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kadawittfeldarchitektur

KadaWIttFeld ArchitEKtur No.09/2015

/ WATCH THEM MOVE /

WATCH THEM MOVE Natürlich zählt im Stadion der Blick auf den Sport – doch ebenso die Atmosphäre rundum, das Erlebnis, gemeinsam mit anderen. Darum ist eine Tribüne mehr als ein überdachter Steh- oder Sitzplatz, verbindet sie Zweck mit Aura, pragmatische Ingenieurtechnik mit sorgfältiger Architektur. Die Erweiterung des Aachener Dressurstadions, Schauplatz der kommenden Europameisterschaften, überträgt diese Überlegungen in eine klare, eigenständige Form. Das Projekt steht im Fokus dieser Ausgabe, begleitet durch ein Gespräch mit der Dressurreiterin Isabell Werth über Eleganz,Tradition und die Bedeutung der Atmosphäre für die Reiter selbst. Außerdem: News zu Projekten sowie ein Blick auf den neuen Bahnhofszugang in Salzburg-Schallmoos, der den Umbau des Hauptbahnhofs vollendet und seinerseits die Typologie eines multifunktionalen ,Dachbauwerks‘ variiert.


kadawittfeldarchitektur

KennDaten

ErwEitErung drEssurstAdion ORT: Aachen (DE) BAUVOLUMEN: BGF 1.814m², BRI 11.570m³ BAUHERR: Aachen-Laurensberger Rennverein e.V. REALISIERUNG: Juli 2013 – Juli 2014 MEHRFACHBEAUFTRAGUNG: 1. Preis 2012 FOTOGRAF: Andreas Horsky

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No. 09/2015

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kadawittfeldarchitektur

Watch them move Erweiterung des Dressurstadions Aachen

Orte des Sports sind Orte der Zusammenkunft. Kaum jemand geht ins Stadion, nur um ein Spiel, ein Rennen, ein Turnier zu verfolgen. Natürlich geht es um gute Sicht, doch ebenso wichtig ist die Atmosphäre, das Gefühl, gemeinsam mit anderen dabei zu sein. Darin liegt der besondere Reiz für den Architekten: Wenige Bauaufgaben verbinden auf vergleichbar direkte Weise konkrete Zweckmäßigkeit mit Aura, pragmatische Ingenieurbaukunst mit architektonischer Durchformung. Die Tribüne stellt in diesem Sinne eine bemerkenswerte, weil denkbar offene Gemeinschaftsarchitektur dar. In ihrer Grundform wird sie nicht durch umfangende Wände, sondern durch kaum mehr als eine ,schiefe Ebene‘ und das darüber schwebende Dach definiert. Von dort entwickelt sich die Architektur, stellt sich die Frage nach dem Kontext, der über das streng Funktionale hinausgeht. Bei der Erweiterung des Aachener Dressurstadions zählte dazu der bauliche Bestand ebenso wie die Tradition der hiesigen Veranstaltungen. Der CHIO Concours Hippique International Officiel gilt als eines der weltweit renommiertesten Reitturniere und wird jährlich von rund 360.000 Zuschauern besucht. Im August 2015 finden im Sportpark Soers zudem die FEI ReitEuropameisterschaften statt. In Vorbereitung auf dieses weitere Großereignis entschied der

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Aachen-Laurensberger Rennverein (ALRV) unter anderem, das Dressurstadion an seiner offenen Ostseite mit einer neuen Tribüne zu schließen. Teil der Aufgabe war es, zusätzliche Funktionsräume wie Sanitär-, Lager- und Technikflächen sowie Räume für temporäre Nutzungen zu schaffen.

