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KADAWITTFELD Architektur No.08/2014

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NOW AND NEXT Wie wollen wir künftig leben? Und wie können wir dies gut und dauerhaft gestalten? Wenn über zukunftsfähige Architektur diskutiert wird, ist heute berechtigterweise viel von Nachhaltigkeit die Rede, ein Begriff der zunehmend komplex gedacht wird. Und doch reicht das Thema weiter, geht es vor allem um soziale Kategorien, um unsere Wünsche, Bedürfnisse, Notwendigkeiten. Und darum, wie Architektur diese zusammenführen und damit zugleich vermittelnd wirken kann. Die aktuelle Ausgabe des Newspapers widmet sich der Vielfalt dessen, was zukunftsfähige Architektur ausmacht.Teil der Erkundung sind Gespräche mit Brian Cody, Direktor des Instituts für Gebäude und Energie an der TU Graz, Benoît Jacob, Designchef von BMW i, und Steffen Braun, Leiter ,Urban Systems Engineering‘ am Fraunhofer IAO in Stuttgart, über Perspektiven für morgen und den Beitrag, den gute Gestaltung dazu leisten kann.


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STADT-IMPULS DIREKTIONSGEBÄUDE AACHENMÜNCHENER: Schaffung neuer stadträumlicher Bezüge und Plätze durch die Integration öffentlicher Bedürfnisse in ein stadtzentrales privatwirtschaftliches Projekt

NEUE MOBILITÄTSKONZEPTE FREIRAUM MAXGLAN: Energieeffiziente Organisation der Mobilitätsbedürfnisse dank Kombination verschiedener Instrumente (ÖPNV, Fahrrad, E-Bike, Elektro-Car-Sharing, Parkplatzordnung für Compact Cars)

SCHADSTOFFFREIHEIT + ZERTIFIZIERUNG KITA TROPLO-KIDS DER BEIERSDORF AG: Gesunde Raumluft und Aufenthaltsqualität. Zertifizierung vielfältiger Nachhaltigkeitskriterien über den gesamten Gebäudelebenszyklus; Zertifizierungsziel: DGNB Gold

VERMITTLUNG NEW BLAUHAUS: Kombinierter, architektonisch integrierter Einsatz verschiedener moderner, energiesparender Technologien und deren öffentliche Präsentation im Hochschulkontext

KOMMUNIKATION ADIDAS LACES: Zentraler Mehrwertraum mit offener Erschließung und informellen Meeting Points zur Verknüpfung von Kommunikation, Aufenthaltsqualität, neuen Arbeitsmodellen und Unternehmensidentität

ERNEUERBARE ENERGIEN BÜROGEBÄUDE 411 GRÜNENTHAL AG: Ressourcenschonende Energieversorgung durch Kombination von Erdsondenanlage, thermisch hochwertiger Gebäudehülle, Bauteilaktivierung und mechanischer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

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NEUE TECHNOLOGIEN SALZBURGER HAUPTBAHNHOF: Einsatz neuer, leichter und wartungsextensiver Materialien zur Bewahrung und Restrukturierung eines historischen, stadtprägenden Bauwerks


No. 08/2014

REUSE + RECYCLE FASSADENGESTALTUNG MINTO: Realisierung einer zu 100 Prozent rezyklierbaren Fassadenhaut aus regional gefertigten Keramik­ lamellen. Zertifizierungsziel DGNB Gold

GEBÄUDEPERFORMANCE ADIDAS LACES: Frühzeitige planerische Betrachtung der Lebenszykluskosten zur Energiereduktion im späteren Betrieb (Präsenzsteuerung, Einsatz reinigungsextensiver Materialien, Nutzung von Ablufttemperatur, etc.)

