The Red Bulletin März 2014 - AT

Page 40

Left Boy

Wahnsinns-Gene Kiffende Piraten und Omas Tanz mit Fröschen bescherten Left Boy 160.000 Fans. Nun beginnt er seine Karriere.

Vor zwei Jahren stellte Ferdinand Sarnitz das Musikvideo „Jack Sparrow“ auf YouTube. Ein elektronischer Hip-Hop-Track, in dem er als Left Boy in knallbuntem Outfit übers Kiffen und über Chefpiraten rappt. Der Clip hält mittlerweile bei fünf Millionen Klicks, Left Boy selbst bei 160.000 Fans. Kein schlechter Karrierestart, bedenkt man, dass das Debütalbum des Fünfundzwanzigjährigen erst dieser Tage erscheint. Seinen Ruhm baute sich der in New York lebende Wiener im Internet auf. Mit selbstproduzierten Songs und heimgefertigten Videos. Ganz ohne die Hilfe seines Vaters André Heller, einmal abgesehen von drei richtig guten Tipps, wie Left Boy beim Gespräch im Büro ­seiner Plattenfirma in Hamburg verrät. the red bulletin: Du hängst im stylischen Büro deiner Plattenfirma ab und bekommst Kaffee serviert. Draußen stehen die Journalisten Schlange … left boy: So ist es eben, das Leben als Left Boy (lacht). Sieht nach richtiger Karriere aus, das alles, nicht? Nun, die meiste Zeit sitze ich in meinem Zimmer und bastle am Computer an Beats. Aber Interviews zu geben macht natürlich Spaß. Und das alles hast du dir wirklich nur über Facebook aufgebaut? Facebook ist meine Basis. Weil ich dort am unmittelbarsten mit meinen Fans kommunizieren kann. Anfangs rief ich auf meiner Wall zu Aktionen auf in der Art von: Wenn wir die 1500-Fans-Marke knacken, gibt’s einen neuen Track. Du bist ein Allrounder: produzierst ­deine Beats, schreibst deine Texte, schneidest deine Videos. Konzept oder Notlösung? 40

Ich kannte am Anfang einfach niemanden, der Musik produzieren und Videos drehen konnte. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als mir alles, was ich brauchte, selbst beizubringen. Bei deinem Video „Healthy Ego“ sieht man deine 99-jährige Großmutter, umringt von Typen in Ballerina-, Froschund Matrosenkostümen. Hat sie sich von dem Schock schon wieder erholt? Ich hatte ihr vor dem Dreh nicht erzählt, was passieren wird, sondern nur gesagt: „Oma, setz dich hin und reagier, wie du willst.“ Sie saß dann doch etwas starr da, aber geschockt war sie nicht. Sie ist durch das, was sie mit meinem Vater erlebte,

„Ich sagte nur: ‚Oma, setz dich hin und reagier, wie du willst.‘“ ­ bgehärtet, was solche Aktionen angeht. a Wie ist das Verhältnis zu deinem Vater? Wir sind beste Freunde und helfen uns ­gegenseitig bei unseren Projekten. Die drei besten Ratschläge, die er mir gegeben hat, lauten: Hab kein Ego. Sei dankbar. Liebe bedingungslos. Wenn ihr euch so gut versteht, wieso bist du dann mit achtzehn nach New York abgehauen? Ich wollte raus. Hin zum Kern der Krea­ tivität. In Wien kannte ich niemanden, der meine Interessen teilte. Wie lebt es sich in New York? Hinzugehen, also den Entschluss zu fassen, Abschied zu nehmen von Wien und so, fiel mir viel leichter, als mich dort einzuleben.

Ist der Standort als Musiker heute überhaupt noch wichtig? Wenn du gute Musik machst, brauchst du im Grunde nur eine Internetverbindung und Ideen zur Selbstvermarktung. Vor einem Jahr meintest du noch: „Der Markt für junge Leute spielt sich im Internet ab, nicht mehr im Platten­ laden.“ Nun erscheint dein Debüt­ album auch auf CD. Warum? Weil ich falschlag. Zumindest sagen das die Statistiken. Angeblich finden immer noch 68 Prozent der Albumverkäufe in Deutschland im Plattenladen statt. Auch wenn ich mir selbst keine CDs kaufe, versuche ich mit dem Artwork etwas Spezielles zu kreieren. Etwas, das ich mir selbst auch kaufen würde. Wenn du einen Track machst, hast du vorher schon ein Konzept im Kopf? Nein. Musikmachen ist für mich wie Tagebuchschreiben. Gefühle wie Frust oder Glück verarbeite ich in Songs. Ich starte meist mit einer Melodie. Dann mache ich einen Loop daraus und fange mit dem Scheiben an. Das dauert oft Stunden. Wenn ich die Strophe schließlich auf­ nehme, habe ich sie so oft wiederholt, dass ich genau weiß, was ich sagen will. Das Album ist stilistisch sehr vielfältig. In welchem Fach wird das Werk im Plattenladen landen? Darauf bin ich selbst gespannt. Und wo würdest du es einordnen? Hm, am ehesten unter Popmusik. Auch wenn alles so gut läuft wie im Moment … gibt es etwas, was Left Boy Angst macht? Der Versuchung des Nichtstuns zu er­ liegen. Man muss echt aufpassen, dass man sich nicht gehen lässt. Left Boy: „The Permanent Party“ (Universal) erscheint demnächst; www.leftboy.com the red bulletin

Laura Karasinski

Text: Florian Obkircher


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.