemluft stellt ein Medium dar, das besonders in geschlossenen Räumen nur in der vorhandenen Qualität verfügbar ist und aufgenommen werden muss. Schlechte Luft kann nicht nur gesundheitsgefährdend sein, sondern birgt auch Risiken für Produktion und Industrie.
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n der Lebensmittelindustrie steht wie in der Pharmaindustrie beispielsweise die Hygiene im Fokus. Bei der Herstellung von Lebensmitteln müssen zu jeder Zeit hygienisch einwandfreie Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das Gleiche gilt auch für Lebensmittel, die verarbeitet bzw. weiterverarbeitet werden. Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen Betriebs- und Produktionshygiene. Für den Betrieb zählen dazu: Sauberkeit und Instandhaltung sämtlicher Räume, der Außenanlagen, Einrichtungen, Maschinen und Geräte des Unternehmens. Produktionshygiene ist unerlässlich, um sichere Lebensmittel herzustellen. Diese muss vom Wareneingang bis zum Warenausgang durchgehend eingehalten werden. Die Warenflüsse werden definiert, Rohstoffe, Verarbeitungsbereiche und -schritte werden generell in „rein“ und „unrein“ eingeteilt. „Rein“ bedeutet, dass die Eintragsquelle für grobe Verunreinigungen/Kontaminationen verringert wurde. Ein besonders sorgfältiger Umgang mit leicht verderblichen Lebensmitteln muss jederzeit garan-
tiert und eingehalten werden. Sollte dennoch eine Kontamination stattfinden, kann diese „direkt“ oder „indirekt“ erfolgen. Unter Kontamination versteht man eine Verunreinigung. Kontaminierte Lebensmittel sind daher Produkte, die unerwünschte, weil die menschliche Gesundheit gefährdende Keime in sich bergen. Direkte oder indirekte Kontamination Eine direkte Kontamination liegt vor, wenn eine Übertragung von Keimen durch den direkten Kontakt (direktes Berühren) von Lebensmitteln erfolgt. Durch die Berührung kann es zu einer Übertragung von Keimen kommen und somit zu einer direkten Verunreinigung. Eine indirekte Kontamination liegt vor, wenn Keime mittels eines Arbeitsgeräts, wie z. B. Messer, Schneidebrett, Schneidemaschine etc. oder auch durch Luftkeime auf ein Lebensmittel übertragen werden. Ein Beispiel dafür wäre der Übergang von Salmonellen aus einem kontaminierten Huhn auf eine Salatgurke, weil weder die Hände gewaschen wurden, nachdem das Huhn berührt
ERNÄHRUNG | Nutrition volume 45 | 01. 2021
wurde, noch das Messer, mit dem zuerst das Huhn und dann die Gurke geschnitten wurde. So werden die Salmonellen im Huhn durch das Braten zerstört, im Gurkensalat bleiben sie aber infektiös und können Erkrankungen auslösen. Gefahr Kreuzkontamination In Bezug auf Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit wird unter Kreuzkontamination eine ungewollte, versehentliche Übertragung unerwünschter Mikroorganismen verstanden. In vielen Bereichen der weiterverarbeitenden Lebensmittel industrie muss eine mögliche Kreuzkontamination nicht nur aus hygienischer Sicht, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen jederzeit reduziert werden. Ein Beispiel dafür sind Allergene. Das sind Substanzen, die im Immunsystem Überempfindlichkeitsreaktionen (allergische Reaktionen) auslösen können. Die verschiedenen Überempfindlichkeitsreaktionen können als Allergien, Pseudoallergien und Intoleranzen auftreten. Selbst wenn Lebensmittel laut Rezeptur „allergenfrei“ sind,
können Verunreinigungen durch Allergene nicht ganz ausgeschlossen werden, wenn im selben Betrieb (oder gar in Produktionslinien) allergenhaltige Produkte hergestellt werden. Dafür genügen bereits geringe Mengen z. B. in Stäuben, die mit der Luft auf andere Lebensmittel gelangen können. Solche durch Kreuzkontamination verursachte Allergenanteile sind für betroffene Allergiker besonders gefährlich, weil die Allergene nicht im Zutatenverzeichnis angeführt sind. Dies zeigt die Wichtigkeit, vorhandene Luftkeime und Stäube hocheffizient aus der Umgebungsluft zu filtern, bevor diese in der Lage sind, sich zu vermehren oder die Lebensmittel zu kontaminieren. In einer Produktionshalle verbleibende Luftkeime können somit zum vorzeitigen Verderb von Lebensmitteln und zur Vermehrung gefährlicher Krankheitserreger führen. Diese Keime können zu schwerwiegenden Hygieneproblemen führen, aber auch (durch Einatmen) die Gesundheit der Mitarbeiter schädigen. Ebenfalls sollten unerwünschte Kreuzkontaminationen durch die
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Patrick Albrecht
VII technik spezial technology special
Übertragung von flugfähigen Keimen/Partikeln und Aerosolen ausgeschlossen werden. Gerade in Zeiten von COVID-19 kommt der Entfernung von Aerosolen aus der Luft besondere Bedeutung zu. Oftmals reichen aber die bestehenden Lüftungsanlagen nicht aus, um all diese Risiken zu beseitigen. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, ohne gleich eine komplette neue Belüftungsanlage installieren zu müssen, können flexible Luftreinigungslösungen als ideale Ergänzung eingesetzt werden, um die notwendigen Hygienestandards zu gewährleisten. Flexible Luftreiniger mit breitem Anwendungsbereich Typische Anwendungsbereiche für flexible Luftreiniger umfassen die Lebensmittel- und Pharmaindustrie, Logistikunternehmen, Lagerhallen sowie andere Produktionsstätten mit hohen Anforderungen an hochgradig saubere oder hygienisch unbedenkliche Luft. Moderne Luftreiniger müssen auf jeden Fall alle technischen Auflagen geltender Vorschriften und Gesetze sowie As-
pekte des Arbeitsschutzes, der Arbeitsmedizin und Arbeitsinspektion erfüllen. Darüber hinaus sollten sie über mechanische Filtrierung, automatische Luftstromregelung und eine regelmäßige Servicierung verfügen. Dies gewährleistet eine dauerhaft konstante Effizienz und einen gleichmäßigen Reinigungsgrad. Spezielle Anforderungen der Lebensmittelindustrie Zahlreiche industrielle Luftreiniger sind aus qualitativ hochwertigen Bauteilen hergestellt und bieten eine effiziente Lösung für verschiedene Branchen, entsprechen aber nicht den strengen Anforderungen der Lebensmittelindustrie. Die Bauweise vieler herkömmlicher Systeme ist aufgrund von Aussparungen und Spalten nicht vollkommen dicht und daher auch schwierig zu reinigen, weil sich Staub und Partikel absetzen können. Dies kann die Funktionsfähigkeit und Sicherheit des Systems beeinträchtigen. Geräte für die Lebensmittelindustrie müssen durch Design und Bauweise absolute Hygiene gewährleisten.