ENERGIEBILANZ ERWEITERUNG IMC FH KREMS: Niedrigst­ energiehausstandard durch thermisch aktivierte Bauteile, Erdspeicher, hochwertig gedämmte Außenbauteile, automatisch gesteuerten Sonnenschutz und kontrollierte Raumlüftung

INTEGRALE PLANUNG

BAUEN IM BESTAND NEUE DIREKTION KÖLN: Erhaltung, Umnutzung und Ertüchtigung eines imageträchtigen Bestandsgebäudes zur Schaffung moderner Arbeitsplätze bei Reduktion von Energiebedarf und CO2-Ausstoß

Abb. Jens Kirchner (2),Taufik Kenan, Berlin (2 - HBF Salzburg),Werner Huthmacher (5), HOCHTIEF Projektentwicklung GmbH (1)

SALZBURGER HAUPTBAHNHOF: Frühzeitiges Einbinden und regelmäßiger Austausch aller Planungsbeteiligten und der Öffentlichkeit zur Ergebnisoptimierung. Zieldefinition inklusive aller Nachhaltigkeitskriterien.Vermittlungsfunktion des Architekten

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Now and next

Überlegungen zur Zukunftsfähigkeit von Architektur Gute Architektur erfüllt vielfältige Bedürfnisse. Sie schafft lebenswerte Orte, ist funktional, ästhetisch, umweltgerecht und wirtschaftlich – und das nicht nur mit Blick auf heute, sondern über sich ändernde Einflüsse hinweg. Die Frage, die sie im besten Fall zu beantworten sucht, lautet: Wie wollen wir leben, wohnen, arbeiten? Und, mehr denn je: Wie können wir dies dauerhaft gestalten? Unmittelbar davon berührt ist der Begriff der Nachhaltigkeit. Allerdings ist im Gebrauch des einstigen Modeworts eine gewisse Ermüdung eingetreten – während das dahinterstehende Denken komplexer geworden ist und zugleich voll wachsender Möglichkeiten. Ökologische Aspekte im engeren Sinne, wie Energiebilanz und Ressourcenschonung, sind dabei notwendige Kriterien. Hinzu kommen rasante technologische Entwicklungen, die ganz neue Chancen und Herausforderungen mit sich bringen. Beides aber trifft noch kaum Aussagen etwa über Atmosphäre und künftiges Miteinander – darüber, wie und in welchen Räumen wir uns aufhalten, bewegen, austauschen wollen. Zukunftsfähige Architektur verknüpft all diese Ebenen zu positiven Qualitäten. Sie schafft ein Ganzes, das diese Qualitäten selbstverständlich werden lässt und dessen ästhetische Gestalt maßgeblich zum langen Gebrauch beiträgt – grundlegender Aspekt, wenn es um Nachhaltigkeit im umfassenden Sinne geht. Die Chance des Architekten liegt zudem darin, schon im Prozess die Rolle des Vermittlers zu übernehmen: gemeinsam mit Partnern umsichtige Lösungen zu entwickeln und sie nachvollziehbar zu machen.

chender Nachweis auch für Bauherren an Bedeutung gewinnt, hat kadawittfeldarchitektur eigene DGNB-Auditoren im Team. So kann frühzeitig in der Planung und über PreChecks die angestrebte Nachhaltigkeit gesichert werden. Das gilt für Büro-, Wohn- oder öffentliche Bauten ebenso wie etwa bei der Kindertagesstätte für die Beiersdorf AG, die nach höchsten Kriterien mit dem Zertifizierungsziel Gold realisiert wurde. Die Vermittler- und Koordinationsfunktion der Architekten ist dabei wesentlich, zumal zunehmend unterschiedlichste Experten beteiligt sind.

Wie wollen wir leben und wie können wir dies dauerhaft gestalten? Zugleich stellt eine Zertifizierung nur einen möglichen Baustein der skizzierten Qualitäten dar, zu denen auch schwer quantifizierbare soziale und urbane Aspekte gehören. Dass verschiedene gesellschaftliche Themen auf einfache Weise ineinander greifen können, zeigt als Vergleich der Erfolg von Carsharing-Konzepten. Sie lassen sich wirtschaftlich, stadtstrategisch und ökologisch verstehen – und ebenso als Teil der ohnehin wachsenden Sharing-Ökonomie, die Ausdruck neuer Lebensstile ist: Modelle, zu denen die Krise beigetragen hat, die aber mehr statt weniger Möglichkeiten eröffnen, Kosten sparen und (öffentlichen) Raum gewinnen. Ähnliches gilt, wenn im Bausektor mittlerweile Leasingkonzepte für Bauteile entwickelt werden. Wenn diese nach einer gewissen Zeit vom Hersteller zurückgenommen und in den Gebrauchszyklus zurückgeführt werden, hat das ökologische ebenso wie ökonomische Vorteile, setzt aber vor allem einen neuen Blick auf vermeintlich Unverrückbares voraus.

