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KADAWITTFELD ARCHITEKTUR No. 12/2017

/ AM PULS DER STADT/

AM PULS DER STADT Unser Bild von Stadt: Das vielfältige, anregende, komplexe Stadtleben hat seine vorrangigen Orte. Die Infrastruktur, im Wortsinne darunter liegend, bedarf jedoch ebenso der Planung und Gestaltung. Das führt zu immer wieder neuen Fragen des – auch ästhetischen – Umgangs mit technischen Bauwerken, in einer Zeit in der Energie und Zukunftsfähigkeit mehr denn je im Fokus stehen. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Kraftwerk Lausward, das als prominente Landmarke am Düsseldorfer Rheinufer den Blick zugleich umkehrt: auf das Panorama der Stadt. Mit Cornelia Zuschke, Planungsdezernentin von Düsseldorf, sprechen wir darüber, wie Infrastruktur und städtische Zukunft einander bedingen. Außerdem: News und ein Zwischenbericht zum jüngsten Neubau im spannenden Kontext von Zollverein – Weltkulturerbe und Ikone der Industriearchitektur, die ihrerseits längst ein zweites Leben begonnen hat.


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KENNDATEN

KRAFTWERK LAUSWARD ORT: Düsseldorf (DE) BAUVOLUMEN: Stadtfenster mit Besucherplattform BGF 1.620 m², BRI 33.500 m3; Fassadenfläche ca. 24.000 m² BAUHERR: Stadtwerke Düsseldorf AG ANLAGENTECHNIK: Siemens AG REALISIERUNG: 2012 – 2015 WETTBEWERB: 1. Preis 2013 AUSZEICHNUNGEN: AIV Bauwerk des Jahres 2016; Industriebaupreis 2016 – Sonderpreis Bauwerk FOTOGRAF: Jens Kirchner

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No. 12/2017

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AM PULS DER STADT KRAFTWERK LAUSWARD IN DÜSSELDORF

Kraftwerke gelten nicht gerade als ansehnlich. Als riesige Maschinen sichern sie die Abläufe unseres Alltags; dabei bleibt es im Regelfall. Umso ungewöhnlicher, dass beim neuen Kraftwerk Lausward in Düsseldorf gleich zweierlei gelang: die Realisierung einer stringent geplanten Hülle – und die Integration einer Funktion, die Neugierige nicht fernhält, sondern einlädt: Vom „Stadtfenster“ aus, hoher verglaster Raum mit einer Aussichtsplattform in 45 Metern Höhe, öffnet sich ein atemberaubendes Panorama über das Umland, Richtung Köln im Süden und hinüber zur Düsseldorfer City. Das Kraftwerk ist nicht nur weit wirkende Landmarke, im Rahmen geführter Besuche erlaubt es auch den Blick sozusagen zurück auf die Stadt.

Zum anderen ging das neue Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk Anfang 2016 als gleich mehrfacher Weltrekordler ans Netz. Internationale Spitzenwerte erreicht die von Siemens entwickelte Anlage bei der elek­ trischen Netto-Leistung, dem elektrischen Wirkungsgrad und der Fernwärme-Leistung. Der Gesamtnutzungsgrad steigt damit auf 85

DAS TECHNISCHE GEBÄUDE HÄLT NEUGIERIGE NICHT FERN, SONDERN LÄDT SIE EIN.

Prozent, annähernd doppelt so viel wie mit Kohle erreichbar wäre. Für Düsseldorf, das WELTREKORDE ZWISCHEN sich bis 2050 zur klimaneutralen Stadt entGEWERBE UND GOLF wickeln möchte, bildet dies eine wichtige Grundlage für die ungewohnten Möglich- Brückentechnologie, um den Ausbau regenekeiten waren gleich mehrere Besonderheiten. rativer, in ihrer Erzeugungsleistung allerdings Zum einen ragen Kraftwerke zwar immer aus schwankender Energien zu ergänzen. der Landschaft auf, ein exponierterer Standort als im Düsseldorfer Rheinbogen ist allerdings kaum HÜLLE MIT AUSBLICK denkbar. Seit den 50ern bereits dient das Areal Beides zusammen, Lage und technischer Stelder Energieproduktion, weit sichtbar von beiden lenwert, beförderte bei Stadt und Stadtwerken Seiten des Flusses. Das Gelände ist Teil des Hafens den Entschluss, dem Bauwerk ein attraktives Gewie der Flussauen, die Innenstadt liegt nur zwei- sicht zu verleihen. Der im europaweiten Wettbeeinhalb Kilometer entfernt, der „Medienhafen“ werb ausgewählte Entwurf von kadawittfeldarmit seinen Büros und Restaurants noch weniger. chitektur vermied dabei bewusst jede Form der Während unmittelbar rundum eine ganz eigene Camouflage. Stattdessen entspricht er der Logik Funktionsmischung entstand – Gewerbehallen der technischen Gegebenheiten selbst. Prägend und Containerstapel, ein paar Wohnhäuser aus für die Hülle wird eine Folge vertikaler, silbrig der Zeit der ersten Kraftwerksbauten, direkt da- glänzender Abschnitte aus Stahlblech, zwischen neben sogar ein Golfplatz. denen dunklere, leicht zurückversetzte Fugen

