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Roland Griessmair: Jeder ist gefordert

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Kleinanzeiger

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TALSCHAFTSPRÄSIDENT UND BÜRGERMEISTER ROLAND GRIESSMAIR Jeder ist gefordert!

Coronavirus: Maßnahmen und Folgen. Das wird uns wohl noch lange beschäftigen. PZ-Redakteurin Judith Steinmair hat mit Roland Griessmair, Bürgermeister von Bruneck und Präsident der Bezirksgemeinschaft Pustertal, nicht gesprochen, sondern sich selbstverständlich via E-Mail ausgetauscht.

PZ: Die derzeitigen Maßnahmen sind sehr rigoros. Sind sie Ihrer Meinung nach sinnvoll? Roland Griessmair: Absolut. Wir sehen, dass die meisten europäischen Staaten mittlerweile mehr oder weniger dieselben Maßnahmen anwenden. Italien, speziell die Lombardei, war zeitlich gesehen das erste Krisengebiet. Hoffen wir, dass dieser zeitliche Vorsprung uns hilft, dass sich Zahl der Infizierten nicht so dramatisch entwickelt wie in der Lombardei und somit unser Gesundheitssystem handlungsfähig bleibt.

Wurden die Maßnahmen zu spät angesetzt? Haben wir das Ganze unterschätzt? Ich denke, ganz Europa hat die Situation unterschätzt. Italien ist das erste „Opfer“ dieses Unterschätzens. Inzwischen wurden Maßnahmen gesetzt, die auch Wirksamkeit zeigen werden. Für mich ist es allerdings unverständlich, warum andere europäische Staaten noch zaudern. Ich denke sie sollten von Italien lernen und den zeitlichen Vorsprung nutzen.

Viele BürgerInnen bemängeln eine adäquate bzw. die fehlende (frühzeitige) Information von Seiten der Politik… Südtirol hat meines Erachtens ein sehr gut funktionierendes Zivilschutzsystem, das auch kapillar organisiert ist. Das Problem sehe ich weniger in der fehlenden Information, sondern viel mehr in der Tatsache, wie mit der Information umgegangen wird. Überall wird aufgerufen, die sozialen Kontakte einzuschränken und zu Hause zu bleiben. Und doch halten sich noch immer zu viele Menschen noch nicht daran.

Was ist in Ihren Augen besonders wichtig in der jetzigen Situation? Ruhe bewahren und die Empfehlungen und Aufrufe der Behörden und Institutionen ernst nehmen. Wenn wir dies tun, haben wir eine gute Chance, dass unser Gesundheitssystem handlungsfähig bleibt, wenn nicht, kann es zu chaotischen Zuständen kommen.

Talschaftspräsident und Brunecks Bürgermeister Roland Griessmair. rewe

Was kann die Gemeinde tun, um bestmöglich mit dieser Krisensituation umzugehen? Wir versuchen zu sensibilisieren, dass sich die Menschen sich an die Vorgaben halten. Es werden auch Kontrollen durchgeführt. Weiters haben ich angeordnet, dass sämtliche Spielplätze, die Beach in St. Georgen, alle Sport- und Freizeiteinrichtungen der Gemeinde geschlossen bleiben. Zudem haben wir gemeinsam mit vielen Beteiligten die Nahversorgung für ältere und hilfsbedürftige Personen sichergestellt und einen gemeindeflächendeckenden Einkaufsdienst für Lebensmittel und Medikamente auf die Beine gestellt. Dies ist denke ich sehr wichtig und ich danke allen, die sich daran beteiligt haben. Derzeit arbeiten wir daran, den Dienst der Lebensmittelausgabestelle LeO, welche Lebensmittel an bedürftige Menschen ausgibt, in anderer Form wieder zu aktivieren. Deren Tätigkeit wurde aus hygienischen Gründen eingestellt. Die Gemeindeleitstelle tagt täglich in der Feuerwache Bruneck per Videokonferenz, um im Hintergrund alle organisatorischen und sonstigen Maßnahmen zu planen. Und das sind nicht wenige.

Wie sieht das Szenario bezüglich den verwaltungstechnischen und öffentlichen Bereichen in naher Zukunft aus? Können wir das System aufrechterhalten? Die wesentlichen Dienste der öffentlichen Verwaltung werden garantiert, Unwesentliches und Unwichtiges darf ruhig mal ein wenig warten. Es muss alle Kraft darauf verwendet werden, die wesentlichen Dienste aufrecht zu erhalten.

Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Folgen ein? Diese sind derzeit wohl nicht abschätzbar, weil wir erst am Beginn der Welle stehen und niemand genau weiß, weil lange dieser Ausnahmezustand noch andauert. Es bleibt zu hoffen, dass alle Institutionen für die Zeit danach wesentliche Vereinfachungen und Entbürokratisierungen planen. Nur so kann sowohl der öffentliche Dienst als auch die Privatwirtschaft wieder schnell in Schwung kommen. Zudem wird es Unterstützungsmaßnahmen brauchen. Familien, Einzelpersonen und Betriebe sind gleichermaßen die Geschädigten. Ich würde mir auch wünschen, dass Leistungen, welche die ehrenamtlichen Helfer in dieser Zeit bei den Hilfsorganisationen getätigt haben als Dienstzeit anerkannt würde.

Die Verschiebung der Gemeinderatswahlen im Mai ist nun beschlossene Sache – eine gute Entscheidung? In dieser Situation wäre es wohl unverantwortlich gewesen die Wahlen durchzuführen. Demokratie lebt von Partizipation und Diskussion. Beides ist im Moment nicht möglich.

// Interview: Judith Steinmair

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