Nachhaltigkeit Die Nachhaltigkeitsdiskussion selbst hat sich entsprechend geweitet, wie etwa die Zertifizierungskriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zeigen. Sie berücksichtigen ökologische, ökonomische, Potentiale soziokulturelle und funktionale sowie techÜbertragen auf architektonische Planung nische Aspekte ebenso wie die Prozess- und indirekt die Standortqualität. Da ein entspre- bedeutet das, die Bedürfnisse aller Beteilig-

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ten als Potentiale zu begreifen. Deren positive Organisation, und nicht Verzicht, steht im Vordergrund. Ihre Zusammenführung und Gewichtung in einer klaren Gestalt kann Mehrwerte schaffen, wo im Einzelnen vielleicht noch Widersprüche erscheinen. So kreiert das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum Adidas Laces in Herzogenaurach rund um einen von Stegen durchzogenen Innenbereich eine belebte Raumstruktur, die heutige Arbeits-/Lebensvorstellungen in vielfältige Orte übersetzt. Die Schließung des Atriums zum Zwischenklimaraum optimiert derweil die Kubatur mit unmittelbaren Effekten für die Energieersparnis, die ihrerseits einfache und sparsame Heizungsund Lüftungsprinzipien erlauben. Die neue Hauptverwaltung der AachenMünchener in der Aachener Innenstadt verzichtet hingegen bewusst auf Kompaktheit zugunsten einer urbanen Gliederung mit neu gewonnen öffentlichen Räumen. Dahinter steht eine Vermählung privater und öffentlicher Interessen, die das Gebäude zum zukunftsfähigen Baustein in Aachen macht – auf eine Weise, die ein kompakter Quader nicht hätte leisten können. Beide Projekte schaffen kommunikative ,Mehrwert-Räume‘, deren Attraktivität sich durch Mehrfachlesbarkeit ergibt – was nicht theoretisch gedacht ist, sondern im Sinne von ,shared qualities‘ zusätzliche (stadt-)räumliche, atmosphärische und technische Gewinne meint, die die nachhaltige Wirksamkeit erhöhen.

österreichische Niedrigstenergiehausstandard vorgeschrieben; die realisierten Lösungen bilden den Hintergrund etwa für aktuelle Bürobauprojekte. Ähnliches gilt für die Fassade des Shopping-Centers MINTO, ein Bautyp, dem normalerweise keine Vorreiterfunktion zugesprochen wird, der hier aber die Planung einer vollständig rezyklierbaren Außenhaut erlaubt. Nach dem Gewinn des Fassadenwettbewerbs durch kadawittfeldarchitektur konnten zudem die städtebaulichen Qualitäten durch Modifizierung der äußeren Form optimiert werden, einschließlich Rückwirkungen auf das Raumprogramm. Zumal das Büro prägend beim Austausch mit der Bevölkerung mitwirkte und das Projekt so frühzeitig mit der Öffentlichkeit abgestimmt und positiv besetzt wurde.

Die positive Organisation der Bedürfnisse steht im Vordergrund.

Eine besondere Position in puncto Energie nimmt das Energie-Effizienzzentrum NEW Blauhaus ein, das derzeit auf dem Campus der Hochschule Niederrhein entsteht. Zum Einsatz kommt modernste Technologie u.a. mit Blockheizkraftwerk, Gas-BrennwertKessel, Wärmepumpe, Eisspeicher und Photovoltaikelementen, die integraler Bestandteil der Architektur werden. Das Gebäude vernetzt diese Möglichkeiten nicht nur, sondern ,PrototypEN‘ Entscheidend ist also immer auch ein Ab- macht sie als Präsentationsort anschaulich. Es wägen. Der niedrige Energieverbrauch ei- wird damit auch Exempel – als Grundlage für nes Passivhauses etwa ist erstrebenswert, der die individuelle Adaption: Unmittelbar wertechnische Aufwand aber nicht immer glei- den sich die Erfahrungen nicht auf jeden Ort chermaßen sinnvoll oder umsetzbar und die übertragen lassen, nicht zuletzt weil die soziNutzerfreundlichkeit oft nur eingeschränkt alen Bedürfnisse immer wieder andere sind. vorhanden. Umgekehrt erlaubt eine auf viel- Letztere bleiben zentral; die Erkundung und fältiger Kooperation basierende Bürostruktur, Vermittlung heutiger – nicht nur technischer dass individuelle Projekte auch Prototypcha- – Möglichkeiten und Notwendigkeiten ist rakter innerhalb der Gesamtarbeit erhalten. Teil davon. So war bei der FH-Erweiterung in Krems der


