2 Ehrlicher, frommer, rechtschaffener Anhänger des neuen Glaubens Die erste umfangreiche autobiographische Schrift, die Aussagen über Castellios Lebensweg und sein Selbstverständnis enthält, stammt aus dem Jahre 1558. Sie besteht bezeichnenderweise aus einer Verteidigungsschrift Castellios gegen Calvin und Beza und trägt den Titel Defensio ad authorem libri, cui ti tulus est calumniae nebulonis (Verteidigung gegen den Autor des Buches „Verleumdungen eines Wirrkopfes“).6 Dies ist, wie der Titel sagt, Castellios Antwort auf Calvins Schrift Calumniae ne bulonis cuiusdam (Verleumdungen eines Wirrkopfes),7 und der Wirrkopf heißt Castellio! In dieser Schrift wird Castellio des Betruges, der Gottlosigkeit und der Gotteslästerung bezichtigt und auf üble Weise als Verrückter, als Lügner und Verräter, als Häretiker, als Dieb, der Holz in Basel gestohlen habe, beleidigt und beschimpft. Die Schrift endet mit dem an Castellio gerichteten Fluch: Compescat te Deus, Satan. Amen. (Gott zähme Dich, Du Satan. Amen). Es kennzeichnet Castellio, dass er erst langem Zögern und, wie er selbst betont, „besonnen“ und „maßvoll“, teilweise auch versöhnungsbereit auf diese Beleidigungen und Anschuldigungen reagiert: Lange hatte ich gezögert, ob ich Dir auf die vielen Vorwürfe antworten soll, die Du in Deinen Schriften öffentlich gegen mich erhoben hast. […]. Da Du mich aber unentwegt weiter herausforderst und ich das viele Jahre lang ertragen habe, glaube ich nunmehr, darauf antworten zu müssen, um die vielen Menschen, die bisher Dir wegen Deines Ansehens mehr Glauben schenkten als der Wahrheit, 6 7
Verteidigung 1558, gedruckt in van Veen, Die Freiheit, 235–289. Calumniae nebulonis cuiusdam, quibus odio et invidia gravare conatus est
doctrinam Ioh. Calvini de occulta Dei providentia. Iohannis Calvini ad easdem responsio, Genf 1558 (5. Januar). Gedruckt in: C0 9, 269–318.
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