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Von Wolke 7 in den Hangar-7 Flugbericht von Thomas Altmann Seit ich denken kann, wollte ich Pilot werden. Mittlerweile dreißig Jahre alt, habe ich es „nur“ bis zum Paragleiter-Piloten geschafft. 2008 aber gewann meine Schwester über ein Seitenblicke-Abonnement einen Flug mit einem Alpha Jet der Flying Bulls. Schön für sie, doch das Schicksal wollte, dass sie schwanger war. Wer aber sollte nun statt ihr ins Cockpit des ehemaligen Kampfjets der deutschen Luftwaffe springen? Ohne zu zögern, war ich natürlich der Erste, der „Hier!“ rief. Mit Müh und not schaufelte ich ein Wochenende Anfang november frei. Der Sonntag sollte besser geeignet sein, und ich machte mich vom nebeligen niederösterreich aus auf in den sonnigen Salzburger Hangar-7. Daniel Angerer, etwa so alt wie ich, hatte anscheinend genau den Job, von dem ich immer schon geträumt hatte. Der Pilot war mir sofort sympathisch, kurze Einführung, und schon stieg ich das kleine Treppchen hinauf zum hinteren Cockpit des Alpha Jets. „Sieht ein bisschen klein und eng aus“, waren meine ersten Gedanken. Erst als ich mich ins Cockpit hineingezwängt hatte, wirkte es allmählich freundlicher auf mich. Vor mir ein Hau96

fen analoger Anzeigen und Schalter, links der Schubhebel, zwei Fußpedale und zwischen meinen Knien ein Steuerhebel. Ein Mitarbeiter der Bodencrew erklärte mir, wie ich den Fallschirm an mich und wie ich mich an den Sitz zu schnallen hatte. Die Gurte über Kreuz, links und rechts einfädeln und doppelt ins Gurtschloss einstecken, verriegeln, und irgendwann war ich dann eins mit dem Sitz. Zu guter Letzt bekam ich noch einen Helm mit Mikro und eingebauten Kopfhörern, dann begann das Triebwerks-Startprozedere. Die Turbinen wurden auf 650 °C aufgeheizt, alle Geräte durchgecheckt, und endlich rollten wir los Richtung Startbahn. Dabei funkte Daniel ständig mit dem Tower und handelte für uns einen „Quick-Start“ aus. So, als wollte man noch schnell bei Ampel-Orange über die

„Wir nehmen nur den Hebel. Beim Jetfliegen brauchen wir keine Fußpedale.“

Kreuzung fahren, kurvte er mit dem Alpha Jet bis ans Ende des Rollfeldes und brachte uns mit einer raschen 180-GradWende in Startposition. „Bist bereit?“, krächzte es durch den Bordfunk. Wie aus der Pistole geschossen antwortete ich: „Auf jeden Fall.“ Der Schubhebel zu meiner Linken schnellte nach vor, und ich wurde in den Sitz gedrückt. Mit einem breiten Grinsen lehnte ich den Kopf zurück und genoss die Beschleunigung, die ich nicht als viel stärker als bei einer Passagiermaschine empfand. Doch alsbald folgte eine neue Dimension. Daniel zog den Jet hoch, führte eine enge Rechtskurve aus, die mich noch fester an den Sitz schraubte. Zu meinem Grinser gesellte sich ein Wohlgefühl, das ich mir selbst mit einer geballten Faust bestätigte. nach der Kurve brachte Daniel das Fluggerät in die Horizontale, drosselte das Tempo und erklärte: „Das is’ jetzt die Maximalgeschwindigkeit …“ – Was?! Kann ja nicht sein – „… die wir in dieser Höhe fliegen dürfen.“ Aha, okay. Wenn das alles gewesen wäre, bräuchte man ja keinen Jet. „und wie schnell ist das jetzt?“ – „Zirka 300 km/h über Grund. Magst du mal beim Fliegen mitfühlen?“ – Sicher, sicher, was muss ich machen? „Der Steuerhebel, okay. ist mit den Fußpedalen auch irgendwas zu tun?“ – „Wir verwenden nur den Hebel. Beim Jetfliegen brauchen wir keine Fußpedale.“ Vorsichtig, als würde ich einen Schmetterling berühren, griff ich nach dem Joystick. nichts passierte. Das Flugzeug flog völlig normal weiter. Zaghaft bewegte sich der Hebel nach links, und der Jet neigte sich minimal nach links. Toll, ein riesiges Erfolgserlebnis! Daniel zog den Flieger leicht nach rechts, ein wenig runter, und ich begann, mir dabei die umgebung anzusehen. Bewaldete Berge und Täler zogen unter und neben uns vorbei. „Da vorne kommt der Wilde Kaiser. Da ist’s schön, wenn man neben den Felsen vorbeifliegt.“ Okay, na dann nix wie hin. Die riesige steile Felswand ragte neben uns empor, und gerade als wir etwas näher heranflogen, mischte sich Daniel mit einem „ich zeig dir mal was!“ ein. na klar, er fliegt jetzt sicher etwas näher ran, dachte ich. Doch es wurde noch spezieller. Relativ flott überflogen wir zwei Felsspitzen in Seitenlage (sprich ein Flügel oben, der andere unten), zirkelten in Schräglage um die Bergspitze, und ich fühlte mich wie in „Top Gun“, „Stählerne Adler“ und der Verfolgungsjagd durchs Tal in „independence Day“ – alles auf

iLLuSTRATiOn: AnDREAS LEiTnER

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