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die Ansicht rhythmisieren.Variabel in Höhe und Breite, folgt das System nicht nur den technisch bedingten Ausmaßen, sondern erlaubte auch Anpassungen während des Planungsprozesses. Das Ergebnis ist eine prinzipiell pragmatische, vor allem aber flexible Struktur, die dennoch die Gesamtanlage zur Einheit fügt und ihr eine an einen Strichcode oder eine reduzierte Stadtsilhouette erinnernde Erscheinung verleiht. Lediglich das letzte und höchste Element dieser nahezu abstrakten Reihung ist leicht um 15 Grad aus der Achse gedreht. Fast vollständig haust es den 63 Meter hohen Schornstein ein und schuf so zugleich den ungewöhnlichsten Bestandteil des Ensembles: jenes Stadtfenster, dessen Ausrichtung durch die geringe Verdrehung optimiert wurde. VERFEINERTE STANDARDSYSTEME Fährt man heute im Innern mit dem Aufzug hinauf, beeindruckt neben dem weiten Ausblick auch der mächtige Schornstein, der nur wenige Meter entfernt von der Plattform aufsteigt. Ziel des Entwurfs war es insbesondere, die technische Ästhetik der Anlage zu bewahren, sie gleichsam zu „heben“. Wie die äußere Kontur blieb darum auch die Kon­struktion dicht am funktional vorgegebenen Charakter. So wurde der Aufbau des Primärtragwerks und der Fassadenschalen aus dem StandardKraftwerksbau übernommen, Details wie etwa die Eckausbildungen derweil gestalterisch verfeinert. Das individuell angepasste, im Kern aber repetitive Wesen der Hülle entspricht industrieller Logik, ebenso die dominanten

Materialien wie Stahl- und Lochbleche, Sichtbetonoberflächen und die freien Stahlträgerkonstruktionen. Letztere sind durchweg in elegantem Schwarz gestrichen und vereinheitlichen so die Erscheinung nach außen genauso wie im hohen Raum des Stadtfensters, das, unabhängig vom Kesselhaus errichtet, den Duktus des Kraftwerks fortsetzt. AUCH NACHTS TEIL DER STADT Entstanden ist damit ein Gesamtbauwerk im reizvollen Übergangsbereich zwischen Architektur und „reiner Ingenieurbaukunst“ – zweckmäßig, das „Wesen der Maschine“ bewahrend, zugleich aber ein wohl umrissenes Bild erzeugend, das in seiner klaren Fernwirkung auch zur Corporate Identity der Stadtwerke beiträgt. Was im Übrigen nicht nur am Tage gilt: Mit Beginn der Dunkelheit

DER BLICK GEHT HINÜBER ZUR DÜSSELDORFER CITY UND IM SÜDEN BIS KÖLN. tritt eine LED-Illumination hinzu; hinter den dunklen Lochblechen der Fugen reflektieren dann hellere Flächen das Licht und kehren so den sonst geltenden Hell-Dunkel-Kontrast um. Ein einfaches, der Haltung des Entwurfs entsprechendes Zeichen: Die energetische Infrastruktur ist nicht nur notwendiger, sondern selbstverständlicher und selbstbewusster Teil der Stadt, tagsüber und nachts.


