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Die Energiekrise gemeinsam meistern
Wir stecken in einer Energiekrise, an dieser Tatsache lässt sich nicht rütteln, und wir sitzen alle, wenn nicht im selben, doch in einem ähnlichen Boot. Die Energiekosten schießen momentan durch die Decke, und die Menschen sind besorgt. Verständlich, stehen die kalten Monate doch erst bevor. Wie gedenkt die Stadtgemeinde Bruneck in nächster, aber auch in ferner Zukunft mit dem Thema Energie/kosten/sparen umzugehen, wie sehen kurz- aber auch langfristige Strategien dazu aus. PZ-Redakteurin Judith Steinmair hat sich mit dem Brunecker Bürgermeister Roland Griessmair zusammengesetzt, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Auch der Brunecker Bürgermeister ist angesichts der derzeitigen Energielage offensichtlich angespannt, lässt aber auch eine gewisse Zuversicht durchblitzen. „Unser Vorteil gegenüber anderen Gemeinden, die nur von Großkonzernen abhängig sind: Wir haben eigene Stadtwerke - wir können gestalten! Was bedeutet, dass wir – natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten - gewisse Handlungsspielräume haben“, so die Botschaft, die Bürgermeister Griessmair gleich zu Beginn des Gesprächs sendet. „Zum Glück haben wir in den vergangenen Jahren bereits eine sehr durchdachte Energiepolitik betrieben, nicht umsonst sind wir die erste Gemeinde Italiens mit dem Klima-Energie-Award-GoldStatus.“ Im Zuge der Energiekrise arbeitet die Stadtgemeinde Bruneck gemeinsam mit den Stadtwerken nun seit geraumer Zeit sehr intensiv daran, mögliche Lösungsansätze zu finden, oder wie der Bürgermeister es ausdrückt: „Wir bewegen uns derzeit in eine 360 Grad-Richtung, einiges ist bereits auf den Weg gebracht, und es gibt noch viele Ideen, alles ist aber noch nicht spruchreif.“
BRUNECK KANN GESTALTEN
Natürlich kann das schwierige Thema „Energie“ nicht auf bloßer Gemeindeebene abgehandelt werden. Auf internationaler Ebene wäre es wichtig, dass der Gas- und Strompreis entkoppelt werden. „Im Grunde gibt es ja keine wirkliche Begründung, warum der Strompreis so hoch ist, das liegt aber nicht in unserer Hand“, so Griessmair. Genauso sinnvoll wäre es als EU-Staaten die Preise nach oben hin zu deckeln, damit sie nicht weiterhin explodieren, was sich weder Bürger*innen noch Betriebe leisten können. Aber, wie gesagt, das sind leider staatliche bzw. EU- Zuständigkeiten. In die Zuständig-
Bürgermeister Roland Griessmair
keit des Landes fallen dann indes eventuelle Zuwendungen an Menschen, die durch die Teuerungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. „Die Zuständigkeiten der Gemeinden fallen dann eher bescheiden aus“, erklärt Bürgermeister Griessmair, „aber im Fall von Bruneck gibt es zum Glück die Stadtwerke, mit welchen wir aktiv werden können“. Das erklärte Ziel der Stadtgemeinde ist es, in Sachen Energie möglichst viele Akzente zu setzen, neben der Wirtschaftlichkeit bzw. Kostenreduzierung aber auch den ökologischen Aspekt in den Vordergrund zu stellen, was bedeutet, dass die jeweiligen Schritte auch nachhaltig sein und einen Beitrag hinsichtlich der Co2-Emissionen und dem Klimawandel leisten sollen.
DER STROM
Im Bereich „Strom“ sieht die Situation in Bruneck folgendermaßen aus: Die Stadtwerke sind einerseits Stromproduzent und andererseits Stromverteiler. Jeglicher Strom der produziert wird muss verkauft werden, und jeglicher Strom, der verkauft wird muss eingekauft werden. Derzeit ist der Strom, welchen die Stadtwerke verkaufen, weit billiger als jener, welchen die Stadtwerke einkaufen müssen um ihn zu verteilen. Seit Frühjahr dieses Jahres muss jeglicher Strom, der über einen gewissen Preis verkauft wird, automatisch an den Staat gehen. „Das mag natürlich unlogisch klingen“, gibt der Bürgermeister zu, „ist aber leider nun mal so. Eigentlich müsste ich ja das, was ich produziere, zu meinen Bedingungen verteilen können… Nicht auf einer Seite billig verkaufen, um dann teuer zukaufen zu müssen.“ In Zahlen ausgedrückt holt sich der Staat auf diesem Wege ca. vier Millionen Euro von den Stadtwerken Bruneck. Eine durchaus problematische Entwicklung, auch für die Stadtgemeinde Bruneck, die mit den Mehreinnahmen eigentlich den steigenden Gaspreis zu kompensieren gedachte, sprich der Fernwärmetarif hätte konstant bleiben sollen.
