EINE P UBLIKATIO N VO N SMART MEDIA
10 Interview Marco Rima
«Perfektion ist doch eigentlich das Ende von allem» Marco Rima ist einer der erfolgreichsten Comedians der Schweiz. Derzeit tourt er mit seinem neuen Programm «Just for Fun» quer durchs Land. «50 Plus» sprach mit dem Vollblutkomiker über Vaterfreuden im Alter, den Wert von Zeit – und warum er sich auf eine 2500 Kilometer lange Velotour begeben will. TEXT MATTHIAS MEHL FOTO IMAGO
Marco Rima, Sie werden dieses Jahr 56 Jahre alt. Wie schlimm ist es? Die Anzahl der Jahre an sich stellt kein Problem dar – der körperliche Zerfall hingegen ist Schrott und ärgerlich. Das mit Abstand Faszinierendste am Altern ist aber: Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass es mir selber einmal passieren würde. Doch plötzlich ist es soweit und man muss sich mit neuen Situationen arrangieren. Zum Beispiel mit derjenigen, dass man im Vater-Kind-Turnen schlapp am Reck hängt und der eigene Sohn besorgt fragt, was man denn da treibe. Oder dass man zur Erkenntnis gelangt, dass Arthrose eben doch nicht der Name einer griechischen Insel ist, sondern ein Gebrechen bezeichnet, welches nun Teil des eigenen Lebens ist. Das klingt etwas ernüchtert. Es klingt vor allem realistisch. Aber es gibt durchaus auch positive Seiten am Altern. Dazu gehört die Erkenntnis, dass Zeit endlich ist – und dadurch extrem wertvoll. Darum habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, mir mehr Zeit für mich und meine Familie zu nehmen und insgesamt geduldiger zu sein. Ich bin heute sehr viel gelassener und milder als früher. Mit Ihrer Ehefrau Christina haben Sie zwei kleine Kinder, Tochter Malea (7) und Sohn Luca (4). Wie hat sich Ihr Vatersein mit dem Alter verändert? Ich bin im Kern immer noch der gleiche Vater der ich für meine beiden älteren, mittlerweile erwachsenen Kinder war. Der Unterschied ist aber: Wenn ich daheim bin, dann bin ich wirklich daheim, und nicht
mental noch auf der Bühne, im nächsten Programm oder im nächsten Sketch. Als ich jünger war wollte ich die Karriereleiter erklimmen, heute befinde ich mich in einer viel komfortableren Position. Ich kann mir darum mehr Zeit nehmen für meine Kids und bin mittlerweile zu einer Mischung aus Vater und Grossvater geworden. Das ist ein Luxus, der immer rarer zu werden scheint, dass man Zeit füreinander hat.
Wie meinen Sie das? Als Vater und Lehrer stelle ich fest, dass wir den Kindern heute enorm viel abverlangen. Zeit zum Spielen und für die Familie wird immer knapper und schon Siebenjährige müssen sich im Prinzip bereits Gedanken darüber machen, was sie vom Leben erwarten und in welche Richtung ihre Karriere verlaufen soll. Das hat meines Erachtens grosse Auswirkungen auf unsere Gesellschaft als Ganzes. Ich denke, dass es in Zukunft enorm wichtig sein wird, die Empathie in den Menschen wieder zu fördern und so ein Gefühl des Miteinanders zu kultivieren. Um dies zu erreichen, müssen wir auf den Dialog setzen. Für Familien beispielsweise bedeutet dies, dass man am Mittagstisch zusammen Zeit verbringen und miteinander reden sollte. Ich versuche dies so gut es geht vorzuleben. Solche Gedanken beschäftigen mich immer mehr. Das Alter «50» war diesbezüglich eine prägende Zahl, denn da begann ich, mir zunehmend Gedanken zu machen zu verschiedenen gesellschaftlichen Problemen. Das ist nur natürlich, schliesslich verfügt man ab einem gewissen Alter einfach über mehr Lebenserfahrung und hinterfragt die Dinge zusehends.