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INTERVIEW

MIT CORNELIA ZUSCHKE, PLANUNGSDEZERNENTIN VON DÜSSELDORF Frau Zuschke, bei „Stadt“ denken wir im besten Fall an urbanes Leben, öffentliche Orte, Architektur. Die so wichtige Infrastruktur – Verkehr, Energieversorgung etc. – tritt eher zurück. Welchen Stellenwert haben diese Aspekte in der Arbeit einer Planungsdezernentin? In meiner Verantwortung, eine Stadt mit all ihren Belangen gemäß den aktuellen Anforderungen nach vorne zu denken, gilt es immer und konsequent, Infrastruktur von vornherein mit oder quer zu denken. Das beginnt im Netz unter der Erde, geht über strategische Verkehrs- und Belastungsmodelle von Ver- und Entsorgung bis hin zu Städtebau und der dann hoffentlich qualitätsvollen Architektur. Kein Handlungsfeld käme ohne das andere aus. Außerdem erfordert künftig mehr bauliche Dichte noch mehr Sorgfalt beim Organisieren von Infrastruktur und deren Auslastung bis hin zu besonderem Augenmerk für den öffentlichen Raum, seine Funktionsfähigkeit und Qualität. Infrastruktur und Städtebau gehören zusammen.

Schauspielhaus sind gleichzeitig auch Infrastruktur- wie Großprojekte. Denken Sie an die Themen Mobilität, öffentliche Räume und Flächen, Digitalisierung und Organisiertheit unserer Welt.Wenn wir beispielsweise den Verkehrsentwicklungsplan wieder vorantreiben, wird es dabei auch um die Attraktivierung und Sicherheit des öffentlichen Raumes genauso wie um funktionelle Module und technische, vor allem perspektivische, Leistungsfähigkeit in allen Bereichen der Stadtstruktur gehen. Das interessiert die Menschen. Zugleich werden diese Themen durch konkrete Projekte ständig bespielt und von breiten Öffentlichkeiten engagiert begleitet.

denke, ist die Diskussion bei den Menschen längst angekommen. Im Energiebereich hat die Stadt auf mehreren Ebenen Verantwortung zu übernehmen: Zunächst betrifft dies das Thema regenerative Energien, und damit verbundene Infrastrukturen in der Masterplanebene der Stadtentwicklung nach vorne zu denken. Die Energieerzeugungs- und Ver-

INFRASTRUKTUR UND STÄDTEBAU GEHÖREN ZUSAMMEN.

sorgungslandschaft wird wesentlich ausdifferenzierter sein als früher. Insbesondere die Digitalisierung der Stadt wird einige der alten Im Energiebereich befinden wir uns in ei- Paradigmen ablösen. Dass Sie auch nach den ner spannenden Ära. Es geht um regenerative Bürgern fragen, ist gut. In einer zunehmend Energien, um Übergangstechnologien, um ausdifferenzierten Ver- und Entsorgungslandzentrale, dezentrale und auch private Energie- schaft haben Bürgerinnen und Bürger auch erzeugung. Welche Verantwortung hat hier die eine hohe Eigenverantwortung – bezogen auf das eigene Nutzerverhalten im ZusammenStadt, welche der einzelne Bürger? Smart City, nachhaltige Stadtstrukturen, hang mit dem Klimawandel, aber ebenso mit moderne Energieversorgung, Stadt der kurzen Blick auf die öffentliche Infrastruktur und ihre Wege und neue Mobilität… all diese Themen Leistungsfähigkeit, etwa beim MobilitätsverLässt sich für diese „Schwarzbrotthemen“ werden zunehmend populärer und vernetzen halten. in der Öffentlichkeit eine ähnliche Auf- sich integrierter mit stadtbaulichen und hochWie sehen Sie den Umgang mit Industriemerksamkeit erzeugen wie bei Vorzeigethe- baulichen Themen als früher, als die Fachdiszimen, etwa der Entwicklung der Kö oder des plinen nacheinander gleiche Themen erarbei- architektur heute? Kann „gute“ Architektur zur ten ließen. Heute erfolgt die Zusammenarbeit Akzeptanz beitragen? Saubere Industrie könnte Schauspielhauses? Schwarzbrot erzeugt bekannter Weise Sub- in Systemen. Infrastruktur bestimmt die Kul- ja sogar wieder stärker in die Stadt rücken, selbst stanz, also Muskeln und damit Kraft für den turlandschaft und Orte positiv oder problema- ein positiver Beitrag zur Vielfalt sein. Industriearchitektur ist heute Teil der Bauganzen Körper. Deshalb ist es ein wichtiges tisch, immer aber gut im Blick der Menschen. Thema, nicht nur im übertragenen Sinne, Wenn ich an die Windräderdiskussion in Am- kultur der Städte und Kulturlandschaft geund immer in unserem Fokus, bei Großpro- bivalenz zur Kulturlandschaft oder die Ener- worden, war es aber in prägender Weise schon jekten und auch für sich genommen. Kö und gietrassenführung quer durch Deutschland immer. In Düsseldorf und Umgebung spielt