Abb. links © Institut für Gebäude und Energie - Foto Siegfried Streitfelder; Abb. rechts Konzeptstudien BMW i8, Quelle BMW Group

No. 08/2014

Interview Gespräch mit Prof. Brian Cody, Direktor des Instituts für Gebäude und Energie,TU Graz; CEO VON ENERGY DESIGN CODY

Gespräch mit Benoît Jacob, Automobildesigner, Designchef der NEUEN BMW-marke BMW i

Herr Cody, wo liegen beim Thema Nachhaltigkeit die größten Missverständnisse; wie reagieren Sie darauf in der Lehre? Aus meiner Sicht suggeriert der Ausdruck Nachhaltigkeit eine viel zu konservative Haltung. Es kann nicht lediglich darum gehen, alles so zu erhalten, wie es ist, sondern vielmehr darum, wie wir mit unseren Handlungen die Situation jetzt und für die Zukunft viel besser machen können! Wir müssen etwa nicht nur den negativen Impact eines Gebäudes auf seine Umgebung minimieren, sondern den positiven Impact maximieren; ein Paradigmenwechsel im Denken! Eines der größten Missverständnisse im Bereich der Architektur liegt darin, dass der Begriff der Energieeffizienz falsch verstanden und missbraucht wird. Effizienz heißt Performance, das Verhältnis zwischen Input (Ressourcen) und Output (Qualitäten). Es geht nicht darum, lediglich den Energiebedarf unserer Gebäude zu reduzieren, sondern die raumklimatischen, architektonischen und städtebaulichen Qualitäten gleichzeitig zu maximieren und eben darum das Verhältnis zwischen diesen Größen zu optimieren. An meinem Institut in Graz haben wir ein System entwickelt, das eine ganzheitliche Evaluierung in diesem Sinne unterstützt. Dies und vieles mehr wird in der Lehre von Anfang an – auch im Rahmen von Entwurfs­ projekten – behandelt.

Herr Jacob, welche Bedeutung hat Design heute im unternehmerischen Gefüge von BMW? Design hat in der BMW Group einen enorm hohen Stellenwert und genießt große Freiheit. Schließlich ist Design das, was die Kunden als erstes erleben. Aber das Design birgt auch eine große Verantwortung – es ist ein Versprechen, das anschließend vom Fahrerlebnis eingelöst werden muss.Wenn ein BMW also schnell aussieht, dann ist er es auch. Und wenn das Auto scharfe Linien hat, dann reagiert es auch präzise. BMW i war eine besondere Herausforderung für uns, bot aber auch ungewöhnliche Möglichkeiten. Für diese Fahrzeuge mussten wir zusätzlich auch Nachhaltigkeit und Außergewöhnlichkeit sichtbar machen. Neue Materialien und die neue Architektur mit den beiden Modulen ,Life‘ (Fahrgastzelle) und ,Drive‘ (Antrieb) des Fahrzeugs ermöglichten uns aber auch neue Freiheiten für das Design.

Alle Aspekte einschließlich der Ästhetik müssen ineinandergreifen. Eine nachhaltige Entwicklung kann per se nicht mit einem Verlust an ästhetischer Qualität unserer gebauten Umwelt einhergehen. Deshalb geht es mir auch in der Praxis bei der Entwicklung von Klima- und Energiekonzep-

ten für Gebäude und Urban-Design-Projekte immer darum, die Gesamtperformance zu maximieren. In der Zusammenarbeit mit hervorragenden Architekturbüros führt dies dann auch häufig zu einer Generierung neuer Formen – ,Form follows Energy’.