Zu beachten sind verschiedene Parameter – von der Filterkonfiguration über Hygienic Design bis zu Material und Dichtungen. In Übereinstimmung mit den Filternormen ISO 16890 und EN1822 bieten z. B. anpassbare, mehrstufige Filterkonfigurationen besondere Vorteile, weil diese gewährleisten, dass mit kontinuierlicher Effizienz ein breites Spektrum an Schwebepartikeln abgefangen wird. Die Verwendung von mehrstufigen Filtern stellt sicher, dass auch bei Beschädigung des ersten Filters weiterhin vollständiger Schutz gegeben ist. Wichtig ist, dass alle Oberflächen glatt und aus einem undurchlässigen, einfach zu reinigenden Material gefertigt sind und dass Vertiefungen vermieden wurden, um Angriffspunkte für Partikel und Schadstoffe zu minimieren. Fugenlose Kanten und glatte Nähte, damit sich kein organisches Material ansammeln kann, verbessern die Resistenz gegen Alterung und Reinigungsmittel. Achten Sie auf leckagesichere Gehäuse, die vollkommen dicht sind, damit keine Parti-
kel, Schadstoffe oder Schädlinge in das Geräteinnere gelangen können, und korrosionsbeständige Materialen. Silikondichtungen müssen lebensmittelecht, glatt und durchgehend sein, um Angriffspunkte für organisches Material zu vermeiden. Wichtig ist eine möglichst hohe Beständigkeit gegen vorzeitige Alterung durch Desinfektionsund Reinigungsmittel. Je mehr diese Parameter zutreffen, desto eher werden Sicherheit, Qualität und Effizienz der Arbeitsabläufe verbessert und das Mindesthaltbarkeitsdatum der Lebensmittel verlängert. Flexible Luftreiniger als Ergänzung bestehender Lüftungssysteme bieten einige Vorteile. Anwender sollten sich aber vor der Auswahl der Geräte zuerst über ihre Anforderungen im Klaren sein und sich gut beraten lassen, um die für ihre Situation bestmögliche Lösung zu erhalten. Ing. Patrick Albrecht Manager Technical Sales Support/Solution Design, QleanAir Scandinavia, Kriftel, Deutschland.
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VIII technik spezial technology special
Das HACCP-Konzept mit Software umsetzen „Hazard Analysis and Critical Control Points“ (HACCP) ist ein Konzept zur Gefahrenanalyse, das heute in nahezu allen Bereichen der Lebensmittelindustrie Anwendung findet. Das Konzept dient der Vermeidung von Gefahren im Zusammenhang mit der Produktion, Verpackung und Verarbeitung von Lebensmitteln, die zu einer Erkrankung oder Verletzung von Konsumenten führen können.
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as für die Sicherheit von Astro nautennahrung bereits im Jahr 1959 durch die NASA in Auftrag gegebene und auf der FMEA-Methodik basierende HACCP-Konzept wird heute beispielsweise von der Europäischen Verordnung (EG) 852/2004, der deutschen Lebensmittel-Hygieneverordnung (LMHV) sowie dem Standard ISO 22000, IFS Food und selbstverständlich dem Food Safety System Certification 22000 (FSSC 22000) gefordert. Eine modulare Qualitätsmanagement-Software wie CAQ. Net der CAQ AG unterstützt den Anwender bei der Implementierung des HACCPKonzepts mit Lösungen zur Identifizierung, Bewertung, Beherrschung und Doku-
mentation von Gefahren und Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette. Gefahren und Risiken Bei der initialen HACCP-Risikoanalyse werden chemische, menschliche, biologische/mikrobiologische oder physikalische Gefahren identifiziert. Bereits bei diesem ersten Schritt unterstützt die CAQ-Software (Computer Aided Quality) der CAQ AG mit einer dynamischen Wissensbasis. In einem Gefahrenkatalog stehen sämtliche bei anderen oder ähnlichen Produkten oder Prozessen zuvor identifizierte Gefahren zur Auswahl. Anstatt bei jeder Analyse von neuem zu beginnen, kann man direkt auf bisheriges Wissen zurückgreifen und sämtliche bestehende Produktionserfahrung des Unter-
Web-Portal im CAQ – durchgängig vernetzter, dezentraler und papier loser Zugriff auf relevantes Unternehmenswissen
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nehmens nutzen. Hierbei stehen auch Informationen aus dem Lieferantenmanagement, der Reklamationsbearbeitung oder der Mitarbeiterschulung zur Verfügung. Ob eine potentielle Gefahr durch das vom Zulieferer bezogene Rohmaterial, von mangelhaft geschultem Personal oder einem fehlerhaften Produktionsschritt ausgeht, kann anhand der Software dank dieser vernetzten Informationsbereiche wesentlich einfacher in Erfahrung gebracht werden als mittels eines papierbasierten Systems. Kritische Lenkungspunkte (CCP) Schlüsselelemente des HACCP-Konzepts sind die sogenannten kritischen Lenkungspunkte (Critical Control Points – CCP). Dies sind Punkte entlang der Produktionskette, wo eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit verhütet, ausgeschaltet oder zumindest auf ein annehmbares Maß gesenkt werden kann. Um diese Lenkungspunkte identifizieren zu können, kommt der HACCPEntscheidungsbaum zum Einsatz. Diese Methode der Gefahrenanalyse ermöglicht es zu identifizieren, ob an einer Stelle ein CCP vorliegt, ein operatives Präventivprogramm oPRP (Operational Prerequisite Program) angewendet werden soll
