„In dieses Adrenalin-JunkieSchema gepresst zu werden, das wurde Shane nie gerecht. Was er tat, war doch so viel mehr.“
Am 26. März 2009 lösten sich die Ski von Shane McConkey bei einem WingsuitSprung in den italienischen Dolomiten nicht wie geplant. McConkey, einer der prägenden Abenteuersportler der Welt, Erfinder des Ski-BASE-Jumping, stürzte in den Tod. Er wurde 39 Jahre alt. Sherry war damals 41, die gemeinsame Tochter Ayla drei. Sherry stammt aus Südafrika und ist eine zierliche, auf sehnige Art kräftige Person. Sie arbeitet in Squaw Valley, Kalifornien, als Yoga-Lehrerin, sie hilft Ski fahrern nach Unfällen bei der Rehabili tation. Manche rufen sie Scheherazade, eine Anspielung auf die persische Abkunft ihrer Familie. Sie trägt eine Halskette mit zwei Anhängern: einer davon Shanes Ehering, in den anderen ist ein Zitat graviert, das Leonardo da Vinci zugeschrieben wird: „Wer einmal das Fliegen erlebt hat, der 76
wird auf Erden stets mit zum Himmel gewandten Augen einhergehen; denn dort wird er immer mit seinen Gedanken sein.“ Die vier Jahre seit Shanes Tod waren eine sehr schwere Zeit, aber Sherry fand einen Weg, sie zu meistern: Vor allem verbot sie sich, ihre Trauer zu zeigen, um der kleinen Ayla Vorbild und Halt zu sein. Und sie bewahrte ihren eisernen Glauben an Shanes tiefe Liebe zu seiner Familie, seiner riskanten Karriere zum Trotz. the red bulletin: Wie schwierig ist es für dich, dass nun eine Dokumentation über Shane erscheint? sherry mcconkey: Es ist richtig, dass es diesen Film nun gibt. Weil es in Shanes Sinn ist. Und weil es etwas ist, das Ayla ihren Vater nahebringt. Die Zeit seit dem Unfall war schwierig für mich, und sie ist es noch. Der Film ist eher eine Hilfe. Inwiefern eine Hilfe? Als Shane starb, gab es online eine Menge Kommentare in der Art von „Ein guter Vater und verantwortungsvoller Ehemann kann nicht hinausgehen und solche Dinge tun“. Natürlich spuken solche Sätze in deinem Kopf herum. Das hat sich durch den Film geändert. Es ist einfach unmöglich, aus dem Kino rauszugehen und zu sagen, dass dieser Mann kein liebevoller Vater und Ehemann war. Hat Ayla den Film gesehen? Sie hat ihre eigenen Szenen gesehen und unsere Hochzeit. Sie hat dabei ihre Nase vor Freude gekräuselt, das hat mich so berührt, dass ich mich wegdrehen musste. Ich möchte nicht vor Ayla weinen. Es macht einen als Kind verrückt, wenn die Eltern weinen. Eine Freundin von mir sieht das anders. Sie meint, dass es gut für Ayla wäre, zu sehen, was ich für Shane empfand. Als sie also den Film sah, sagte ich zu ihr: „Du solltest wissen, dass es für mich schwer ist und ich weinen werde. Ich vermisse Daddy sehr.“ Man konnte sehen, dass sie das aufgewühlt hat, aber sie hat es verstanden. Die Szene nach ihrer spielt in Italien, und sie fragte sofort: „Zeigen sie jetzt, wie Daddy stirbt?“ Sie zeigen es natürlich nicht. Aber es ist herzzerreißend, wenn man die Vorbereitungen für den letzten Sprung sieht. Was hat dich während der Arbeit an dem Film am meisten bewegt? the red bulletin
Bilder: Brigitte Sire, Ulrich Grill/Red Bull Content Pool
S
herry McConkey erinnert sich an ein Gespräch mit ihrem Ehemann. Es war eines jener Gespräche in einer Partnerschaft, in denen Frage auf Frage folgt, immer schneller, und jedes noch so winzige oder lächerliche Detail ganz besondere Bedeutung hat. „Wenn du einmal stirbst, als was willst du zurückkommen?“, fragte Sherry. Shane antwortete in der Sekunde: „Als Adler.“ Das war der Moment, sagt Sherry, in dem ihr alles über Shane McConkey klar wurde und über ihre Beziehung zu ihm. Denn auch sie wollte als Adler wieder geboren werden.