STAN D O RT P O RT R AIT : : Die Neubautätigkeit von prägenden Geschäftsbauten, welche in der betrachteten Periode im Jahr 1993 mit dem Technopark begonnen hatte und mit dem Bezug des Prime Tower im Jahr 2011 ihren Höhepunkt erreicht hat, manifestiert sich auch in einem höheren Mietzinsniveau. An den sehr guten Mikrolagen wie zum Beispiel beim Bahnhof Hardbrücke oder in den obersten Geschossen der Hochhäuser liegen die Preise heute im Bereich von CHF 500.-/m 2a. Diese Preise sind durchaus mit Lagen in der Innenstadt, mit Ausnahme der absoluten Toplagen, zu vergleichen.
WER HAT’S ERFUNDEN? Wer hat den Boom in Zürich-West überhaupt ermöglicht? Ein Blick auf die Aufteilung des Investitionsvolumens bei Neubauprojekten zwischen 1995 und 2013 zeigt, dass private Investoren für über 90 Prozent der gesamten Investitionen verantwortlich sind. Der Grossteil der privaten Investoren stammt aus der Stadt Zürich. Die zwischen 1995 und 2013 getätigten Investitionen dürften einen jährlichen Umsatz von rund CHF 2.6 Milliarden in Zürich-West auslösen, was erheblich zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Diese Umsätze werden mit einem Anteil von rund 95% massgeblich durch die Investitionen der privaten Investoren ausgelöst. Nach der Realisierung der vielen privat finanzierten Projekte profitiert die Stadt Zürich stark. Das jährliche Steuervolumen, welches die Investitionen schätzungsweise auslösen, wird auf rund CHF 320 Millionen geschätzt, wovon rund 66 Millionen pro Jahr in der Stadt Zürich anfallen dürften. Mit den hohen Investitionen aus der Privatwirtschaft und der damit verbundenen Entwicklung der Landwerte ist in Zürich-West auch ein «latentes» Steuervolumen aufgebaut worden, das irgendwann in der Zukunft in Form von Grundstücksgewinnsteuern realisiert werden kann. Es handelt sich dabei um «stille Steuerreserven» für die Stadt. Der Beitrag der öffentlichen Hand an die Entwicklung von ZürichWest fällt im Vergleich zu weiteren Entwicklungsgebieten eher bescheiden aus. So waren die absoluten Investitionen der öffentlichen Hand zwischen 1995 und 2013 zwar höher als beispielsweise in Leutschenbach oder in Neu-Oerlikon. Allerdings handelt es sich um einen weit grösseren Perimeter, weshalb die Investitionen pro Quadratmeter Gebietsflächen mit rund CHF 190 tiefer als in den beiden anderen Gebieten aus-fielen. Zürich-West hat sich nicht wegen, sondern trotz der öffentlichen Hand entwickelt. Mit den zwei Schulhäusern am Pfingstweidpark und auf dem Schützeareal sind jedoch auch weitere Investitionen geplant. Das neue Fussballstadion (inklusive einer Wohnüberbauung) auf dem Hardturmareal hätte ebenfalls durch die öffentliche Hand finanziert werden sollen. Der Kredit von CHF 216 Millionen wurde im September 2013 durch das Stadtzürcher Stimmvolk abgelehnt. In der zweiten Hälfte 2015 soll nun ein Investorenwettbewerb durchgeführt werden. Auf dem Areal sind nun bis zu 80 Meter hohe Hochhäuser möglich, welche im Idealfall die Finanzierung des Stadions mit 20᾽000 Sitzplätzen und einen gemeinnützigen Wohnsiedlung quersubventionieren. Das Land wird dem privaten Investor im Baurecht abgeben.
ZHDK: DIE GRÖSSTE ARBEITSSTÄTTE IM QUARTIER OHNE INFRASTRUKTUR Im September 2014 sind die Kunststudenten, Dozenten und das weitere Personal in die ehemalige Toni-Molkerei eingezogen und auf ein weitgehend unvorbereitetes Quartier getroffen. Im Innern des Luxuspalastes (Gesamtinvestition ca. CHF 350 Mio., ein Umbau teurer als ein Neubau) ist zwar eine Verpflegungsmöglichkeit vorhanden, aber draussen auf der Strasse wurden von den Stadtplanern keinerlei Vorkehrungen getroffen, die grösste Arbeitsstätte von Zürich-West mit
GESCHÄFTSFÜHRER 02 : : 2015
Läden, Restaurants, Bars etc. zu versorgen. Auch wenn in der direkten Umgebung des Toni-Areals einige Verpflegungseinrichtungen vorhanden sind, positionieren sich diese jedoch vermehrt im gehoberen Segment, oder aber es handelt sich um betriebsinterne Einrichtungen. So stellen sie nur beschränkt eine Alternative für die Studentinnen und Studenten dar. Bleibt zu hoffen, dass sich das Leben mit improvisierten Angeboten (Strassenständen, umfunktionierten Gewerberäumen etc.) selber hilft.
BRACHEN ALS QUALITÄT VON ZÜRICH-WEST Das Beste an Zürich-West sind seine Gegensätze: Frau Gerolds Garten vor der schimmernden Kulisse des Prime Tower, die Turbinen-Testanlage neben den noblen Escher-Terrassen und dem Swisscom Tower, die Zwischennutzer auf der ewigen Stadion-Brache. Sobald Zürich-West fertig gebaut ist, werden wesentliche Qualitäten verloren gehen. Hoffen wir also, dass es immer einige Brachen und Provisorien gibt beziehungsweise dass immer wieder neue entstehen, die Zürich-West lebendig erhalten. Die einzige Konstante in Zürich-West ist die Veränderung (abgewandeltes Zitat nach Heraklit von Ephesus; etwa 540 – 480 v. Chr.). Zürich-West war, ist und bleibt spannend. Fotos: zvg.
: : BRUNO FRITSCHI (1980) ist seit Abschluss des Studiums der Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich im Jahr 2007 als Projektleiter bei der Immobilienberatungsfirma Wüest & Partner tätig. Neben der systematischen Beobachtung, Analyse und Interpretation aller relevanten Märkte ist Wüest & Partner führender Anbieter von Bewertungen und Beratungsdienstleistungen für jede Lebensphase einer Immobilie.
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