oder ob das Verfahren oder das Produkt eventuell geändert werden muss. Der HACCP-Entscheidungsbaum Zur Umsetzung der Gefahrenbewertung enthält die Software der CAQ AG einen interaktiven HACCP-Entscheidungsbaum nach dem Codex Alimentarius. Hierbei wird der Anwender durch fünf Fragen geleitet, welche für jedes Produkt oder für jede Produktgruppe und jeden Prozessschritt mit identifizierten Gefahren durchgeführt werden müssen: • Bestehen an dieser Stelle im Prozess bereits Präventivmaßnahmen? • Wird durch diese Maßnahme die Gefahr beseitigt oder auf ein annehmbares Maß reduziert? • Ist diese Maßnahme zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren notwendig? • Kann sich die Gefahr später wieder erhöhen oder neu auftreten? • Wird das neu entstandene Risiko durch einen weiteren Prozessschritt wieder beseitigt? Nachdem diese Fragen geklärt worden sind, zeigt der Entscheidungsbaum grafisch auf, ob es sich bei der analysierten Maßnahme um ein CCP oder oPRP handelt. Somit ist nicht nur die
Dokumentenmanagement – elektronische Dokumente im Verbund mit einem CAQ-System
HACCP-Entscheidungsbaum in der CAQ-Software
Maßnahme, sondern auch die logische Herleitung anhand der HACCP-Gefahrenanalyse automatisch dokumentiert und kann anschließend in einem beliebigen Belegformat ausgegeben werden. Maßnahmen und Überwachung Im Anschluss folgt die Einrichtung, Dokumentation und Überwachung der jeweiligen Maßnahmen. Auch hier spielt eine Software mit ihrer
Wissensbasis wiederum eine entscheidende Stärke gegenüber einem papierbasierten System aus, denn Erfahrungen aus bisherigen Analysen stehen direkt zur Auswahl. Diese beinhalten auch Unternehmenswissen bezüglich der Festlegung von kritischen Grenzwerten oder der Festschreibung und Durchführung wirksamer Prüf- und Sicherheitsmaßnahmen. Wurde bei einem Produktionsschritt in der Vergangenheit eine be-
E-Learning-Funktionen im Modul zum Schulungsmanagement
stimmte Gefahr identifiziert und ein passender Kontrollmechanismus eingerichtet, so steht die entsprechende Kombination aus Gefahr und Maßnahme
direkt in der Wissensbasis zur Verfügung. Regelmäßige Kontrolle Die Überwachung der eingeleiteten
Um der Beste zu sein, braucht man die beste Qualität.
Softwarelösungen für die Lebensmittelindustrie volume 45 | 01. 2021 ERNÄHRUNG | Nutrition
www.CAQ.de
X technik spezial technology special
Maßnahmen erfolgt ebenfalls direkt in der CAQ.Net-Software. Ob die regelmäßige Messung der pH-Werte, die Überprüfung von Metalldetektoren oder die finale Endproduktkontrolle: Prüfpläne, Prüffrequenzen, Messwerte, Chargeninformationen und zu nutzende Prüfmittel werden in der Software zentral erstellt bzw. gesteuert. Auch die bei Abweichungen von definierten Grenzwerten einzuleitenden Korrekturmaßnahmen werden hiermit definiert und überwacht. Dokumentation Sämtliche HACCP-relevanten Analysen, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten müssen durchgängig und sicher dokumentiert werden. Während Dokumente heute oft noch in Papierform verteilt, archiviert und per Unterschrift bestätigt werden, bieten elektronische
Dokumente im Verbund mit einer CAQ-Software die Möglichkeit, Versionsverwaltung, elektronische Bestätigung und Änderungsnachverfolgbarkeit digital zu lösen. Mit der Software werden hierbei auch Forderungen nach Zugangssicherheit, Rechteüberwachung, Traceability und Historienmanagement konsequent erfüllt. Schulungsmanagement Im Kontext von HACCP spielen auch die Themen Mitarbeiterkompetenz und Schulung zentrale Rollen. Kapitel XII der Europäischen Verordnung (EG) 852/2004 fordert beispielsweise, dass Lebensmittelunternehmer gewährleisten müssen, dass Betriebsangestellte, die mit Lebensmitteln umgehen, entsprechend ihrer Tätigkeit überwacht und in Fragen der Lebensmittelhygiene unterwiesen und/oder geschult werden. Insbesondere die Personen, die
für die Entwicklung und Anwendung von Verfahren zur Gefahrenanalyse und Identifizierung kritischer Kontrollpunkte zuständig sind, müssen in allen Fragen der Anwendung der HACCP-Grundsätze angemessen geschult werden. Das Softwaremodul zum Schulungsmanagement/E-Learning unterstützt bei der Planung, Verwaltung, Dokumentation und Auswertung von Schulungsmaßnahmen und ermöglicht die Erstellung von E-Learnings sowie einer Qualifikations- und Schulungsdatenbank. Die integrierte Qualifikationsmatrix beispielsweise kann genau nachverfolgen, welcher Mitarbeiter in welchem Bereich Schulungsbedarf hat und zu welchem Zeitpunkt dieser fällig wird. Schulungen und Schulungsvorlagen, Organisationseinheiten und Qualifikationen sowie Dokumente vom Trainingshandbuch bis hin zur
Tischkarte werden zentral in der Software verwaltet. Effizienzsteigerung bis hin zum papierlosen HACCP Die bei Anwendern der CAQ.Net-Software erzielten Effizienzsteigerungen in den HACCP-Abläufen betragen erfahrungsgemäß etwa 30 Prozent, und die entsprechende Papierersparnis pro Jahr ist enorm. Letztlich ist es aber nicht nur die Effizienzsteigerung, die zählt, denn dank FDA-konformen elektronischen Unterschriften, Änderungskontrolle und einer konsequenten Datenüberwachung im Sinne der Datenintegrität ermöglicht eine modulare und skalierbare CAQ-Software den Nachweis für ein sicheres und gesetzeskonformes Arbeiten, welcher nicht zuletzt bei Kundenaudits oder behördlichen Kon trollen überzeugt.