Ebenso wichtig wie gute Sicht ist die Atmosphäre, das Gefühl, mit anderen dabei zu sein. Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur, aus einer Mehrfachbeauftragung 2012 hervorgegangen und zum jüngsten CHIO im Juli 2014 binnen nur elf Monaten realisiert, überführt dieses Programm in einen zeichenhaften, formal reduzierten Baukörper. Zum Hauptakteur wird die neue Zuschauertribüne selbst, die das bereits zuvor größte Stadion seiner Art um 1.200 auf 6.200 Plätze erweitert. Wie aus einem Guss eint eine mehrfach gefaltete Ebene die prägenden Elemente von der südlichen Freitreppe über die Zuschauerränge bis zum leichten, 16 Meter hohen und 18 Meter ausgreifenden Dach. Strahlendes Weiß fasst die Aluminiumhaut des Daches, die Stahlblechfassade der Rückwand und die

Stahlbetonbrüstung zusammen, während seitlich Glaswände in dunkler Pfosten-RiegelKonstruktion gegen Wind und Wetter schützen. Überlagert wird diese klare Gestalt durch die trapezförmigen Umrisse des Grundstücks. Die Abweichung vom Rechteck lässt das Dach ansteigen; sie verleiht dem Baukörper Dynamik und kreiert so eine Balance zwischen der Ausrichtung auf das Reitfeld und der Eigenständigkeit als Ort gemeinsamen Erlebens. Letzteres unterstreicht zudem die Multifunktionalität, die über den Sport hinaus Events wie Feste oder Konzerte erlaubt, einschließlich der Nutzung der Tribüne als Orchesterbühne wie bei der großen Show ,Pferd und Sinfonie‘ im CHIO-Begleitprogramm. Grundlage dafür ist eine pragmatische Konstruktion, die sich innerhalb der Gesamterscheinung bewusst zurücknimmt. Das Dach wurde als Trägerrost aus Stahl-Schweißprofilen mit aussteifendem Stahl-Trapezblech ausgeführt. Lediglich vier extrem schlanke Stützen übernehmen die Lasten der Auskragung. Zugleich greifen sie die Filigranität der bestehenden Tribünen auf und überführen diese in eine moderne Formensprache. Die Sitzbereiche selbst wurden aus Betonfertigteilen gebildet. Diese liegen auf Stahlbetonbalken, die ihre Lasten über Schottenwände und Rundstützen aus Stahlbeton auf die Fundamente abtragen. Die Konstruktion entspricht so ihrem dienenden Charakter; gleichzeitig

gliedert sie schlüssig die rückwärtige Fassade, die mit anthrazitfarben beschichteten Aluminium-Kantkassetten ,ausgefacht‘ wurde. Alle ergänzenden Funktionen treten, der räumlichen Logik der Tragstruktur folgend, in die Sockelzone zurück. Zum Reitfeld hin schützt eine Glaswand unterhalb des Unterrangs Reiter und Pferde vor Geräuschen aus dem Zuschauergang, aus der Meldestelle und der Turnierleitung. Die Nurglaskonstruktion wurde etwas zurückversetzt und als durchscheinender Sichtschutz mit einer Folienbedruckung versehen, die Motive aus dem Reitsport aufnimmt. Innerhalb des Gesamtgefüges wirkt sie so als Schattenfuge, die die Gestalt von Tribüne und Dach als zentrales Element des Entwurfs zusätzlich betont. Unabhängig davon, ob man den Zuschauerbereich über die Freitreppe oder die inneren Aufgänge betritt, erscheint er als eine Art offene, großzügige Versammlungshalle mit freiem Blick auf die Reiter. Ziel war eine Leichtigkeit, die den Zuschauer selbst ,erhebt‘ und die sich an der Atmosphäre der überwiegend im Sommerhalbjahr ausgetragenen Wettbewerbe sowie an der noblen Aura des Reitsports orientiert.Wie die architektonische Figur ist sie nicht Selbstzweck, sondern dient, in zeitgemäßer Ergänzung des bestehenden Stadions, dem Erleben des Sports und anderer Ereignisse – gemeinsam mit anderen Besuchern an einem quasi öffentlichen Ort.


