DEUTSCHER PFLEGETAG | NEWS
08. Oktober 2021
Prof. Dr. Miriam Tariba Richter, Pflegewissenschaftlerin HAW Hamburg
Rassismus in der Pflege
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Interview mit...
Fremdenfeindlichkeit gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft die Pflege macht da keine Ausnahme.
rassistischen Bemerkungen berichtet, die
ES GIBT BISHER ZU DIESEM THEMA NUR WENIG GRUNDLEGENDE FORSCHUNG UND STUDIEN – WORAN LIEGT DAS IHRER MEINUNG NACH UND WO SEHEN SIE AUFHOLBEDARF?
bewusst, aber auch vor allem unbewusst
» Es gibt einige wenige Studien auf der struk-
geäußert werden. Häufig sind stereotype
turellen Ebene des Gesundheitssystems, aber
und verletzende Äußerungen aufgrund des
eben nicht auf der Ebene der alltäglichen, per-
Aussehens, der Religion oder der Herkunft,
sönlichen Rassismuserfahrungen. Hierfür gibt
aber eben auch der sexuellen Orientierung
RASSISMUS IN DER PFLEGE KANN AUS VERSCHIEDENEN RICHTUNGEN KOMMEN. GIBT ES TYPISCHE SITUATIONEN? » Es wird zum Beispiel immer wieder von
wenigsten Einrichtungen. Nachholbedarf
Vorfällen. Die Betroffenen sollten bei Über-
sehe ich auf jeden Fall in der grundlegenden
griffen nicht allein dastehen, sondern andere
Erforschung des Themas in allen Bereichen
Pflegende an ihrer Seite haben, die nicht weg-
der Pflege.
sehen, sondern das Unrecht benennen und unterstützend eingreifen. Zusätzlich sollten die Strukturen in den Einrichtungen dahin-
es aus meiner Sicht vielerlei Gründe, einer
WELCHE HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN HABEN ARBEITGEBER UND LEITENDE PFLEGEKRÄFTE, UM RASSISMUS AM ARBEITSPLATZ ENTGEGENZUWIRKEN? UND WAS KÖNNEN BETROFFENE TUN?
oder Geschlechtsidentität. Ich habe erst vor
davon ist, dass die Auseinandersetzung und
» Offenheit für das Thema zeigen, damit die
Diskriminierung und Rassismuserfahrungen
einigen Wochen mitten in einer praktischen
Reflektion mit eigenen Vorurteilen und Dis-
oben genannte Grundlagenforschung statt-
erwerben können. Und natürlich müssen
Prüfung erlebt, wie eine Praxisanleiterin mit
kriminierungen keine angenehme ist, da wir
finden kann. Im Anschluss lassen sich ziel-
auch betroffene Pflegende und zu Pflegende
Äußerungen wie „ihr Türken seid ja so und
häufig ja nicht bewusst verletzen oder aus-
gerichtet konkretere Handlungsstrategien
in der Bewältigung der Rassismuserfahrungen
so“ beleidigt wurde. Auch erfahren zum Bei-
grenzen möchten. Anzuerkennen, dass wir bei
entwickeln und implementieren. Generell
empowert werden. Allerdings darf Rassismus
spiel unsere Studierenden die Ablehnung
genauem Hinsehen dies trotzdem tun, rüttelt
wäre es hilfreich, wenn Leitungskräfte genau
und Diskriminierung nicht ausschließlich das
der Durchführung einer Pflegemaßnahme
am eigenen Selbstbild. Auch ist nicht zu unter-
hinsehen. Häufig denken wir über unsere
Problem der davon Betroffenen sein, sondern
durch Worte wie: „...eine solche Schwester...“.
schätzen, was eine Auseinandersetzung mit
Einrichtung, dass bei uns so etwas nicht vor-
das Problem aller Menschen in der Pflege.
Hier muss aber auch betont werden, dass es
diesem Thema für Einrichtungen des Gesund-
kommt. Sie sollten auf der Ebene der persön-
nicht nur Diskriminierung und rassistische
heitswesens bedeutet. Eine Bearbeitung eines
lichen Rassismuserfahrungen Pflegende wie
Zuschreibungen durch Pflegebedürftige in
in der Gesellschaft tabuisierten Themas ist
zu Pflegende bei Vorfällen ernst nehmen. Und
der Praxis gibt, sondern dies auch umgekehrt
eine offene Anerkennung der eigenen Pro-
es braucht unterstützende Strukturen, zum
der Fall ist.
blembereiche. Dies trauen sich bisher die
Beispiel eine Anlauf- und Beratungsstelle bei
gehend untersucht werden, wie Rassismen, Diskriminierung und Ausschlusspraktiken begünstigt werden. Es braucht des Weiteren Fort- und Weiterbildungen für Pflegende, damit diese Kompetenzen im Umgang mit
Das vollständige Interview finden Sie auf: www.deutscher-pflegetag.de 14. Oktober, 10.30 Uhr, Saal A4/A5/A6