Zentrale Absaugsysteme für die Lebensmittelindustrie Die Hygieneanforderungen in der Lebensmittelindustrie sind äußerst streng. Das schwedische Unternehmen Dustcontrol führt jetzt ein effizientes Absaugsystem für die Lebensmittelindustrie ein: „Gut für Lebensmittel – When Clean Is Not Enough.“ Das System trägt zur sicheren und hygienischen Lebensmittelherstellung bei.
Dustcontrol Ges.m.b.H. Gradnerstraße 122 A-8054 Graz
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www.dustcontrol.at
www.dustcontrolfood.com
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Kühnel: Qualitätssicherung durch Messen der Wasseraktivität
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ie Wasseraktivität beeinflusst folgende Eigenschaften eines Produkts: mikrobiologische, chemische und enzymatische Stabilität, Farbe, Geschmack und Nährwert, Gehalt von Proteinen und Vitaminen, Stabilität der Zusammensetzung, Haltbarkeitsdauer, Aufbewahrung und Verpackung, Löslichkeit und Textur. Die AGES verlangt Nachweis darüber, dass die Wasseraktivität eines Produkts ausreichend zurückgegangen ist und keine Bakterien wachsen können.
Mehr Infos unter Suche: Rotronic Wasseraktivität
© Ablinger/ Oberndorf
Destillerie Franz Bauer: regional und international Der Traditionsbetrieb aus Graz konzentriert sich auf seine Stärken: regionale Qualitätsprodukte und internationale Top-Spirituosen.
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as letzte Jahr war für viele Unternehmen durch große Herausforderungen geprägt, die sich vor allem in der Gastronomie und bei deren Zulieferbetrieben ausgewirkt haben. So auch bei der Destillerie Franz Bauer: Einerseits konnte am 8. Oktober 2020 das 100-jährige Firmenjubiläum gefeiert werden, andererseits wurde die Zusammenarbeit mit der Firma Mast-Jägermeister SE per 31. Dezember 2020 nach mehr als 53 Jahren beendet.
Seit September 2020 verstärkt Roland Pachole die Geschäftsführung der Destillerie Franz Bauer GmbH. Gemeinsam arbeitet das Team um Hans-Werner Schlichte an der erfolgreichen Zukunft und führt Gespräche mit potenziellen neuen Geschäftspartnern, um neben den erfolgreichen Produkten wie Licor 43, Ron Barcelò, Angostura und Vodka Stroganoff neue Marktanteile zu sichern. Seit Jahren kann die Destillerie diverse Auszeichnungen erringen. Auch die Handelsprodukte sind im internationalen
Vergleich großartig bewertet. Im Likörbereich wurde Ende Dezember der Pfefferminzlikör „Minzling“ gelauncht, der mit seiner frischen Optik eine jüngere Zielgruppe ansprechen soll. „Um in den nächsten 100 Jahren weiterhin erfolgreich zu sein, werden wir überraschende Produkte bringen, die dem Zeitgeist entsprechen, den Geschmack unserer Kundinnen und Kunden treffen und regional gefertigt werden“, sagt Hans-Werner Schlichte, Eigentümer der Destillerie Franz Bauer.
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IFS Version 7: Das müssen Sie wissen Die seit langem angekündigte neue Version 7 des International Featured Standards (kurz IFS Food V7 genannt) wurde am 6. Oktober 2020 veröffentlicht und kann ab 1. März 2021 auditiert und somit auch zertifiziert werden. Ab 1. Juli 2021 ist diese Version des Standards für alle nach IFS Food zertifizierten Betriebe verpflichtend umzusetzen. IFS ist ein von der GFSI (Global Food Safety Initiative) anerkannter Standard für die Auditierung von Lebensmittelherstellern. Michael Stelzl
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er IFS Standard gilt für Ve r a r b e i t e r von Lebensmitteln ebenso wie für Unternehmen, in denen unverpackte Lebensmittel verpackt werden, und unterstützt die Arbeit der Produktions- und Marketing abteilungen in den Bereichen Markensicherheit und Quali-
tät. Die neue Version 7 wurde in enger Zusammenarbeit mit Zertifizierungsstellen, dem Handel, der Lebensmittelindustrie und der Systemgas tronomie entwickelt. IFS Food kommt dort zum Einsatz, wo Produkte „verarbeitet“ werden oder wo bei der Erstverpackung die Gefahr einer Kontamination des Produkts besteht. Der Standard ist
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wichtig für alle Hersteller von Lebensmitteln, insbesondere für die Hersteller von Eigenmarken, da viele Anforderungen die Einhaltung von Kundenspezifikationen prüfen. Vorteile des IFS Food V7 Standards • risikobasierter Ansatz identifiziert unternehmensspezifische Risiken und Gefahren
• kundenspezifische Lösungen zur Erfüllung der Standardanforderungen sind möglich, da keine spezifische Methode vorgegeben wird • akzeptiert von Einzelhändlern und Markeninhabern weltweit • von Experten der Lebensmittelindustrie, Zertifizierungsstellen und Ein-
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zelhändlern entwickelte Anforderungen zu Gesetzgebung, Lebensmittelsicherheit und -qualität sowie Kundenspezifikationen • Assessments durch speziell geschulte Auditoren mit nachgewiesenen Kenntnissen und Erfahrungen im relevanten Industriesektor • Optionen für unangekündigte Assessments • Produkt- und Prozess zertifizierung auf der Grundlage von ISO/IEC 17065:2012
Die Neuerungen Die Version 7 bringt also einige Neuerungen mit sich, zum Teil im sogenannten Auditprotokoll, also in dem Teil des Standards, der die Abwicklungen der Audits und der Zertifizierungen definiert, und zum Teil bei inhaltlichen Änderungen der Standardanforderungen. Die zwei wesentlichen Erkenntnisse aus den vielen Anpassungen und Änderungen sind: Es wird schwieriger werden, dass Betriebe ein „Höheres Niveau“ erreichen können, weil die Bewertung geändert wird und es weniger Anforde-