DEN Positiven Impact maximieren

Welche Rolle spielen Lebensweisen? Inwieweit kann Architektur darauf Einfluss nehmen? Das ist einer der wichtigsten Aspekte überhaupt. Die Herausforderungen, aber auch das Potential für die Architektur sind dabei enorm. Unsere Forschung hat gezeigt, dass es einer radikalen Umstrukturierung unserer physischen Infrastruktur bedarf; wir müssen die Stadt neu denken. In der Forschung arbeiten wir an Studien, bei denen eine konsequente Einbeziehung der bereits vorhandenen und verwendeten digitalen Infrastruktur in die Konzeption unserer physischen Infrastruktur wie Gebäude Design ist ein Versprechen, und Verkehrsnetze stattfindet. Diese Überledas eingelöst werden muss. gungen führen zwangsläufig zu ganz neuen Typologien etwa für Büro- und Wohngebäude. Die Konsequenzen gehen jedoch natürlich Mit dem Elektroauto i3 und dem Plug-indarüber hinaus und betreffen auch Verkehrs- Hybridsportwagen i8 hat BMW eine neue systeme, die produzierende Industrie und die Marke kreiert, mit Neuerungen von der KonLandwirtschaft. struktion bis zur Medientechnologie. Kann Design komplexe Neuheiten nicht nur emotionalisieren, sondern auch verständlich machen? Genau das ist unserer Meinung nach die Prof. Brian Cody studierte Ingenieurwesen an der University of Dublin. Aufgabe eines guten und authentischen AuEr ist Direktor des Instituts für Gebäude und Energie an tomobildesigns. Es sollte dem Kunden die der TU Graz und CEO der Energy Design Cody ConFunktionen, technische Innovationen und den sulting GmbH, die an der Entwicklung von innovativen Klima- und Energiekonzepten für Bauprojekte weltweit Charakter des Fahrzeugs vermitteln und darübeteiligt ist. ber hinaus einen emotionalen Bezug schaffen.

Denn die schönste Form nützt niemandem, wenn sie keinen Sinn ergibt oder nicht verstanden wird. Effizienz ist z.B. ein Thema, das sehr wichtig ist für unsere Kunden. Mit der visuellen Darstellung von Aerodynamik und einer sichtbaren Leichtbautechnik werden diese Eigenschaften über das Fahrzeugdesign erlebbar. So haben wir bei dem BMW i8 sogar die Heckleuchten durchströmt. Eine Idee, die uns im Windkanal kam. Neue Mobilitätskonzepte entstehen parallel zu neuen Stadt- und Lebensvorstellungen. Inwieweit arbeiten Sie interdisziplinär mit anderen Kreativen zusammen? BMW ist ein Unternehmen, das schon immer großen Wert darauf gelegt hat, Zukunft denken zu können. Daher beobachten wir kulturelle und soziale Strömungen auf der ganzen Welt – branchenunabhängig. Das erfordert auch einen regen Austausch mit externen Kreativen, der fest in unserer Designkultur verankert ist, sowie ein breites Interessensspektrum seitens der Designer. Eine spannende Herausforderung ist aktuell z.B. das Thema Interface-Design. Neue Technologien, Materialien aber auch das Nutzungsverhalten ändern die Wahrnehmung von ,Fahren‘ in einem Auto. Informationen und Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten Branchen, z.B. auch aus der Unterhaltungsindustrie, fließen hier zusammen und inspirieren uns.

Benoît Jacob studierte am Art Center College of Design im Schweizer Vevey. Er begann seine Laufbahn als Automobildesigner bei Renault. Seit 2004 ist er für BMW tätig, seit 2010 ist er Designchef der neuen Marke BMW i.

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Visuelles Protokoll des Umsetzungsforums Morgenstadt © Mathias Weitbrecht / www.integralinformationarchitecture.com

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MORGENSTADT Gespräch mit Steffen Braun, Leiter ,URBAN SYSTEMS ENGINEERING‘, Fraunhofer IAO

Herr Braun, Sie sind als ausgebildeter Architekt Koordinator des Forschungsprojekts ,Morgenstadt: City Insights‘ der FraunhoferGesellschaft.Was sind die Ziele? Im Rahmen der High-Tech-Strategie der Bundesregierung gibt es einen Beschluss für ein Zukunftsprojekt ,CO2-neutrale, energieeffiziente und klimaangepasste Stadt‘. Morgenstadt ist zunächst eine strategische Initiative, die bei Fraunhofer vor drei Jahren gegründet wurde, um dies frühzeitig zu unterstützen. Das Ziel war, die Vielfalt der Themen- und Technologiefelder im Hinblick auf eine Fragestellung zu bündeln: Wie muss zukunftsfähige, nachhaltige Stadtentwicklung aussehen? In diesem Kontext haben wir das Innovationsnetzwerk ,Morgenstadt: City Insights‘ aufgebaut, in dem wir mit anderen Fraunhofer-Instituten, Industrie- und auch Städtepartnern zusammenarbeiten. In der aktuell zweiten Phase entwickeln wir umsetzbare Lösungen für die Stadt von morgen, in der gesamten Breite von der Transformation von Stadtquartieren über neue Smart CityKonzepte bis etwa zu autonomen Mobilitätssystemen. Lässt sich das schon konkretisieren? In der ersten Phase haben wir eine Art Referenzmodell erarbeitet – wo stehen Städte heute, was machen manche schon richtig im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung? Da-

