Corona-Zeit

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VINSCHGER GESELLSCHAFT

Ein 100er in Corona-Zeiten Der älteste Bürger der Gemeinde Latsch, Josef Raffeiner, hat am 15. April seinen 100. Geburtstag gefeiert – inmitten der Coronavirus-Krise. LATSCH - Es war ein besonderer Geburtstag, wie ihn Josef Raffeiner, der langjährige Latscher Gemeindesekretär, am 15. April feiern konnte. Nicht nur, dass der älteste Bürger der Gemeinde Latsch 100 Jahre alt wurde, sondern auch die Umstände, die Zeiten der Coronavirus-Krise, machten diesen runden Geburtstag sicherlich einzigartig. „Eine große Familienfeier konnten wir natürlich nicht machen, es war aber dennoch ein schöner Geburtstag“, betont sein Sohn Roman der gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin im Haus mit Josef Raffeiner lebt. Am Morgen sei das Geburtstagskind von den Beiden mit einem Kuchen überrascht worden. „Wir haben den Tag hauptsächlich zu dritt verbracht“, erzählt Roman Raffeiner. Auch das Geburtstagsessen an diesem besonderen Tag habe somit lediglich zwischen den drei im selben Haus lebenden Personen stattgefunden. Trist sei der Geburtstag jedoch dennoch nicht gewesen. Im Gegenteil. Den ganzen Tag über gab es zahlreiche Anrufe und WhatsApp-Nachrichten. In der vergangenen Woche waren

die Maßnahmen im Hinblick auf die Coronavirus-Krise zwar leicht gelockert worden, aber auch kurze Besuche blieben größtenteils dennoch aus. Eine Abordnung der Latscher Gemeindeverwaltung, mit Bürgermeister Helmuth Fischer und Gertraud Gunsch sowie der Latscher Feuerwehrkommandant Werner Linser statteten Raffeiner einen kurzen Besuch ab und überbrachten Glückwünsche – mit Masken und einem Sicherheitsabstand von mehreren Metern versteht sich. Gunsch, die am 31. März in Pension gegangen ist und davor am Meldeamt der Gemeinde gearbeitet hat, war Ende der 1970er Jahre noch vom damaligen Gemeindesekretär Josef Raffeiner angestellt worden. Telefonische Geburtstagsgrüße überbrachte zudem auch der Latscher Gemeindereferent Mauro Dalla Barba.

100 Jahre und gut drauf: Josef Raffeiner.

die Glückwünsche. Der Höhepunkt des „Corona-Geburtstages“ sei dann eine große virtuelle Familienfeier gewesen. Familienangehörige, die mittlerweile in der ganzen Welt zerstreut sind, seine geliebten Enkel und Urenkel, von Latsch bis Wien, trafen sich über eine Internetplattform. „Wir 4 Kinder und die 9 Enkel mit Partnern und die 12 Urenkel waren dabei, somit 4 Generationen von Jahrgang 1920 Virtuelle Geburtstagsfeier bis 2020“, freut sich Sohn Roman. Am Nachmittag überbrachten Die virtuelle Konferenz projizierte noch die in der unmittelbaren er von seinem Laptop auf den TV, Umgebung wohnenden Kinder von so konnte das Geburtstagskind Josef Raffeiner ihrem Vater persön- mit allen sprechen. Via Internet lich, aber dennoch mit Abstand, brachten Kinder Geburtstagsge-

dichte live zum Vortrag, sogar ein Geburtstagslied wurde gemeinsam gesungen und dann auf den 100er angestoßen. „Jeder bei sich daheim, es war schon spannend und hat meinem Vater gut gefallen“, erzählt Roman Raffeiner. Und was sagte Josef Raffeiner selbst zu seinem runden Geburtstag? „Ich hätte mir nie erträumt, den 100er zu erreichen. Ich habe es sehr genossen, dass trotz der Coronavirus-Krise alle mit mir gefeiert haben“. Ohnehin ist Josef Raffeiner, der nach 11 Jahren als Gemeindesekretär in Dorf Tirol 1959 mit seiner Familie nach Latsch gezogen ist und dort bis 1978 als Gemeindesekretär gearbeitet hat, ein Rentner, der noch „gut beieinander“ ist. Die tägliche Zeitungslektüre darf nicht fehlen. Mit PC, Smartphone und Tablet kennt sich Josef Raffeiner aus. „Er schreibt fast täglich auf dem PC und derzeit liest er die Zeitungen meist online“, erklärt sein Sohn. Auch ein rund 45-minütiger Spaziergang stehe für den ältesten Latscher Bürger täglich auf dem Programm. MICHAEL ANDRES

AUFGESPÜRT & AUSGEGRABEN (44)

Kommen wir jetzt zu etwas völlig anderem Der Titel dieses Beitrages stammt aus dem Film „Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft“. Seit über zwei Monaten gibt es – völlig zurecht – nur ein Thema. Was vor wenigen Monaten wahlweise noch ein italienischer Dance-Act, japanisches Auto oder mexikanisches Bier war, taucht nun in allen denkbaren Kombinationen auf – ob als Corona-Test, CoronaFlashmob oder Corona-Party, es gibt kein Entrinnen. So und so. Kommen wir also zu etwas völlig anderem. Was könnte weiter entfernt sein von dieser Situation, die auf lange Sicht nur in einem europäischen Rahmen gemeistert werden kann? Möglicherweise die Vorstellung, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht. Nicht in Kalenderjahren, aber doch zumindest im allgemeinen Bewusstsein scheint eine Idee, auch wenn sie mit sicherer Regelmäßigkeit in den Medien auftaucht, meilenweit entfernt – oder muss man in Tirol sagen: kiloklafterweit? Es ist die Idee der politischen Unabhängigkeit. 2012 hatten die hiesigen Freiheitlichen dafür sogar eine Verfassung des Freistaates Südtirol präsentiert – ausgearbeitet von Universitätsprofessor und Föderalismusforscher Peter Pernthaler. Der aus 88 Artikeln bestehende Entwurf enthält eine Reihe interessanter Passagen. War beispielsweise in der ursprünglichen Version noch von drei Staats-

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DER VINSCHGER 14-15/20

sprachen zu lesen, was es einem Grödner erlaubt hätte, sich in der Malser Gemeinde eine ladinische Auskunft zu erstreiten, unterscheidet die Überarbeitung von 2013 zwischen Staats- und Amtssprachen: Das Ladinische gelte selbstverständlich nur für die ladinischen Gemeinden. Die Südtiroler und das Thema Sprache – ein ewiges Ringen. Heißt es 2012, dass auf Vorschlag der jeweiligen Sprachgruppe festgelegt wird „ob [...] der Unterricht der zweiten Staatssprache Pflicht ist“, schwächt man danach ab: „wie es gesetzlich auf Vorschlag der betreffenden Sprachgruppe festgelegt wird, [...] ist der Unterricht der zweiten Sprache Pflicht.“ Noch spannender waren aber folgende Fragen: Wäre ein Freistaat Südtirol noch Teil der EU? Oder der Reschen EU-Außengrenze? Wie sähe es mit dem Euro aus? Strittige Fragen, die weder Befürworter noch Gegner leicht beantworten können. Immerhin hätten wir – sprachlich – noch einen Landtag. Aber der Landeshauptmann weicht einem Ministerpräsidenten. Und der kann per Verfassung uneheliche Kinder zu ehelichen Z erklären. Gut, dass das geklärt ist.


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