No. 09/2015

EIN GESPRÄCH MIT DER DRESSURREITERIN ISABELL WERTH Frau Werth, Dressurreiten gilt als eine besonders noble und elegante Sportart. Wie wichtig ist diese spezifische Tradition und Aura für Sie? Das Dressurreiten, die Symbiose zwischen Pferd und Reiter, lebt von der Eleganz, der Harmonie und der Leichtigkeit, die das Paar ausstrahlt. Deshalb ist die Aura von besonderer Wichtigkeit. Die Aufrechterhaltung bestimmter Ordnungen, wie Kleidung, Zäumung oder Prüfungsanforderungen, mag vielleicht etwas gediegen oder gar ,altbacken‘ wirken, ist aber Tradition und als Respekt vor der Kreatur zu verstehen. Denn der Reitsport dient neben dem Sport auch dem Erhalt des Kulturgutes ,Pferd‘. Wie hat sich die öffentliche Wahrnehmung des Reitsports in den letzten Jahren verändert? Der Reitsport findet im Verhältnis zu anderen Sportarten keine große mediale Resonanz. Diskussionen um Trainingsmethoden, abgehobene Millionengeschäfte und elitäre, unnahbare Reiter schaden natürlich und geben leider auch nicht das Bild eines arbeitsreichen, verantwortungsvollen Alltags wieder, sondern verzerren die Realität. Wir lieben unsere Pferde und sind ohne sie allenfalls schlechte Fußgänger. Gleichzeitig zeigt sich an den Zuschauerzahlen bei Turnieren, dass das Interesse am Reitsport sehr breit ist, was uns natürlich freut. Es wäre wunderbar, wenn Turniere

auch jenseits der ganz großen Veranstaltungen wie etwa den olympischen Spielen mehr Aufmerksamkeit in den Medien erhalten würden. Andererseits ist der Besuch im Stadion, um Neben Ihrer sportlichen Tätigkeit sind Sie unmittelbar bei einem Turnier dabei zu sein, seit vielen Jahren Botschafterin der Christofdurch nichts zu ersetzen. fel-Blindenmission, die sich weltweit für Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen einsetzt. Wo liegt die Motivation für diese Art des Engagements? diE mischung Aus Ich habe durch meinen Sport eine gewisse sport, lifEstYlE, Popularität erlangt, die ich für diese OrganigEsEllschAftlichEm ErEignis, sation, deren Leistungen ich für besonders gut und wichtig halte, einsetzen möchte. Die OrvolKsfEst und vip ist für EinE ganisation hat sich vorgenommen, die LebensAbsolutE topvErAnstAltung qualität der ärmsten Menschen dieser Welt zu unErlässlich und notwEndig. steigern, und bereits viel erreicht. So entstanden beispielsweise Stationen für therapeutisches Reiten, unter anderem in Khartoum, Wie wichtig ist für Sie als Sportlerin die der Hauptstadt des Sudans. Dieses Thema liegt Atmosphäre im Reitstadion, die Balance aus mir natürlich besonders nahe. Die OrganisaKonzentration und Unterstützung durch die tion lebt von Spenden und von der öffentliZuschauer auf den Rängen? chen Wahrnehmung.Wenn ich dazu beitragen Eine spannungsgeladene, emotionale Atmo- kann, tue ich das sehr gerne. sphäre, die Reiter und Pferd zu Höchstleistungen trägt, ist einfach großartig und macht diese Prüfungen und Erlebnisse besonders und auch isAbEll wErth unvergesslich! ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine der international Sie sagten, dass die mediale Aufmerksamkeit gegenüber Reitsportturnieren geringer ist als diejenige bei anderen Sportarten. Tatsächlich gewinnt das Erleben im Stadion selbst dadurch

bekanntesten und erfolgreichsten Dressurreiterinnen. Sie errang unter anderem olympisches Einzel- und mehrfaches Mannschaftsgold und gewann vielfach die Welt-, Europa- und Deutschen Meisterschaften sowie den CHIO in Aachen. Seit 2006 ist Isabell Werth Botschafterin der Christoffel-Blindenmission (CBM).