rungen gibt, bei denen man Pluspunkte sammeln kann. Und es ist wichtiger, sich als Betrieb auf ein gut funktionierendes Gesamtsystem zu fokussieren statt nur auf die Änderungen. Man könnte es mit dem Kochen vergleichen: Es kommt auf insgesamt gute Qualität der Zutaten und umfassendes Know-how an und nicht auf ein einzelnes, neues Gewürz. I. Änderungen im Auditprotokoll Ziel der neuen Version ist es, die Durchführung von Audits, die künftig als Assessments zu verstehen sind, zu konkretisieren und sicherzustellen, dass Auditoren mehr Zeit vor Ort und weniger Zeit für die Prüfung von Dokumenten aufwenden. Auditoren werden mind. 50 % der gesamten Auditzeit für die Betriebsbegehung aufwenden und sich dabei an klare Vorgaben zu halten haben, was geprüft werden muss. So wird u. a. gefordert, dass risikobasiert relevante Produktproben (Stichproben) als Auditnachweise gezogen werden (vor Ort oder vor dem Audit), um Produkte und die damit zusammenhängenden
Produktionsprozesse inkl. der entsprechenden Dokumentation auf Erfüllung der IFS-Anforderungen hin zu überprüfen. Auch wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Durchführung eines Rückverfolgbarkeits tests während des Audits verpflichtend ist. Am Ende jedes Assessmenttags ist die Anwesenheit der Auditoren durch Unterschrift eines Vertreters des Unternehmens, das bewertet wird, sowie des Auditors (und gegebenenfalls weiterer für das Assessment relevanten, anwesenden Personen) unter Angabe der Anfangs- und Endzeit des jeweiligen Tages zu bestätigen. I. 1. Verpflichtende GLN Eine wesentliche Neuerung ist die Vorgabe, dass jeder Betrieb im Europäischen Wirtschaftsraum und im Vereinigten Königreich (UK) verpflichtend eine eigene GLN (Global Location Number) haben muss. Ohne diese kann kein Zertifikat ausgestellt werden! Sollte ein Unternehmen aus mehreren Betrieben bestehen, muss jeder eine eigene GLN haben.
I. 2. Pflicht: unangekündigte Assessments Besonders gravierende Änderungen bringt die Anforderung mit sich, dass ab 1. Jänner 2021 mindestens einmal in einem Zyklus von drei Jahren in jedem Unternehmen ein unangekündigtes Assessment (bisher „Audit“) durchgeführt werden muss. Das gilt auch, wenn dieses einem „angekündigten Auditmodus“ unterliegt. Welches dieser Assessments, also im 1., 2. oder 3. Jahr, unangekündigt erfolgt, bleibt der Wahl durch das Unternehmen überlassen. Die Dauer des Assessments bleibt im Vergleich zu angekündigten Audits gleich. Zu bedenken ist, dass die Anmeldung bei der Zertifizierungsstelle sehr rasch nach dem vorangegangenen Assessment zu erfolgen hat, spätestens aber 6 Monate danach. Zu beachten ist, dass unangekündigte IFS Assessments, deren Bewertungsfenster am 1. Mai 2021 oder danach beginnen, bereits nach IFS Food Version 7 durchgeführt werden müssen. Diese Änderung betrifft auch den Standard für IFS Logistik V2.2.
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I. 3. Neue Anforderungen für ausgelagerte Prozesse Wichtig ist dazu vorab die Definition: Ein teilweise ausgelagerter Prozess ist ein Produktionsschritt oder Teil eines Produktionsprozesses (einschließlich Verpackung und Etikettierung), der außerhalb des eigenen Standorts durch einen Dritten im Auftrag des IFS Food zertifizierten Produktionsstandorts durchgeführt wird. Komplett ausgelagerte Prozesse und Handelswaren werden auch künftig nicht in den IFS Zertifizierungsumfang des Unternehmens fallen. Werden ein oder mehrere Teile des Produktionsprozesses ausgelagert, muss die Organisation gewährleisten, dass diese überwacht sowie die Lebensmittelsicherheit und Produktqualität nicht beeinträchtigt werden. Es ist die Aufgabe des Auditors, im Zuge des Audits zu überprüfen, ob derartige ausgelagerte Prozesse angemessen gelenkt werden und ob es einen schriftlichen Vertrag gibt, der Vereinbarungen hinsichtlich Inprozesskontrollen, Probenahmeverfahren und Analysen berücksichtigt. Ist der Lieferant bzw. Dienstleister dieser ausgelagerten Prozesse nicht nach IFS Food oder nach einem anderen GFSI-anerkannten Zertifizierungsprogramm zertifiziert, muss ein dokumentiertes Lieferantenaudit durch eine erfahrene und kompetente Person durchgeführt werden. I. 4. Änderungen bei Korrekturmaßnahmen Unternehmen müssen künftig nicht nur Korrekturmaßnahmen inkl. Verantwortlichkeiten und Umsetzungsfristen im Maßnahmenplan rückmelden, sondern auch Korrekturen für alle Abweichungen festlegen. Die-
se Korrekturen müssen bis spätestens vier Wochen nach Erhalt des auszufüllenden Korrekturmaßnahmenplans umgesetzt sein. Der Maßnahmenplan muss mit entsprechenden Daten an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Andernfalls kann kein IFS-Zertifikat ausgestellt werden! Damit erfolgt eine Gleichstellung des IFS mit den Vorgaben des Global Food Standards des BRC. I. 5. Änderungen des Bewertungssystems Eine „B“-Bewertung ist in der neuen Version nicht mehr als Abweichung zu sehen, sondern gilt als sogenannter „point of attention“. Dabei handelt es sich um einen Punkt, dem erhöhte Aufmerksamkeit beigemessen werden muss und der Handlungsbedarf anzeigt, um zu vermeiden, dass eine Abweichung entsteht. Daraus ergibt sich, dass Abweichungen nur noch mit „C“ oder „D“ zu bewerten sind. Mit diesem Hintergrund wurde auch die Bewertung von KO-Anforderungen überarbeitet: KO-Anforderungen dürfen nur noch mit „A“, „C“ oder „D“ bewertet werden. Eine Bewertung einer KO-Anforderung mit „B“ ist folglich nicht zulässig. Diese Änderung der Bewertung sowie eine Reduktion der Anzahl der Auditanforderungen um ca. 15 % haben zur Folge, dass es für Unternehmen schwieriger wird, den erforderlichen Mindestprozentsatz von 95 % zu erreichen, der notwendig ist, um auf „Höherem Niveau“ zertifiziert zu werden. II. Änderungen bei Anforderungen Die inhaltlichen Neuerungen in den Assess-
