Hochsensibilität

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2 Warum ist Anderssein überhaupt ein Problem?

Wunsch, so sein zu wollen wie alle anderen und gesellschaftliche Normalitätsstandards zu erfüllen. Auf der anderen Seite möchten sich viele durch Besonderheit und Alleinstellungsmerkmale von der Masse abgrenzen, wie es im Zuge der Individualisierung erwartet wird (Kap. 2.3). Da alle Menschen in ihrem Streben nach Glück übereinstimmen, sind auch die Auswirkungen eines nicht selbstgewählten Andersseins auf das Glück hochsensibler Personen von großem Interesse (Kap. 2.4). Am Ende des Kapitels wird der Rahmen eines Sachbuchs kurzzeitig gesprengt durch einen autobiographischen Exkurs über mein persönliches Anderssein, weil zur Steigerung der Authentizität als Anschauungsmaterial in Kapitel 3 zahlreiche beispielhafte Erfahrungen aus meinem Leben dienen (Kap. 2.5).

2.1 Das Anderssein von Hochsensiblen In ihren Pionierarbeiten prägte die amerikanische promovierte Psychologin, Dozentin und Psychotherapeutin Elaine Aron in den 1990er Jahren den englischen Ausdruck high sensitivity, genauer sensory-processing sensitivity, für das Anderssein, um das es in diesem Buch geht. Im Deutschen wird der Terminus uneinheitlich übersetzt, im wissenschaftlichen Kontext meist als «Hochsensitivität», im allgemeinen Sprachgebrauch als «Hochsensibilität». Gegen die Übersetzung «Hochsensibilität» spricht, dass dieser deutsche Begriff mit hoher emotionaler Empfindlichkeit konnotiert ist (vgl. Schorr 2020, 9; Trappmann, 27): Bei der abschätzigen Rede vom «Sensibelchen» hat man meist die zu emotionalen Dramen neigenden Menschen vor Augen, die sich alles sehr zu Herzen nehmen und die man nur mit Samthandschuhen anfassen darf. Noch stärker mit einer krankhaften neurotischen Fehlentwicklung assoziiert sind die alltagssprachlichen Ausdrücke «Hypersensibilität» und «Überempfindlichkeit» im Sinne von «leicht verletzlich, wehleidig, zimperlich» (vgl. Hensel, 36). Aber keineswegs alle Hochsensiblen weisen eine solche übersteigerte Emotionalität auf, sondern viele sind sehr introvertiert und ziehen sich im Konfliktfall rasch zurück. Der Vorteil der Übersetzung «Hochsensitivität» besteht demgegenüber darin, dass der Begriff als Abkömmling von lateinisch «sentire»: «fühlen, empfinden, denken» auf den ersten Blick weiter gefasst ist und auch das starke Empfinden mittels aller Sinnesorgane umfasst (vgl. Schorr 2020, 10; Trappmann, 27 f.). Allerdings


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