Fotos unten: Isabell Werth beim CHIO 2014, Copyright: © CHIO Aachen/Strauch

INteRvIeW

ja zusätzlichen Stellenwert.Welche Bedeutung hat für die Zuschauer der Ereignischarakter der Veranstaltungen? Was muss heute jenseits der eigentlichen Wettbewerbe geboten werden, vielleicht auch in Abgrenzung zu absoluten Massenevents wie Fußballspielen? Sport alleine reicht schon lange nicht mehr. Die Mischung aus Sport, Lifestyle, gesellschaftlichem Ereignis, Volksfest und VIP ist für eine absolute Topveranstaltung unerlässlich und notwendig. In Deutschland ist der CHIO Aachen mit über 300.000 Zuschauern das Paradebeispiel dafür.

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kadawittfeldarchitektur

News

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Wettbewerb

Wettbewerb

1. Preis für Erweiterung Bundesamt für justiz

FINALIST beim Beethoven Festspielhaus in Bonn

Im November konnte kadawittfeldarchitektur den Wettbewerb ‚Bundesamt für Justiz‘ in Bonn für sich entscheiden. Auslober des Wettbewerbs war das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Der Entwurf ergänzt den Gebäudekomplex Adenauerallee 99-103, der vom Auswärtigen Amt, vom Bundesamt für Justiz sowie vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz genutzt wird, durch zwei eigenständige Hofhäuser. Diese fügen sich als pavillonartige Bausteine in die Umgebung ein und vermitteln durch

ihre flache Kubatur zwischen den Großbauten und der teils denkmalgeschützten Villenbebauung am Rhein. Der alte Baumbestand bleibt weitestgehend erhalten. Die Jury, die sich einstimmig für das Projekt aussprach, attestierte dem Siegerentwurf gut proportionierte Baukörper, die ,rücksichtsvolle räumliche Beziehungen zu ihrer Umgebung herstellen, ohne eine eigene Identität zu verleugnen‘. Die Bauarbeiten sollen 2016 beginnen. Bauherr ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Anlässlich des 2020 anstehenden 250. Geburtstags Ludwig van Beethovens hat die Deutsche Post DHL als Unterstützer einer bürgerschaftlichen Initiative einen Architektenwettbewerb für das neue Beethoven Festspielhaus ausgelobt. Das bereits 2008 in Bonn geplante und 2010 auf Eis gelegte Projekt soll nun am neuen Standort neben der bestehenden Beethovenhalle entstehen. kadawittfeldarchitektur konnte sich neben David Chipperfield Architects und Valentiny hvp architects gegen eine große internationale

Konkurrenz durchsetzen. Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur greift den Höhenunterschied zwischen Rhein und oberem Gelände der Beethovenhalle auf und entwickelt seine Gestalt aus aufeinander aufbauenden, weich geschwungenen Schichten. Im Inneren gräbt sich der Konzertsaal einem Amphitheater ähnlich ins Gelände und folgt dabei der klassischen ‚Vineyard‘-Form. Die drei Finalisten überarbeiten aktuell ihre Entwürfe. Eine Entscheidung ist noch im Frühjahr 2015 geplant.

Zertifizierung

Realisierung

Auszeichnung

Wettbewerb

DGNB Gold für Kita Troplo-Kids

Fertigstellung ICT Cubes

German Design Award 2015

1. Preis für Generalvikariat aachen

Die Kindertagesstätte Troplo-Kids der Beiersdorf AG von kadawittfeldarchitektur wurde im November von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem begehrten Zertifikat Gold ausgezeichnet. Das kompakte Gebäude in HamburgEimsbüttel mit Platz für sieben Kindergruppen ist der zweite Kindergarten überhaupt, der das höchste DGNB-Zertifikat erhalten hat. Das DGNB-System dient der objektiven Beschreibung und Bewertung der Nachhaltigkeit im umfassenden Sinne und über den kompletten Gebäudelebenszyklus hinweg. Betrachtet wurden 40 Nachhaltigkeitskriterien aus den sechs Themenfeldern Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik, Prozesse und Standort. Die Kindertagesstätte Troplo-Kids war Anfang letzten Jahres fertiggestellt worden.

