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Gewalt im Netz ist ein großes Problem

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Hüttenzauber

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CYBERBULLYING Gewalt im Netz ist ein großes Problem

Gewalt hat viele Gesichter und findet an vielen Orten statt, auch im Netz. Beleidigungen, Bedrohungen, Bloßstellungen, Belästigungen und ähnliches auf verschiedenen Kommunikationskanälen in der digitalen Welt können jeden Menschen treffen. Nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene werden bei der Nutzung von digitalen Medien häufig Opfer vom sogenannten Cyberbullying oder Cybermobbing. Anlässlich des 25. Novembers, Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen, hat der Club Soroptimist Pustertal – Val Pusteria einen runden Tisch zu diesem brisanten Thema organisiert.

Cyberbullying oder Cybermobbing ist ein Phänomen, das sich in unserer digitalisierten Welt immer häufiger in unser Leben drängt, ein relativ „junges“ Thema, mit dem viele von uns nicht aufgewachsen sind und wir deshalb nicht von klein auf gelernt haben, damit umzugehen. Die Corona-Pandemie hat der Thematik einen zusätzlichen Schub verliehen, haben sich doch die sozialen Kontakte schließlich noch mehr ins Internet verlagert und die Problematik der Online-Gewalt verstärkt. Umso wichtiger sind die Sensibilisierung und Aufklärung rund um diese „neue“ Form von Gewalt. Beim Runden Tisch im Brunecker Ragenhaus haben Expert*innen das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln durchleuchtet.

SENSIBILISIERUNG UND AUFKLÄRUNG

Was verstehen wir unter Cyberbullying, wie erkennen wir, dass es sich um Cyberbullying handelt, und ab wann können wir davon sprechen? Was sind die Gründe/Ursachen für Mobbing? Welche Rolle nimmt das bloße Dulden oder Zuschauen ein, der sogenannte Bystander-Effekt? Wie äußern sich die Folgen bei Opfern? Welche Gefahren lauern ganz allgemein im Netz und im Umgang mit sozialen Netzwerken? Wie kann ich mich präventiv davor schützen, wie damit umgehen? Welche Rechtsmittel gibt es für Betroffene, welche Anlaufstellen und Hilfsangebote? Solchen und ähnlichen Fra-

Beim runden Tisch im Ragenhaus (von links): Francesco Campisi, Giuditta Sereni, Carla Nobile, Marion Niederkofler, Judith Steinmair und Corrado Palmarin.

Die Intercable-Arena wurde ebenfalls mit einer klaren Botschaft an die ganze Welt ausgestattet. Um gegen Gewalt aufmerksam zu machen, wurden das Schloss Bruneck und auch die Kaserne der Carabinieri in oranges Licht getaucht.

gen stellten sich Giuditta Sereni, Klinische und Sexualpädagogin beim Forum Prävention sowie Francesco Campisi und Corrado Palmarin von der Post- und Kommunikationspolizei Bozen und Marion Niederkofler, Direktorin der Stadtentwicklung Bruneck bei der spannenden und informativen Diskussionsrunde.

SCHWEIGEN IST DER FALSCHE WEG

Ob über Smartphones, Websites, Chats, Foren oder Communities, das Ziel von Cybermobbing ist es, die Betroffenen nachhaltig zu schädigen oder zu demütigen, die Attacken dauern dabei über einen längeren Zeitraum an. Die Folgen sind für die Opfer oft schwerwiegend, seelische Wunden sind nicht unmittelbar ersichtlich, heilen aber oftmals nur langsam, so Giuditta Sereni. Wichtig sei es, Opfer, im Grunde aber auch Täter*innen, adäquat zu begleiten, sich diesbezüglich an kompetente Stellen zu wenden. Und natürlich eine Vertrauensbasis zu schaffen, damit Betroffene offen darüber sprechen können. Und es braucht Zivilcourage, so der Appell der Expertin, Schweigen sei keine Option. Dem stimmten auch die Inspektoren der Postpolizei zu und betonten, wie wichtig es sei, die Vorfälle zu melden. Cybermobbing ist eine Straftat und muss strafrechtlich geahndet werden (s. Infobox). Auf die allgemeinen Gefahren im Netz und die entsprechende Bedeutung von Medienkompetenz, sprich die Fähigkeit, soziale Medien zielgerichtet und verantwortungsvoll zu nutzen, wies indes Marion Niederkofler in ihren Ausführungen hin (s. folgendes Interview). Die bittere Wahrheit ist: Vor Cybermobbing ist leider niemand wirklich gefeit, die Frage ist, wie wir damit umgehen, oder, im besten Fall, wie wir uns davor schützen können.