Industriearchitektur eine prägende Rolle, da sich Stadt und Region auch über das Thema Industrie und Energieerzeugung, Rohstoffverarbeitung und die damit verbundenen städtebaulichen Prägnanten definieren. Eine gute und aussagefähige Architektur zeigt, was in einem Gebäude steckt und wie es mit der Stadt und seinen Bürgern korrespondiert, und wird damit auch zu einer aussagekräftigen Leuchtturmfigur der Baukultur. Das Kraftwerk Lausward verweist zudem darauf, wie verknüpft die Aspekte heute sind. Durch das starke und fast sprunghafte Wachstum unserer Stadt und die damit verbundene Dichte werden wir nicht weiter sektoral planen können, sondern müssen alle Bestandteile der Stadt von Wohnen über Arbeiten und Lebensqualität miteinander vernetzen und gestaltgebend integrieren. Dazu zählt auch der Energielieferant mit der die Stadt versorgenden Fernwärme. So entstehen Nachbarschaften zu Industrie und Gewerbe in Gebieten, die etwa vom Wohnen geprägt sind, und umgekehrt. Sektorales Planen war gestern, integrierte Planung ist heute, um so die notwendige Dichte zu managen. Kein Aspekt der Stadtplanung kann sich dieser Kontextdebatte und einem verpflichtenden Qualitätsanspruch entziehen.

CORNELIA ZUSCHKE studierte Architektur in Weimar. Nach fast 20 Jahren als Planungsdezernentin in Fulda und Darmstadt ist sie seit 2016 Beigeordnete für Planen, Bauen und Grundstückswesen der Landeshauptstadt Düsseldorf.

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NEWS

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FERTIGSTELLUNG

WETTBEWERB

ERWEITERUNG BERGISCHE UNIVERSITÄT WUPPERTAL

NEUBAU FÜR DEN LVR AM OTTOPLATZ IN KÖLN

Ende letzten Jahres wurde der neue Erweiterungsbau der Bergischen Universität Wuppertal auf dem Campus Haspel eröffnet. Der von den Fakultäten Architektur und Bauingenieurwesen gemeinsam genutzte Neubau reagiert auf die besondere Ecklage des Grundstücks. Das transparente Erdgeschoss öffnet sich in alle Richtungen und schafft so eine prägnante Eingangsgeste zum gesamten Universitätsgelände. Hier befinden sich alle öffentlichen Funktionen wie Ausstellungsfläche, Hörsaal und Kantine. In den Ober-

geschossen liegen, geschossweise geschichtet, die Seminarräume der Bauingenieure und Architekten – darunter auch ein BIM- und ein Virtual-Reality-Labor. Ein Lichthof und eine Dachterrasse belichten die Arbeitsräume und können von den Studenten bei Bedarf für fakultätsübergreifende Projekte genutzt werden. Das Projekt geht auf ein vom Bauund Liegenschaftsbetrieb NRW ausgelobtes Verhandlungsverfahren zurück, das kadawittfeldarchitektur 2012 für sich entscheiden konnte.

Beim Wettbewerb für den Neubau des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) am Ottoplatz in Köln-Deutz wurde der Entwurf von kadawittfeldarchitektur im Februar mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Die Jury hob insbesondere hervor, dass der Entwurf mit einem langgestreckten vorgelagerten Platz einen öffentlichen Stadtraum schafft, der gleichzeitig für respektvollen Abstand zum gegenüberliegenden denkmalgeschützten Deutzer Bahnhof sorgt. In dem weithin sichtbaren Gebäudekomplex, der aus einem

17-geschossigen Hochhaus und einer daran anschließenden 5-6-geschossigen Mantelbebauung besteht, sollen rund 1000 Arbeitsplätze entstehen. Damit können die aktuell über das Stadtgebiet verteilten angemieteten Standorte des LVR künftig wieder gebündelt am ursprünglichen Standort des LVR repräsentiert werden. Mit den Architekturbüros des Siegerentwurfs sowie der zweit- und drittplatzierten Entwürfe wird der LVR nun ein Verhandlungsverfahren durchführen. Die Fertigstellung ist 2024 geplant.