Auf dem Campus Hörn der RWTH Aachen werden im Frühjahr die ,ICT Cubes‘ von sechs Instituten der Fakultät für Elektround Informationstechnik bezogen. 2009 hatte kadawittfeldarchitektur den Wettbewerb für sich entschieden. Der Entwurf platziert zwei kompakte Baukörper so auf dem Areal, dass ein großer Freiflächenanteil als grünes Entrée für den RWTH-Campus entsteht. Für die Fassade wurde gemeinsam mit dem Nutzer ein parametrischer Code entwickelt, der forschungsbezogene Zitate in eine Zahlenfolge und diese wiederum in zugeordnete Lamellentypen übersetzt. Letztere generieren ein zeichenhaftes Fassadenbild, das die vertretenen Lehrstühle repräsentiert. Die ,ICT Cubes‘ sind ein Gemeinschaftsprojekt des Landes NRW, der RWTH und des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB).

Mitte Februar fand in Frankfurt am Main die Verleihung des German Design Awards statt, den der Deutsche Rat für Formgebung im Herbst zum vierten Mal vergeben hat. In der Kategorie ,Excellent Communications Design – Architecture and Urban Space‘ wurde die Archäologische Vitrine im Aachener Elisengarten von kadawittfeldarchitektur zu einem der Preisträger gekürt. Die Jury lobte das öffentlich zugängliche Bauwerk, das Spuren aus 5000 Jahren Siedlungsgeschichte sichtbar macht, als ,kontemplativen Ort inmitten städtischer Betriebsamkeit‘. Beim German Design Award werden Produkte und Projekte aus dem Produkt- und Kommunikationsdesign, Designpersönlichkeiten und Nachwuchsdesigner ausgezeichnet, die wegweisend in der deutschen und internationalen Designlandschaft sind.

Für die Sanierung und Neustrukturierung des Aachener Generalvikariats lobte die Bistumsleitung im Herbst einen Wettbewerb aus, den kadawittfeldarchitektur für sich entscheiden konnte. Neben der energetischen Ertüchtigung der Substanz und einer Umstrukturierung der Büroräume sieht der Entwurf eine neue Fassade vor, die sich harmonisch ins Domviertel einfügt. Eine Kolonnade umschließt das Sockelgeschoss und vervollständigt die bis dato undefinierte Flanke des Komplexes. Es entstehen zwei Höfe, die an die Tradition des benachbarten Domhofs und Katschhofs anknüpfen. Der Entwurf lässt erstmals die klerikale Funktion des Gebäudes erkennbar werden; im Zusammenspiel von Säulen und Vikariatshöfen wird eine neue Eingangssituation mit attraktiver Adresse zum Klosterplatz geschaffen.


No. 09/2015

Completed ZUGANG Schallmoos Der Umbau des historischen Salzburger Hauptbahnhofs zum vollwertigen Durchgangsbahnhof war von Beginn an mehr als ,nur‘ ein Hochbauprojekt. Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur, 1999 im zweistufigen gutachterlichen Wettbewerb ausgewählt, zielte vor allem auch auf städtische Ausstrahlung. Durch die Etablierung eines diskursiven Planungsprozesses wurde das Projekt zum urbanen Impuls für die weitere Entwicklung der angrenzenden Innenstadt. Mit entscheidend war dabei, dass sich erstmals die Stadtteile diesund jenseits der Gleise zusammenschließen. Das im Herbst als letztes Element des Gesamtprojekts fertiggestellte Dachbauwerk auf der Schallmooser Seite des Bahnhofs gewinnt damit doppelte Bedeutung: Es bildet den östlichen Ein- und Ausgang der neuen, lichten Passage, die als linearer Stadtraum den Bahnhof kreuzt – und es vollendet den Bahnhofsumbau im Ganzen. Ähnlich wie die Aachener Tribüne entspricht dieses ,jüngste Stück Bahnhof ‘ dem Sonderfall eines überdachten, doch keinesfalls geschlossenen Ortes, wie er typologisch etwa auch in historischen Stadtloggien seine Ausformung gefunden hat. Verknüpft werden so unterschiedlichste Funktionen, denen die organische Form Ausdruck verleiht: Empfangend leitet sie Passanten und Reisende zum großzügigen Bereich mit Treppen, Rolltrep-

