The Red Bulletin 01/19 - DE

Page 83

guide

Deutschlands zweiter Streif-Bezwinger Alles musste raus: Nach seiner Zielankunft beim Hahnenkamm-Rennen 2018 stemmte Thomas Dreßen seinen rechten Ski in die Luft und ließ einen Urschrei los. Sein gutes Gefühl trog ihn nicht: Wenig später stand er als erst zweiter deutscher Streif-Gewinner nach Sepp Ferstls Sieg 1979 fest. 2019 geht Dreßen wieder an den Start. Und auch wenn sich eine Wiederholung des Erfolgs natür­ lich nicht planen lässt, den Schrei in diesem Fall würde man ja schon gerne hören. Auf Ski, auf dem Rennrad, auf der Harley – auf Instagram postet Thomas Dreßen regelmäßig Bilder aus seinem Alltag: @thomas_dressen

Am Ziel seiner Träume: Thomas Dreßen nach seiner Streif-Ankunft im Januar 2018

3,1 Zahlen zur Streif

Thomas Dreßen

„DANN IST AUSRASTEN ANGESAGT ...“

Grenzgänger: Geboren in Garmisch-Partenkirchen, lebt Dreßen heute in Scharnstein, Österreich.

THE RED BULLETIN

g müssen die Skirennfahrer in der 180-Grad-Karussellkurve aushalten, also Fliehkräfte, die mehr als drei­ mal so hoch sind wie die der Erd­ beschleunigung. Zum Vergleich: ­Astronauten sind beim Start eines Spaceshuttles 4 g ausgesetzt.

DER START: „Bevor es losgeht, herrscht eine besondere Stille, du kannst deinen Atem hören. In mir steigt die Spannung – eine Nervosität der positiven Art. Mit dem Countdown-Piepen senke ich meinen Kopf und ­denke: ­Attacke!“ MAUSEFALLE: „Auf der Piste bestehe ich aus Adrenalin. Nach 8,5 Sekunden kommt ein Sprung, der bis zu 80 Meter weit geht. Je kürzer, desto besser, Fliegen kostet Zeit. Beim Ab­ sprung nach vorn lehnen und dann nicht mehr bewegen. Jede Faser meines Körpers ist ange­ spannt.“ KARUSSELLKURVE: „Bei die­ sem 180-Grad-Rechtsschwung musst du gegen deine Intuition fahren. Du willst immer die engste Linie wählen. Wegen des Speeds aus der Mausefalle wäre das aber Wahnsinn. Ich zwinge auf eine etwas weitere Linie.“

50.000 STEILHANG: „Jetzt scheint die Piste nach unten wegzukippen: 85 Prozent Gefälle auf blankem Eis beschleunigen dich auf 120 Sachen – je schneller, desto besser, danach wird’s flach.“ GSCHÖSS: „Die langsamste Passage: Für einige hundert ­Meter wird es beinah langweilig. Zeit, meine Taktik für die nächs­ ten Abschnitte festzulegen. Meine ich Zeit verloren zu haben, gehe ich ab hier mehr ins Risiko.“ ALTE SCHNEISE: „Schluss mit Gleiten, nach diesem Sprung landest du wieder auf beton­ hartem Eis. Nur nicht aus der Balance kommen, dafür mög­ lichst ebenerdig, mit der ganzen Fläche der Ski aufkommen und das gesamte Körpergewicht auf die Bretter pressen.“ SEIDLALMSPRUNG: „Weil du in einer Rechtskurve landest, musst du den Körper noch in der Luft nach rechts drehen. Ein

Zuschauer können das Hahnen­ kamm-Rennen direkt an der Strecke in Kitzbühel verfolgen. Die besten Plätze befinden sich im Ziel. Von dort aus können die Fans die gesamten letzten 35 Sekunden von Abfahrt und Super-G verfolgen – inklusive Zielsprung.

Drahtseilakt, nur die kleinste Bewegung zu viel bringt dich aus der Balance.“ LÄRCHENSCHUSS: „Erst ­beschleunigen, dann mit Voll­ speed in die Fast-90-Grad-Kur­ ve. Bloß kein Tempo verlieren, danach wird’s kurz flach. Also das Gewicht in die Kurve legen und die Füße mit aller Kraft ­gegen die Strecke pressen.“ HAUSBERGKANTE/QUERFAHRT: „Hier springst du in eine Kurve voller Bodenwellen. Möglichst aufrecht bleiben, sonst hauen sie dich um. Planen kannst du hier gar nichts, du musst dich komplett auf deine Intuition verlassen.“ ZIELSCHUSS: „Mit 140 Sachen geht’s über die letzte Kante. Im Ziel schaue ich sofort zur ­Anzeige. Dann ist Ausrasten an­ gesagt – hoffentlich vor Freude.“

83


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.