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bei wurden bereits Tendenzen deutlich. Ein Beispiel ist die Dezentralisierung von Infrastrukturen. In allen Bereichen – Energie, Mobilität etc. – zerfallen die großen Infrastrukturen in neue kleinere Zellen, die näher an den Lebensräumen der Bürger sind, sodass auch Stadtquartiere eine neue Bedeutung bekommen. Zudem gibt es disruptive Entwicklungen, die die Stadt maßgeblich verändern werden. Dazu zählt etwa autonome Mobilität. In ersten Abschätzungen zeigt sich, dass durch die Umstellung auf autonomes Fahren in den Städten bis 2030 oder 2040 bis zu 50 Prozent der Verkehrsflächen eingespart werden können, bei Erhöhung des Verkehrsflusses. Das schafft ganz neue Freiräume.

Wir müssen die heutige Stadt, die unter anderen Bedarfsprämissen entstanden ist, transformieren. Schließt das eine Neubewertung städtischer Funktionen und ihrer Relationen ein? Auf jeden Fall. Das Thema der Funktionstrennung etwa ist absolut vorbei. Es werden neue hybride Quartiere entstehen, in denen Leben und Arbeiten wieder näher zusammenrücken. Ein spannendes Forschungsfeld ist die Reintegration von Produktionsstätten in die Stadt, weil diese keine Abgase mehr er-

zeugen, sondern High-Tech nutzen, zusätzliche Energie generieren und Pendlerwege verkürzen können. Wir sehen auch, dass die Innenstädte, die auf Konsum spezialisiert sind, momentan durch den E-Commerce bedroht werden. Da wird in den nächsten Jahren ein starkes Umdenken stattfinden. Die bisherige Trennung von öffentlichem Raum und sonstigen Funktionsräumen kann völlig neu gedacht werden, eine zunehmende Multifunktionalität im Sinne einer besseren Ausnutzung heutiger Ressourcen wie dem Stadtraum. Wie lassen sich ganzheitliche Bedürfnisse einer künftigen Öffentlichkeit vorhersagen? Manches kann man recht gut prognostizieren. Im Sinne der Kondratjew‘schen Zyklen befinden wir uns im sechsten Zyklus, der dem Thema nachhaltige Entwicklung bzw. Life Sciences folgt und in dem es darum geht, wie sich Wirtschaftswachstum, Lebensqualität und Nachhaltigkeit zusammenführen lassen. Komfort – mit weniger Aufwand einkaufen, sich bewegen usw. – und die Digitalisierung sind klare Treiber. Andere Aspekte können wir überhaupt noch nicht abschätzen. Eine aktuelle Studie der Oxford University besagt, dass in vielen Branchen bis zu 50 Prozent der Arbeitsplätze durch Automatisierung wegfallen können. Wir wissen noch kaum, wie sich das in Städten auswirken wird. Interessant ist auch, wie sich diese Entwicklungen überlagern. Und wir müssen die heutige Stadt, die unter anderen Bedarfsprämissen entstanden ist, transformieren. Welche Rolle kann die Architektur in diesem Zusammenhang spielen? Vorweg gesagt: Wir müssen uns wieder ein wenig ins Bewusstsein rufen, dass wir Utopien entwerfen können. Wir können an der Schnittstelle von Technik und Gesellschaft Ideen weiterdenken. Hinzu kommt, dass sich auch das ,Gebäude‘ verändert. Bisher wird ein Gebäude bis zur Grundstücksgrenze geplant; morgen geht es um Vernetzung. Ein Gebäu-