GASPREIS UND FERNWÄRME
Mittlerweile ist der Gaspreis bekanntlich durch die Decke gebrochen. Während im Jahre 2021 die Stadtwerke für das Fernheizwerk ca. fünf Millionen Kubikmeter an Gas gebraucht haben zu einem Gaspreis von rund 20 Euro pro Kubikmeter, sind wir im Moment bei über 200 Euro pro Kubikmeter. Das heißt, der Gaspreis hat sich verzehnfacht, mit Stand heute (22. September 2022) eigentlich verzwölffacht. Was in Folge bedeutet, dass die Stadtwerke, wenn der Preis und der Gaskonsum auf dem derzeitigen Stand bleiben, elfeinhalb Millionen Euro anstelle der bisher eine Million Euro für Gas ausgeben müssen. „Das ist auf die Bürgerinnen und Bürger natürlich so nicht umwälzbar, auch wenn man als Unternehmen das tun müsste, wir hätten in
diesem Fall ja einen mehr als verdoppelten Fernwärmetarif“, sagt Griessmair. Vergleicht man andere Realitäten, ist die Schlussfolgerung aber gar nicht mal so abwegig. Man möge nur einmal das Beispiel Brixen ansehen, eine Stadt, die gänzlich am Gas hängt: Im August 2022 hatte Brixen einen Fernwärmetarif von 0,24 Euro pro Kilowattstunde, Bruneck hingegen 0,114 Euro – also doch weniger als die Hälfte. „Als Stadtgemeinde müssen wir nun den Spagat schaffen, mit den Mehrkosten verantwortungsvoll umzugehen, es gilt auf der einen Seite die Bilanzen der Stadtwerke und der Gemeinde selbst im Auge zu behalten. Eine finanzielle Schieflage der Gemeinde oder der Stadtwerke wäre auch nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Auf der anderen Seite wollen wir aber keinesfalls der Bevölkerung die Preisentwicklung 1:1 weitergeben! Das ist die große Herausforderung, an der wir derzeit arbeiten“, bringt es der Brunecker Bürgermeister auf den Punkt.
DAS 5-PUNKTE-ENERGIEPAKET
Als ersten Schritt hat die Stadtgemeinde Bruneck ein Energiepaket auf den Weg gebracht, das fünf Punkte beinhaltet. Zum einen die Balkonphotovoltaikanlagen für Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Bruneck, eine Initiative, die bereits ausführlich in den Medien erklärt wurde und landesweit für viel Lob sorgte. Bis dato haben sich 450 Personen für das unentgeltliche Angebot angemeldet. Des Weiteren sind Investitionen zur Kostensenkung in den beiden Großbetrieben der Stadtgemeinde in Planung. Bei der Intercable-Arena werden im kommenden Frühjahr noch zusätzliche Photovoltaikanlagen angebracht, die eine jährliche Ersparnis von ungefähr 200.000 Euro bewirken sollen. Ebenfalls im Frühjahr werden im Cron4 die Wärmerückgewinnungsanlage und die Pumpen erneuert, geschätzte Kostenersparnis: ca. 200.000 Euro. Und noch im Oktober wird dort ebenfalls eine große Photovoltaikanlage installiert, mit der sich die Verantwortlichen eine Ersparnis von 50.000 Euro ausrechnen. Der wichtigste Punkt sei aber, laut Griessmair, die Investitionen am Standort Fernheizwerk, um den Energiebedarf von Bruneck abzudecken - will heißen entweder nur mit Gas oder nur mit Biomasse oder mit der jeweils notwendigen Mischform -, die innerhalb der kommenden zwei Jahre umgesetzt werden sollen. Ziel dieser Investitionen soll eine Unabhängigkeit vom Gas mit zwei komplett unabhängigen Energiesystemen sein.