AUSSTELLUNG

WETTBEWERB

AUSZEICHNUNG / KOOPERATION

FERTIGSTELLUNG

GRIMMWELT ALS FINALIST IM DAM

ERSTER PREIS DGNB DIAMANT LABORGEBÄUDE FRANZSTRASSE FÜR 50HERTZ CVUA IN HÜRTH AACHEN NETZQUARTIER ERÖFFNET

Im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt a. M. ist derzeit die Ausstellung „DAM Preis 2017 für Architektur in Deutschland“ zu sehen. Die Schau stellt die 24 besten Bauten in und aus Deutschland vor, die für den Preis nominiert wurden. Darunter befindet sich die Grimmwelt Kassel von kadawittfeldarchitektur, die zu den vier Finalisten zählt, die die Jury vor Ort besichtigte. Die mit Modellen und Fotos präsentierten Projekte sind auch im Deutschen Architektur Jahrbuch dokumentiert, das jährlich einen Überblick über aktuelle deutsche Architektur im In- und Ausland vermittelt. Die Ausstellung zum DAM Preis, der mit dem Unternehmen Jung als Kooperationspartner vergeben wird, ist noch bis zum 30. April geöffnet. Das DAM-Jahrbuch 2017 ist bei DOM publishers erschienen.

Nach Aufgabe der Schule an der Franzstraße, mitten in der Aachener Innenstadt, lobte die Stadt Aachen gemeinsam mit der agp GmbH einen Wettbewerb zur Neunutzung des Areals aus, bei dem kadawittfeldarchitektur mit einem der zwei ersten Preise ausgezeichnet wurde. Der Entwurf sieht entsprechend der klaren Funktionsteilung der Bauaufgabe – ein Seniorenstift, frei finanziertes und öffentlich gefördertes Wohnen – ein Ensemble aus drei Gebäuden vor. Im städtebaulichen Zusammenspiel öffentlicher und halböffentlicher Räume sowie kleiner privater Gärten entsteht inmitten des Ensembles ein „urbaner Pfad“, der die Franzstraße mit der Karmeliterstraße und dem Boxgraben verbindet. Entsprechend der Juryempfehlung überarbeiten aktuell die Verfasser der beiden ersten Preise ihre Entwürfe.

Die neue Firmenzentrale des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz in Berlin wurde von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) als erstes Gebäude weltweit mit dem „DGNB Diamant“ ausgezeichnet. Damit wird das Projekt – eine Kooperation von LOVE architecture and urbanism ZT, Graz, und kadawittfeldarchitektur – für seine herausragende gestalterische und baukulturelle Qualität gewürdigt. Das Bürogebäude in der Berliner Europacity besteht aus 15 übereinander liegenden Bürodecks, die über ein außenliegendes Tragwerk verbunden sind, das an die Frequenz des Wechselstroms erinnert. Mit dem „Diamant“ als Ergänzung zu den bestehenden Zertifikaten würdigt die DGNB als bislang einziges Nachhaltigkeitslabel gestalterische Qualitäten in der Nachhaltigkeitsbetrachtung.

In Hürth wurde jüngst das neue Laborgebäude für das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Rheinland (CVUA) eröffnet. Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur positioniert die öffentlichen Funktionen wie Bibliothek, Schulungs- und Konferenzräume im Erdgeschoss, während die Labore kompakt im Zentrum der drei Obergeschosse untergebracht sind. Eine umlaufende Open-SpaceZone nimmt die Auswertplätze, Gutachterbüros, Besprechungs- und Pausenzonen auf. Es entsteht eine offene Kommunikationslandschaft mit Blick in die Umgebung. Die Fassade reagiert mit Vor- und Rücksprüngen sowie opaken und verglasten Elementen auf Baufluchtlinien und funktionale Anforderungen und bietet eine gute Belichtung bis in die Tiefen der Labore. Das Verhandlungsverfahren hatte das CVUA 2013 ausgelobt.


Es ging um Energie, genauer: um die modernste Lösung der Rohstoffbeschaffung. Dass das Gelände Jahrzehnte später einer der attraktivsten Kulturorte des Ruhrgebiets werden sollte, war kaum zu erwarten. Die maßgeblichen Architekten, Fritz Schupp und Martin Kremmer, vertraten allerdings die Auffassung, dass Industriearchitektur nicht nur zweckmäßiger, sondern wohl geformter Teil der täglichen Lebenswelt sein solle. So wurde die Zeche Zollverein in Essen nicht nur eine der größten ihrer Art, sondern auch eine der schönsten: rational im Detail ihrer mit Ziegel ausgefachten Stahlbauten, eindrucksvoll in der Gesamtanlage. Und heute UNESCO-Weltkulturerbe, das seine alte Qualität bewahrt – und weiter lebt. Eingriffe internationaler Architekten, zwei Museen, Kunstinstallationen, junge Unternehmenssitze haben ihm neue Perspektiven verliehen, die sich stetig weiter entwickeln. Der derzeit heranwachsende, jüngste Neuankömmling tritt selbstbewusst in diese Spuren. Als gemeinsamer Sitz der RAG-Stiftung und der RAG AG wird der Neubau von kadawittfeldarchitektur ab Ende des Jahres eine zentrale Funktion für die Zukunft des Geländes übernehmen. Westlich des ikonischen Zechenturms (1932) und unmittelbar vis-avis der mächtigen Kokerei (1961) gelegen,