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ment-Anforderungen in der Version 7 sind an die GFSI Benchmark Anforderungen Version 2020.1, an FSMA (Food Safety Modernization Act) und diverse EU-Vorschriften angepasst. Dabei steht die Ausrichtung auf Assessments im Hinblick auf den Produkt- und Prozessansatz des IFS in Übereinstimmung mit der ISO/IEC 17065 im Vordergrund. Insgesamt fällt auf, dass die Anforderungen der neuen Assessmentcheckliste konkretisiert, ergänzt und erweitert wurden, wenngleich die Anzahl der Anforderungen in Summe um 15 % reduziert wurde. Jedoch stellen nicht die vielen Änderungen bei Kleinigkeiten eine Herausforderung dar, sondern die umfassende Umsetzung und nachhaltige Einhaltung der auch bisher geltenden Anforderungen. Es kommt also nicht darauf an, das „Neue“ besonders gut zu machen, sondern das „Alte“ muss gut funktionieren und das „Neue“ kommt hinzu. „Alt“ (und auch gut) ist das neue NEU. So sind auch die Wirksamkeitsprüfungen zu verstehen, die bei internen Audits, Schulungen, der Umsetzung des Krisenmanagements sowie den Maßnahmen von Food defense darzustellen sind. Der IFS Food V7 deckt sechs Themenbereiche ab. Alle gelten als Schlüssel zur Einführung effektiver Prozesse, die die Sicherheit und Qualität der Produkte garantieren. In diesen Bereichen gibt es verschiedene Änderungen. 1. Unternehmensführung und -verpflichtung: Überprüfung des Engagements der Unternehmensleitung zur Unterstützung der Nachhaltigkeit der Lebensmittelsicherheitskultur und der Qualitätssicherungspolitik.
2. Lebensmittelsicherheitsund Qualitätsmanagementsystem: Erforderlich zur Erfüllung der gesetzlichen und lebensmittelsicherheitsrelevanten Anforderungen sowie der Kundenspezifikationen. 3. Ressourcenmanagement: Management von Personalressourcen, Arbeitsbedingungen, Hygiene und sanitären Einrichtungen zur Gewährleistung der Produktsicherheit. 4. Operative Abläufe: Herstellung von sicheren, qualitativ hochwertigen Produkten nach Kundenspezifikationen. 5. Messungen, Analysen und Verbesserungen: Inspektionen, Prozessvalidierung und Verwaltung von Beschwerden und Korrekturmaßnahmen. 6. Produktschutz (food defense)-Plan: Schutz der Integrität des Unternehmens und der hergestellten Produkte. II. 1. Eine der größten Herausforderungen, aber auch eine sehr große Chance für alle Unternehmen ist die verpflichtende Integration einer Kultur der Lebensmittelsicherheit in die Unternehmenspolitik. Konkrete Anforderungen, wie diese Lebensmittelsicherheitskultur zu implementieren ist, gibt es nicht, zumal die Kultur eines Unternehmens weniger auf Gesetzen oder Vorgaben beruht, sondern vielmehr intuitiv funktioniert und stark geprägt ist von Werten, Erfahrungen, Überzeugungen sowie der Rolle der Führungskräfte in einer Organisation. Zusätzlich wurden erweiterte Anforderungen u. a. in Hinblick auf die Managementbewertung konkretisiert. Nicht neu, aber jetzt konkre-
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tisiert, ist die Anforderung, dass ein Unternehmen die Zertifizierungsstelle innerhalb von drei Arbeitstagen über jegliche Änderungen informieren muss, die einen Einfluss auf die Zertifizierungsanforderung haben könnten. Dazu zählen Rückrufe und Rücknahmen aus Gründen der Lebensmittelsicherheit sowie maßgebliche Änderungen im Unternehmen. II. 2. Anpassungen und Ergänzung der HACCP-Gefahrenanalyse Vorgesehen ist auch, dass die HACCP- Gefahrenanalyse und die Bewertung der damit zusammenhängenden Risiken künftig sehr viel produktspezifischer sein wird. Sie ist zu ergänzen um Gefahren durch Allergene und Radioaktivität. Auch Gefahren in Bezug auf Materialien (inkl. Verpackungsmaterialien) und
Gegenstände, die mit dem Lebensmittel in Berührung kommen könnten, müssen Berücksichtigung finden. Die Anforderungen in Hinblick auf Verpackungsmaterialien wurden verschärft und es gibt neue Anforderungen zur Handhabung von Streifenvorhängen und Lebensmittel abfällen, die für die Futtermittelherstellung eingesetzt werden sowie beim Fremdkörpermanagement. II. 3. Beim Thema Personal steht immer mehr das nicht nur geschulte, sondern auch kompetente Personal im Vordergrund. Kompetenzbewertungen und Aufzeichnungen sind notwendig und sinnvoll.
blick auf das Schädlingsmanagement: Gefordert wird eine verstärkte Eigenverantwortung, vor allem auch bei Auslagerung der Dienstleistung an einen professionellen Dritten. Das Thema Food Fraud soll zukünftig durch einen benannten Beauftragten im Unternehmen umgesetzt werden. Die Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit sind nicht neu: Diese ist intern zu testen bzw. beim Audit durchzuführen. Neu ist hingegen, das definierte verpflichtende Zeitfenster von 4 Stunden einzuhalten. Sollten aber Kunden ein kürzeres Zeitfenster verlangen, so ist dies auch umzusetzen. Beim Assessment ist dann die positive Umsetzung zu beweisen.
