W
ie wir leben sollten, das können wir an vielen Stellen der Weltliteratur nachlesen. Bei Goethe zum Beispiel, der zu Beginn seiner Ode „Das Göttliche“ schreibt: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“ Das Problematische an diesem Satz ist nicht nur, dass sehr viele Schüler mit ihm gequält wurden, indem sie Aufsätze über ihn schreiben mussten. Nein, er ist noch aus einem anderen Grund wenig hilfreich. Wer nämlich ständig edel, hilfreich und gut ist, dem fehlt etwas Entscheiden des: der Antrieb, Wegweisendes zu schaf fen. Also beispielsweise Stabmixer zu erfinden, für den Ironman zu trainieren oder im Regenwald nach unentdeckten Lebensformen zu forschen. Das klingt zunächst mal überraschend, ich weiß. Daher sollten wir uns die Sache ein wenig genauer ansehen und uns mit unserem Gefühlshaushalt … … wie bitte? Keine Lust weiterzulesen? Na gut, wie Sie meinen! Dann werden eben andere, die das hier zu Ende brin gen, mehr wissen als Sie und als deutlich klüger gelten! Selber schuld. So, nachdem wir nun unter uns sind, oh auserwählte Leserschaft!, können wir weitermachen. Wo war ich stehengeblie ben? Ach ja, unser Gefühlshaushalt: Die meisten von uns glauben ja, wir sollten unsere guten Gefühle (Liebe, Freude) stärken, die negativen aber (Wut, Eifer sucht) möglichst unterdrücken. Das hat sich mittlerweile als falsche Strategie herausgestellt. Denn es gibt eine ganze Reihe negativer Emotionen, die nicht nur deutlich besser als ihr Ruf sind, sondern darüber hinaus überaus wichtig: für unser Verhalten und für den Fortschritt der Menschheit.
Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist
Warum der und nicht ich? Ein Plädoyer für die lebens verbessernde Kraft weniger gut beleumundeter Gedanken. Der Neid zum Beispiel. Wer kennt es nicht, dieses nagende Ge fühl, wenn ein guter Bekannter plötzlich mit einem neuen Mountainbike vorfährt, ein alter Schulfreund auf seinem iPhone die Fotos des letzten Abenteuerurlaubs vorzeigt oder wenn sich der fremde Mann am Badestrand seiner Kleidung entledigt und diverse perfekt definierte Muskeln sehen lässt. „Das will ich auch haben!“, flüstert uns das Gefühl des Neides zu – und schon
strengen wir uns ein wenig mehr an. In unserem Job, in unserer Familie, beim Training. Das Schöne am Neid besteht darin, dass er uns ja nicht nahelegt, dem Bekannten sein Mountainbike zu ent wenden, sondern dass er uns dazu bringt, auch eines haben zu wollen, nämlich ein anderes, möglichst noch besseres. Der Neid ist also ein starker Ansporn, uns an zustrengen und mit dem anderen zumin dest gleichzuziehen. Ähnliches gilt für das Gefühl der Schadenfreude. Wenn wir beispielsweise sehen, dass der Autofahrer, der uns eben geschnitten hat, von der Polizei aufge halten worden ist und einen Strafzettel ausgefasst hat – belohnt uns das Gehirn mit dem angenehmen Gefühl, dass dem fiesen Raser ganz recht geschehe. Und be stärkt uns solcherart darin, uns weiterhin an die Regeln zu halten. Die Eifersucht wiederum beflügelt uns darin, mehr für geliebte Menschen zu tun, damit sie erst gar nicht auf die Idee kommen, uns zu verlassen. Sollten Sie nun aus meiner kleinen Ehrenrettung für ein paar dem ersten Anschein nach weniger sympathische Gefühle den Schluss gezogen haben, Sie könnten von nun an bloß noch fies sein, so muss ich Sie warnen: Sobald Ihnen Ihre gelegentlichen Neidgefühle ein Mountainbike verschafft haben, sollten Sie sich Ihren positiven Gefühlen zuwenden, um es genießen zu können … … aber, Moment mal, was ist das? Hat da nicht ein anderer Kolumnist einen besseren Text über den Neid geschrieben? Kann ja nicht sein …! Christian Ankowitsch, 51, ist ein österreichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838: Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Geschäftsführung Mag. Alexander Koppel, Rudolf Theierl Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitender Redakteur Werner Jessner Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Arkadiusz Pia˛tek, Andreas Rottenschlager Grafik Miles English, Judit Fortelný, Esther Straganz Fotoredaktion Valerie Rosenburg, Catherine Shaw Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Illustratoren Albert Exergian, Mandy Fischer, Lie-Ins and Tigers Augmented Reality Martin Herz, www.imagination.at Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson, Claudia Heis, Nenad Isailovic, Karsten Lehmann, Josef Mühlbacher, Thomas Posvanc, Thomas Safranek Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter Omar Sádaba Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Internationale Projektleitung Bernd Fisa Corporate Publishing Boro Petric (Ltg.); Christoph Rietner, Nadja Žele (CR); Dominik Uhl (AD); Markus Kucˇera (FD); Lisa Blazek (Red.) Finanzen Mag. Siegmar Hofstetter Marketing Mag. Barbara Kaiser (Ltg.), Mag. Stefan Ebner, Christian Gruber, Mag. Sabine Gschwentner, Regina Köstler, Mag. Klaus Pleninger, Daniela Schwarz, Helga Strnad Anzeigenverkauf Marcus Zinn (Ltg.), Thomas Hutterer; anzeigen@at.redbulletin.com Office Management Martina Bozecsky, Sabrina Pichl IT Michael Thaler Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Web www.redbulletin.com ErscheinungsEin Produkt des weise Das Red Bulletin erscheint monatlich als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland liegt das Red Bulletin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei. In Großbritannien: The Sunday Telegraph. In Nordirland: Belfast Telegraph. In Polen: Gazeta Wyborcza. In Südafrika: Cape Argus, Cape Times, Daily News, Pretoria News, The Star. In Neuseeland: The New Zealand Herald. In Kuwait: Kuwait Times Gesamtauflage 3 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com Als Beilage in:
Die nächste Ausgabe des Red Bulletin erscheint am 5. April 2011.
illustration: albert exergian
ko lu m n e