The Red Bulletin September 2013 – AT

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Nina Proll

Knockin’ on Häfns Door

Was Leichen in der Tiefkühltruhe mit motocrossfiebernden BallettDebütanten und Liedern eines armen Mädchens verbindet. Text: Manuel Kurzmann, Bild: Michael Dürr

Nina Proll liefert eine der besten Schau­ spielleistungen ihrer Karriere ab – in ­„Talea“, dem Langfilmdebüt von Regis­ seurin Katharina Mückstein (Kinostart: 13. September). Plot: Eva (Nina Proll), aus dem Gefängnis entlassen, ignoriert aus Scham die Annäherungsversuche ­ihrer Tochter Jasmin (Sophie Stockinger). Doch die Vierzehnjährige gibt nicht auf und überredet ihre Mutter zu einem ge­ meinsamen Wochenende auf dem Land. The Red Bulletin traf die Schauspielerin zum Interview im Wiener Sofitel. the red bulletin: Angenommen, Ihr Filmcharakter Eva wäre eine reale Person. Was würden Sie sie fragen? nina proll: Warum sie für 15 Jahre ins Gefängnis kam. Und ob sie ihre Tat be­ reut. Während der Dreharbeiten gingen wir davon aus, dass Eva den Kindesvater umgebracht hat – auch wenn man das im fertigen Film nicht detailliert erfährt. Haben Sie zur Filmvorbereitung mit Menschen in Haft gesprochen? Nein, leider. Aber ich redete viel mit ­Katharina Mückstein, sie hatte bei Bewäh­ rungshelfern recherchiert. Und ich habe mir eine Doku über Häftlinge im Frauen­ gefängnis Schwarzau (in Niederösterreich; Anm.) angesehen – „Gangster Girls“ von Tina Leisch und Ursula Wolschlager. Wie spielt man dann authentisch? Ich versuche, die Szenen zu erleben und nicht bloß auswendig Gelerntes auf­ zusagen. Besser kann ich es auch nicht erklären. Also könnte man eine x-beliebige ­Person vor die Kamera stellen … Jeder kann etwas darstellen, genauso wie singen. Schauen Sie sich Kinder an: Die spielen ständig Rollen und singen dazu. 44

Irgendwann hören sie damit auf, weil ­ihnen gesagt wird, dass sie etwas Ver­ nünftiges machen sollen. Stimmt es, dass sich Drehbuchautorin Selina Gnos vom Schicksal der Doppel­ mörderin Estibaliz C. inspirieren ließ? Die „Eisbaronin“ hatte die Leichen zweier Exmänner im Keller ihres ­Wiener Eissalons einbetoniert. Ja, das war bei der Recherche ein Thema. Estibaliz C. wurde schwanger inhaf­ tiert, das Kind wurde ihr später weg­ genommen. Empfinden Sie Mitleid? Eine Sache beunruhigt mich irgendwie: Das Kind wächst jetzt bei ihren Eltern auf.

„Er will Motocrossoder Formel-1-Fahrer werden, am besten gleichzeitig. Das ist ein Albtraum!“ Also in dem Umfeld, das offensichtlich dazu beigetragen hat, dass Estibaliz krank wurde. Das ist verantwortungslos. Darf man einer Mutter überhaupt ihr Baby wegnehmen? In so einem Fall weiß man halt nicht, ob sie dem Kind auch etwas antut. Bei kürzeren Haftstrafen dürfen Mütter ihre Kinder behalten, zumindest bis sie zwei oder drei Jahre alt sind. Aber auch das ist sehr traurig. Sie sind nach der Scheidung Ihrer ­Eltern ohne Mutter aufgewachsen. Kann so eine Vorgeschichte auch posi­ tive Auswirkungen haben? Etwa dass ein Kind schneller selbständig wird? Diesen Schluss würde ich nicht ziehen.

Klar: Ich wäre ohne meine Kindheits­ erlebnisse vielleicht nie Schauspielerin geworden, weil mir die Erinnerungen von damals helfen, Emotionen aufzubauen. Aber es gibt auch Menschen, die sich nach so einer Erfahrung ihr Leben lang nie mehr öffnen können. Ihr Mann, der Schauspieler Gregor­ Bloéb, war Anfang 2013 in den Schlag­ zeilen, weil er am „Africa Race“ teil­ nahm. Hatten Sie Angst, dass er mit dem Motorrad in der Wüste einen ­Unfall haben könnte? Ja, und wie! Wissen Sie, was noch schlim­ mer ist? Unser fünfjähriger Sohn redet von nichts anderem mehr. … und will jetzt Rennfahrer werden? Motocross- oder Formel-1-Fahrer, am ­besten beides gleichzeitig. Das ist ein Alb­ traum für mich! Ich habe schon versucht, ihn fürs Ballett zu begeistern. Das inter­ essiert ihn überhaupt nicht (lacht). Sie treten am 7. September mit Ihrem Programm „Lieder eines armen Mäd­ chens“ im Club Casanova in Wien auf. Was bedeutet Ihnen die Musik? Sie gibt mir die Illusion, unabhängig zu sein, weil ich meine Konzerte selbst ver­ anstalte. Du fühlst dich ein bisschen wie ein fahrender Künstler: Hin und wieder spielst du in einem Stadl vor 150 Leuten, die Garderoben unter freiem Himmel. Was erwartet die Zuseher? Wunderschöne Musik aus den 1920er und 1930er Jahren von Kurt Weill und Friedrich Hollaender. Das wird ein ganz eigener Abend, ein bisschen spröde und schräg – man sollte also keine Pop- oder Schlagerhits erwarten. „Lieder eines ­armen Mädchens“ gibt es übrigens auch als CD im Handel zu kaufen. www.labandafilm.at/talea

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