II. 4. Geänderte und durchaus praxisrelevantere Anforderungen erwarten die Produzenten auch in Hin-
Risikobasierter Ansatz für Lebensmittelsicherheit Eines ist aber all diesen Neuerungen gemein – sie dienen
der Lebensmittelsicherheit im Unternehmen. Der risikobasierte Ansatz des IFS ermöglicht individuelle Risikobewertungen und schafft einen Fokus auf die Bereiche, die für die einzigartigen Prozesse jedes Unternehmens von Bedeutung sind. Das System treibt die kontinuierliche Verbesserung voran, um so das Produktsicherheits- und Qualitätssicherungsmanagement weiterzuentwickeln. Der nicht vorschreibende Ansatz ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen: Unternehmen können die Methoden zur Kontrolle der Gefahren bestimmen, die für die spezifischen Betriebsbedingungen am besten geeignet sind. Dr. Michael Stelzl Geschäftsführer HYGIENICUM GmbH, Institut für Lebensmittel sicherheit und Hygiene, Graz
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Hygiene durch mobile Reinigungsroboter Produktionsräume und hygienische Bereiche müssen besonders rein sein. Speziell dort, wo Lebensmittel verarbeitet und behandelt werden, ist absolute Sauberkeit unerlässlich. Ein mobiles Reinigungsgerät von Fraunhofer-Forschern säubert die Anlagen und Produktionsräume bedarfsgerecht und reproduzierbar. Ausgestattet mit einem selbstlernenden System erkennt der autonom fahrende Roboter automatisch den Verschmutzungsgrad und wählt die geeignete Reinigungsprozedur aus. In der industriellen Fertigung von Lebensmitteln ist eine kompromisslose Hygiene Voraussetzung.
S
owohl die Produktionsanlagen als auch die Räume selber müssen regelmäßig gesäubert werden, Biofilme und Beläge dürfen sich keinesfalls bilden. Das Reinigungsergebnis wirkt sich
auf die Hygiene aus und beeinflusst die Lebensmittelsicherheit. Bislang wird die anspruchsvolle und qualitätsbestimmende Säuberung der Produktionseinrichtungen größtenteils manuell erledigt. Doch bei aller Sorg-
© Fraunhofer
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falt ist die Arbeit schwer reproduzierbar, fehlerbehaftet und zeitaufwändig. Intelligente Reinigungsrobotik für den Innen- und Außenbereich Ein Forscherteam des Fraunhofer-Insti-
tuts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Dresden hat daher modulare Reinigungsroboter entwickelt, die zurzeit in zwei Varianten vorliegen: Ein Modell fährt auf einem Förderband durch die Produktionsanlage und reinigt diese von innen, die zweite Variante reinigt Boden, Decken und Wände der Räume sowie die Außenseiten der Produktionsmaschinen. Ein ausfahrbarer Roboterarm mit Zielstrahlreiniger erreicht dabei auch höher gelegene Anlagenbereiche. Mobile Cleaning Device 4.0 (MCD) heißt das mobile, modulare Gerät, welches selbstständig durch die Produktionshalle fährt. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Fraunhofer IOSB-AST in Ilmenau wird an einem Multisensorik-System für raue Umgebungsbedingungen geforscht, das zukünf-
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tig am MCD zum Einsatz kommen soll. Die Besonderheit: Basierend auf der Fluoreszenzmethode scannt und berechnet die installierte Sensorik den Verschmutzungsgrad und passt die Reinigungsparameter wie beispielsweise den Druck und die Menge des Reingungsschaums entsprechend adaptiv an. „Ein Detektor erkennt die fluoreszierenden Schmutzpartikel wie Fette, Öle und Proteine mithilfe von UV-Licht und dosiert den Schaum und das Wasser entsprechend der ermittelten Parameter wie Schichtdicke und Antrocknungsgrad. Möglich werden soll dies durch ein selbstlernendes KI-System, das die geeigneten Reinigungsparameter auswählt und die Prozessschritte vorgibt“, erläutert Max Hesse, Teamleiter am Dresdner Institutsteil Verarbeitungstechnik, den Vorgang. Bei dem Prozess werden die Daten mit Hilfe einer Simulation in einem virtuellen Zwilling abgebildet. Die erkannte Verschmutzung wird im virtuellen Zwilling auf das 3D-Modell der Anlage gemappt. In Abhängigkeit des Abstands
des Geräts zur Oberfläche kann dann beispielsweise der Sprühwasserdruck angepasst und gegebenenfalls reduziert werden – ganz im Sinne der Ressourceneffizienz.« Ausgefeilte Sensorik Der batteriebetriebene Roboter bewegt sich autark, er ist lediglich durch einen Schlauch, aus dem das Reinigungsmittel zugeführt wird, mit der Docking-Station verbunden. Die Steuerung erfolgt per WLAN. Ausgeklügelte Sensorik ermöglicht im Zusammenspiel mit der KI die adaptive Reinigung: Ein Radarsensor misst selbst durch Sprühnebel und Dampf hindurch, ein Ultra breitband-Sensor misst die Position im Raum und ein dritter optischer Fluoreszenzsensor übernimmt die Verschmutzungserkennung und vermittelt einen Eindruck der Geometrie des Prüfobjekts – Experten nennen das visuelle Odometrie. Basierend auf dem erkannten Verschmutzungszustand und den fusionierten Sensordaten werden Prozessparameter abgeleitet – anschließend wird bereits während des Reinigungsprozesses geprüft, ob dieser korrekt durchgeführt wurde.