Dann sollten Sie vielleicht politisch aktiv werden. Die Arbeit in einer Partei wäre nichts für mich. Aber ich denke durchaus, dass sich Menschen des öffentlichen Lebens zu wichtigen Themen einbringen sollten, wenn sie etwas zu sagen haben. Vorerst bleibe ich aber der Komik treu. Und in diesem Feld sind Sie einer der erfolgreichsten Schweizer Akteure überhaupt. Wie hat sich Ihre Arbeit während all der Jahre verändert? Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, dass Marcello Weber und meine Wenigkeit uns 1983 in die Altdorfer Kleinkünstlerbühne schummelt mussten, um einen Auftritt zu erhaschen . Damals kannte noch keiner dieses ominöse Komiker-Duo «Cabaret Marcocello» aus Zug. Heute ist das natürlich ganz anders. Und was ich wirklich sagen kann, auch wenn es wie das abgedroschenste Künstler-Klischee überhaupt klingt: Jeder meiner Auftritte bereitet mir mehr Freude. Heute muss ich aber nicht mehr 200mal pro Jahr auf der Bühne stehen, sondern – wie im aktuellen Programm «Just for Fun» – nur 37mal. Ich freue mich auf jeden einzelnen Auftritt, denn Comedy ist für mich mehr als ein Beruf, es ist meine Berufung, meine Gabe und vor allem auch mein Privileg, meinen Lebensunterhalt auf diese wundervolle Art bestreiten zu können. Wodurch zeichnet sich «Just for fun» aus? Mein aktuelles Programm ist mehr denn je eine echte One-Man-Show. Normalerweise
werde ich auch bei Solo-Auftritten von Musikern begleitet, doch das ist hier nicht der Fall. Ich bin ganz alleine, nichts lenkt mich ab. Wenn man zweieinhalb Stunden alleine auf einer Bühne steht, entwickelt sich eine ganz besondere Dynamik zwischen einem selbst und dem Publikum – und diese Erfahrung ist hochspannend.
lich betrachtet der Sinn der Sendung, aber es soll um mehr gehen; um Identität und die Frage, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Dafür begebe ich mich auf eine Velotour, die rund 2500 Kilometer umfassen wird. Ein langer Weg, der viele Begegnungen ermöglicht und Gelegenheit bietet, über Gott und die Welt zu diskutieren.
Das macht es sicher schwierig, Fehler zu überspielen. Absolut, aber die Wahrheit ist: Die Leute lieben es, wenn mir ein Fehler unterläuft. Fehler gehören zum Leben, und echte Komik muss lebendig sein. Perfektion ist doch eigentlich das Ende von allem.
Können Sie uns eine Frage nennen, die auf dem Weg behandelt wird? Ein wichtiges Thema wird die Ernährung sein. Das ist ein aufgegleistes Thema, schliesslich geht es ja um’s Abnehmen. Aber es geht auch um die Frage, wie wir die Erdbevölkerung ernähren wollen und ob wir unseren Fleischkonsum hinterfragen müssen, angesichts der gesundheitlichen Folgen sowie den Auswirkungen auf die Umwelt.
Werden Sie Ihr ganzes Leben lang Comedy machen? Ja, ich denke ich werde diese Kunst bis zuletzt ausüben. Ich möchte mich aber auch an neuen Dingen versuchen und andere Projekte aufgleisen. Eines ist mein TV-Projekt «Ich nehm’ dann mal ab». Der Titel ist Programm: Marco Rima will seine überschüssigen Pfunde loswerden. Zumindest ist dies oberfläch-
Wo führt die Route genau durch? Das werden wir sehen, wir sind noch an der Feinplanung. Im Juni werden wir auf jeden Fall starten, dann geht’s von München über Bratislava nach Venedig. Ich kann es kaum erwarten.
Zur Person Marco Rima (geboren am 7. April 1961 in Winterthur) gehört zu den erfolgreichsten Komikern / Schauspielern der Schweiz. 1983 nahm seine öffentliche Karriere ihren Anfang als Teil des Komiker-Duos Cabarett Marcocello. Seither war er in diversen Programmen (unter anderem «Keep Cool», «Hank Hoover» oder aktuell «Just for fun») zu sehen. Als Teil des Ensembles der «Wochenshow» von 1996 bis 1999 erlangte Rima auch in Deutschland Berühmtheit. Zu seinen bekanntesten Filmengagements gehören seine Rollen in den Filmen «Achtung, fertig Charlie», bzw. der Fortsetzung «Achtung, fertig, WK» sowie «Liebling, lass uns scheiden». Marco Rima ist mehrmaliger Prix Walo-Preisträger und seit der Erstaustragung des Arosa Humorfestivals 1992 regelmässiger Gast dieses Comedy-Events. Rima lebt mit seiner Frau Christina und seinen beiden Kindern in Oberägeri im Kanton Zug. Informationen und Karten zum aktuellen Programm: www.marcorima.ch