schließt er die Ecke des Terrains am Übergang zum angrenzenden Waldstück. Die beiden Nutzer verteilen sich auf die Flügel des winkelförmigen Gebäudes, während gemeinschaftliche Einrichtungen wie Foyer, Konferenzräume und Kantine im „Gelenk“ zum Begegnungsort aller Mitarbeiter wer-

DIE BEGRÜNTE DACHEBENE VERMITTELT ZWISCHEN KULTURUND NATURRAUM. den. Die Planung folgt, wie im Masterplan von 2007 vorgegeben, den Bestandsbauten sowohl farblich und im Aufgreifen des Stahls als bestimmendem Material als auch in seiner pragmatischen Errichtungsweise, die Flexibilität und damit künftige Anpassungen erlaubt. Zugleich bewährt sich der Entwurf als eigenständig und zeitgemäß, was auch mit dem Augenmerk zu tun hat, das Bauherren und Planer auf die gewandelten gesellschaftlichen Herausforderungen legen: An die Stelle der engeren Energiefrage ist heute eine komplexere Auffassung von Zukunftsfähigkeit getreten, die den Baukörper im Ganzen prägt. Vorrangig war die Schaffung

qualitätsvoller Räume nicht allein im Innern, sondern ebenso nach außen und der Wille, den überbauten Grund an die Natur zurückzugeben. So entsteht eine begrünte Dachebene, die zwischen Kultur- und Naturraum vermittelt und selbst zur Landschaft wird. Vom vorgelagerten „Weißen Platz“ führt eine große Treppe hinauf; ansteigende Flächen über der Kantine und den Eckräumen erzeugen abgestufte Sitzbereiche; Pfade und Terrassen machen den Außenbereich nutzbar. Dazwischen sind Urban Gardening und Photovoltaik geplant, die zu Fragen von Naturnutzung und Energiegewinnung im engeren Sinne zurückführen. Der Entwurf, der die höchste DGNB-Zertifizierung in Platin anstrebt, orientiert sich zudem an innovativen Nachhaltigkeitsstandards nach dem „Cradle-to-Cradle“-Konzept. Letzteres bedeutet, dass Materialien und Bauteile neben gesundheitlichen und ökologischen Aspekten vor allem auch nach ihrer Wiederverwertbarkeit ausgewählt werden, sodass das Gebäude nach seiner Lebensdau- KENNDATEN er seine Rohstoff-Qualitäten bewahrt und ORT: Essen (DE) als Ressourcendepot dient. Was sich auch als BAUVOLUMEN: BGF 9400 m², BRI 38.700 m³ schönes Bild für Zollverein im Ganzen le- BAUHERR: Projektgesellschaft Zollverein – Im Welterbe 10 mbh & Co. KG sen lässt. Dass das Gelände seit schon mehr GENERALÜBERNEHMER: KÖLBL KRUSE als 20 Jahren ein zweites Leben führt, dürfte REALISIERUNG: 2016 – 2017 KOOPERATION: Greenbox Landschaftsarchitekten Schupp und Kremmer gefallen haben.

© Jochen Tack - Stiftung Zollverein

IN PROGRESS NEUBAU AUF ZOLLVEREIN

© KÖLBL KRUSE

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KRAFTWERK LAUSWARD

IMPRESSUM Redaktion: Nikola Müller-Langguth, Olaf Winkler Graphik & Layout: Kadadesign Auflage: 3.000 / 3 x im Jahr Druck: Print Holding Styria

KONTAKT

NEXT Schwerpunktthema: In der nächsten Ausgabe widmen wir uns der Neuen Direktion Köln.

kadawittfeldarchitektur Aureliusstraße 2 52064 Aachen fon +49(0)241-946 90 0 fax +49(0)241-946 90 20 www.kwa.ac office@kwa.ac


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