Die PZ hat bei Marion Niederkofler nachgehakt, als Vize-Präsidentin der Soroptimist nicht nur für die Organisation des Runden Tischs und der anderen Aktionen rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (s. Bericht PZ Nr. 23) mitverantwortlich, sondern als Direktorin der Stadtentwicklung Bruneck mit dem Bereich Marketing und der Nutzung der sozialen Netzwerke bestens vertraut:

PZ: Wie funktionieren soziale Netzwerke?

Marion Niederkofler: Soziale Netzwerke sind virtuelle Gemeinschaften im Internet, vor allem für den Informationsaustausch und Beziehungsaufbau. Auf den meisten Plattformen erstellen User ein persönliches Profil. Die eigene Persönlichkeit wird zusätzlich durch Posts, Tweets, Likes, Fotos oder Videos dargestellt. Man sucht alte Freundinnen und Freunde, findet neue Kontakte und tauscht sich primär mit anderen aus, die ähnliche Interessen vertreten. Es gibt eine Vielzahl an spezifischen Netzwerken, die unterschiedliche Zielgruppen bedienen – zum Beispiel TikTok für die junge Generation, LinkedIn zur beruflichen Vernetzung, und Facebook ist aus dem Wunsch geboren, eine virtuelle Schnittstelle zwischen den Nutzerinnen bzw. Nutzern und Freundinnen sowie Freunden zu schaffen und dient der Unterhaltung. So wird in den sozialen Medien häufiger in Form von Geschichten mit emotionalem Kern berichtet und die eigene Meinung ist gefragt.

PZ: Was sind die Gefahren im Umgang mit digitalen Medien/ im Netz? Worauf müssen wir Acht geben?

Marion Niederkofler: Algorithmen, also Programmierungen, personalisieren unseren News-Feed. Da soziale Netzwerke meist zur Unterhaltung und Vernetzung von Gleichgesinnten dienen, werden uns deshalb ausgewählte Themen angezeigt, die uns gefallen können und unsere zuvor registrierten Inte-

Marion Niederkofler ist Vize-Präsidentin vom Club Soroptimist Pustertal.

ressen bestätigen. Wir befinden uns auf diesen Plattformen also in einer Echokammer: Das, was wir immer schon gedacht haben, wird bestärkt, andere Meinungen und andere Themen sehen wir wenig bis gar nicht. Dies kann äußerst unterstützend sein und unser Selbstbewusstsein stärken. Genauso werden aber auch Hass oder extreme Gesinnungen verstärkt. Wenn wir soziale Medien auch als Nachrichtenquelle nutzen, besteht zudem die Gefahr der einseitigen Information, schließlich werden uns meist keine anderen Meinungen aufgezeigt. Und im Falle von Falschmeldungen gilt dies natürlich genauso. Außerdem ist es auf den sozialen Medien nicht einfach zwischen Fakten und Meinungen, zwischen falschen und richtigen Informationen zu unterscheiden, da ohne großen Aufwand jede bzw. jeder entsprechende Inhalte veröffentlichen kann. Dazu kommt, dass in diesem digitalen Raum alle Inhalte, ob positiv oder negativ, sehr schnell viral gehen können, das heißt, von sehr vielen Menschen gesehen werden, so auch persönliche Daten und Informationen.