Das Prüfergebnis wird im nächsten Schritt an den virtuellen Zwilling mit dem selbstlernenden System weitergeleitet. Bei jedem Reinigungsvorgang optimiert sich das System quasi selbst und gewährleistet somit einen ressourceneffizienten Reinigungserfolg. „Unsere Tests haben gezeigt, dass man auf diesem Weg bis zu 50 Prozent an Reinigungsmitteln sparen kann, da nur die tatsächlich benötigte Menge an Reinigungsmittel auf die Oberflächen aufgebracht wird“, sagt Hesse. „Beispielsweise kann man das System trainieren, in einem vorgegebenen Zeitraum, z. B. in einer freien Nachtschicht im 2-Schichtsystem, möglichst ressourceneffizient zu reinigen. Zusätzlich können erhebliche Effizienzpotenziale erschlossen werden, wenn die bisher für die Reinigung eingesetzten Facharbeiter bereits andere Arbeiten durchführen können, während die MCDs hochparallelisiert Reinigungsprozesse vollenden.“ Ein weiterer Pluspunkt: Der komplette Säuberungsprozess wird vollautomatisiert protokolliert und ist durch den
hohen Automatisierungsgrad sehr reproduzierbar. Mobile Cleaning Device ist branchenunabhängig und flexibel einsetzbar Der Einsatz des Mobile Cleaning Device beschränkt sich nicht auf die Lebensmittelbranche: Der smarte Roboter lässt sich ebenso im Automotive-Umfeld, in der Pharma-, Medizintechnik- und Kosmetikindustrie oder im Agrar-Sektor anwenden. In Krisenzeiten wie der Coronapandemie profitieren unterschiedlichste Branchen von dem autonomen Reinigungsroboter. „Gerade bei Personalknappheit kann unser automatisiertes System seine Vorteile ausspielen. In der Lebensmittelproduktion sind etwa zehn Prozent der Mitarbeiter allein für die Reinigung eingeteilt“, sagt der Ingenieur. Hierfür seien Fachkräfte erforderlich, die auch in normalen Zeiten rar sind. Beide Robotervarianten werden konsequent weiterentwickelt, wodurch die Komplexität der zu übernehmenden Reinigungsaufgaben stetig steigt. www.fraunhofer.de
Schutzkleidung wiederverwenden? Eine neue Studie zeigt, wie wasserabweisende Reinraumoveralls als medizinische Mehrweg-Schutzkleidung genutzt werden könnte.
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ie Schutzkleidung und Utensilien gegen Tröpfcheninfektion wiederverwendet werden können, ist derzeit Teil der öffentlichen Diskussion. Doch trotz des angewachsenen Infektionsgeschehens und damit verbundener Lieferengpässe reagiert die medizinische Fachwelt zögerlich – aus gutem Grund, denn herkömmliche Einwegkleidung bietet ver-
lässlichen Schutz, der für Mehrwegtextilien erst sichergestellt und nachgewiesen werden muss. Einen wichtigen Schritt geht eine neue Studie zur Benetzbarkeit beschichteter Reinraumkleidung. Die im Rahmen einer Forschungskooperation untersuchten Materialien zeigten sehr gute
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flüssigkeitsabweisende Eigenschaften, wie sie zur Abschirmung infektiöser Tröpfchen erforderlich sind. Die im Mittelpunkt der Studie stehende Kontaktwinkelmethode erwies sich als valide und kann potenziell als einfach zugängliches Verfahren für Prüfungen medizinischer Schutzkleidung eingesetzt
werden. An der Studie beteiligt waren neben dem Hamburger Messgerätehersteller Krüss die Dastex Reinraumzubehör GmbH & Co. KG sowie die maßgeblich initiierende OHB System AG. www.kruss-scientific.com
termine __ 18.03.2021 Webinar
29.–31.03.2021
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Online-Konferenz
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08.04.2021 Klosterneuburg
Zertifizierungen abseits von Eigenmarkenstandards
Grundlagen Lebensmittelrecht
Interne Audits in der Lebensmittelproduktion/ Lieferantenaudits
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www.lva.at
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www.lva.at
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Impressum — DIE ERNÄHRUNG Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft ∙ N UTRITION Austrian journal for science, law, technology and economy ∙ redaktion@ernaehrung-nutrition.at ∙ Offizielles Organ des Fachverbands der Nahrungs- und Genussmittelindustrie Österreichs und des Vereins zur Förderung der österreichischen Lebensmittelwirtschaft (foodalliance) ∙ Herausgeber: Fachverband der Lebensmittelindustrie; A-1030 Wien, Zaunergasse 1–3 ∙ Wissenschaftlicher Beirat: Generaldirektor Univ.-Prof. Dr. iur. et rer. pol. Walter Barfuß, Ao. Univ.-Prof. i. R. DI Dr. nat. techn. Emmerich Bergh ofer, Dr. Michael Blass, Hon.-Prof. Dr. Konrad
Brustbauer, Ass.-Prof. DI Dr. nat. techn. Klaus Dürrschmid, Prof. Dr. Christian Hauer, Univ.-Prof. Dr. Ing. Henry Jäger, OR Dr. Leopold Jirovetz, Univ.-Prof. i.R. DI Dr. nat. techn. Wolfgang Kneifel, Univ.-Prof. Dr. Jürgen König, Dr. Andreas Natterer, Ass.Prof. Dr. Peter Paulsen, Univ.-Prof. Dr. Werner Schroeder, LL.M, Univ.-Prof. Dr. Veronika Somoza, Univ.-Doz. Mag. Dr. Manfred Tacker, Univ.-Prof. Dr. med. vet. Martin Wagner Dipl. ECVPH ∙ Chefredakteur: DI Oskar Wawschinek, MAS, MBA ∙ Redaktion Wissenschaft: Ass.-Prof. DI Dr. nat. techn. Klaus Dürrschmid ∙ Redaktion Recht: Mag. Katharina Koßdorff ∙ Verleger: SPV Printmedien Gesellschaft m.b.H.; A-1080 Wien, Florianigasse 7/14;
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