Hochsensibilität

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1 Einleitung: Moderne Welt – zu laut, zu grell und zu hektisch?

Die moderne Welt wird immer lauter, greller und hektischer. Darüber beklagten sich die Menschen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als immer mehr Autos in den Großstädten zirkulierten und zum Symbol der Beschleunigung in der Moderne avancierten. Sowie das Automobil zum Massenartikel wurde, potenzierten sich Lärmpegel, Gestank und Rastlosigkeit. Mit der Elektrifizierung der Städte wurden die nun rund um die Uhr beleuchteten Straßen heller und bunter. Dank immer neuer Technologien geht alles immer schneller, und der Horizont unserer Möglichkeiten und die Reichweite unseres Handelns vergrößern sich zusehends: Waschmaschinen, Staubsauger und Mikrowellen sparen Zeit, die Erfindungen von Telegraphie und Rundfunk ermöglichen das simultane Versenden von Nachrichten um die ganzen Welt, und mit dem Flugzeug können wir in Windeseile Hunderte von Kilometern zurücklegen. Bereits im Zuge des großen Entdeckungs- und Beschleunigungsschubes zwischen 1880 und 1920 fühlten sich aber viele Menschen überfordert von der zu hohen Geschwindigkeit und Reizüberflutung, und es wurde die Krankheit der NEURASTHENIE («Nervenschwäche») entdeckt. Berühmte Neurastheniker wie Thomas Mann, Hermann Hesse, Franz Kafka, Sigmund Freud, Rudolf Steiner oder Alexander Skrjabin begaben sich in Sanatorien (vgl. Linke). Seit dem Durchbruch des Internets in den 1990er Jahren kommt es laufend zu neuen Digitalisierungswellen, sodass Menschen immer mehr Informationen aufnehmen und parallel verarbeiten und gleichzeitig im Hintergrund verschiedene Handy-Klingeltöne und Telefongespräche mit anhören müssen. Nach Hartmut Rosa ist die Steigerungslogik des Kapitalismus als modernes Prinzip schlechthin wesentlich verantwortlich für die Beschleunigung des Lebenstempos und die Wahrnehmung der Zeit als knappe Ressource: Statt durch die technologi-


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