DIE FERNWÄRME
Auch am Fernheizwerk selbst wurden mittlerweile technische und organisatorische Maßnahmen vorgenommen, und die Stadtgemeinde geht davon aus, dass der Gasbedarf dadurch um einen großen Prozentsatz


Die Kosten für Gas und Strom sind seit Monaten bereits stark gestiegen und es ist kein Ende in Sicht.
reduziert werden kann. Was heißen soll, dass vom Frühling über den Sommer bis hin zum Herbst praktisch kaum mehr Gas benötigt wird. Die Crux liegt in der kalten Jahreszeit. „Im Idealfall sprechen wir von drei Monaten – Mitte November bis Mitte Februar – in denen wir Gas brauchen, immer in Hinsicht auf eine Überbrückung der nächsten zwei Jahre, danach ist das durch die Unabhängigkeit hinfällig“, versichert der Bürgermeister. Aber in diesen drei Wintermonaten ist Bruneck derzeit eben noch auf Gas angewiesen, denn selbst wenn alle BiomasseBrennöfen voll ausgelastet sind, reicht die Produktion nicht aus, um den Energiebedarf aller Abnehmer*innen in der kalten Jahreszeit abzudecken. „Und eines muss man dabei wissen: Die Kilowattstunde Wärme, die im Moment mit Gas produziert wird, kostet achteinhalb Mal so viel als die Kilowattstunde, die mit Biomasse produziert wird. Fazit: Wenn wir es schaffen in den Wintermonaten den Gasverbrauch zu reduzieren – was in den ominösen drei kalten Monaten mit technischen und organisatorischen Maßnahmen alleine nicht kompensierbar ist – sparen wir am höchsten Preis! Und da sprechen wir von uns allen, von allen Konsumentinnen und Konsumenten!“
DIE SENSIBILISIERUNGSKAMPAGNE
Um den Bürgerinnen und Bürgern diese Schlussfolgerungen näher zu bringen, plant die Stadtgemeinde Bruneck eine Sensibilisierungskampagne. Natürlich gibt es bereits entsprechende staatliche Vorschriften, beispielsweise was die Temperaturreduzierung betrifft. Trotzdem muss sich das Energieeinsparen in unseren Köpfen vermutlich erst verankern. „Die Temperatur im Haus um einen Grad zu reduzieren, reduziert den gesamten Energiebedarf um sechs Prozent. Es liegt also an uns allen, wie sich der Tarif der Fernwärme entwickelt“, so der Appell des Bürgermeisters. Und: „Den Großteil des Jahres haben wir durch die technischen und organisatorischen Maßnahmen hinsichtlich Gasverbrauch gut im Griff, aber im Winter müssen wir sparen und den Gürtel ein wenig enger schnallen, es nützt einfach nichts!“ Künftig sollen die Rechnungen der Stadtwerke dann auch monatlich den Kundinnen und Kunden zugestellt werden, um unmittelbar feststellen zu können, ob effektiv eingespart wurde und gegebenenfalls auch sofort reagieren zu können. Und mit der nächsten Rechnung soll dann auch schon ein Informationsschreiben über sinnvolle Energiespar-Maßnahmen zu Hause aufklären. Mit den Großkunden, sprich Hoteliers, wolle man sich ebenfalls und ganz persönlich nochmals zusammensetzen, so Griessmair, um gemeinsame Überlegungen in Richtung Einsparnisse zu machen.
KOLLEKTIVES BEWUSSTSEIN
Preiserhöhungen der Fernwärme wird es also geben, an dieser Tatsache lässt der Bürgermeister keine Illusion zu, aber in welchem Ausmaß hänge, wie gesagt, von der Mitarbeit und dem Willen zum Energiesparen der Bürgerinnen und Bürger ab, und dementsprechend hoffe man von Seiten der Gemeinde inständig, dass sich das Ganze in einem vertretbaren Rahmen bewegen möge. „Nochmals: Jede Kilowattstunde an Wärmeverbrauch in den kalten Wintermonaten, die wir sparen, ist eine teure Gas-Kilowattstunde, die achteinhalb Mal so viel kostet als Biomasse! Wir können als Kollektiv alle gemeinsam also viel Geld sparen! Und das in doppelter Hinsicht: Zunächst ganz konkret bei der eigenen Rechnung, darüber hinaus aber auch durch einen hoffentlich tieferen Fernwärmetarif, wenn sich möglichst viele am Energie -Einsparen beteiligen.“ Das Gebot der Stunde lautet also schlichtweg, die Menge an Gas so gering wie möglich zu halten!
IN RICHTUNG „GRÜNER STROM“
Und was die weiteren Schritte betrifft, engagiert sich die Stadtgemeinde gemeinsam mit den Stadtwerken verstärkt im Bereich der alternativen Energien, so der Ausblick des Bürgermeisters. Mit der Schaffung eines eigenen dementsprechenden Fonds beispielsweise, aber auch andere, innovative Konzepte werden derzeit angedacht und geprüft, wie die Gründung einer großen Energiegemeinschaft in Bruneck etwa, aber: „Die verschiedenen Konzepte sind zwar noch nicht spruchreif, aber wir werden sicherlich noch einige Maßnahmen in Punkte Energieverbrauch bzw. Energiekosten setzen.