de kann etwa für ein gesamtes Quartier ein Energiespeicher sein, also über seine Grenzen hinaus einen Mehrwert darstellen. Anderes Beispiel: Wenn Menschen zuhause oder im Zug arbeiten, verändert sich die Funktion eines Bürogebäudes. Es wird interessant sein, nicht mehr auf der Ebene eines Gebäudes zu denken, sondern zu verstehen, dass ein Gebäude Teil eines sozialen und technischen Komplexes ist, eines Quartiers, in dem Interaktion stattfindet und zunehmend auch Ressourcen ausgetauscht werden. Darum muss in anderen Einheiten gedacht werden. Wie wird sich unser Verhalten ändern? Die bisherige Strategie ist, alles effizienter zu machen, dafür müssen wir nicht viel ändern in unserem Verhalten. Aber zunehmend geht es auch um Fragen der Suffizienz oder der Konsistenz: Wie schaffen wir es, mit weniger auszukommen, als zur Verfügung steht? Das braucht andere Lebensweisen, die wir uns heute noch schwer vorstellen können. Aber die nächsten Generationen werden maßgeblich neue Verhaltensweisen entwickeln, ganz von selbst. Nehmen wir das Auto: Als Statussymbol verliert es schon an Bedeutung, Führerscheinbesitz geht zurück. All das spielt sich bereits ab, müssen wir aber noch stärker fördern und gestalten! Kann Architektur hier auch eine Vermittlerfunktion übernehmen? Absolut. Das betrifft die Frage des Vorausdenkens. Dann hat die Architektur ganz klar eine Vermittlerrolle, weil sie Themen vorweg aufgreifen sowie Gestaltung und Anreize für andere Verhaltensweisen geben kann, die in Zukunft ganz selbstverständlich sein werden.

STEFFEN BRAUN studierte Architektur und Stadtplanung in Stuttgart, Buffalo und Tampere. Er ist aktuell Leiter des Competence Teams ,Urban Systems Engineering‘ am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart.


No. 08/2014

Wettbewerb

Fertigstellung

1. Preis für Neue Halle 12 der Messe Frankfurt

TRIBÜNE DRESSURStadion zum CHIO 2014 eröffnet

Mitte September konnte kadawittfeldarchitektur den von der Messe Frankfurt ausgelobten Wettbewerb für die Halle 12 für sich entscheiden. Der Entwurf für die neue Messehalle integriert das verglaste übergeordnete Transport- und Wegesystem der Messe – die ‚Via Mobile‘ – in die Fassadengestaltung. Nach außen als verglaste Fuge innerhalb der lichten Fassadenhaut ablesbar, weitet sich die ‚Via Mobile‘ an den Eingängen, Foyers und Gastronomiezonen zu repräsentativen mehrgeschossigen Aufenthalts-

räumen mit Blick auf das Messetreiben. Die Halle selbst ist ringförmig von einer Zone aus Nebenräumen und Haustechnikanlagen umschlossen. Es entsteht eine frei bespielbare Halle ohne störende Einbauten. „Der Siegerentwurf hat wegen seiner gelungenen Fügung der unterschiedlichen geforderten Funktionen in einem kompakten Baukörper und deren Ablesbarkeit überzeugt“, sagte Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. 2016 soll mit den Bauarbeiten begonnen werden.

Pünktlich zum renommierten CHIO (Concours Hippique International Officiel) im Juli 2014 wurde in der Aachener Soers die neue Tribüne des Deutsche-Bank-Dressurstadions fertiggestellt und unmittelbar in Betrieb genommen. Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur schließt die bislang offene Ostseite des bestehenden Dressurstadions, in dem die Wettbewerbe in Dressur, Springen, Voltigieren, Fahren und Reining stattfinden. Ein weit auskragendes Dach faltet sich um und über die Tribüne, deren 1.200 Plätze über

eine große repräsentative Freitreppe erreicht werden. Unterhalb des Tribünenkörpers befinden sich alle Funktionsräume wie Sanitärbereiche, Lager- und Technikflächen sowie Räume für temporäre Nutzungen. Die neue Tribüne wurde in einer Bauzeit von nur elf Monaten realisiert und ist eine von mehreren Baumaßnahmen, mit denen der AachenLaurensberger Rennverein (ALRV) seine Reitsportanlagen für die Austragung der FEI Reit-Europameisterschaften im August 2015 vorbereitet.

