DIE ERNÄHRUNG VOLUME 43 | 02 2019

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WIRTSCHAFT SCHRÄNKT WERBUNG FREIWILLIG EIN Wer nicht wirbt, stirbt! DIESES HENRY FORD ZUGESCHRIEBENE ZITAT BRINGT DIE BEDEUTUNG DER WERBUNG FÜR DIE WIRTSCHAFT AUF DEN PUNKT. UNTER WERBUNG VERSTEHT MAN ALLE MASSNAHMEN, DIE DURCHGEFÜHRT WERDEN, UM EINER ZIELGRUPPE INFORMATIONEN ZU EINEM PRODUKT ZUKOMMEN ZU LASSEN. ANDREAS KADI

B

ei Lebensmitteln kann es sich dabei z.B. um Informa­ tionen über das sensorische Erlebnis, die einfache Zu­ bereitung (Convenience), den Nährwert oder gesundheitlichen Nutzen, die Rezeptur („mehr Frucht“, „ohne Konservierungsmittel“), die Eig­ nung für bestimmte Verbrauchergrup­ pen (z. B. Veganer oder Laktoseintole­ rante), ethische Aspekte (Fair Trade), technische Aspekte (z. B. praktische Verpackung, längere Haltbarkeit), um­ weltrelevante Faktoren (bio, regional), religiöse Aspekte (halal, koscher), den Preis oder die Menge, aber auch um so­ ziale Aspekte wie z. B. Spaß, Geselligkeit oder Gruppenzugehörigkeit handeln. Das Ziel der Werbung ist die Förde­ rung des Absatzes der Produkte. Auch der Gesetzgeber hat Werbung in diesem Sinne definiert1. Das Verbot, Lebens­ mittel irreführend zu bewerben, fin­ det sich sowohl in der österreichischen (§ 5 LMSVG2) als auch in der europä­ ischen Gesetzgebung (Art 7 LMIV3).

Für Informationen, die für Verbrau­ cher als besonders attraktiv gelten und/ oder gesundheitsrelevant sind, hat der Gesetzgeber strenge Vorschriften in der EG-Verordnung über nährwert- und ge­ sundheitsbezogene Angaben geschaffen (EG-ClaimsV4). Dort werden auch in Einzelfällen Werbebeschränkungen ein­ geführt, z.B. in Art 4 in Form von Nähr­ wertprofilen. Allerdings ist es in den fast 12 Jahren, in denen die EG ClaimsV be­ reits gilt, nicht gelungen, die Ausgestal­ tung der Nährwertprofile zur Beschrän­ kung solcher Angaben zu erlassen. Unternehmerische Freiheit versus Beschränkungen und Verbote Die Grundrechtecharta der EU5, die in Ös­ terreich als Teil der Lissaboner Verträge im Jahr 2008 ratifiziert wurde, erkennt in Artikel 16 die unternehmerische Freiheit und in Artikel 11 die Freiheit der Meinungsäußerung und Informa­ tionsfreiheit an. Jeder Eingriff in diese Grundrechte bedarf einer umfassenden Interessenabwägung und eine darauf

aufbauende verhältnismäßige Vorgangs­ weise. Dies gilt natürlich auch für den Erlass von Werbebeschränkungen und -verboten für Lebensmittel. Kinder gelten in diesem Zusammenhang als besonders schützenswerte Gruppe. Da sie erst ab einem bestimmten Alter ausreichend in der Lage sind, zwischen kommerziellen und anderen Inhalten zu unterscheiden, wurden wiederholt Werbebeschränkungen und -verbote für bestimmte Lebensmittel für diese Ziel­ gruppe verlangt. Die wissenschaftliche Literatur ergibt (noch) kein einheitli­ ches Alter, bis zu dem Kinder besonders schützenswert sind, aber die meisten wissenschaftlichen Übersichtsartikel und Studien nennen 12 Jahre als das Al­ ter, ab dem Kinder kommerzielle Inhalte erkennen und sich damit kritisch ausein­ ander setzen können6, 7, 8, 9, 10, 11. Situation in Europa Derzeit gibt es in der EU über das geltende allgemeine Irreführungsverbot hinaus keine ein­ heitlichen Werbebeschränkungen und

volume 43 | 02. 2019  ERNÄHRUNG | NUTRITION


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