pen und Lift und damit in die querende Passage hinein bzw. aus ihr heraus. Der überdachte Bahnhofsvorplatz ist Treffpunkt für Reisende, Ort des Umstiegs vom Auto, Taxi und Nahverkehr in die Bahn. Darüber hinaus entstanden ein Technikgebäude sowie eine Radstation; letztere vereint einen als gläsernen Pavillon

Das Dach verknüpft unterschiedlichste Funktionen, denen die organische Form Ausdruck verleiht. ausgebildeten Radshop und rampenförmig angeordnete Abstellflächen, die dringend benötigten Platz für 600 Fahrräder bieten. Der ,offene Schutzbau‘ wird so zum Mobilitätszentrum, das verschiedene Verkehrssysteme verbindet. Und schließlich fungiert das 120 Meter lange und bis zu 25 Meter breite Dach als städtebauliches Zeichen, das die neue Bedeutung des Hauptbahnhofs an dessen Ostflanke markiert. Der übergreifenden Geste entsprechend erhielt das Dach eine eigenständige Gestalt, die sich fließend den verschiedenen Aufgaben anpasst. Aufsteigend von sieben Metern Höhe im Randbereich erreicht sie über der Radstation elf Meter und sinkt über dem Passagen-

zugang, der Bewegung der Reisenden gemäß, auf 3,50 Meter ab. Von sieben V-förmigen Stahlstützen getragen, erfolgte die Konstruktion als Stahlträgerrost aus geschweißten Stahlhohlkastenprofilen, die die Ausbildung der schwingenden Form ohne komplexe Verwindungen erlaubte. Die wasserführende Schicht wurde als zweifach gekrümmtes Stehfalzdach ausgeführt, während die Struktur von unten offen sichtbar bleibt. Seinen rückwärtigen Abschluss findet der neue Vorplatz in einer gläsernen Wand, die den Bahnverkehr akustisch abschirmt, doch die visuelle Verbindung zum Bahnhof bewahrt. Dessen prägendes Element ist die neue Dachlandschaft über den Bahnsteigen, die historische und moderne Formen zusammenführt. Das Dach in Schallmoos bildet dazu den neuen Empfang auf der vormals ,vergessenen‘ Seite. Es signalisiert den Wandel des Hauptbahnhofs vom stadträumlich trennenden zum verbindenden Element und gliedert sich ästhetisch in dessen Gesamtduktus ein. KENNDATEN ORT: Salzburg, Österreich Dachfläche: 2.150 m2 Bauherr: ÖBB Infrastruktur AG Realisierung: 2013-2014 FotografEN: Robert Deopito (o.+r.u.), Angelo Kaunat (r.o.+r.m.)

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ErwEitErung drEssurstAdion AAchEn

iMPressuM Redaktion: Nikola Müller-Langguth, Olaf Winkler Graphik & Layout: Kadadesign Auflage: 3.000 / 3 x im Jahr Druck: Print Holding Styria

KOntaKt kadawittfeldarchitektur Aureliusstraße 2 52064 Aachen

NEXT In der nächsten Ausgabe widmen wir uns Bauten für die Bildung.

fon +49(0)241-946 90 0 fax +49(0)241-946 90 20 www.kwa.ac office@kwa.ac


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