Realisierung

Auszeichnung

Kooperation

Realisierung

Richtfest Grimmwelt Kassel

Grosser DAI PREIS für Baukultur

Startschuss turbineN IM LWL-Klinik + Kraftwerk Küchenhaus Lausward

Im Juni wurde der Abschluss der Rohbauarbeiten für die neue Grimmwelt in Kassel gefeiert. Das Ausstellungshaus auf dem Weinberg in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt ist dem Werk der Brüder Grimm gewidmet. Als begehbare Skulptur spielt es mit der Topografie des Parks, während das Innere auf verschiedenen Split-Level-Ebenen um ein zentrales Museumsfoyer organisiert ist. Die multimediale wissenschaftliche Ausstellung wird sich an Besucher aller Altersklassen richten. Der Entwurf ging aus einem Wettbewerb hervor, den die Stadt Kassel Ende 2012 ausgelobt hatte. Die Bauarbeiten an dem Neubau mit 2550 m² Nutzfläche sollen Anfang 2015 beendet sein. Nach dem daran anschließenden Inneneinbau und der Einrichtung der Ausstellung ist die Eröffnung der Grimmwelt für Sommer 2015 geplant.

Der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine (DAI) hat Gerhard Wittfeld im September mit dem Großen DAI Preis für Baukultur ausgezeichnet. Der Preis wird alle zwei Jahre an Persönlichkeiten verliehen, die sich national und international um die Architektur und Baukultur verdient gemacht haben. „Gerhard Wittfeld leistet mit seiner Arbeit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Baukultur in unserem Land. Sein Büro steht auch für das internationale Renommee deutscher Architektur. Nicht zuletzt verdient er diese Auszeichnung, weil er sich als Lehrender für die Nachwuchsförderung und -ausbildung einsetzt“, so DAI Präsident Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart. Zu den Preisträgern zählten zuletzt Prof. Dr.-Ing. Jörg Schlaich, Sir David Chipperfield und Lord Norman Foster.

In Dortmund wurde im Juli der Grundstein für den Neubau der LWL-Klinik gelegt. Auf dem Gelände der ehemaligen Provinzialheilanstalt Aplerbeck entstehen ein neues Klinikgebäude und ein Küchenhaus. kadawittfeldarchitektur ist bei dem Projekt Kooperationspartner des österreichischen Ateliers Thomas Pucher, das das vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe 2012 ausgelobte VOFVerfahren für sich entscheiden konnte. Der Klinikbau organisiert in einer kleeblattartigen Struktur Behandlungsräume und Stationsbereiche mit Tagesbereich und Patientenzimmern. Ein unterirdischer Versorgungsgang verbindet das Gebäude mit dem zweigeschossigen Küchenhaus, das neben Lager und Küche Speise- und Konferenzräume umfasst. Das insgesamt 23.200 m² BGF große Projekt soll 2016 fertiggestellt werden.

Im Frühsommer sind die Großkomponenten von Siemens für das neue Erdgaskraftwerk in der Düsseldorfer Lausward angekommen. Für die Einhausung des entstehenden stärksten und effizientesten Gas- und Dampfturbinenkraftwerks der Welt ist kadawittfeldarchitektur zuständig. Eine modulare Fassade aus Stahlrahmen hüllt die verschiedenen Gebäudeteile ein und rhythmisiert das große Volumen. Im größten Rahmenelement entsteht eine Aussichtsplattform, von der aus Besucher über die Kraftwerksanlage und das Düsseldorfer Stadtzentrum blicken können. Der Entwurf ging aus einem Fassadenwettbewerb hervor, den die Stadtwerke Düsseldorf gemeinsam mit der Stadt Düsseldorf ausgelobt hatten und den kadawittfeldarchitektur für sich entscheiden konnte. Die Fertigstellung ist für Anfang 2016 geplant.

© Siemens AG

© Stadt Kassel

News

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Impressum Redaktion: Nikola Müller-Langguth, Olaf Winkler Graphik & Layout: Kadadesign Auflage: 3.000 / 3 x im Jahr Druck: Print Holding Styria

Kontakt

NEXT In der nächsten Ausgabe widmen wir uns der Erweiterung des Dressurstadions in Aachen.

kadawittfeldarchitektur Aureliusstraße 2 52064 Aachen fon +49(0)241-946 90 0 fax +49(0)241-946 90 20 www.kwa.ac office@kwa.ac


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