PZ: Wie können wir uns und unsere

Kinder bestmöglich und präventiv schützen?

Marion Niederkofler: Jede und jeder von uns verhält sich im Netz etwas anders als im echten Leben. Wenn wir darüber nachdenken: Junge Erwachsene finden folglich nicht nur heraus, wer sie selbst sind, sondern auch, wer sie online sein wollen. Soziale Netzwerke haben viel Gutes. Sie können bei der Pflege von Freundschaften unterstützen, den Austausch von Gleichgesinnten fördern, uns emotional unterstützen, uns informieren und uns auch einfach nur unterhalten. Dafür ist aber Medienkompetenz erforderlich, also ein verantwortungsvoller, bewusster und zielgerichteter Umgang mit diesen Medien. Dazu gehört, dass wir die verschiedenen Medien kennen und wissen, wie wir sie verwenden und dass wir in der Lage sind, Inhalte zu reflektieren und ihre Konsequenzen im Blick zu haben. Abgesehen davon ist es genauso wichtig die Offline-Welt nicht zu vernachlässigen, und hier denke ich können Eltern eine Vorbildfunktion haben. Nicht umsonst heißt es: „Medienkompetenz beginnt mit Medienabstinenz.“ // Interview: Judith Steinmair

CYBERMOBBING IST IN ITALIEN STRAFBAR

Im Jahre 2017 hat das italienische Parlament einstimmig das neue Gesetz über Cybermobbing genehmigt: Erstmals wird Cybermobbing nun als Gewaltakt definiert.

DIE DEFINITION VON CYBERMOBBING:

Jede Form von Druck, Aggression, Belästigung, Erpressung, Beleidigung, Verunglimpfung, Verleumdung, Identitätsdiebstahl, Änderung, widerrechtliche Wegnahme, Manipulation, illegale Verarbeitung personenbezogener Daten zum Nachteil des Minderjährigen, sowie die elektronische Verbreitung von Inhalten, welche ein oder mehrere Familienmitglieder betrifft, mit der Absicht, den Minderjährigen oder eine Gruppe zu isolieren, um somit einen Akt von Missbrauch oder einen Angriff zu setzen, sowie ihn oder die Gruppe ins Lächerliche zu ziehen“. (Übersetzter Auszug vom Gesetzesentwurf). Das Gesetz sieht vor, dass jeder Minderjährige ab 14 Jahren (auch ohne Wissen der Eltern), die Möglichkeit hat, direkt den Webseite-Manager aufzufordern, die „Cyber-Aggression“ zu verschleiern oder zu entfernen. Wenn die zuständige Person die Warnung ignoriert, kann das Opfer, gemeinsam mit den Eltern, die Staatspolizei, insbesondere die Post- und Kommunikationspolizei, kontaktieren, welche innerhalb von 48 Stunden verpflichtet ist, einzugreifen. Zudem wurde auch ein virtuelles Anti-Stalking-Gesetz festgelegt, welches besagt, dass jeder „Bully“ über 14 Jahren von der Quästur eine Verwarnung erhält, solang keine Anzeige auf Verleumdung, Bedrohungen oder rechtswidrige Verarbeitung der Daten vorliegt. Diese Verwarnung hält bis zur Volljährigkeit an. Jede Schule muss außerdem unter den Professoren eine/n Vorsitzende/n ernennen, die/der für die Kontrolle und Prävention von Cybermobbing zuständig ist und falls nötig, mit den Polizeikräften arbeitet. Jede Schule ist verpflichtet, im Rahmen ihrer Autonomie, eine gezielte Internet-Bildung zu fördern und die Schüler/ innen über die Rechte und Pflichten im Netz zu informieren. Ein interministerieller technischer Vorstand ist für die Koordinierung der verschiedenen Interventionen verantwortlich und entwickelt einen vollständigen Plan gegen Cybermobbing.

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