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Rassismus in der Pflege

Prof. Dr. Miriam Tariba Richter, Pflegewissenschaftlerin HAW Hamburg Rassismus in der Pflege

Fremdenfeindlichkeit gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft - die Pflege macht da keine Ausnahme.

RASSISMUS IN DER PFLEGE KANN AUS VERSCHIEDENEN RICHTUNGEN KOMMEN. GIBT ES TYPISCHE SITUATIONEN?

» Es wird zum Beispiel immer wieder von rassistischen Bemerkungen berichtet, die bewusst, aber auch vor allem unbewusst geäußert werden. Häufig sind stereotype und verletzende Äußerungen aufgrund des Aussehens, der Religion oder der Herkunft, aber eben auch der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Ich habe erst vor einigen Wochen mitten in einer praktischen Prüfung erlebt, wie eine Praxisanleiterin mit Äußerungen wie „ihr Türken seid ja so und so“ beleidigt wurde. Auch erfahren zum Beispiel unsere Studierenden die Ablehnung der Durchführung einer Pflegemaßnahme durch Worte wie: „...eine solche Schwester...“. Hier muss aber auch betont werden, dass es nicht nur Diskriminierung und rassistische Zuschreibungen durch Pflegebedürftige in der Praxis gibt, sondern dies auch umgekehrt der Fall ist.

ES GIBT BISHER ZU DIESEM THEMA NUR WENIG GRUNDLEGENDE FORSCHUNG UND STUDIEN – WORAN LIEGT DAS IHRER MEINUNG NACH UND WO SEHEN SIE AUFHOLBEDARF?

» Es gibt einige wenige Studien auf der strukturellen Ebene des Gesundheitssystems, aber eben nicht auf der Ebene der alltäglichen, persönlichen Rassismuserfahrungen. Hierfür gibt es aus meiner Sicht vielerlei Gründe, einer davon ist, dass die Auseinandersetzung und Reflektion mit eigenen Vorurteilen und Diskriminierungen keine angenehme ist, da wir häufig ja nicht bewusst verletzen oder ausgrenzen möchten. Anzuerkennen, dass wir bei genauem Hinsehen dies trotzdem tun, rüttelt am eigenen Selbstbild. Auch ist nicht zu unterschätzen, was eine Auseinandersetzung mit diesem Thema für Einrichtungen des Gesundheitswesens bedeutet. Eine Bearbeitung eines in der Gesellschaft tabuisierten Themas ist eine offene Anerkennung der eigenen Problembereiche. Dies trauen sich bisher die wenigsten Einrichtungen. Nachholbedarf sehe ich auf jeden Fall in der grundlegenden Erforschung des Themas in allen Bereichen der Pflege.

WELCHE HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN HABEN ARBEITGEBER UND LEITENDE PFLEGEKRÄFTE, UM RASSISMUS AM ARBEITSPLATZ ENTGEGENZUWIRKEN? UND WAS KÖNNEN BETROFFENE TUN?

» Offenheit für das Thema zeigen, damit die oben genannte Grundlagenforschung stattfinden kann. Im Anschluss lassen sich zielgerichtet konkretere Handlungsstrategien entwickeln und implementieren. Generell wäre es hilfreich, wenn Leitungskräfte genau hinsehen. Häufig denken wir über unsere Einrichtung, dass bei uns so etwas nicht vorkommt. Sie sollten auf der Ebene der persönlichen Rassismuserfahrungen Pflegende wie zu Pflegende bei Vorfällen ernst nehmen. Und es braucht unterstützende Strukturen, zum Beispiel eine Anlauf- und Beratungsstelle bei

Interview mit...

Vorfällen. Die Betroffenen sollten bei Übergriffen nicht allein dastehen, sondern andere Pflegende an ihrer Seite haben, die nicht wegsehen, sondern das Unrecht benennen und unterstützend eingreifen. Zusätzlich sollten die Strukturen in den Einrichtungen dahingehend untersucht werden, wie Rassismen, Diskriminierung und Ausschlusspraktiken begünstigt werden. Es braucht des Weiteren Fort- und Weiterbildungen für Pflegende, damit diese Kompetenzen im Umgang mit Diskriminierung und Rassismuserfahrungen erwerben können. Und natürlich müssen auch betroffene Pflegende und zu Pflegende in der Bewältigung der Rassismuserfahrungen empowert werden. Allerdings darf Rassismus und Diskriminierung nicht ausschließlich das Problem der davon Betroffenen sein, sondern das Problem aller Menschen in der Pflege.

Das vollständige Interview finden

Sie auf: www.deutscher-pflegetag.de

14. Oktober, 10.30 Uhr, Saal A4/A5/A6

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