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8 Innovationsklausel

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6 Energieberatung

6 Energieberatung

[§ 103]

Das GEG enthält im §103 mit der Innovationsklausel Absatz 1 und 2 eine neue Regelung, die die Anforderungssystematik für Treibhausgase (THG) bei zu errichtenden Gebäuden öffnet.

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Bei einer gleichwertigen Begrenzung der THGEmissionen und der Einhaltung eines bestimmten Höchstwertes des Jahres-Endenergiebedarfs kann auf die Erfüllung der Anforderungen an den Primärenergiebedarf, den Transmissionswärmeschutz und auf eine separate Anforderung zur Nutzung erneuerbarer Energien verzichtet werden.

Die Befreiung ist jedoch bei den nach Landesrecht zuständigen Behörden im Einzelfall zu beantragen, zusätzlich ist die Anwendung der Innovationsklausel bis zum 31.12.2023 befristet.

Die Absätze 1 und 2 der Innovationsklausel ermöglichen die Umstellung der Hauptanforderung auf die THG-Emissionen für Einzelobjekte. Vorteile in der Bilanzierung würden sich vor allem dann ergeben, wenn ein THG-armer Energieträger mit hohem Primärenergiefaktor zum Einsatz kommen würde, der die normale Erfüllung der primärenergetischen Anforderungen nicht ermöglicht. Derartige Energieträger sind im Bereich der Gebäudeversorgung bisher nicht gebräuchlich.

Die genannten Eigenschaften – hoher PEF bei gleichzeitig niedrigem CO2-Faktor – würden auf Wasserstoff zutreffen, der durch die Dekarbonisierung von Erdgas erzeugt wird („blauer“ Wasserstoff, ggf. – je nach THG-Bilanzierung – auch „türkiser“ Wasserstoff). Die Anforderungen für den Einsatz derartigen Wasserstoffs auf Basis der im GEG enthaltenen Innovationsklausel sind jedoch hoch: › Die Nachweisführung erfordert besondere Sachkenntnis, u. a. müssen die CO2-Faktoren für den

Wasserstoff belastbar ermittelt werden, da das

GEG anders als bei bisher üblichen Energieträgern keinen entsprechenden CO2-Faktor für Wasserstoff enthält. Typischerweise würden Forschungsinstitute zur Ermittlung solcher Faktoren eingebunden werden. Kommerzielle Software dürfte für die

Nachweise nicht geeignet sein. › Die nur mögliche, aber nicht zwingende Befreiung nach Antrag bei der zuständigen Landesbehörde sorgt mindestens für eine Verzögerung bei der

Bauantragstellung und zusätzlich für eine Rechtsunsicherheit. Letztendlich ist die Befreiung von der

Einschätzung der nach jeweiligem Landesrecht zuständigen Behörde abhängig und damit keinesfalls sicher.

› Die zusätzlich zur Einhaltung der THG-Emissionen erforderliche Einhaltung des maximal 0,75fachen

Endenergiebedarfs des Referenzgebäudes führt dazu, dass baulicher Wärmeschutz und anlagentechnische Ausstattung mit einem bei normaler

Nachweisführung zulässigen Gebäude weitestgehend vergleichbar ausgeführt werden müssen. Es ergeben sich daher keine Investitionskostenvorteile für einen Bauherrn im Vergleich zum Einsatz eines Erdgas-Brennwertkessels.

Die genannten Hürden führen dazu, dass die Innovationsklausel nur in Sonderfällen angewendet wird. Eine maßgebliche Vereinfachung des Einsatzes von „blauem“ Wasserstoff ist durch die Innovationsklausel nicht zu erwarten.

Ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff („grüner“ Wasserstoff) weist sowohl einen geringen CO2-Faktor als auch einen niedrigen PEF auf. Er ist daher von der Innovationsklausel nur eingeschränkt betroffen, da hier der Nachweis der Einhaltung der Anforderungen auch über den Primärenergiebedarf geführt werden könnte. Allerdings ist auch hier wegen des im GEG nicht vorhandenen PEF für „grünen“ Wasserstoff kein Standard-Nachweis der Anforderungserfüllung möglich.

Sogenannter „grauer“ Wasserstoff, der sowohl bezüglich des PEF als auch beim CO2-Faktor hohe Werte aufweist, ist für die Erfüllung der GEG-Anforderungen generell nicht geeignet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Innovationsklausel oder aber der StandardNachweis angewendet werden soll.

Die Innovationsklausel enthält im Absatz 3 eine weitere Klausel für Bestandsgebäude: Die bedingten Anforderungen an die Transmissionswärmekoeffizienten von erneuerten Bauteilen (sinngemäß: Wenn ohnehin Maßnahmen am Bauteil vorgenommen werden, dann sind bestimmte Transmissionswärmekoeffizienten einzuhalten) gelten generell als erfüllt, wenn das Gebäude insgesamt bei Primärenergiebedarf und Transmissionswärmekoeffizient maximal 40 % über den Werten des Referenzgebäudes liegt. Die Innovationsklausel erweitert diese Befreiung vom Einzelgebäude auf ein Quartier: Der Nachweis der höchstens 40%igen Überschreitung-Überschreitung der beiden Kennwerte Primärenergiebedarf und Transmissionswärmekoeffizient darf für mehrere Gebäude gemeinsam erbracht werden. Dies führt in der Praxis dazu, dass bei regelkonformer Ausführung der Sanierung von beispielsweise zwei Gebäuden ein drittes Gebäude mit geringerem baulichem Wärmeschutz saniert werden dürfte. Die praktische Anwendung dieser Innovationsklausel setzt jedoch voraus, dass die Gebäude gemeinsam saniert werden. Der vermeintliche Vorteil einer geringeren Ausführung des baulichen Wärmeschutzes kommt aber nur einem Gebäude „zugute“, dafür treten in diesem Gebäude langfristig höhere Energiebedarfe auf. Eine Anwendung dürfte daher nur in Frage kommen, wenn ein Eigentümer alle Gebäude besitzt.

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